SIPAZ AKTIVITÄTEN (Mitte Mai bis Mitte August 2015)
06/09/2015FOKUS: SIPAZ- 20 Jahre an der Seite von Lichtern der Hoffnung
08/04/2016Es gibt national, regional und international eine große Übereinstimmung über den Ernst der aktuellen Menschenrechtslage in Mexiko
Im März 2015 veröffentlichte das hohe Kommissariat für Folter der Vereinten Nationen einen Bericht, der auf das weit verbreitete Merkmal von Folter und Straflosigkeit in Mexiko hinwies und von der mexikanischen Diplomatie stark diskutiert wurde. Auch die zweite Hälfte des Jahres 2015 war geprägt von Berichten und kritischen Erklärungen verschiedener hochstehender Instanzen in Bezug auf die Menschenrechtslage im Land.
Im Oktober präsentierte die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) die vorzeitigen Schlussfolgerungen ihres Besuches “in loco”. Sie bestätigte “die tiefe Menschenrechtskrise, die Mexiko gerade erlebt, gekennzeichnet durch eine extreme Situation der Unsicherheit und der Gewalt”. Roberto Campa Cifrián, der Unterstaatssekretär für Menschenrechte im Innenministerium betrachtete den Bericht als etwas, “dass nicht die Realität im Land widerspiegelt”, da er das Ergebnis aus “Treffen und Interviews” in “lediglich sechs der 32 Bundesstaaten (…) innerhalb von fünf Tagen” ist. Nichtregierungsorganisationen (NRO) hielten das für eine Diskreditierung der internationalen Organisationen, die die Realität im Land dokumentieren und verurteilten diese Entgegnung.
Kurz darauf betonte der Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Zeid Ra’ad Al Hussein anlässlich seines Besuchs im Land, wie dringend es sei, die Straflosigkeit angesichts dem “Ernst der aktuellen Menschenrechtslage in Mexiko” zu bekämpfen. In Anbetracht der Intoleranz der Regierung gegenüber den internationalen Kritiken empfahl er “nicht den Boten zu töten, sondern die Nachricht entgegenzunehmen”.
Ebenfalls im Oktober reduzierte das amerikanische Staatsministerium zum ersten Mal seit dem Start der Mérida Initiative im Jahr 2008 (US-amerikanische Fonds, die Mexiko zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität erhält) die Hilfe von geplanten 148 Millionen US- Dollar um 5 Millionen US-Dollar. Vertreter von Menschenrechtsorganisationen in den USA und in Mexiko nahmen diese Entscheidung mit Zustimmung auf.
Einer der Haupterfolge während des 156. Sitzungszeitraumes der CIDH war die Einigung zwischen ihr und der mexikanischen Regierung darüber, die Präsenz der Interdisziplinäre Gruppe unabhängiger Experten (GIEI) um weitere sechs Monate zu verlängern. Diese Gruppe wurde gegründet, um weiter zu dem gewaltsamen Verschwinden der 43 Studenten der Escuela Normal Rural in Ayotzinapa, Iguala, Guerrero im September 2014, zu ermitteln. Die Entscheidung ihre Arbeit zu verlängern, schien nicht nur einen Richtungswechsel der mexikanischen Regierung zu markieren, sondern bürgt auch für den ersten Bericht der GIEI, der in Mexiko im September veröffentlicht wurde und der dann in den folgenden Wochen noch von einigen hohen Funktionären versucht wurde, in Verruf zu bringen.
Bericht der GIEI: Starke Zweifel an der “historischen Wahrheit” im Fall von Ayotzinapa
In dem von der GIEI vorgelegtem Bericht ist von 180 direkten Opfern, darunter 6 außergerichtlichen Hinrichtungen und “gewaltsamem Verschwindenlassen” in 43 Fällen die Rede. Er bestätigt, dass “lokale und staatliche Polizeieinheiten anwesend waren, aber es keine Hinweise auf eingeleitete Schutzmaßnahmen ihrerseits gegeben hätte”. Der Bericht wies auf eine schlechte Beweisführung hin und stellte die “historische Wahrheit” in Frage, die vom damaligen Parlamentsabgeordneten Jesús Murillo Karam präsentiert wurde und der eine Beteiligung oder die Anwesenheit staatlicher Polizeikräfte oder dem Militär während der Geschehnisse verneint. Ein weiteres neues Indiz, das der Bericht darlegt, ist die Information, dass die Studenten an dem Abend nicht vier, sondern fünf Busse benutzten. Eine Tatsache, die in erster Instanz von den Behörden verneint wurde. Auf einem Beweisvideo stellte sich heraus, dass es sich nicht um einen, sondern um zwei gleich aussehende Busse handelte. Die GIEI vermutet, dass eines der Fahrzeuge dazu genutzt wurde Drogen zu transportieren und die Jugendlichen dieses nutzten, ohne davon zu wissen. Diese Möglichkeit öffnet nun eine neue Richtung, in die ermittelt werden kann.
