2009
04/01/2010AKTUELL : Chiapas – Vom Zuckerbrot zur Peitsche?
26/02/20102009
Vom 31. Dezember 2008 bis 5. Januar 2009: Es findet das Erste Weltweite Festival der Würdigen Wut statt. In Oventik wird der 15. Jahrestag des bewaffneten Aufstands der EZLN begangen. Am 2. Januar beginnt im CIDECI-Universidad de la Tierra in San Cristóbal de las Casas eine Reihe von runden Tischen und Aktivitäten zum Thema „Eine andere Welt, eine andere Politik“, von der EZLN moderiert.
10. Februar: Mexiko wird vom UN-Menschenrechtsrat mit Hilfe des Mechanismus zur periodischen Überprüfung der Menschenrechte (UPR) bewertet. 91 Empfehlungen werden ausgesprochen, von denen Mexiko 83 annimmt und gegenüber den übrigen acht Vorbehalte äußert. Dabei handelt es sich um genau die Punkte, die von Seiten der Zivilgesellschaft kritisiert werden: z.B. die Straflosigkeit und die Mechanismen, um diese zu bekämpfen (besonders in Themen wie Gender, indigene Völker, Minderjährige und JournalistInnen), das Militärstrafrecht, das Rechtsmittel des arraigo (ähnlich dem Arrest bzw. der Ingewahrsamnahme) und die Definition von „organisierter Kriminalität“.
11. Februar: Die Ermittlungen des Obersten Gerichtshofs (SCJN) zum Fall Atenco (Mai 2006) ergeben, dass Grund- und Individualrechte schwer verletzt und hunderte Personen misshandelt wurden. Zudem wird festgestellt, dass 2.726 Beamte an der Operation beteiligt waren, deren Handeln zwar „gerechtfertigt„, aber „exzessiv, unverhältnismäßig, ineffizient und kaltblütig“ war. Trotz allem werden der Gouverneur des Bundesstaates Mexiko, der Minister für öffentliche Sicherheit und andere hohe Staatsfunktionäre von jeder Verantwortung freigesprochen.
17. Februar: Aufgrund des begrenzten Beschlusses des SCJN wird die Nationale und Internationale Kampagne Freiheit und Gerechtigkeit für Atenco initiiert. Durch sie wird versucht, die Zivilgesellschaft in die Forderungen nach Freiheit der 13 politischen Gefangenen im Fall von Atenco einzubeziehen. Es soll ihre Entlastung und die Bestrafung der Verantwortlichen erreicht sowie die Kriminalisierung der sozialen Proteste gestoppt werden.
Zwischen dem 18. und 23. Februar werden drei Gefangene der Organisation „Stimme von Los Llanos“ und einer der „Stimme von El Amate“ freigelassen. Damit verbleibt nur noch einer von den Gefangenen, die im vorangegangenen Jahr einen Hungerstreik begonnen hatten, in Haft: Alberto Patishtán Gómez (seit Juni 2000 inhaftiert), Mitglied der „Stimme von El Amate“. Da sein Fall jedoch unter Bundesrecht fällt, wird seine juristische Situation einen anderen Verlauf nehmen müssen.
23. Februar: Der Generaldirektor für Menschenrechte des Verteidigungsministeriums (Sedena), behauptet, dass die Ergebnisse des Militärs im Bereich der Menschenrechte „akzeptabel sind“, denn obwohl die Militärpräsenz im Kampf gegen die organisierte Kriminalität zugenommen hat (täglich sind 45.000 Soldaten im Einsatz), „sind es nicht viele“ Empfehlungen, die im vorigen Jahr gegen Soldaten ausgesprochen wurden. NROs verurteilen seinen Kommentar und erklären, dass es keine „akzeptable“ Ebene gibt, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht.
26. Februar: Der Rat der Guten Regierung (JBG) von Oventic beklagt Militäreinsätze von Bundestruppen in der Nähe des Caracols sowie Überflüge von Flugzeugen und Hubschraubern in der Region.
