Aktivitäten von SIPAZ (Von Mitte November 2010 bis Mitte Februar 2011)
28/02/2011AKTUELLES : Auf der Suche nach Alternativen gegenüber der zunehmenden Militarisierung
31/08/2011Die Gewalt, die Mexiko in den letzten Jahren erlitten hat, anstatt kein Nachrichtenthema mehr zu sein, ist weiterhin das Thema größter nationaler Sorge. Auf der einen Seite wird die Debatte der politischen Klasse fortgesetzt, darüber wie man dieser begegnen sollte. Auf der anderen Seite passieren Dinge, die eine Gesellschaft bestürzen, die sich scheinbar an die Gewalt und Resignation gewöhnt hatte, die aufgrund des sogenannten „Krieges gegen den Drogenhandel“ stark zugenommen hat, den Präsident Felipe Calderón 2007 begonnen hat. So der Fall eines Massengrabes, welches Anfang April in San Fernando (Tamaulipas) entdeckt wurde. Dort wurden 177 Opfer der Drogenmafia gefunden, in ihrer Mehrheit MigrantInnen.
Die Empörung über das Handeln oder Unterlassen der Behörden richtet sich in solchen Fällen selten gegen die Drogenkartelle, denn wer immer sich äußert, läuft Gefahr das nächste Opfer zu sein. Javier Sicilia, landesweit anerkannter Schriftsteller und Journalist, forderte diese Situation heraus, als er nach dem Mord an seinem Sohn in Cuernavaca (Morelos) einen „Offenen Brief an Politiker und Kriminelle“ schrieb. Von den Medien zusammengefasst in „Wir haben die Schnauze voll von euch“ hinterfragte er die Politiker auf ihre fehlenden Kapazitäten hin, „einen notwendigen nationalen Konsens zu schaffen, um die Einigkeit zu finden, ohne die kein Ausweg für das Land möglich sei (…) denn die Korruption der gerichtlichen Institutionen schafft Komplizenschaft mit dem Verbrechen und die Straflosigkeit, um sie zu begehen.“ Denn die Mehrheit der politischen Klasse „hat nur (…) Vorstellungen für Gewalt, für die Waffen, für die Rache und damit eine tiefe Abneigung gegen die Bildung, die Kultur und die Möglichkeiten einer guten und ehrlichen Arbeit“. Er hinterfragte die Kriminellen wegen ihrer Gewalt und ihrer fehlenden Ehre, „sie unterscheiden nicht mehr. Ihre Gewalt kann nicht mehr benannt werden, denn nicht einmal der Schmerz und das Leiden welche sie hervorrufen, hat einen Namen und einen Sinn.“ In demselben Brief rief Sicilia zu einer Demonstration auf, die am 8. April in verschiedenen Städten des Landes unter Beteiligung von tausenden Menschen stattfand.
Am 12. April verwies ein Kommuniqué des Subcomandante Marcos von der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) auf diese Demonstrationen: „der Schmerz und die Wut von Javier Sicilia (weit weg von Entfernung, aber nah an unseren Idealen seit Jahren) finden ein Echo in unseren Bergen. Es bleibt zu hoffen und gibt Hoffnung, dass seine legendäre Entschlossenheit, so wie sie jetzt unser Wort und unsere Aktion hervorruft, die Wut und die Schmerzen zusammenführt, die sich auf mexikanischem Boden vervielfältigen“. Ende April rief die EZLN ihre Basis, die Andere Kampagne und den Nationalen Indigenen Kongress dazu auf, sich dem Nationalen Marsch für die Gerechtigkeit und gegen die Straflosigkeit (auch Nationaler Marsch für Frieden, Gerechtigkeit und Würde genannt) anzuschließen, der Anfang Mai stattgefunden hat.
Menschenrechte: Hinterfragungen und unerledigt
Die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen über gewaltsames oder unfreiwilliges Verschwindenlassen präsentierte einen vorläufigen Bericht, nachdem sie ihren Besuch in Mexiko im März beendet hatten. Sie riet, die bewaffneten Streitkräfte aus den Einsätzen der inneren Sicherheit zurück zu ziehen. Sie erklärte, dass das Verschwindenlassen in der Vergangenheit des Landes „und auch aktuell weiter passiert“. Menschenrechtsorganisationen versichern, dass dieses Verbrechen zugenommen hat, seit die bewaffneten Streitkräfte begannen, Aufgaben der inneren Sicherheit zu übernehmen und berichten von 3.000 Klagen.
