SIPAZ Aktivitäten (Von Juli bis Oktober 2006)
30/11/20062006
02/01/20072006
1. Januar: Beginn der nationalen Rundreise des Delegierten Null in San Cristobal de Las Casas. Mehrere KommandantInnen und tausende Unterstützungsbasen der EZLN versammeln sich, um Subcomandante Marcos zu verabschieden.
März: Innenminister Carlos Abascal Carranza trifft sich mit den Abgeordneten der Friedenskomission COCOPA (1995 gegründete Kommission, die zum Dialog zwischen Regierung und Zapatistas beitragen soll). Er bestätigt, dass „mit Überwindung des Ausnahmezustands in Chiapas, die sogenannte ‚Grauzone‘ nicht mehr existiert“. Er teilt außerdem mit, dass das mexikanische Heer in Chiapas momentan nur Funktionen des Staates in Bezug auf seine Grenzen wahrnimmt.
Ende April: Der Bürgermeister von Tuxtla Gutiérrez, Juan Sabines Guerrero, kündigt seinen Austritt aus der PRI an. Einige Tage später wird er von der PRD zum Gouverneurskandidaten von Chiapas ernannt.
3. Mai: Acht fliegende HändlerInnen, welche Blumen in Texcoco (Bundesstaat Mexiko) verkauften, kommen in Konflikt mit der Polizei. Der zur PRD gehörende Bürgermeister hatte den HändlerInnen verboten, ihre Stände auf dem Platz aufzubauen, der für den Bau eines Walmart-Einkaufszentrums vorgesehen war. Es kommt zur gewaltsamen Konfrontation, in welche Mitglieder der Volksfront zur Verteidigung des Landes (FPDT) aus San Salvador Atenco, zugehörig zur Anderen Kampagne, verwickelt sind. Das Ergebnis zweier weiterer Polizeioperationen sind zwei Tote (ein Minderjähriger am selben Tag und im Juni ein weiterer Jugendlicher, der von der Polizei mit einer Tränengasgranate am Kopf verletzt wurde), mehrere Verletzte, 211 Festnahmen sowie 5 Ausweisungen von AusländerInnen. Mehr als 20 Frauen werden sexuell belästigt und 7 von ihnen von Einheiten der staatlichen Sicherheitskräfte auf dem Weg ins Gefängnis vergewaltigt. 28 der 211 Festgenommenen sind aufgrund schwerer Delikte (Entführungen von Funktionären) angeklagt. Am selben Tag unterbricht der Delegierte 0 (Subcomandante Marcos) seine Rundreise und bleibt vorerst in Mexiko-Stadt, bis alle Gefangenen frei gelassen werden. Er erklärt sofort „roten Alarm“ in den zapatistischen Gebieten von Chiapas.
Juni: Die Lehrerbewegung Oaxacas mobilisiert über 40.000 LehrerInnen zu einer Mahnwache, der sich weite soziale Bereiche des Bundesstaates anschließen. Was mit Gewerkschaftsforderungen beginnt, endet vor allem mit der Forderung nach dem Rücktritt des Gouverneurs Ulises Ruiz (PRI). Die meisten sozialen Organisationen Oaxacas machen ihn verantwortlich für die Repressionen von Seiten der Sicherheitskräfte. Die Volksversammlung der Völker Oaxacas (APPO) wird gegründet.
Januar bis Juli: Der Wahlkampf der Präsidentschaftswahlen ist durch große Spannungen charakterisiert. Es kommt ständig zu persönlichen Diskreditierungen. Alle anderen Kräfte stellen den Kandidaten, der, wenn auch knapp, der Favorit zu sein scheint, als Gefahr für Mexiko dar: Andrés Manuel López Obrador (AMLO). Damit fördern sie die „Angstwahl„. Besonders bemerkenswert ist die Beteiligung des Unternehmersektors, der mit hohem finanziellem Aufwand die Anti-AMLO-Kampagne unterstützt. Präsident Fox wirbt für den Kandidaten der PAN, Felipe Calderón. Laut einiger politischer Analytiker werden damit die Präsidentschaftswahlen zu „Staatswahlen“ [und damit von der Regierung beeinflusst].
2. Juli: Präsidentschaftswahlen in Mexiko. Aufgrund der geringen Stimmunterschiede der Kandidaten erklärt sich das Nationale Wahlinstitut IFE (die für die Stimmauszählungen zuständige Wahlbehörde) für unfähig, den Sieger zu benennen und verschiebt eine Vorhersage über die Prognosen. In den folgenden Tagen werden die Stimmen der Wahlkreise ausgezählt. Calderon wird als Sieger erklärt, obwohl der Stimmunterschied gegenüber Andrés Manuel López Obrador (AMLO) weniger als 1% beträgt. Die Wahl wird beim Nationalen Wahlgericht (TEPJF) angefochten.
5. August: Gewaltsame Räumung von 30 zapatistischen Ch’ol-Familien durch Polizeieinheiten aus dem Landkreis Tumbala im autonomen Landkreis El Trabajo (Palenque). Sie werden der Besitzenteignung beschuldigt.
