FOKUS: Vorschlag des Nationalen Indigenen Kongress – “Echos der Hoffnung”…
29/04/2017AKTIVITÄTEN VON SIPAZ (von Anfang November 2016 bis Ende Januar 2017)
29/04/2017“Direkte Verantwortung von öffentlichen Behörden in Absprache mit dem organisierten Verbrechen sowie nationalen und transnationalen Firmen”
Im November hatte SIPAZ die Gelegenheit die Internationale Beobachtungsmission der Menschenrechte an der Grenze zwischen Guatemala und Mexiko (MODH) zu begleiten. Zu der Mission rief der Koordinationsrat der grenzüberschreitenden Migration und Geschlechter (MTMG) auf, um die Verletzungen der Menschenrechte in dieser Region sichtbar zu machen.
Die MTMG existiert seit zehn Jahren und besteht aus 30 Zivil- und Sozialorganisationen, die aus Guatemala und Mexiko stammen. Ihre Arbeit besteht aus der Verteidigung und Förderung der Menschenrechte der MigrantInnen, sowie der an der Grenze gelegenen Gemeinden auf beiden Seiten. Der Fokus liegt dabei auf den Frauen und Mädchen, aber auch auf den Jugendlichen, die migrieren. Bekannt ist, dass die Grenze “ein Ort des Treffens und Austausches der Solidarität zwischen Dörfern und Gemeinden ist”, jedoch gleichzeitig auch die Bürger-, Politik-, Ökologie-, Wirtschaftliche-, Sozial- und Kulturrechten der lokalen Bevölkerung und MigrantInnen systematisch verletzt werden. In diesem Kontext entschied sich die MTMG eine Internationale Beobachtungsmission aufzurufen. Die Ziele wurden wiefolgt formuliert:
- “Die Situation sichtbar machen (…), wobei durchaus anzuerkennen ist, dass das wiederum generalisierte Settings von Zwangsmigration und Flucht hervorruft und dabei der Verteidigung und Selbstbestimmung der Regionen und Gemeinden widerspricht.”
- “Strukturelle Ursachen aufzeigen, ebenso wie die Verantwortlichen dieser genannten Verletzungen.”
- “Die Wege der Kollektive und der zivilen und gemeinnützigen Organisationen, sowie die Ursachen, die uns in der Verteidigung der Menschenrechte der Frauen und der LGBTTTIQ Gemeinde [Lesben, homosexuell, bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, Transvestiten, Intersex, Queer] vereinen, sichtbar zu machen und sich zu den Territorien und Migrationen zu bekennen.“
Es hat sich eine Gruppe mit 24 Personen gefunden, in der VertreterInnen ziviler Organisationen, Kirchen und Europaabgeordnete vertreten waren. Gebürtig kamen die TeilnehmerInnen aus Kolumbien, El Salvador, Guatemala, Ecuador, Spanien, den USA, Mexiko und Kanada; außerdem begleiteten 30 Mitglieder der MTMG, sowohl von der mexikanischen, als auch von der guatemaltekischen Seite die Mission.
Die MODH begann am 10. November und teilte sich in zwei Routen. Beide fingen ihren Weg in Guatemala-Stadt an. 30 Orte und 2.211 Kilometer der Migrationswege wurden in der Grenzregion abgedeckt. Die Wege beider Gruppen trafen sich am 15. November in San Cristóbal de las Casas, Chiapas wo die BeobachterInnen ihre Observationen und Erfahrungen austauschten. Am nächsten Tag gab es ebenfalls in San Cristóbal de las Casas öffentliche politische und kulturelle Aktivitäten. Der Aktionstag fiel mit der Karawane der zentralamerikanischen Mütter zusammen, welche seit 12 Jahren unter dem Leitspruch “Wir suchen Leben auf Wegen des Todes”, nach ihren verschwunden Söhnen und Töchtern auf dem Weg von Mexiko bis in die USA suchen.
Insgesamt trafen sich die BeobachterInnen der MODH mit mehr als 70 zivilen Organisationen und Kollektiven, etwa 1600 Personen und hatten die Gelegenheit sich deren Probleme anzuhören, aber ihnen wurde auch über verschiedene Formen berichtet, gegen diese Probleme anzukämpfen. Sie besuchten Orte, die sich durch ihren biologischen, mineralischen, energetischen und sozio-kulturellen Reichtum auszeichnen, aber dennoch unter historisch bedingter sozialer Diskriminierung, Enteignungen und wirtschaftlicher Gewalt leiden. Durch die Einführung der neoliberalen Politik in die mesoamerikanische Region ist dies noch schlimmer geworden.
Diese regionalen Entwicklungsprogramme werden von den internationalen Finanzinstitutionen eingeführt und von den nationalen Regierungen umgesetzt. Als Beispiel lassen sich Strategien wie „Desarrollo Regional del Mundo Maya-Frontera Sur“, das umfassende Programm der Südgrenze und das Projekt der Sonderwirtschaftszonen in Mexiko ausgeführt nennen; In Guatemala, Honduras und El Salvador wird indes der „Plan de la Alianza para la Prosperidad“ implementiert; und das Projekt der Integration und Entwicklung von Mittelamerika.