Auf der anderen Seite vervielfachte sich die Kritik seitens internationaler Plattformen, die auf die Verschlechterung des Kontextes für die MenschenrechtsverteidigerInnen in Mexiko hinweisen. 23 Organisationen aus 11 Ländern, die sich bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission in Washington versammelten, klagten über 2.000 Verletzungen gegen MenschenrechtsverteidigerInnen in den amerikanischen Ländern an. Sie beschrieben eine alarmierende Situation und führten an, dass die meisten Klagen aus Kolumbien, Mexiko und Guatemala (in dieser Reihenfolge) kämen. Im Europaparlament in Brüssel beklagten mexikanische MenschenrechtsverteidigerInnen, „dass der mexikanische Staat gegenüber der internationalen Gemeinschaft vorgibt, ein legitimes Interesse zu haben, Angriffe und Belästigungen gegen MenschenrechtsverteidigerInnen anzugehen, aber in der täglichen Realität ihrer Arbeit sieht es nicht danach aus. Im Gegenteil, sie leben in einer Situation ständigen Risikos“.
Sie sprachen sich für die Notwendigkeit eines Schutzmechanismus für MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen aus. Die Zivilgesellschaft müsse an dessen Ausarbeitung beteiligt sein. In dieser Aufgabe wurden keine Fortschritte erzielt, trotz der diesbezüglich öffentlich mitgeteilten Sorgen der Regierenden. Anfang April wurde endlich der Jahresbericht über die weltweite Menschenrechtssituation vom Außenministerium der USA veröffentlicht. Auch dieser zeigte eine starke Negativbilanz im Falle Mexikos.
Chiapas: Anklagen und Mobilisierungen
Im Hinblick auf das nationale Geschehen beunruhigt die Ankündigung eines neuen Militarisierungsprozesses an der Grenze von Chiapas mit Guatemala. Vor wenigen Wochen schlug die Antidrogenbehörde der USA, DEA, der mexikanischen Regierung vor, die südliche Grenze ähnlich zu militarisieren wie die Nordgrenze. In diesem Rahmen und auf ungewöhnliche Weise informierte der Kommandant der Siebten Militärregion, Salvador Cienfuegos Zepeda, dass sich aktuell 14.000 Soldaten im Bundesstaat befänden, und dass es nach dem Aufstand der EZLN 40.000 gewesen seien. Er ergänzte, dass die Bedrohungen an der Grenze durch Banden der organisierten Kriminalität hervorgerufen werden und negierte die Existenz bewaffneter ziviler Gruppen, oder zumindest, dass diese gefährlich seien.
Der Jahresbeginn war gekennzeichnet durch mehrere Meldungen der EZLN, nach deren Stillschweigen seit Ende 2008. In seinem Kommuniqué vom 12. April übte Subcomandante Marcos scharfe Kritik an der Regierung von Juan Sabines, der „diejenigen, die sich nicht dem falschen Chor der Lügen der Regierung anschließen, verfolgt und unterdrückt. Er verfolgt die MenschenrechtsverteidigerInnen an der Küste und im Hochland von Chiapas sowie die Indigenen von San Sebastián Bachajón, die sich weigern, ihr Land zu prostituieren. Er setzt paramilitärische Gruppen gegen indigene Gemeinden der Zapatisten ein“.
Im selben Sinne klagte das nationale Netzwerk „Alle Rechte für jede und jeden“ im Rahmen seiner nationalen Vollversammlung in San Cristóbal de Las Casas zur Situation von MenschenrechtsverteidigerInnen im südöstlichen Mexiko an: „Die generalisierte Gewalt im Land und die grundlegende Straflosigkeit verschärfen den Kontext von Repression, Armut, Kriminalisierung, Migration, Landenteignung und Angriffen auf diejenigen, die alle Rechte für jede und jeden verteidigen, fördern und ausüben“.
Ob Teil einer Unterdrückungsstrategie gegen die „Andere Kampagne“ (Initiative zu welcher die EZLN 2005 aufrief) oder nicht: Die Belästigungen gegen Organisationen an der Küste, die der „Anderen Kampagne“ angehören, sind in den letzten Wochen besonders aufgefallen. In weniger als einem Monat wurde der Direktor des Menschenrechtszentrums „Digna Ochoa“ (Tonalá), Nataniel Hernández, zweimal festgenommen. Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas (CDHFBLC) bekundete „seine Besorgnis aufgrund des Gebrauchs von rechtlichen Schritten gegen MenschenrechtsverteidigerInnen, um sie juristisch zu belästigen und um ihre Arbeit der Verteidigung und Förderung von Menschenrechten zu missachten“. Nataniel Hernández verließ das Gefängnis beim ersten Mal „unter Vorbehalt“ und beim zweitem Mal auf Kaution. Der Prozess gegen ihn bleibt noch offen.