Im ersten Moment gab es Stimmen, die den Bericht in Verruf zu bringen wollten. Man hörte Argumente wie z.B., dass sich der ausführende Minister der CIDH, Emilio Álvarez Icaza (Mexikaner), in einem Interessenskonflikt befände; oder, dass die mexikanischen Institutionen diejenigen sein sollten, die für das Vorankommen des Falles sorgen sollten. Es ist daran zu erinnern, dass es der mexikanische Staat selbst war, der die Hilfe der CIDH beantragt hat. Einer der Akteure, der die Präsenz der GIEI am meisten hinterfragte, war das mexikanische Militär, welches im Bericht nicht wegen seiner Taten während der Geschehnisse erwähnt wird, sondern wegen seiner Unterlassungen im Hinblick auf das Geschehene. Anders als zu erwarten, bot der Verteidigungssekretär General Salvador Cienfuegos den Medien Interviews an. Er war dagegen, dass internationale Experten die Soldaten des 27. Infanteriebataillons, die in der Nähe von Iguala stationiert sind, interviewten: “Wir antworten nur den mexikanischen Behörden”, gab er an. Kritische Medien merkten an, dass diese Einstellung weit davon entfernt ist, dem Bild vom Militär zu nutzen und eher zum Misstrauen gegenüber dem Militär beiträgt.
Diskussionen, die längst nicht mehr nur auf internationaler Ebene ablaufen
Mitte September benannte die Abgeordnetenkammer acht Personen um die Spezialkommission Ayotzinapa zu bilden, die damit anfing Interviews mit unterschiedlichen Funktionären zu führen, u.a. mit dem Ex-Governeur von Guerrero, dem Ex Staatsanwalt aus Guerrero und dem General Cienfuegos. Cienfuego willigte dabei ein, auch die Mitglieder des 27. Infanteriebataillons zu befragen. Dies jedoch nur in der Anwesenheit eines Vorgesetzten, um “Einschüchterungen” zu vermeiden. Diese Interviews waren formlos und ungeachtet dem, was die Kommission beantragt hatte, berichteten Medien, dass die Partei der Institutionellen Revolution (PRI), die Möglichkeit stoppte, weitere Treffen zu vereinbaren.
Von Seiten der Bevölkerung zeigten Umfragen ein hohes Niveau an Unzufriedenheit. Dem Latinobarometer 2015 nach zu urteilen, ist Mexiko das Land, das am wenigsten mit seiner Demokratie zufrieden ist: 19% der Befragten gaben an, mit dem Regierungssystem zufrieden zu sein, was die Hälfte des Durchschnitts der Region repräsentiert. Nur 26% glauben, dass die Wahlen gesetzeskonform ablaufen. 21% sind der Meinung, dass das Land zum Wohle der Gesellschaft regiert wird und nicht zum Wohle einiger Weniger. Nur 18% glauben, dass das Land Fortschritte macht.
Ein wirtschaftlicher, sowie kritischer Kontext
Dasselbe Latinobarometer enthüllte, dass Mexiko bei der Entwicklung der eigenen Wirtschaft den drittletzten Platz belegt. Angesichts des geringen Wirtschaftswachstums, der Abwertung des Peso, der Armutszunahme und des sinkenden Ölpreises, sind einige Wirtschaftsinitiativen eher besorgt als optimistisch.
Im Oktober beendeten 11 Länder des pazifischen Beckens, unter ihnen Mexiko, die Verhandlungen zur Transpazifischen Partnerschaft (TPP). Das Inkrafttreten der Partnerschaft ist immer noch Teil der Entscheidung der Abgeordneten der teilnehmenden Länder. Zu den vermeintlichen Vorteilen zählen die Reduzierung der Zollgebühren, sowie die Möglichkeit auf einem der größten Märkte weltweit zu konkurrieren. Trotzdem sorgte der genannte Vertrag für Polemik, denn die Verhandlungen über die Ausgestaltung wurden im Geheimen geführt. Von dem, was nach außen gedrungen ist, deutet einiges auf die Erweiterung der Rechte der transnationalen Unternehmnen auf Kosten der Rechte der Bevölkerung hin. Somit würde sich ein Beschlusssystem zur Lösung von Konflikten der Investor- Staaten etablieren, das die Macht der einzelnen Nation beeinträchtigen würde wenn es darum ginge, potentielle Missbräuche durch ausländische Firmen zu kontrollieren.
