AKTUELLES : Mexiko – Wahlen und die Angst davor, dass Geschichte sich wiederholen könnte
28/08/2012Aktivitäten von SIPAZ (Von Mitte Mai bis Mitte August 2012)
28/08/2012„Ich wünsche mir Gerechtigkeit, nicht nur für Itzel, sondern Gerechtigkeit für alle Frauen die in diesem Land sowie in Chiapas ermordet wurden. Ich bete für Gerechtigkeit, denn eine Tochter zu verlieren ist ein Schmerz, den Sie sich nicht vorstellen können„.
Während der 52. Sitzung des ExpertInnenkommitees der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW), die am 17. Juli 2012 stattfand, wurde die Einhaltung dieser Konvention von Seiten Mexikos evaluiert. 50 zivile mexikanische Organisationen stellten mindestens 18 „Schattenberichte“ vor, die im Widerspruch zum offiziellen Bericht der Regierung standen. Die Anzahl der Berichte war ein Indikator sowohl für die Unzufriedenheit der Zivilgesellschaft im Hinblick auf den Schutz der Frauenrechte sowie auf die fehlende Einhaltung der internationalen Standards von Seiten des mexikanischen Staates, mehr Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen.
In ihren Schattenberichten betonen die zivilen Organisationen ausserdem, dass sich die Gewaltsituation im Land auf die körperliche Unversehrtheit der Frauen auswirkt. Sie bekräftigen, dass die Strategie der Bundesregierung im Kampf gegen die organisierte Kriminalität vermehrt Gewalt gegen Frauen verursacht, und noch stärker die bereits existierenden Ebenen der Straflosigkeit, der institutionalisierten Gewalt und der Diskriminierung gegen die Frauen verschärft hat. Laut Consorcio Oaxaca sahen die Organisationen einen Erfolg darin, dass „der mexikanische Staat aufgrund der konstanten Gewalt gegen die Menschenrechte der Frauen stark kritisiert wurde und weil er nicht klar über seine Aktionen gegen die Geschlechterdiskriminierung informierte“
Laut einem Bericht von Amnisty International (AI), ebenfalls im Juli veröffentlicht, ist die Gewalt gegen Frauen in Mexiko noch immer nicht beendet, im Gegenteil, sie ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Dieser Bericht bestätigt gleichzeitig, dass die Regierungsinstitutionen in Mexiko sowohl in ihrer Verpflichtung, die Frauen vor der anwachsenden Gewalt und Diskriminierung zu schützen als auch bei der gerichtlichen Verfolgung der Verantwortlichen, versagt haben.
Hinsichtlich der Vergewaltigung und sexualisierten Gewalt erwähnt der Bericht von AI, dass im Jahr 2009 14.829 Anzeigen dieser Art in ganz Mexiko erstattet wurden. Von diesen führten nur 2.795 zu Verurteilungen vor Gericht. Außerdem wird betont, dass „Studien auf nationaler Ebene belegen, dass nur 15% der Straftaten angezeigt werden“ .
Gendersensible Gesetzgebung: Vorschritte oder Bürokratie?
Zusätzlich zu CEDAW, von der UNO verabschiedet und gefördert, wurde 1994 in Belém do Pará, Brasilien, das Konzept der „Gewalt aus geschlechtsspezifischen Gründen“ von der Interamerikanischen Konvention zur Verhinderung, Bestrafung und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen in die Agenda der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) aufgenommen. Die mexikanische Regierung unterzeichnete diese Konvention. Damit verpflichtete sie sich, die Gesetzgebung in diesem Bereich voranzutreiben. Als Folge davon hatte die Bundesregierung im Jahr 2007 das Allgemeine Gesetz für einen Zugang der Frauen zu einem Leben frei von Gewalt in Umlauf gebracht. Amnisty International betrachtet die Annahme dieses Gesetzes „als einen Schritt nach vorn für den Aufbau eines nationalen gesetzlichen Rahmens, der die verschiedenen Formen von Gewalt gegen Frauen anerkennt„. Dieses Gesetz verpflichtet die Staats- und Kreisregierungen administrative Maßnahmen zu übernehmen, um so das Recht der Frauen auf ein Leben frei von Gewalt garantieren zu können. Trotz allem hat das Gesetz Beschränkungen, wie das Menschenrechtszentrums Fray Bartolomé de las Casas (CDHFBC) in seiner Jahresbilanz von 2009 erklärt. Es fehlen Elemente wie: „der Entwurf und die Instrumentierung von staatlicher öffentlicher Politik, die die Begehung von Straftaten gegen die Frauen verhindern; die Rehabilitation mittels der Leistung von spezialisierten und kostenfreien rechtlichen, medizinischen und psychologischen Diensten, sowie die Untersuchung und Bestrafung der unterlassenen und fahrlässigen Taten der Behörden, welche die Menschenrechtsverletzungen der Opfer hin zur Straffreiheit führten“.