Als Konsequenzen dieser und weiterer Energie-, Tourismus-, Bergbau-, Lebensmittelindustrie- und Infrastrukturprojekte nimmt die Ausbeutung des Territoriums, welche durch gezwungene Vertreibungen, Veränderung des Ökosystems, sowie Schäden der Gesundheit und Spaltungen der Gemeinden begleitet werden, zu. Das hat wiederum Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Bauern und die indigenen Gemeinschaften. All diese Elemente sind die Hauptauslöser der Migration und erschweren gleichzeitig das Überleben ihres Wesens, ihrer Kultur, ihrer Lebensweisen und ihrer eigenen Sprachen.
Die Aussagen der MigrantenInnen bezeugten, dass es aufgrund von Fällen wie Bedrohungen, Menschenhandel, gewaltsames Verschwindenlassen, Entführungen, Körperverletzungen, Folter, Mord, Vergewaltigungen und sexueller Missbrauch, Frauenmorde sowie Korruption eine tiefe Menschenrechtskrise gibt. Außerdem gibt es für die Opfer keinen Zugang zur Justiz und im Falle derer, die es sich trauen, jemanden anzuzeigen, herrscht oft Straflosigkeit. Auf der anderen Seite, “gibt es viele MigrantenInnen, die im Gefängnis sind, ohne ein faires Verfahren bekommen zu haben, oder ein fehlerhaftes Verfahren und andere, die unschuldig sind bis sie ihnen Straftaten andichten. Manchmal wissen ihre Eltern gar nicht, dass sie im Gefängnis in Mexiko sind, da sie nicht die Möglichkeit haben sich bei ihren Eltern zu melden.“
Dennoch, seit 2012 ist die Anzahl der ZentralamerikanerInnen, die bis zur Grenze Guatemala/Mexiko kommen, gestiegen. Ebenso die Menge der schutzsuchenden Frauen. Sie machen beinahe 20% der Migranten aus. Die MODH observierte ein „einheitliches Muster von Kriminalisierung, Verfolgung und Unterdrückung von Migrantinnen, sowie Menschenrechtsverteidigerinnen und Landverteidigerinnen, das sie bis zu einer Verhaftung oder gar bis in den Tod treibt.“ Auch die MODH selbst wurde während ihrer Observationen von Sicherheitskräften und dem Geheimdienst in beiden Ländern beobachtet und belästigt.
Die Migration der Angehörigen der LGBTTTIQ Gruppe nimmt aufgrund der Gewalt gegenüber ihrer Identitäten und sexuellen Orientierungen immer mehr zu. Wenn sie dann auf dem Weg sind, um Schutz zu suchen, sind sie genauso dem sogenannten “Migrations-Paket” ausgesetzt. Damit sind die Risiken wie Menschenhandel, Vergewaltigung, Prostitution und Feminizide gemeint. Es wird geschätzt, dass 8 von 10 Migrantinnen diese Art von Gewalt erleiden, die oft im Versteckten bleiben und sogar als normal empfunden werden.
Im Allgemeinen schlug die MODH Alarm: “Es lässt sich eine Verhärtung der Strategie zum Migrationsphänomen beobachten, die sich im Prozess der Verlagerung der US-Südgrenze an die Südgrenze Mexikos zeigt. Dabei geht es nicht darum, den Bedürfnissen der MigrantenInnen zu entsprechen, sondern diese Strategie sieht die Erfassung, Verhaftung und Deportation der Migrantenströme vor. Diese stammen zu einem Großteil aus den Ländern Zentralamerikas, aber auch zu einem kleinen Anteil aus Ländern des afrikansichen und asiatischen Kontinents. Auf beiden Routen der MODH dokumentierte man verstärkte Präsenz für Migrationskontrollen. An den Kontrollpunkten kam es ständig zu einer Verbindung von verschiedenen Einheiten des Militärs, der Polizei, sowie Migrationsbeamten der drei staatlichen Niveaus (national, bundesstaatlich und lokal). Organisationen, die von der MODH besucht wurden, erzählten ebenso von der Präsenz us-amerikanischen Beamten in der Region, die direkt mit den Migrationsstellen und den Sicherheitsbeamten zusammen arbeiten.”
Genau deshalb scheint es nicht überraschend das “in den meisten Fällen, in denen die MODH von der Verletzung der Menschenrechte hörte, eine direkte Verantwortung zu öffentlichen Behörden nachgewiesen werden konnte, die in Zusammenarbeit mit dem organisierten Verbrechen und den nationalen sowie transnationalen Firmen stehen. Mit der Unterstützung von privaten Sicherheitsfirmen und bewaffneten Zivilgruppen, korrumpieren sie die Justiz…“
In Anbetracht des Beobachtenden, kam die MODH zu dem Entschluss, dass es notwendig ist, in der Region für soziale Artikulation des Themas zu sorgen. Ebenso bestätigen sie die Notwendigkeit für eine Installation einer „permanenten Menschenrechtsbeobachtungsstelle“: „Wir wollen, dass diese Bemühungen und das Miteinander im Kampf zu einem bunten Gewebe wird und sich die Bezirke und Gemeinden an der Grenze zwischen Guatemala und Mexiko vereinen, um nach und nach eine kritische Vision zu konstruieren, die vielfältig und echt ist; Einen mesoamerikanischen Entwurf, der in der Lage ist, die Kämpfe aus Zentralamerika, dem südlichen und dem südöstlichen Mexiko miteinzuschließen.“
Für mehr Information: Vorläufiger Bericht “Kämpfe die durch grenzüberschreitenden Straßen fließen“ (Dezember, 2016)✕