7. und 8. März: Im Rahmen des internationalen Frauentags findet im Caracol Oventic zu Ehren von Doña Concepción García de Corral („Mamá Corral“) ein Zapatistinnentreffen statt.
12. März: Es werden Schikanen und Belästigungen gegenüber dem Menschenrechtsverteidiger der Volkswiderstandsbewegung des Südens (MRPS-FNLS) und Mitglied der Menschenrechtskommission der Nationalen Kampffront für den Sozialismus (FNLS), Marcos López Pérez, öffentlich gemacht.
21. und 22. März: Es findet das Zweite Binationale Treffen Chiapas – Guatemala zur Verteidigung des Territoriums statt. Es konzentriert sich hauptsächlich auf die Themen: Bergbau, Staudämme und die Verteidigung des Wassers.
27. März: In Washington äußert die Interamerikanische Menschenrechtskommission (IAKMR) „ihre Besorgnis darüber, dass in einigen Ländern der Region noch immer die Militärgerichtsbarkeit angewendet wird, um Verbrechen, die von Angehörigen der Streitkräfte oder der Polizei begangen wurden, zu untersuchen und zu ahnden. Die IAKMR wiederholt, dass die Militärgerichtsbarkeit ausnahmslos bei Vergehen angewendet werden darf, die innerhalb des Militärs und/oder zwischen Militärangehörigen begangen werden“.
27. März: Auf Initiative der chiapanekischen Regierung wird eine Sonderstaatsanwaltschaft zum Schutz von Nichtregierungsorganismen im Bereich der Menschenrechtsverteidigung geschaffen. Dies geschah, nachdem ein Vorschlag der Nationalen Menschenrechtskommission (CNDH) angenommen wurde, um vermeintliche Verzögerungen bei der juristischen Aufarbeitung von Angriffen auf das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas (CDHFBC) im Oktober 2006 zu bearbeiten.
13. April: Sechs Angehörige der indigenen Gruppe der Tseltal, EinwohnerInnen des Ejidos San Sebastián Bachajón (Landkreis Chilón) und Anhänger der „Anderen Kampagne“, werden von der Polizei (PEP) festgenommen. Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas (CDHFBC) klagt ihre willkürliche Festnahme, Folterungen, ihre unmenschliche, erniedrigende Behandlung und Bestrafung sowie die Verletzung ihrer Prozessrechte an.
15. April: Ca. 3.000 KatholikInnen verschiedener Landkreise des Zentralgebirges von Chiapas demonstrieren für die Annullierung von 56 Minenkonzessionen, die an kanadische und US-amerikanische Konzerne vergeben wurden.
15. April: AnhängerInnen der „Anderen Kampagne“ des Ejidos San Sebastián Bachajón beginnen eine Strassenblockade an der Kreuzung von Agua Azul, um die Freilassung ihrer sechs Inhaftierten zu fordern. Sie beenden die Blockade zwei Tage später, um Konfrontationen zu vermeiden.
19. April: Miguel Vázquez Moreno, welcher der Unterstützungsbasis der EZLN angehört, wird, vermutlich aus demselben Grund wie einige Tage zuvor die sechs Angehörigen der indigenen Gruppe der Tseltal, an der Kreuzung von Agua Azul verhaftet. Er wird nach wenigen Tagen freigelassen.