Später, ebenfalls 2009, gründete sich die Nationale Kommission zur Prävention und Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (CONAVIM) um die Reformen auf staatlicher Ebene voranzutreiben. Im März 2009 zum Beispiel erging das Gesetz des Zugangs zu einem Leben frei von Gewalt für die Frauen im Bundesstaat Chiapas, welches allerdings laut CDHFBC weder über eine Verordnung noch über praktische Mechanismen verfügt, um seine Anwendung durchführbar zu machen. Das CDHFBC erwähnt, dass „viele Beamte der Justizverwaltung diese Gesetze nicht kennen, während andere durchaus bestätigen, sie zu kennen obwohl sie sich weigern sie in ihrer juristischen Auslegung umzusetzen. In der Gerichtsgewalt in Chiapas beobachtet man das gleiche, da Richter und Jusitzbeamte keine Urteile aus der Genderprespektive abgeben“. Der diesjährige Bericht von Amnisty International hebt hervor, dass „die Einführung dieser Gesetze, die in 28 Staaten angewendet werden, oft sehr schwach und vage ist und Zweifel hinsichtlich der konkreten Verantwortungen jeder einzelnen Behörde säht. Laut CONAVIM weisen viele Strafgesetzbücher noch immer Mängel auf“. Auf gleiche Weise beobachtet das CDHFBC, dass diese Gesetze auf deklarativer Ebene bleiben. Diese Situation ist bis heute unverändert.
Fehlender Zugang zu Gerechtigkeit für Frauen in Chiapas
Das Zentrum der Rechte der Frau in Chiapas (CDMCh) und die Frauengruppe San Cristóbal de Las Casas (COLEM) veröffentlichten einen Schattenbericht für das Kommittee der CEDAW, genannt „Diskriminierung und fehlender Zugang zu Gerechtigkeit von Frauen in Chiapas, Mexiko“. Das Dokument spricht über den Zugang der Frauen zu Justiz und Gerechtigkeit in Chiapas besonders für die indigenen und auf dem Land lebenden Frauen und betont die Themen Gewalt, Frauenmord und Zugang zu Land. Der Bericht hebt „auf besorgniserregende Weise“ hervor, dass „die Instanzen der Justizverwaltung und – administration, die in Chiapas existieren, nicht mit multidisziplinären Teams ausgestattet sind, um diese Verbrechen aufzuklären. Es gibt keine Handlungsprotokolle, die mit den internationalen Standards übereinstimmen, keine Datenbanken mit genauen Informationen über die toten oder verschwundenen Frauen. Die ungleichen hierarschischen Beziehungen, die auf der ethnischen und sozialen Herkunft basieren, sind Faktoren, die auch die Aufgaben Gerechtigkeit zu schaffen und Recht zu verwalten durchdringen. In einigen Fällen erzeugt auch das Fehlen von Sensibilität und Befähigung der Beamten, welche die Opfer und die Überlebenden immer wieder in die Opferrolle drängen, mehr Gewalt und Diskriminierung und hemmt die Anzeige“
In Chiapas herrscht weiterhin eine Situation der strukturellen Gewalt gegenüber Frauen aufgrund des fehlenden Zugangs zu Bildung, Gesundheit und Arbeitsmöglichkeiten vor. Außerdem beobachtet man mehrere Fälle von intrafamiliärer Gewalt. Es benötigt sehr viel Mut und Geduld, die Gewalt juristisch anzuzeigen, da mehrere Beispiele gezeigt haben, dass dies durchaus Auswirkungen haben kann, welche sowohl die familiäre und gemeinschaftliche Integration als auch die Sicherheit der Frauen bedrohen. Außerdem begünstigen die Traditionen in den ländlichen Gemeinden die Frauen nicht, da, wie eine Studie der Doktorin Mercedes Olivera von 2011 zeigt, erwartet wird, dass die Frauen die Gewalt als wesentlichen Teil ihres Schicksals ertragen. Im Rahmen ihrer Feldforschung, zum Beispiel, erklärt eine Frau aus Chalchihuitán: „Wenn der Ehemann betrunken ist und die Frau schlägt, ruft der Vater ihn zur Ordnung, aber auch die Mutter der Frau sagt ihr, dass sie lernen muss, den Ehemann zu ertragen, das ist die Last, die wir ertragen, weil wir Frauen sind“.