Auf der anderen Seite wurde im Dezember das präsidiale Projekt zur Gründung sog. “Zonas Económicas Especiales” (ZEE, dt.: Sonderwirtschaftszonen) durch das Abgeordnetenhaus unterstützt. Es sorgt dafür, das die Erlaubnis, diese Zonen zu entwickeln und zu verwalten bis zu 40 Jahre bewilligt werden würde. Die mexikanische Regierung plant ein Gebiet zur öffentlichen Nutzung auszusprechen und Grundstücke zu enteignen. Die ersten ZEEs werden im Hafen von Chiapas, dem interozeanischen Korridor im Isthmus von Tehuantepec (Oaxaca und Veracruz) und dem Hafen Lázaro Cardenas (Michoacán) eröffnet werden. Für die indigene und bäuerliche Front in Mexiko (FICAM), “versucht” diese Initiative “die Ausbeutung zu legalisieren”.
GUERRERO: Ausdruck der aktuellen Krise
Der Eindruck der sozial-politischen Krise und der extremen Gewalt im Staat dauert trotz des Regierungswechsels auf Bundesstaatsebene und in den Munizipien weiter an. Medien signalisieren, dass einige der Bürgermeister und Abgeordneten der 61. Legislaturperiode Verbindungen zum Drogenhandel haben. Das Drogengeschäft gilt als Schlüsselakteur, um zu verstehen, wieso die Gewalt in Mexiko auf das aktuelle Niveau gestiegen ist. Auffällig ist, dass der neue Gouverneur Héctor Astudillo (PRI), nachdem er im August ins Amt gewählt wurde, gemeinsam mit dem Verteidigungsminister, dem Marineminister und dem Regierungsminister, eine öffentliche Versammlung in Acapulco einberief. Er kündigte an, tausende neue Bundeseinheiten einzustellen, um “die Sicherheit zu verstärken”. Außerdem wurde der General Alejandro Saavedra Hernández, Kommandant der 9. Militärregion, zum Koordinator der neuen Strategie zur öffentlichen Sicherheit von Astudillo ernannt. Dadurch wurde, Analysen zufolge, gegen die Konstitution verstoßen, in der es heißt, dass “keine militärische Autorität in Zeiten des Friedens, andere Funktionen ausüben kann, als die, die eine direkte Verbindung mit dem Militär haben”. Sein Regierungsminister ist Florencio Salazar Adame, ehemaliger Abgeordneter, Munizippräsident und PRI-Führer. Im Jahr 2000 arbeitete er für die Kampagne von Vincente Fox (Partei der Nationalen Aktion, PAN), mit der er später Koordinator des “Plan Puebla- Panama” und Minister der Agrarreform wurde.
Kurz danach bestätigten die katholischen Bischöfe, dass sich die neue Regierung des Bundesstaates “inmitten einer tiefen sozialen, polischten, wirtschaftlichen und menschenrechtlichen Krise” befinde. In dem Dokument Versprechen für Guerrero und mit Frieden forderten sie ein Programm, welches sich an die Institutionen im sozialen Sektor anschließen solle, um den sozialen Zusammenhalt sowie den Rechtsstaat wieder herzustellen und einen nachhaltigen Entwicklungsplan zu entwerfen. Ziel dieses Programmes ist es, den Dialog mit der Kriminalität zu suchen.