Im Fall von San Sebastián Bachajón, Landkreis Chilón, veröffentlichte das CDHFBLC den Sonderbericht „Regierung schafft und verwaltet Konflikte für die territoriale Kontrolle in Chiapas“ über die Konfrontationen wegen der Kontrolle des Kassierhäuschens am Eingang zu den Wasserfällen von Agua Azul am 2. Februar diesen Jahres. Es prangerte die Strategie der chiapanekischen Regierung an, Konfrontationen zu provozieren, um die Kontrolle über Gebiete zu erlangen, die reich an natürlichen Ressourcen sind. Die BewohnerInnen von Bachajón bestätigen auf dieselbe Weise: Das „wurde von den drei Ebenen der Regierung finanziert, indem ein Abkommen mit den Behörden des Landkreises Tumbalá und den Regierungsanhängern von San Sebastián Bachajón ausgearbeitet wurde, um der Regierung das Touristenzentrum zu übergeben“. Am 8. April besetzten die BewohnerInnen, die der Anderen Kampagne angehören, das Kassierhäuschen ohne Gewalt. Am nächsten Tag wurde es durch einen Einsatz von ungefähr 800 Staats- und Bundespolizisten erneut erobert. Die BewohnerInnen entschieden sich für den Rückzug. Sie unterstrichen, dass sie dies nicht freiwillig taten, wie es in offiziellen Meldung behauptet wurde, sondern um sich vor den Angriffen zu schützen. Auch wurden Drohungen von regierungsnahen Gruppen der Gemeinde gegen MenschenrechtsverteidigerInnen und andere Personen (besonders Internationale), die solidarisch eingestellt sind, verbreitet.
Generell drehen sich die besonderen „Brennpunkte“ und Kämpfe in Chiapas um die Problematik „Land und Territorium„. Das regionale Forum zur Verteidigung von Land, Territorium und natürlichen Ressourcen, welches im März im Landkreis Frontera Comalapa stattfand, klagte verschiedene Arten von Projekten wie „Wasserkraftwerke, Ökotourismuszentren, Bergwerksprojekte, Anbau von Monokulturen (u.a. Pinienkerne, Ölpalme)“ an, welche „Spaltungen, Konfrontationen, Krankheiten, Umweltverschmutzung, Streit, Drohungen, Tote und die Kriminalisierung sozialer Proteste“ hervorriefen.
Nachdem es den Bundesstaat besucht hatte, berichtete das „Global Justice Ecology Project“, in Chiapas „wirtschaftliche Entwicklungsprojekte angetroffen zu haben, die den indigenen und Bauerngemeinden aufgezwungen würden, ohne jegliche Art von Mitbestimmung in freier Form, und ohne vorher informiert zu werden. Unter diesen Projekten befindet sich ein Regierungsprogramm zur Eingrenzung von geschütztem Naturraum“. Im März führten BewohnerInnen von Neu – Montes Azules im Landkreis Palenque eine vielleicht beispielgebende Straßenblockade, um die Einhaltung der vereinbarten Verpflichtungen der Staatsregierung nach ihrer Zwangsumsiedlung im Jahr 2005 zu fordern. Die Organisation Enlace, Capacitación y Comunicación unterstrich: „Sie versprachen ihnen den Himmel und gaben ihnen einen Alptraum“.
Ende März weihte Präsident Felipe Calderón eine neue „Nachhaltige Landstadt“ (CRS) in Santiago El Pinar ein, eines der Projekte, welches die Regierung von Chiapas stark fördert. Obwohl fast alle Medien die Pressemitteilungen der Regierung übernahmen, gilt es zu erinnern, dass das Projekt CSR von Anfang an große Kritik in der Zivilgesellschaft erfahren hat.