Frauenmord: „die andere extreme Form von geschlechtsspezifischer Gewalt“
Trotz der auf dem Gebiet der Gesetzgebung erreichten Fortschritte hinsichtlich der Bestrafung der Gewalt gegen Frauen sind die staatlichen Institutionen nicht in der Lage gewesen, die Frauen auf angemessene Weise zu schützen. Sogar die Zahl der Frauenmorde stieg in den letzten drei Jahren an. Der Experte für Amnisty International, Rupert Knox, erklärte während der Präsentation des Berichts im Juli: „[I]n den letzten Jahren haben wir nicht nur einen Anstieg der Tötungen an Frauen, sondern ein durchgängiges Fehlen von efektiven Untersuchungen und von Gerechtigkeit erleben müssen“.
Mehrere Staaten haben den Begriff Frauenmord in ihre Strafgesetzbücher eingeführt. Trotz allem erhöht sich in Chiapas laut sozialen AktivistInnen weiterin die Anzahl der Frauenmorde. Am 14. Juli hat die organisierte Zivilgesellschaft der Verteidigung der Frauenrechte in San Cristóbal de Las Casas eine Performance auf dem Platz des Friedens in dieser Stadt veranstaltet, um die 32 Frauenmorde, die in Chiapas bereits in diesem Jahr begangen wurden, anzuklagen. Einer der Fälle, den sie anprangerten, ist der der 17jährigen Tzotzil Itzel Méndez. Ihr Körper wurde am 14. April in San Cristóbal de Las Casas mit Zeichen von Vergewaltigung und Gewaltanwendung tot aufgefunden. Die Anwältin zur Verteidigung der Frauen des Feministischen Kollektivs Mercedes Olivera, Martha Figueroa Mier, gab bekannt, dass „im Jahr 2011, die Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates mehr als 100 Morde an Frauen in Chiapas meldete. Wir haben die Staatsanwaltschaft gebeten, dass sie Protokolle zum Schutz der Frauen einführt“.
Hinsichtlich der hohen Anzahl der Fälle von Frauenmorden in Chiapas variieren die Zahlen je nach Informationsquelle. Laut Repräsentanten der Handelskammer und der Verbände des touristischen Sektors in San Cristóbal de Las Casas „waren es im Jahr 2011 zwei Frauenmorde“. Der Schattenbericht für das Kommitee CEDAW, ausgearbeitet von CDMCh und COLEM, betont im Gegensatz dazu, dass sich hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Gewalt und der Frauenmorde „Chiapas in einer sehr kritischen Etappe befindet. Bisher sind in diesem Jahr eine ausserordentlich hohe Anzahl an Frauen aufgrund ihres Geschlechts verschwunden und ermordet worden. In mehreren Fällen wurde extreme Gewalt benutzt, eingeschlossen Folter und Verstümmelung“. Die Zahlen der Frauenrechtsverteidigerinnen stehen in beachtlichem Widerspruch zu den Zahlen, welche von den staatlichen Instanzen verwendet werden. Die Unterschiede kommen zum einen aus dem Fehlen von Konkretisierung der in die Daten eingeschlossenen Landkreise, und andererseits aus dem Versäumnis der Bennenung der Morde an Frauen aufgrund des Geschlechts als Frauenmorde.
Bedrohte Menschenrechtsverteidigerinnen trotz Sicherheitsmassnahmen
Die Organisation Mesoamerika Initiative von Menschenrechtsverteidigerinnen verkünden in ihrem Schattenbericht für die CEDAW, dass „zwischen Dezember 2010 und Dezember 2011 elf Menschenrechtsverteidigerinnen ermordet wurden; die meisten von ihnen kamen aus den Staaten Chihuahua und Guerrero“. Ein Fall von Gewalt in Chiapas, der noch immer straflos geblieben ist, ist der der Menschenrechtsverteidigerin Margarita Guadalupe Martínez Martínez. Im Februar 2010 wurde Margarita Martínez Opfer von willkürlicher Freiheitsberaubung, Folter und Todesdrohungen, damit sie die Strafanzeige gegen Hausfriedensbruchs von Polizisten im November 2008 fallenlasse. In den darauffolgenden Jahren bekamen Margarita und ihre Familie mehrere Morddrohungen, obwohl sie vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen erhalten. Nach erneuten Morddrohungnen am 30. Juni beschlossen Margarita und ihre Familie an einem anderen Ort Schutz zu suchen und verliessen den Bundesstaat auf unbestimmte Zeit. Die Menschenrechtsverteidigerin bekam die letzten Morddrohungen als sie sich inmitten der Vorbereitung ihrer Teilnahme an der 52. Sitzung der CEDAW befand.