21. April: Die Vermittlungskommission zwischen der Revolutionären Volksarmee (EPR) und der Regierung erklärt fast ein Jahr nach ihrer Gründung ihre Mission für beendet. Ihr Ziel war die Aufklärung der Situation zweier Mitglieder dieser bewaffneten Gruppe, welche sie für verhaftet-verschwunden hielten. Sie unterstreicht, dass diese Entscheidung aufgrund der fehlenden Bereitschaft der Regierung zur Zusammenarbeit getroffen wurde. Die Regierung sei außerdem wenig bemüht, die beiden Verschwundenen wiederzufinden
23. April: Das Plenum des Bundesparlaments verabschiedet mit 287 Stimmen und einer Gegenstimme eine Verfassungsreform im Bereich Menschenrechte. Auch wenn dies ein Fortschritt bedeutet, weisen verschiedene Menschenrechtsorganisationen darauf hin, dass mehrere Forderungen nicht berücksichtigt wurden, so z.B. die Reihenfolge der von der mexikanischen Regierung unterzeichneten internationalen Verträge, die Wiedergutmachung durch den Staat, die Ausübung kollektiver Rechte, die Verpflichtung internationalen Urteilen und Empfehlungen zu folgen oder die Abschaffung der Militärgerichtsbarkeit.
26. April: Das Nationale Netzwerk Ziviler Menschenrechtsorganisationen „Alle Rechte für alle“ stellt einen Bericht vor, in welchem mindestens 41 Fälle in den letzten zwei Jahren aufgeführt werden, in denen es zu polizeilicher Repression, willkürlichen Verhaftungen, Konfrontationen zwischen Gemeinden, Drohungen, Schikanen und Morden an UmweltschützerInnen in 13 Staaten der Republik (einschließlich Chiapas) kam. Es wird aufgezeigt, dass die Arbeit von UmweltschützerInnen im Land (besonders im Bereich der Verteidigung des Wassers, des Landes, der Wälder, der Bodenschätze sowie der Biodiversität) immer gefährlicher wird, je stärker ihr Handeln die ökonomischen Interessen von Regierungen, Kaziken und internationalen Konzernen berührt.
Ende April: Gesundheitlicher Notstand aufgrund des Virus AH1N1. In diesem Kontext verabschiedet das Parlament Erklärungen, die mit dem Nationalen Sicherheitsgesetz verbunden sind. Im besonderen wird die „Erklärung über die akute Bedrohung der inneren Sicherheit“ in Kraft gesetzt, welche der Regierung erlaubt, ohne Zustimmung des Parlaments den Ausnahmezustand auszurufen.
7. Mai: Der Rat der Guten Regierung von Morelia veröffentlicht eine neue Meldung, in der sie die sofortige Freilassung der Gefangenen von Bachajón fordert und „die Anti-Aufstandskampagne“, die von der Regierung Sabines in verschiedenen Landkreisen des Gebietes Tsot’s Choj geführt wird, beklagt.
17. Mai: RepräsentantInnen von 20 Organisationen aus sieben mexikanischen Bundesstaaten gründen in San Cristóbal de Las Casas das Nationale Netzwerk des zivilen Widerstands gegen die hohen Stromtarife.
18. Mai: In San Cristóbal de Las Casas findet eine öffentliche Reflexions- und Analyseveranstaltung zum Thema „Bedrohungen des indigenen Territoriums im Süden und Südosten Mexikos“ statt.
28. Mai: Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas (CDHFBC) stellt seinen Jahresbericht vor. Aus diesem geht hervor, dass dieses Menschenrechtszentrum im Jahr 2008 insgesamt 675 Beschwerden aufgrund der Verletzung der Grundrechte in Chiapas empfangen hat.
30. Mai: BewohnerInnen des Ejido San Sebastián Bachajón, Anhänger der Anderen Kampagne, demonstrieren in Ocosingo für die Freiheit der im April festgenommenen Dorfbewohner.
9. Juni: Die Organisation Las Abejas organisiert die Aktionstage für Gerechtigkeit und Wahrheit „Actal: 11 Jahre Straflosigkeit. Wie lange noch?“.
11. Juni: Mexikos Regierung muss erneut vor dem UN-Menschenrechtsrat erscheinen und weigert sich wieder, die Empfehlungen anzunehmen, die sie schon während der periodischen Überprüfung der Menschenrechte (EPU) im Februar abgelehnt hatten. Diese beinhalten folgende Themen: die Militärgerichtsbarkeit, die Praxis des arraigo (ähnlich dem Arrest bzw. der Ingewahrsamnahme), die Definition von organisierter Kriminalität sowie das Verfahren hinsichtlich der Straflosigkeit.