Was die Straflosigkeit betrifft, wurden im März ernsthafte Ungereimtheiten in der gerichtlichen Aufklärung des Todes von drei Indigenen und des gewaltsamen Verschwindenlassens von vier weiteren während eines gewalttätigen Eindringens von Zivilpersonen und 300 Polizisten in der Gemeinde Viejo Velasco (Landkreis Ocosingo) im Jahr 2006 angeprangert. Auf der anderen Seite wurde ein weiterer Indigener aus der Haft entlassen, der im Falle von Acteal verurteilt worden war (Ort des Massakers, bei welchem 45 Personen 1997 ermordet wurden). Bis zum heutigen Tag sind etwa 60 Indigene von diesen Taten freigesprochen, während 23 weitere zu 35 Jahren Haft wegen vorsätzlicher Tötung und Besitz von Schusswaffen, deren Gebrauch ausschließlich dem Militär vorbehalten ist, verurteilt bleiben.
Oaxaca: einige Fortschritte, viel zu tun
Zu den wesentlichen Fortschritten im Kampf gegen die Straflosigkeit gehörte im April die Aussage des Ministeriums für Kontrolle und Transparenz, sie habe finanzielle Ungereimtheiten im Wert von 1.735 Millionen Pesos allein im letzten Jahr der Regierung von Ulises Ruiz Ortiz aufgedeckt. Die Amtsinhaberin des Ministeriums bekräftigte, „wir sind gerade erst am ersten Faden des Strangs, am Beginn“.
Bei den Fortschritten kann man auch die Festnahme von einem der vermutlichen unmittelbaren Mörder von Heriberto Pazos Ortiz, Gründer der Bewegung zur Vereinigung und des Kampfes der Triqui (MULT), im Oktober 2010, erwähnen. Nichtsdestotrotz erkannte der Oberstaatsanwalt, dass die mutmaßlichen Auftraggeber des Komplizen sieben Tage nach dem Attentat hingerichtet wurden. Deshalb wurden keine weiteren Informationen bezüglich der geistigen Urheber des Verbrechens herausgegeben.
Jedoch wiesen Organisationen der Zivilgesellschaft auf die Begrenztheit des Kampfes gegen die Straflosigkeit hin, z.B. auf den misslungenen Fall der sogenannten „Staatsanwaltschaft zur Aufklärung von Verbrechen mit sozialer Tragweite“, die bisher noch keinen Amtsträger hat. Sie verlangen vom Gouverneur Gabino Cué Fortschritte in der Bildung einer Wahrheitskommission, die es erlaubt, Licht in die politischen Verbrechen der Vergangenheit zu bringen.
Am 27. April war ein Jahr vergangen seit dem Mord an Bety Cariño (Mitglied der Organisation „Zentrum für Unterstützung der Gemeinden, Vereint arbeiten“ – CACTUS) und Jyri Jaakkola (internationaler Beobachter aus Finnland)im Verlauf einer humanitären Karawane, die Richtung San Juan Copala unterwegs war. Da es nicht einmal Fortschritte in diesem Fall gab (trotz des Todes eines Ausländers), lässt sich für die anderen zahlreichen Morde in der Triqui-Region nicht viel erwarten.
An einer anderen Front für die neue Regierung haben sich die Spannungen mit der 22. Sektion der Nationalen Gewerkschaft der LehrerInnen (SNTE) verschärft. Es gab Zeichen, die eine Rückkehr zum Szenarium von 2006 befürchten ließen. Am 15. Februar stießen Demonstranten, die ihre Abneigung gegen den Besuch des Präsidenten Calderón ausdrücken wollten, mit Polizeieinheiten zusammen. Dabei wurden mindestens 28 Personen verletzt, darunter LehrerInnen, Journalisten, Fotografen und Polizisten. Am nächsten Tag blockierten LehrerInnen der 22. Sektion aus Protest gegen die Repression über 37 Straßen im Bundesstaat. In den folgenden Wochen führten sie weitere Proteste durch.
Unter den heiklen Themen befinden sich letztendlich auch alte Landprobleme (der Fall von Chimalapas) und neue Spannungen um Land und Territorium. Zum Beispiel wurden Proteste gegen das Staudammprojekt „Paso de la Reina“ durchgeführt sowie am Eingang des Bergwerks San José del Progreso, welche vom Unternehmen Cuzcatlán mit kanadischem Kapital betrieben wird.