Außerdem bekam die Menschenrechtsverteidigerin Alba Cruz von der Organisation Codigo DH (Komitee für die umfangreiche Verteidigung der Menschenrechte) in Oaxaca im Abril eine Morddrohung auf ihr Mobiltelefon. Die Aktivistin erhält ebenfalls seit einigen Jahren vorbeugende Sicherheitsmassnahmen von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IAMRK), da sie auch schon früher einschüchternde Nachrichten bekam. Eine andere Menschenrechtsverteidigerin aus Oaxaca wurde Opfer von einschüchterndem Verhalten, obwohl sie ebenfalls vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen von der IAMRK erhält. Ihr Name ist Bettina Cruz Velázquez. Sie ist Mitglied des Verbunds der Indigenen vom Istmo de Tehuantepec in Verteidigung von Land und Territorium. Im Februar diesen Jahres wurde sie von der Bundesgeneralstaatsanwaltschaft festgenommen und der rechtswidrigen Freiheitsberaubung von ArbeiterInnen des Nationalen Stromunternehmens CFE beschuldigt. Viele soziale und zivile Organisationen sprachen sich für ihre sofortige Freilassung aus. Sie bewiesen, dass das wahre Motiv die Kriminalisierung der Arbeit der MenschenrechtsverteidigerInnen ist. Bettina Cruz erhält vorbeugende Sicherheitsmassnahmen, weil sie von der staatlichen Polizei angegriffen wurde, während sie indigene Gemeinden über ihr Recht auf Land informierte.
Geschlechtsspezifische Tötungen in der lesbisch-schwulen Gemeinschaft
Eine andere Art von geschlechtsspezifischer Gewalt, welche in den vergangenen Jahren häufig in Guerrero auftrat, ist die Ermordung von Personen, die der lesbisch-schwulen Gemeinschaft zuzuordnen sind. Trotz der Durchsetzung der gleichgeschlechtlichen Ehe In Mexiko-Stadt, setzt sich diese schlimme Form der Gewalt gegen diese Menschen weiterhin fort. Am 4. Mai wurde ein Transvestit in Acapulco ermordet aufgefunden, ohne dass man bis heute weiss, wer die Verantwortlichen der Tat sind. Genau ein Jahr vorher, am 4. Mai 2011 wurde einer der Anführer der lesbisch-schwulen Gemeinschaft von Chilpancingo, Quetzalcóatl Leija Herrera, ermordet. Auf einer Pressekonferenz im Mai 2012 gab ein anderer Anführer der lesbisch-schwulen Gemeinschaft, José Lavoisiere Luquín Jiménez, bekannt, dass bereits in diesem Jahr drei Homosexuelle ermordet wurden: einer in Chilpancingo, ein anderer in Acapulco sowie ein weiterer in Coyuca de Benítez. Gleichzeitig alarmierte er, indem er von einer Dunkelziffer sprach und bekanntgab, dass es für jeden registrierten Mord zwei nicht registrierte Morde gibt: „das heisst, es gibt insgesamt neun Fälle und diese werden wegen derselben Homofobie der Familienangehörigen und aus Angst, dass sie ihnen etwas antun werden, nicht registriert“.
Mit Peña Nieto wenig Hoffnung für die Frauen, befürchten Menschenrechtsverteidigerinnen
Nach den Präsidentschaftswahlen am ersten Juli, bei welchen Enrique Peña Nieto von der Partei der Institutionellen Revolution (PRI) als neuer mexikanischer Präsident hervorging, haben viele Frauenrechtsaktivistinnen ihre Besorgnis hinsichtlich der Frauenmorde und der geschlechtsspezifischen Gewalt zum Ausdruck gebracht. Während einer Pressekonferenz, die über das Erscheinen des mexikanischen Staates vor dem Expertenkommittee des CEDAW informierte, erinnerte María de la Luz Estrada, Koordinatorin der Nationalen Beobachtungsstelle für Frauenmorde daran, dass „Peña Nieto“ als er noch Gouverneur vom Bundesstaat Mexiko war (2005-2011) „sich weigerte, dass eine Untersuchung von Seiten des Nationalen Systems zur Vorbeugung, Bestrafung und Beseitigung der Gewalt gegen Frauen durchgeführt wurde“.