Während der ganzen Zeit gab es Aktionen der Angehörigen der im Jahr 2014 verschwundenen Studenten aus Ayotzinapa, um die Geschehnisse aufzuklären. Bei dem Treffen mit dem Präsidenten Enrique Peña Nieto im September präsentierten sie acht Forderungen, um mit den Ermittlungen fortzufahren. Eine der Forderungen war, dass die Ermittlungen durch eine Spezialeinheit für den Fall weitergehen. Zu diesem Zeitpunkt lehnte der Präsident die Forderung ab. Bei einem Einsatz im November wurden acht Busse mit 150 Normalistas aus Ayotzinapa von Einheiten der Polizei und dem Militär aufgehalten um zu verhindern, dass sie ein Fass gefüllt mit Treibstoff mit sich führen. Die Aktion artete in Chaos aus, 20 Personen wurden verletzt, vier von ihnen schwer und 13 wurden verhaftet. Der Anwalt der Normalistas informierte, dass die Bundespolizisten drei mit Zigaretten verbrannten und andere auszogen, um sie zu schikanieren. Anschließend wurden alle wieder freigelassen. Die Gegner forderten vom Gouverneur Astudillo Flores, soziale Proteste nicht zu kriminalisieren. Im Dezember lösten Mütter und Väter der Verschwundenen ihren Protest in der Nähe der präsidialen Residenz nach fünf Tagen auf, nachdem die Staatsanwältin Arely Gómez González ihnen die Erfüllung ihrer Forderung mitteilte: Die Gründung einer neuen Ermittlungseinheit, die von der GIEI beraten wird.
Eine andere kraftvolle soziale Bewegung: ein Großteil der Lehrer hat sich der 2013 verabschiedeten Bildungsreform entgegengesetzt. Besonders gegen das Analyseexamen, dass viele als eine Form verstehen, ausgewählte Kündigungen zu legitimieren. Im Dezember bestätigte das Ministerium für öffentliche Bildung (SEP), dass sich eine Gruppe von Lehrern zu den Evaluationen eingeschrieben hat, mit dem Ziel, diese zu schädigen: An die 70 Lehrer und Lehrerinnen kappten die Verbindung zum Netz an den 2 800 Computern. An die 6000 Bundespolizisten wurden geschickt, um die Aktion zu stoppen.
Chiapas: Blockaden um Blockaden
Müssten wir diese Analyse hier in nur einem Wort zusammenfassen, wäre es im Falle Chiapas das Wort “Blockaden”, da es im ganzen Staat durch verschiedene Akteure als Ausdruck ihrer Unzufriedenheit zu Blockaden der Schnellstraßen kam. Grund dafür waren hauptsächlich die Ergebnisse der Gemeindewahlen im Juli. Einige von ihnen lieferten Stoff für gewaltsame Situationen, alle beeinträchtigten auf drastische Weise den Verkehr über Tage hinweg.
Die Lehrer waren bei diesem Ausdruck der Unzufriedenheit einer der relevanten Aktuere. Am 18. Oktober, dem Tag für den die Analyseexamen vorgesehen waren, wurden Mitglieder der 7. Sektion in Chiapas “auf gewaltsame Art unterdrückt, als sie anfingen sich, nach ihren Angaben friedlich, mit der Sektion 40 [des Gesundheitssektors] zu versammeln”. Nach Medienangaben “sprachen die Behörden von drei durch körperliche Gewalt verletzte Polizisten, sowie von einem, der durch Lehrer einbehalten wurde. Die Lehrer beklagten auf ihrer Seite drei verletzte Kollegen durch Gummikugeln, vier Verletzte durch Polizeigewalt, sowie zwei Verhaftete. Später tauschten Polizei und Lehrer die ‚Geiseln‚ aus”. Bei dem Versuch einer Wiederholung des Termins im November, veranstaltete die CNTE Märsche, an denen mehr als 30 000 Lehrer und Lehrerinnen teilnahmen. Im Anschluss daran waren die neuen Daten für die Evaluation der 12. und 13. Dezember, obwohl die Behörden dies in letzter Minute auf den 8. desselben Monats tauschten, um einen weiteren Boikott zu vermeiden. Lehrerinnen und Lehrer versuchten Zugang zu den Gebäuden zu verhindern, in welche Dutzende verlegt wurden, nachdem sie zuvor in Militärgebäuden geschützt wurden. Sie lieferten sich eine Konfrontation mit der Polizei, wobei es zum Tod eines Lehrers kam, sechs verhaftet und einige verletzt wurden. David Gemayel Ruiz ist der dritte Lehrer, der während Protesten gegen die Evaluation umgekommen ist. Im Februar und März kamen in Guerrero bereits zwei Lehrer um. Nach Verhandlungen mit den staatlichen Behörden, verkündete die CNTE ihre Lehrtätigkeit wieder aufzunehmen, nachdem sie diese während der vergangenen drei Tage niedergelegt hatten.