14. Juni: Bekanntgabe des Manifests von Ostula, ein Dokument, das von indigenen Dörfern und Gemeinden aus neun Bundesstaaten verabschiedet wurde, die als Delegierte an der 25. Versammlung des Nationalen Indigenen Kongress (CNI) der Region Zentrum-Pazifik teilnehmen. Angesichts der staatlichen und paramilitärischen Repression, der sie ausgesetzt sind, sowie der neoliberalen Politik „der Verachtung, Diskriminierung, Zerstörung und Tod“, betonen sie ihr Recht auf Selbstverteidigung, um ihr Territorium und ihre natürlichen Ressourcen zu schützen.
Juni: Mehrere Schikanen und Drohungen gegen MenschenrechtsverteidigerInnen werden vom Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas, der Nationalen Kampffront für den Sozialismus (FNLS) und der Organisation Maderas del Pueblo del Sureste öffentlich gemacht.
20. und 21. Juni: Im zapatistischen Caracol Morelia findet das erste Amerikanische Treffen gegen die Straffreiheit statt, an dem Personen aus 15 Ländern des lateinamerikanischen Kontinents sowie Delegierte aus Europa und Australien teilnehmen. Die Straffreiheit wird wiederholt als Tatsache der Vergangenheit und der Gegenwart in Lateinamerika angeprangert.
5. Juli: Es finden Wahlen statt, um mehr als 1.500 öffentliche Ämter im ganzen Land zu besetzen. Die Stimmenthaltung beträgt 55,19% und 5,4% der abgegebenen Stimmen sind ungültig. Im Vorfeld der Wahlen ist eine bedeutende Bewegung für eine ungültige Stimmabgabe entstanden. Trotz der niedrigen Wahlbeteiligung, weisen die Ergebnisse doch deutliche Veränderungen im Vergleich zum vorangegangenen Jahrzehnt auf: nachdem die Partei der Institutionellen Revolution (PRI, die Partei die bis zum Jahr 2000 über 70 Jahre lang an der Macht gewesen war) fast 12 Jahre lang keine Mehrheit in der Abgeordnetenkammer hatte, ist sie der große Gewinner der Wahl. Von insgesamt 500 Sitzen gewinnt sie 237. Ebenfalls am 5. Juli gewinnt sie fünf der sechs neu zu wählenden Gouverneursposten.
9. Juli: Fünf der sieben Angehörigen der indigenen Gruppe der Tseltal, Anhänger der Anderen Kampagne, aus dem Landkreis San Sebastián Bachajón, werden freigelassen. Sie wurden im April in der Nähe der Wasserfälle Agua Azul in verschiedenen Polizeieinsätzen festgenommen.
14. Juli: José Luis Soberanes, Präsident der Nationalen Menschenrechtskommission (CNDH) erklärt vor dem Parlament: „Es ist besorgniserregend, dass der Einsatz der Bundesstreitkräfte die Gewalt, welche die organisierte Kriminalität und der Drogenhandel erzeugt, nicht aufgehalten hat. Im Gegenteil, er hat zu zahlreichen Klagen wegen mutmaßlichem Amtsmissbrauch gegen unschuldige Personen geführt“. Nach Angaben der CNDH wurden während der aktuellen Regierungsperiode über 1.600 Klagen gegen das Militär aufgrund von Vergehen wie willkürliche Tötungen, Folter, Vergewaltigung, willkürliche Festnahmen und exzessive Anwendung von Gewalt und Schusswaffen gemeldet.
21. Juli: Im Ejido Mitzitón, Landkreis San Cristóbal de Las Casas, findet eine Auseinandersetzung statt. Es gibt einen Toten und fünf Verletzte. Sie waren alle Anhänger der Anderen Kampagne, die von der EZLN und BewohnerInnen dieser Tsotsil-Gemeinde einberufen wurde.