Während derselben Konferenz erklärt Gloria Ramírez von der Mexikanischen Akademie der Menschenrechte, dass Peña Nieto auch noch eine offene Verantwortung mit den Frauen im Fall von San Salvador Atenco hat. Im Mai 2006 wurden in diesem Dorf im Bundesstaat Mexiko 26 Frauen von Polizisten sexuell missbraucht, nachdem sie auf einer Demonstration verhaftet wurden. Der Bericht von Amnisty International vom Juli 2012 erklärt, dass der Fall Atenco „zu einem Symbol geworden ist“, da noch immer die Straffreiheit in der Mehrheit der Fälle vorherrscht. Den Frauen, die diese Angriffe erleiden mussten, wurde trotz der Ernsthaftigkeit dieser erniedrigenden Praktiken und unmenschlichen Behandlungen der Zugang zu Gerechtigkeit sowohl auf staatlicher als auch auf nationaler Ebene versagt. Aus diesem Grund wurden diese Fälle vor die Interamerikanische Menschenrechtskommission (IAMRK) gebracht.
Mit organisierten Frauen mehr Hoffnung für die Zukunft
Laut des Schattenberichts von CDMCH und COLEM „garantiert“ das aktuelle politische und rechtliche System in Chiapas „den Frauen nicht den Zugang zu Gerechtigkeit auf gleiche Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den Männern sondern wie es die allgemeine Regel ist, mit völliger Unkenntnis ihrer persönlichen Bedürfnisse“.
Das Kommitee der CEDAW brachte eine Reihe von Empfehlungen für die mexikanische Regierung heraus, um die Situation im Land hinsichtlich der Verteidigung der Rechte der Frauen zu verbessern. Einige Empfehlungen der CEDAW sind z.B. Aktionen zu starten, um die Anzeige von Gewalt gegen Frauen zu fördern, die Verhaftungen, die mit Gewalt gegen Frauen in Verbindung gebracht werden zu beschleunigen sowie angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um die Gewalt gegen Frauen, Menschenrechtsverteidigerinnen und Journalistinnen vorzubeugen, zu untersuchen, zu richten und zu bestrafen.
Wie die Organisation Kommunikation und Information der Frau (CIMAC) unterstreicht, stellt die Menge an Schattenberichten, die für die Sitzung der CEDAW erstellt wurden, ebenfalls einen Indikator für die Ernsthaftigkeit der Situation dar, welche die Frauen im Land erleben. Außerdem reflektiert sie eine verbesserte Organisation und Antwortkapazität der Frauen. Trotz all dem, was es im Hinblick auf die Situation der Frauen in Mexiko noch zu verbessern gibt, darf man weder die Kämpfe, die sie ausfechten, noch die kleinen und großen Siege, die sie erreicht haben, vergessen. Peace Brigades International (pbi) nennt in ihrem Buch über Menschenrechtsverteidigerinnen, das sie im Januar 2012 veröffentlichten, unter den letzten Erfolgen, die Urteile des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte in den Fällen von Inés Fernández und Valentina Rosendo, beides indigene Frauen, die im Jahr 2002 von Soldaten vergewaltigt wurden: „Jedes einzelne dieser Urteile ist Ergebnis der gemeinsamen Arbeit vieler Menschen, aber es sind diese Frauen gewesen, welche mit ihrem Mut und ihrer Ausdauer dem Druck, den Drohungen und physischen Angriffen standgehalten und diese Prozesse aufrecht erhalten haben“. Auch außerhalb des juristischen und rechtlichen Bereichs gibt es immer mehr Frauen, die sich trauen, die Angst und die Scham zu überwinden, um einfach nur, sowohl innerhalb der Familie als auch in der Öffentlichkeit oder in ihrer Gemeinde, über das Erlebte zu „sprechen„. Dies ist der erste, unvermeidliche Schritt, um die gewünschten Veränderungen zu bewirken.