FOKUS: Menschenrechte in den Händen der Unternehmen
30/03/2021Aktivitäten von SIPAZ (Mitte November 2020 bis Mitte Februar 2021)
30/03/2021 „Und hier sind wir nun,
kämpfen weiter,
gegen eine Regierung,
die uns nicht hört.
Aus dem Popol Vuh die Lehre,
aus der Bibel unseren Glauben,
aus dem jTatic ein Erbe
und aus seiner Auferstehung unsere Hoffnung.“
jTatic Abuelo Guardián
Francisco Lara, 2021
2021 jährt sich der Todestag von Samuel Ruíz García, Bischof, Friedensaktivist und Verteidiger indigener Völker in Mexiko und Lateinamerika, zum 10. Mal.
Mit Altaren, in indigener Sprache verfassten Gebeten, Blumen und Liedern, eucharistischen Zeremonien und weiteren Events, haben unterschiedliche zivilgesellschaftliche Organisationen, Mitglieder der Katholischen Kirche, wie auch Menschenrechtsvertreter*innen vor Ort oder aus der Ferne an Samuel Ruíz gedacht.
Es liegt auf der Hand, dass das Erbe des jTatic Samuel (Vater in Tzeltal, Maya-Sprache) über Kulturen, Grenzen und Generationen weit hinausreicht, sodass sich heutzutage die Lehren des “Bischofs der Armen“ im Friedensaufbau in Chiapas wiederfinden lassen.
“Sein Erbe, eine Kraft für den Aufbau des Friedens“
Als Teil dieser Zelebrierung hat die Organisation “Sociedad Civil Las Abejas de Acteal“ (Zivilgesellschaft Die Bienen von Acteal) eine Mitteilung veröffentlicht, in der sie an Samuel Ruíz als den Bischof gedenken, der kam, um die Realität der indigenen Bevölkerung anzuerkennen und um sich und Chiapas zu verändern, in der Erkenntnis, dass „seine Berufung als Bischof auf diese Realität antworten musste.“ Es war der Wendepunkt, der pastorale Mitarbeiter anfangen ließ, dafür zu sorgen, „Kommissionen und kollektive Arbeiten in den Dörfern zu organisieren, die sich vorrangig um die Gesundheit, die Bildung, die Produktion und die Verteidigung der Territorien kümmern“, so die Organisation.
Diese alles verändernde Ankunft hatte zur Folge, dass Samuel Ruíz von der indigenen Bevölkerung in Chiapas als einer der ihrigen angesehen wurde. Des Weiteren und einhergehend mit der Feier des Zweiten Vatikanischen Konzils hat sich die Katholische Kirche gegenüber den Armen und Indigenen, vor allem in Lateinamerika, dazu verpflichtet, die Formen und Weisen der indigenen Bevölkerung anzuerkennen und sie zu unterstützen, eine „autochthone Kirche“ zu sein. In dieser Hinsicht war Samuel Ruíz Entscheidung, sich für die indigene Bevölkerung einzusetzen, nicht nur vor dem Hintergrund der Glaubenspraxis, sondern auch in Bezug auf partizipatorische Bildung, die das Bewusstsein, den Mut und die Organisation stützt, ein „Beweis seiner Integrationsfähigkeiten von Kultur und Glaube in der Aufgabe des Friedensaufbaus“, erwähnt Gonzalo Ituarte, zurzeit Direktor von Serapaz und enger Mitarbeiter von Samuel Ruíz.
Im Rahmen der Dialogrunde „Dein Geist auf unserem Weg. Das Erbe des Vaters Samuel Ruíz für den Aufbau des Friedens“ wurden einige der wichtigsten Lehren Samuels bezüglich des Prozesses des Friedensaufbaus in dem Staat behandelt.
Abelardo Cruz Jimenez, einst Präsident der Organisation Kiptik ta Lecubtesel, erinnert sich daran, wie Vater Samuel bei der „Rekonstruktion von Kulturen und indigenen Völkern in Chiapas geholfen, ihre Grenzen aber auch verschoben hat, indem er sie vereinte und durch das Wort Gottes dazu brachte, weiter zu kämpfen: „Vater Samuel ermutigte uns und sagte, dass unsere Gemeinden zwar wie Scherben zerbrochen seien, aber zueinander zurückfinden können. (…) Wir holten Trommeln, Flöten und Banner und fingen an, uns zu organisieren, was ein harter Kampf war, da die Regierung uns massiv unter Druck gesetzt hat“, erklärt Abelardo.
Die Vermittlung, an der Samuel Ruíz während des Konflikts zwischen der mexikanischen Regierung und der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) beteiligt war, war eine Art Akt der gegenseitigen Anerkennung der am Konflikt Beteiligten, was Ruíz zu einer „Schlüsselfigur im Friedensaufbau“ machte, ihn aber zur gleichen Zeit „in die Schusslinie brachte“, da die mexikanischen Regierung ihn mit der Entstehung der EZLN in Verbindung setzte und so mehrmals versuchte, ihn aus der Diözese San Cristóbal zu vertreiben, und gemeinsam mit dem Vatikan den Zentralteil seines pastoralen Handels, nämlich der Ausbildung der Diakonen und indigenen Katechisten, einzustellen, was sich erst mit dem Besuch von Papst Franziskus im Jahr 2016 ändern würde.