30. Juli: Mitglieder der Anderen Kampagne des Ejido Mitzitón errichten eine Straßenblockade, um verschiedene Forderungen bekannt zu geben: die Ablehnung des Autobahnbaus zwischen San Cristóbal de Las Casas und Palenque, die freie Selbstbestimmung der Völker und umgehende Gerechtigkeit für Aurelio Díaz Hernández, der am 21. Juli überfahren wurde.
31. Juli: Chiapas wird zum ersten Bundesstaat der Welt, der in seine Verfassung die Verpflichtung zur Umsetzung der UN-Millenniumsziele aufnimmt.
7. und 8. August: Zweites Nationales Treffen der MenschenrechtsverteidigerInnen in Mexiko-Stadt. Es werden eine Reihe von Merkmalen in Bezug auf die Situation von Menschenrechten im Land identifiziert, darunter „die Kriminalisierung der MenschenrechtsverteidigerInnen durch Anklage wegen angeblich begangener Straftaten, um Sanktionen gegen Personen zu erwirken, die ihre Rechte einfordern; systematische Angriffe der Polizei auf DemonstrantInnen, Belästigungen und Schikanen“, sowie die „Verunglimpfungskampagnen gegen MenschenrechtsverteidigerInnen und deren Arbeit sowie von sozialen AktivistInnen“.
9. August: Während des Mexiko-USA-Kanada-Gipfels erklärt Felipe Calderón, dass seine Regierung „gewissenhaft“ ihre Verpflichtungen in Bezug auf die Menschenrechte erfüllt und „wer das Gegenteil behauptet, ist verpflichtet, in nur einem Fall das Gegenteil zu beweisen, in nur einem einzigen Fall“. Als Antwort darauf senden ihm fünf zivile Menschenrechtsorganisationen ein Schreiben, in dem sie als Beispiel sieben Fälle von Menschenrechtsverletzungen seitens des Militärs gegen Zivilpersonen beschreiben, die alle in seiner Amtszeit geschehen sind.
10. und 11. August: Die Organisation Las Abejas führt die „Aktionstage für Gerechtigkeit und Wahrheit“ durch. Damit will sie der Freilassung der Personen vorbeugen, die nach dem Massaker von Acteal im Jahr 1997 festgenommen wurden. Verschiedene nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen beziehen ebenfalls Stellung dazu.
12. August: Der Oberste Gerichtshof (SCJN) gibt dem Einspruch von 26 Indígenas statt, die seit über elf Jahren im Gefängnis sitzen. Sie wurden aufgrund des Massakers an 45 Indigenas verurteilt, das am 22. Dezember 1997 in der Gemeinde Acteal im Landkreis Chenalhó stattfand. 20 von ihnen werden am nächsten Morgen auf freien Fuß zu gesetzt, während die restlichen sechs die Revision ihrer Prozesse erreichen. Die Regierung von Chiapas zeigt gewissen politischen Realismus, indem sie versucht, die Rückkehr der aus der Haft Entlassenen nach Chenalhó zu verhindern, um Konfrontationen vorzubeugen. Sie bietet ihnen Land, Wohnraum und Arbeit an. Die Organisation Las Abejas beklagt den beschränkten Charakter dieser Maßnahme. Außerdem gibt sie öffentlich bekannt, dass die Regierung von Chiapas versucht hat, sie zu spalten und mit bewaffneten Gruppen in Verbindung zu bringen.
16. August: Alberto Brunori, Vertreter des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OACNUDH) in Mexiko, besucht Chenalhó sowie die Familienangehörigen und Überlebenden des Massakers von Acteal.