Intakte Straflosigkeit
Es gibt zahlreiche Beispiele für Aktionen, die im zweiten Halbjahr 2015 auf ein und dieselbe Realität hinweisen: Die herrschende Straflosigkeit. Im September nahmen in Masojá Shucjá im Munizip von Tila einige hundert Personen an der Gedenkfeier der in dieser Region zwischen 1994 und 1999 ermordeten und verschwundenen Personen teil. Im Oktober verkündeten die vertriebenen tojolabal- Indigenen der Gemeinde Primero de Agosto, dass “durch die unterlassene Unterstützung der offiziellen Behörden die Verletzungen unserer Rechte, Morddrohungen, Drohungen zur Entführung, Drohungen einer erneuten gewaltsamen Räumung und Einschüchterungen weitergehen”. Ebenfalls im Oktober nahm die Zivilorganisation Las Abejas de Acteal an einer öffentlichen Anhörung durch die CIDH in Washington teil. Es ging dabei um das Massaker von Acteal im Jahre 1997. Las Abejas insistierten, dass “dieses Massaker vom mexikanischen Staat selbst geplant wurde”. Sie stellten klar, dass sie “aufgrund des Zynismus des mexikanischen Staates, der seine Verantwortung für das Massaker von Acteal nicht wahrnimmt, (…) eine freundschaftliche Lösung NICHT akzeptieren werden”.
Neue Anzeigen
Im September wurde Alejandro Díaz Sántiz, Gefangener im Gefängnis von San Cristóbal de las Casas und solidarisch mit der Organisation Voz de Amate, mit 386 anderen Gefangenen aus 13 bundesstaatlichen Gefängnissen in ein anderes Gefängnis in der Nähe von Tapachula verlegt. Während der Aktion wurden Gefangene, die als “hochgefährlich” eingestuft wurden verlegt, was die Arbeitsgruppe “No estamos todxs” als “eine politische Schande der schlechten Regierung gegen Alejandro” einstufte, “der damit beauftragt ist den anderen Gefangenen zu helfen und sie zu sensibilisieren”.
Ebenfalls im September verkündete das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas (CDHFBC), dass die Unterstützer der Zapatistischen Armee, genannt Bases de Apoyo del Ejército Zapatista de Liberación Nacional (EZLN) aus Tzakukum im Munizip von Chalchihuitán Morddrohungen, sowie körperliche Gewalt erfahren haben. Seit Juli 2015 gibt es dort Konflikte, als Mitglieder der PRI begannen, Klassenzimmer an öffentlichen Orten zu bauen, ohne zuvor die Unterstützer zu konsultieren. Im Dezember informierte das CDHFBC auch über willkürliche Freiheitsberaubung und Verfahrensfehler während der Verhaftung von José Alfonso Cruz Espinosa, ebenfalls Mitglied der Base de Apoyo der EZLN.
Am 2. Dezember erstattete das Menschenrechtszentrum der Frau in Chiapas, A.C. öffentlich Anzeige aufgrund öffentlicher Bedrohungen und Einschüchterungen. Neben Überwachungsaktionen bezieht sich die Anzeige auf einige Telefonanrufe, die insoweit besorgniserregend sind, als dass die anrufende Person Details aus den Privatleben der Betroffenen kannte.
Ebenfalls im Dezember wurde in das Haus von Julio César Ortega, Mitwirkender im CIDECI- Unitierra Chiapas und Teil des Unterstützerteams der Kommission Sexta der EZLN, eingebrochen. An jenem Tag drangen vier Personen auf gewaltsame Weise in sein Haus ein. Dort trafen sie auf seinen 25-jährigen Sohn, den sie schlugen und fesselten während sie ihn nach seinem Vater fragten. Dabei erwähnten sie, dass sie bezahlt worden seien um ihn zu ermorden. Die Männer verließen das Haus und nahmen einige wenige Wertgegenstände mit.
Die Indigenen des Ejido Tila erlangten nach einem Beschluss ihrer Versammlung am 16. Dezember die kommunalen landwirtschaftlichen Gebiete, genannt tierras ejidales, zurück, auf denen sich das Präsidium des Munizips befindet und beschädigten jenes Gebäude. Sie gaben an, dass nun mehr als fünf Jahrzehnte vergangen sind, in denen sie verschiedene Instanzen der Regierung aufgesucht haben und nicht angehört wurden. Später stritten sie die Nachrichten ab, die in lokalen Medien veröffentlicht wurden und angaben, dass “es weder Gewalt noch Konfrontationen gab”. Sie beklagten, dass der Direktor der städtischen Polizei auf einen Ejidatario geschossen hat und sich dieser nun in Behandlung befinde. Sie beschuldigten den städtischen Präsidenten, die Paramilitärgruppe “Desarollo, Paz y Justicia” zu reaktivieren. Diese Gruppe war zwischen den Jahren 1995 und 2000 für 86 Hinrichtungen, 37 gewaltsame Verschwindenlassen und die gewaltsame Vertreibung von mehr als 4000 Personen verantwortlich.