Als Ergebnis seiner Arbeit verstand Samuel Ruíz die Vermittlung als einen Prozess der Begleitung und des Dialoges, als „Treffpunkt und Suche nach dem Gemeinsamen“, und als Raum zur gegenseitigen Anerkennung der am Konflikt beteiligten Parteien, um den „Weg zur Veränderung“ zu finden. Das Ziel dieser Vermittlung war, dass die Regierung „die Legitimität der gesellschaftlichen Akteure, die sich wie kollektive Subjekte mit eigener Stimme im Kampf befinden, anerkennt“, um so das „historisch betrachtet unterdrückte Subjekt“ zu stärken.
Des Weiteren schaffte Samuel Ruíz in jener Zeit, in der die indigenen Völker am meisten unterdrückt wurden, Raum für ihre Gemeinschaften und andere Organisationen hinsichtlich der Achtung und Verteidigung ihrer Rechte. Dadurch suchte er eine Abstimmung zwischen den einzelnen Beteiligten des Kampfes, um „Brücken zu bauen, über die sie auf denselben Horizont zulaufen“, aber auch um die Beteiligung der Aktivisten an der Veränderung dieser unterdrückenden Strukturen zu gewinnen.
Die permanente Bemühung, den Frieden in Chiapas und in Mexiko zu etablieren, wurde 1998 geehrt, als Rigoberta Menchu, Adolfo Pérez Esquivel, Desmond Tutu, Oscar Arias und der Dalai Lama, alle Friedensnobelpreisträger, eine schriftliche Anerkennung unterschrieben, die Samuel Ruíz in San Cristóbal de las Casas im Rahmen des Peace Council, der im selben Jahr stattfand, ausgehändigt wurde. Ziel dieses Treffens war es, zu zeigen, dass Frieden und eine interreligiöse Zusammenarbeit möglich seien. „In einer Welt, in der Religion häufig die gesellschaftliche Spaltung, den Hass und die Gewalt rechtfertigt – und nur sehr selten genutzt wird, um ebendiese Probleme zu lösen…“.
Samuel Ruíz García erhielt 2016 den Segen von Papst Franziskus, als dieser sein Grab in der Kathedrale in San Cristóbal de las Casas besuchte. Durch diesen Besuch genehmigte er Muttersprachen bei religiösen Zeremonien und feierte in Begleitung von indigenen Diakonen eine Messe. Während des Gottesdienstes sagte der Papst: „Viele Male wurden seine Völker systematisch und strukturell verkannt und aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Welch eine Schande!“. „Er lässt uns unser Gewissen hinterfragen und lehrt uns das Verzeihen zu lernen“, wodurch er zur Versöhnung aufruft. Diese Geste wurde von vielen als „Forderung“ des Bischofs gesehen, sich für die Armen einzusetzen, während es für andere eher ein Akt der Gerechtigkeit der Arbeit war, die Vater Samuel ausübte.
„Die Tatsache, dass Papst Franziskus einen Moment des Gebets und der Stille an Vater Samuels Grab stand, ist äußerst bedeutend und ein Zeichen der Wertschätzung seiner Arbeit und der seines Weges von 40 Jahren. Ganz ähnlich wie bei dem Bischof und Verteidiger der Armen, Fray Bartolomé de las Casas, zu Beginn der Kolonialisierung“, sagt Pfarrer José Javier Avilés Arreola, Mitglied der Gesellschaft Jesu.
In diesem Sinne ist es inspirierend zu sehen, wie das Erbe von Don Samuel weiterlebt. Trotzdem müssen wir uns dessen bewusst sein, dass strukturelle Gewalt, die die indigene Bevölkerung unterdrückt, noch immer aktuell ist. „Es gilt nicht, die Vergangenheit zu wiederholen, sondern sich durch neue Herausforderungen der Realität zu nähern, und von diesem Zeitpunkt an aufmerksam zu sein und neue Lösungen zu finden, die das Streben nach Frieden möglich machen.“
Dieses Jahr bietet die Möglichkeit, die Zukunft durch die Augen von Don Samuel zu betrachten, „weiter als die Dunkelheit der schwierigen Momente zu schauen, die wir als Menschheit erleben, um die Lichter auf unserem Weg zu erkennen und zu schätzen“.
Das Erbe von Samuel Ruíz zeigt uns, wie wichtig der gemeinsame Dialog für die Prozesse des Friedensaufbaus sind, da „richtig erörterte Konflikte Motoren sind, die strukturelle Veränderungen ermöglichen und vorantreiben, vor allem für die Gruppen, die sich in der Vergangenheit in prekären Situationen befunden haben.“.