17. August: Mariano Abarca, Gegner des Bergwerks in Chicomuselo (Zentralgebirge von Chiapas) wird aufgrund einer Mahnwache verhaftet, welche seit Juni die Arbeit der Firma Blackfire (transnationales Bergbauunternehmen mit Sitz in Kanada) behinderte. Er wird eine Woche später frei gelassen, obwohl die Schikanen gegen die Anti-Bergwerksbewegung aufrecht erhalten werden, wie auf dem Treffen des Mexikanischen Netzwerks der vom Bergbau Betroffenen (REMA) am 29. und 30. August in Chicomuselo deutlich wird, wo Polizisten sich als Journalisten ausgeben.
20. August: Anhänger der Anderen Kampagne aus den drei vom Bau der Autobahn San Cristóbal de Las Casas – Palenque betroffenen Gemeinden Mitzitón, Jotolá und San Sebastián Bachajón sowie das Einheitlich Geplante Zentrum San Cristóbal – Palenque (CIPP) fordern die Beendigung der Repression aufgrund der Verteidigung ihres Territoriums.
20. August: Kürzlich freigegebene Dokumente der US-Regierung werden von der US-amerikanischen NRO National Security Archive (NSA) veröffentlicht. Diese stützen und belegen von Menschenrechtsorganismen seit mehr als einem Jahrzehnt gemachte Aussagen, dass die mexikanische Armee im Rahmen der Aufstandsbekämpfung gegen die zapatistischen Unterstützungsbasen in den 90er Jahren die Paramilitärs direkt unterstützt hat.
28. August: Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas (CDHFBC) meldet neue Belästigungen und Schikanen gegen seine Mitglieder sowie gegen Gemeinden und Organisationen, mit denen sie zusammenarbeiten.
August: Im Rahmen der mit der mexikanischen Regierung getroffenen Vereinbarung scheinen die USA sich mit dem bisher Erreichten durch die Betonung der bisherigen Anstrengungen im Vergleich zu noch ausstehenden Vorhaben zufrieden zu geben. Sie geben die 214 Millionen Dollar im Rahmen des Plans Mérida frei. Dieser versucht, Mexiko im Kampf gegen die organisierte Kriminalität zu unterstützen.
7. September: Die Organisation Las Abejas de Acteal lehnt in einem öffentlichen Schreiben an den Gouverneur von Chiapas, Juan Sabines Guerrero, die Einladung ab, sich mit dessen Repräsentanten zu treffen.
11. September: In Acteal beginnt die zweite Phase der „Kampagne Freiheit und Gerechtigkeit für Atenco“.
16. September: Über tausend Mitglieder der Nationalen Kampffront für den Sozialismus (FNLS) marschieren von Mazapa de Madero nach Motozintla im Zentralgebirge von Chiapas um zu fordern, dass ihre „deutliche Ablehnung der Bergbauaktivitäten“ auf ihren Territorien respektiert wird.
18. September: Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas meldet einen bewaffneten Angriff von Seiten der Organisation für die Verteidigung der Rechte der Indigenen und Kleinbauern (OPDDIC) auf einen seiner Mitarbeiter im Ejido Jotolá, Landkreis Chilón. Dieser jüngste Angriff, der direkt auf die Sicherheit eines seiner Mitglieder zielt, spielt sich in einem Kontext von Überwachung, Angriffen und Abwertung der Menschenrechtsarbeit durch verschiedene Akteure und die Medien ab.
26. September: Auf die Büros des Schulungs- und Fortbildungszentrums fur Frauen der Organisation K’inal Antsetik (Land der Frauen) in San Cristóbal de Las Casas wird ein Anschlag verübt.
30. September: José Manuel Hernández Martínez, auch bekannt als „Don Chema“, wird in der Gemeinde 28 de Junio im Landkreis Venustiano Carranza, verhaftet.
2. und 3. Oktober: In San Cristóbal de Las Casas findet das Forum zum Thema Perspektiven der Frauen angesichts der Militarisierung statt.
12. Oktober: Die Organisation „Sociedad Civil Las Abejas“ beklagt Belästigungen und Schikanen von Seiten der Regierung von Chiapas.