OAXACA: Anzeichen von Kriminalisierung innerhalb sozialer Bewegungen
Im November entsandte der Gouverneur des Bundesstaates Oaxaca, Gabino Cué Monteagudo, den Generalsekretär der Regierung. Er sollte den lokalen Kongress über den 5. Bericht der Regierung in Kenntniss setzen. Seine eigene Abwesenheit dürfte auf die Ankündigung einer Mobilisierung der 22. Sektion der CNTE zurückzuführen sein, die für das Gelände, wo der Bericht vorgestellt werden sollte, angekündigt wurde. Daher wurde der Platz von fast 2000 Polizisten gesichert. Wie auch in anderen Bundesstaaten, hat sich die CNTE mit verschiedenen Protestformen gegen das Diagnoseexamen gestellt. Verschiedene soziale und zivile Organisationen sind sich einig, dass die wiederholten “Schläge” und die Kriminalisierung der 22. Sektion zu einer bürgerlichen Demobiliserung geführt haben.
Zuvor wurden während des Gedenkmarsches in Oaxaca zum Studentenmassaker von Tlatelolco 1968 am 2. Oktober 52 Personen festgenommen. Das Netzwerk der Aktivistinnen und Menschenrechtsverteidigerinnen in Oaxaca beklagte “die eindeutige Manipulationsstrategie mit dem Ziel, soziale Bewegungen zu kriminalisieren”. In den folgenden 10 Tagen wurden alle Verhafteten ohne den Hinweis auf eine Straftat wieder freigelassen.
Im Oktober informierten Repräsentanten der indigenen Gemeinde binni’zaa in Juchitán de Zaragoza, dass seit dem Beginn ihres Streiks gegen dden Bau der Megaprojekte der Firma Energía Eólica del Sur auf ihren Ländereien, eine Sperre für all die Genehmigungen und Erlaubnisse, die von Seiten der staatlichen und bundesstaatlichen Behörden gegeben wurden, ausgesprochen wurde. Sie verkündeten, dass “als eine Folge dieses richterlichen Beschlusses die Bedrohung gegen die Personen, die den Streik initiiert hatten, gestiegen ist”. Sie bestätigten, dass es in ihrem Fall “keine öffentliche Konsultierung gab, weil sie im vergangenen Januar das Projekt schon genehmigt war (…), aber es bis Juni dauerte, bis es eine Konsultierung gab, die nur Simulation war”.
Im November verkündeten Repräsentanten aus 50 Gemeinden der Küstenregion und der Sierra Sur, sowie Bürgerorganisationen, dass es an der Küste Oaxacas mindestens 14 hydroelektrische Projekte, sowie Minenprojekte gibt, die die Gebiete der Gemeinden in der Regionen bedrohen. Während des Forums “Ríos y Montañas en Peligro” (dt.: “Flüsse und Wälder in Gefahr”) gaben sie an, dass viele der Projekte durch oaxaquenische und staatliche Behörden angekurbelt werden.
Die Straflosigkeit im Falle der Ermordung von Bety Cariño und Jyri Jaakkola (Finne) während einer humanitären Karawane nach San Juan Copala in der Region Triqui im Jahre 2010, dauert weiter an. Satu Hassi und Ska Keller, Abgeordnete des europäischen Parlamentes, wurden während ihres offiziellen Besuches im Oktober von keinem Repräsentanten der Regierung von Gabino Cué Monteagudo empfangen. Satu Hassi, der Abgeordnete des finnischen Parlamentes, betonte, dass sie entschieden hatten nach Mexiko zu kommen, weil “es keine Fortschritte gibt, es gibt nichts, es ist nichts passiert, daher ist mein Fazit, dass es an Wille fehlt” die Schuldigen dieses Verbrechens zu verhaften. Hassi fügte hinzu, dass “wir ein ähhnliches Muster zwischen dem Fall von Jyri Jaakkola und Bety Cariño und den 43 Verschwundenen aus Ayotzinapa sehen”. Er schlussfolgerte, dass beide Fälle Symptome derselben Krankheit sind, und zwar der Straflosigkeit.