April bis August: Die Wahlen in Chiapas verlaufen insgesamt zweifelhaft: Stimmenkauf, Stimmenmanipulation und Nötigung von Seiten der PRI, PRD und PAN; direkte Einmischung des Gouverneurs Pablo Salazar Mendiguchías sowie die Nutzung von Sozialprogrammen für den Wahlkampf von Seiten der chiapanekischen Regierung, um den Kandidaten Juan Sabines zu fördern (einschließlich Gelder, die für den Wiederaufbau der vom Wirbelsturm Stan betroffenen Gebiete bestimmt waren). Hinzu kommen ständige Parteiwechsel bekannter Politiker.
20. August: Gouverneurswahlen in Chiapas. Juan Sabines Guerrero gewinnt die Wahlen mit einem äußerst geringen Vorsprung von 0,55%. Die auf ihn entfallenen Stimmen repräsentieren allerdings nur knapp ein Fünftel aller Wahlberechtigten.
1. September: Im Rahmen des sechsten und letzten Präsidentschaftsbericht wird der Regierungspalast von 8.000 Soldaten, Bundespolizisten (PFP) und der Präsidentschaftsgarde umringt. Sie werden von Panzern und Heckenschützen unterstützt. Aus Protest gegen diese Militärpräsenz besetzen Abgeordnete der PRD und PT die Tribüne. Präsident Fox entscheidet, seinen Bericht schriftlich in der Vorhalle des Regierungspalastes zu überreichen.
5. September: Das TEPJF erklärt Felipe Calderón einstimmig zum gewählten Präsidenten und verwirft damit alle Anzeigen des „Bündnisses zum Wohl Aller“. Die Einsprüche wegen der Einmischung von Fox zu Gunsten Calderons werden zugelassen, genauso wie jene über die Wahlbeeinflussung von Seiten des Unternehmersektors, welche sich negativ auf die Kampagne AMLO’s ausgewirkt hatte. Dennoch urteilt das TEPJF, „der Einfluss beider Aktionen – wenn es sie denn gegeben hat – auf die Wahlen kann nicht beurteilt werden“.
16. September: Am nationalen Unabhängigkeitstag findet die Nationale Demokratische Konvention (CND) in Anwesenheit von über einer Million Delegierten des ganzen Landes statt. Sie rufen AMLO als legitimen Präsidenten aus und beschließen einen 6-Punkteplan: Nichtanerkennung Calderóns; AMLO am 20. November das Präsidentenamt übergeben und ihn autorisieren sein Kabinett zu bilden; auf kurze Sicht Widerstandsaktionen, um die Amtseinführung Felipe Calderóns am 1. Dezember zu verhindern; die CND mit periodischen Versammlungen aufrechterhalten und drei Koordinationskommissionen integrieren: „Nationale Politik“, „Ziviler Widerstand“ und „Organisation einer Volksabstimmung und der Verfassungsgebung“.
8. Oktober und 30. November: Der Delegierte Null setzt seine Rundreise durch die 11 Bundesstaaten fort, die er bis Mai nicht bereist hatte.
29. Oktober: Die Bundespolizei (PFP) wird von der Bundesregierung nach Oaxaca geschickt. Sie kommt in den frühen Morgenstunden in Oaxaca an und übernimmt die Kontrolle des zentralen Platzes.
13. November: 17 Familien der Dorfes Viejo Velasco Suárez im Lakandonischen Urwald, Chiapas, werden von mehreren hundert bewaffneten Bauern der „Comunidad Lacandona“ angegriffen. Die Zahl der Opfer und die Frage, wieviele von ihnen UnterstützerInnen der EZLN waren, bleibt offen. Einigen Berichten zufolge gab es vier Tote (darunter eine im 6. Monat schwangere Frau) sowie vier Entführungen. die angeblich mit Hinrichtungen endeten.
20. November: Andrés Manuel López Obrador tritt sein Amt als legitimer Präsident an.
25. November: Beamte der Bundespolizei (PFP) und Mitglieder der APPO, die ins historische Stadtzentrum Oaxacas marschierten, treffen gewaltsam aufeinander. Berichten der Zeitung „La Jornada“ zufolge, gibt es über 140 Verletzte, drei davon Journalisten, 140 Verhaftungen und zahlreiche angezündete öffentliche und private Gebäude sowie Autos.
1. Dezember: Felipe Calderon tritt, durch einen polizeilich-militärischen Einsatz geschützt, und vor einem polarisierten Parlament das Amt des mexikanischen Präsidenten an.
8. Dezember: Juan Sabines Guerrero tritt das Amt des Gouverneurs von Chiapas an.
16. Dezember: Die PFP zieht sich aus dem historischen Stadtzentrum Oaxacas zurück. Am nächsten Tag werden 43 Gefangene, die vermutlich zur APPO gehören, aus dem Gefängnis im Bundesstaat Nayarit entlassen.
18. Dezember: Die Nationale Menschenrechtskommission (autonome öffentliche Institution) veröffentlicht einen Bericht über die Gewalttaten in Oaxaca mit folgenden Ergebnissen: 349 Festnahmen, 370 Verletzte und 20 Tote.
22. Dezember: Anlässlich des 9. Jahrestages des Massakers von Acteal (wo 45 Indigenas starben) kündigt der Gouverneur von Chiapas, Sabines Guerrero, die Gründung einer Sonderstaatsanwaltschaft zur Ermittlung des Falles an.