13. Oktober: Bei der Vorstellung seines Berichts über die Situation der MenschenrechtsverteidigerInnen in Mexiko kritisiert der Vertreter des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Mexiko (OACNUDH) die mexikanischen Behörden für das offensichtliche Fehlen einer einheitlichen Politik, welche die Risiken für MenschenrechtsaktivistInnen reduziert oder beseitigt. Er weist darauf hin, dass 98,5% der 128 Fälle von Angriffen gegen MenschenrechtsverteidigerInnen der letzten drei Jahre straffrei geblieben sind. Die Vertretung des UN-Hochkommissariats stellt eine wachsende Stigmatisierung der MenschenrechtsverteidigerInnen besonders durch staatliche Behörden fest. Sie werden als „VerteidigerInnen von Kriminellen“ dargestellt, oder man sagt, „sie wollen das Land destabilisieren. In weiteren Fällen wird versichert, dass sie lediglich Profit mit den Fällen machen und dass sie die Problematik aufbauschen, um einseitig Stellung zu beziehen“.
14. Oktober: Der Oberste Gerichtshof (SCJN) erlässt eine Resolution über Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Funktionäre im Rahmen des Konflikts, der von 2006 – 2007 in Oaxaca stattfand. Aus dieser Resolution läßt sich entnehmen, dass der während dieser Zeit amtierende Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz (bis November 2010 im Amt) verantwortlich für Menschenrechtsverletzungen ist.
Am 26. Oktober beginnen ungefähr 150 Mitglieder der Bauernorganisation Emiliano Zapata-Región Carranza (OCEZ-RC) ein Protestcamp im Zentrum von San Cristóbal de Las Casas, um polizeiliche und militärische Einschüchterungen in der Region öffentlich zu machen und die Freilassung ihrer im September und Oktober verhafteten Anführer zu fordern. Am 30. Oktober besetzen Mitglieder des Protestcamps die Büros der Vereinten Nationen in San Cristóbal.
29. Oktober: Die Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates Chiapas informiert, dass sie über Beweise verfügt, die Unterlassung und Fahrlässigkeit mehrerer hoher Funktionäre auf Bundes- und Bundesstaatsebene im Fall Acteal belegen würden.
4. November: Der Oberste Gerichtshof (SCJN) ordnet die sofortige Freilassung von neun Personen an, welche für ihre Verantwortung während des Massakers von Acteal angeklagt und verurteilt wurden. Dem Revisionsantrag von weiteren 16 Personen wird stattgegeben, unter ihnen zwei Personen, die bereits ihre Teilnahme an dem Massaker gestanden hatten.
8. November: Um 3:30 Uhr am Morgen dringen mehr als 18 bewaffnete, in zivil gekleidete und mit Skimasken vermummte Polizisten in das Haus von Adolfo Guzmán Ordaz (Mitarbeiter der Organisation Enlace, Capacitación y Comunicación)und seiner Familie in Comitán ein.
9. November: Die Nationale Kampffront für den Sozialismus (FNLS) gibt den Beginn einer „Nationalen Kampagne der Anklage und Ablehnung der Kriminalisierung der Volkskämpfe“ bekannt, welche bis 15. Dezember andauern soll.
10. November: Die Justizbehörden von Chiapas lassen vier der Angeklagten frei, die des Angriffs auf einen Anwalt des Menschenrechtszentrums Fray Bartolomé de Las Casas und Indigenas der Anderen Kampagne angeklagt waren. Der Vorfall hatte sich am 18. September im Ejido Jotolá (Landkreis Chilón) ereignet, ihre Festnahme erfolgte am 4. November. Es werden erneut Drohungen ausgesprochen.
10. bis 13. November: Es findet das Fünfte Treffen der Konstrukteure und Konstrukteurinnen des Friedens und der Versöhnung in der Gemeinde Taniperla statt.