Guerrero: neue Regierung, alte Probleme
Als der Gouverneur Zeferino Torreblanca seine Regierungszeit beendete, erhielt er starke Kritik wegen dem blutigen Erbe seiner Amtsführung. Die „Werkstatt für Gemeindeentwicklung“ (TADECO) und das „Komitee von Angehörigen und Freunden von Entführten, Verschwundenen, und Ermordeten in Guerrero“ erklärten: „[Die] Regierung von Zeferino Torreblanca entschied sich für die Repression als Regierungsform (…), was sich an der Existenz von über 250 Haftbefehlen gegen soziale Anführer sowie Förderer und Menschenrechtsverteidiger zeigt.“ Der Präsident der Menschenrechtskommission des Staates Guerrero (CODDEHUM), Juan Alarcón Hernández, versicherte, dass Guerrero während der Amtszeit von Torreblanca einen Rückschritt in Sachen Menschenrechte erlitten hat. Es wurden mindestens 202 Entführungen, über 5.000 Morde, darunter 11 an Journalisten und 447 an Frauen sowie 170 Fälle von Verschwindenlassen registriert. In der letzten Woche der Regierung von Torreblanca wurde auch die Zeitung „El Sur de Acapulco“ aufgrund von Morddrohungen gegen ihre Angestellten geschlossen. Der Direktor der Tageszeitung machte die Regierung dafür verantwortlich.
Am 1. April übernahm der neue Gouverneur Ángel Aguirre Rivero, Kandidat der Allianz „Guerrero vereint uns“ zwischen der Partei der demokratischen Revolution (PRD), Convergencia und der Partei der Arbeit (PT) das Amt des Gouverneurs. Wenige Tage nach seinem Amtsantritt traf sich Aguirre Rivero mit Mitgliedern des Rates der Dörfer und Gemeinden in Opposition zum Staudammprojekt La Parota (CECOP), um deren Argumente gegen den Bau des Wasserkraftwerkes in der Nähe von Acapulco kennenzulernen. Beim Treffen mit dem CECOP betonte Aguirre, er respektiere die Entscheidung der Bewohner der Zone, die davon betroffen sind. Der CECOP feierte auch die Aufhebung der Rechtswirksamkeit der Versammlung vom 28. April 2010, auf welcher in Abwesenheit der Opposition gegen das Projekt und in Anwesenheit hunderter Soldaten die Enteignung von 1.300 Hektar Land entschieden worden war, um den Staudamm zu bauen. Das Menschenrechtszentrum Tlachinollan betonte: „mit [dem kürzlichen Beschluss] summieren sich fünf entschiedene Verfahren für die BewohnerInnen gegen La Parota“.
Die Tatsache, dass sich die Repression gegen AktivistInnen weiterhin auf kritischem Niveau befindet, wurde durch den Mord an Javier Torres Cruz, Mitglied der Organisation „Umweltschützer der Sierra de Coyuca und Petatlán“ und Zeuge gegen den Kaziken Rogaciano Alba Álvarez im Fall des Mordes an der Menschenrechtsverteidigerin Digna Ochoa y Plácido (2001) nochmal besonders deutlich. Nachdem sie ausgesagt hatten, erlitten Torres und seine Familie wiederholt Belästigungen und Morddrohungen. Am 18. April wurde Javier Torres von einer Gruppe bewaffneter Männer aus dem Hinterhalt erschossen, angeblich angestiftet durch den erwähnten Kaziken. Als sie von dem Vorfall erfahren hatten, fuhren zwei Brüder von Torres an den Ort des Geschehens und wurden ebenfalls beschossen. Einer von ihnen wurde schwer verletzt. Amnesty International äußerte große Besorgnis um das Leben und die Unversehrtheit der Familienangehörigen von Torres Cruz und den BewohnerInnen der Gemeinde La Morena, wo das Opfer wohnte.
Unter den ermutigenderen Nachrichten ist der Freispruch von drei Mitgliedern des Gemeinderadios Radio Comunitaria Ñomndaa. Sie wurden der Freiheitsberaubung beschuldigt und zu 3 Jahren und 2 Monaten Gefängnis sowie einer Geldstrafe von 753.000 Pesos verurteilt. Laut Verteidigung existieren keine Beweise, dass die Beschuldigten an der Tat beteiligt gewesen seien.
Eine weitere Hoffnung: In den Regionen La Montana und Costa Chica begann die sogenannte Kampagne für die Verteidigung des Territoriums „mit offenem Herzen verteidigen wir unsere Mutter Erde gegen die Bergwerke“. Am 28. März versammelten sich verschiedene Organisationen, Gemeinderadios und alternative Medien, um Aktivitäten gegen die Ausbeutung von Minen in der Zone zu beginnen. Allein in den Jahren 2005 bis 2010 wurden ungefähr 200,000 Hektar von indigenem Territorium von der Bundesregierung an ausländische Minengesellschaften übergeben, ohne das Recht auf Mitsprache der indigenen Völker zu beachten.