14. November: Die Tageszeitung La Jornada veröffentlicht Teile des Berichts über „die vorherrschende Situation im Landkreis Venustiano Carranza“ der chiapanekischen Generalstaatsanwaltschaft (PGJE). Dieser versucht, die Existenz eines „subversiven Netzwerks“ zu belegen, welches für 2010 Aktionen plane, das Land zu destabilisieren. Dessen Kopf soll der katholische Pfarrer von Venustiano Carranza, Jesus Landín, sein.
15. November: Der Rat der Guten Regierung von Roberto Barrios (nördliche Zone von Chiapas) veröffentlicht eine Meldung, in welcher er eine Reihe von Drohungen und Angriffen gegen dieses Caracol und im besonderen gegen das autonome zapatistische Ausbildungszentrum bekannt gibt, welches in Roberto Barrios existiert.
23. November: Die drei Anführer der OCEZ kommen frei, nachdem die chiapanekische Regierung eine Kaution für sie hinterlegt hat. Sie bittet darum, die Gespräche wieder aufzunehmen und bietet im Gegenzug an, weitere bestehende Haftbefehle aufzuheben. Am 26. November findet ein runder Tisch zwischen der OCEZ-RC und der Regierung statt, der zur Entspannung der Situation führen soll.
25. November: Abgeordnete des Parlaments in Chiapas versuchen, eine Initiative für die legale Anerkennung der zapatistischen Räte der Guten Regierungen (JBG) zu verabschieden. Ihrer Aussage nach hatten die zapatistischen Gemeinden darum gebeten, was jedoch von den JBG am darauf folgenden Tag dementiert wird.
25. November: Im Rahmen des „Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ demonstrieren Frauen unabhängiger Organisationen, Indígenas, Mitglieder der Anderen Kampagne, GewerkschafterInnen und internationale AktivistInnen in den Straßen von San Cristóbal de Las Casas. Sie wollen damit die Aufmerksamkeit auf die Gewaltsituation lenken, der die Frauen weiterhin ausgesetzt sind.
27. November: Der Anti-Bergbauaktivist Mariano Abarca wird durch Schüsse von einem Unbekannten vor seiner Haustür in Chicomuselo umgebracht.
November: Erneut werden zahlreiche Hausdurchsuchungen und Militäreinsätze im Zentrum (um Venustiano Carranza) sowie im Urwaldgrenzgebiet gemeldet, ebenso zum Jahrestag der Gründung der EZLN im Hochland.
6. Dezember: Die Organisation Pueblo Creyente, der Zusammenschluss der Basis der Kirchengemeinden, führt einen Pilgermarsch in Venustiano Carranza durch, an dem 850 Personen teilnehmen. Sie klagen damit sowohl den Bergbau als auch die Lügen und den Machtmissbrauch, die im aktuellen Kontext stattfinden, an.
9. Dezember: 50 DemonstrantInnen mit Masken und Fotos des Anti-Bergbauaktivisten Mariano Abarca Roblero, der kurz zuvor in Chicomuselo getötet wurde, empfangen die kanadische Gouverneurin im Rahmen ihrer Reise nach San Cristóbal de Las Casas.
14. Dezember: Adolfo Guzmán Ordaz, der bei der Organisation Enlace Comunicación y Capacitación in Comitán de Dominguez arbeitet, erhält in seinem Haus eine Todesdrohung. Am 8. November um Mitternacht wurde sein Haus von Polizisten durchsucht.
21. und 22. Dezember: Im Rahmen des Jahrestages des Massakers von Acteal findet das „Forum des Bewusstseins und der Hoffnung, die Andere Gerechtigkeit schaffend“ statt.
23. Dezember: Nachdem sie mit der chiapanekischen Regierung zu Vereinbarungen in politischen, wirtschaftlichen und sozialen Belangen gekommen ist, beendet die OCEZ-RC ihr Protestcamp, das sie seit fast zwei Monaten in San Cristóbal de Las Casas aufrecht erhielten.
29. Dezember: Das lokale Parlament verabschiedet ein Gesetz zu Indigenen Rechten für den Bundesstaat Chiapas, welches Polemik hervorruft.