FOKUS: Jugendliche in Mexiko – eine Annäherung an ihre Perspektiven und Ansichten
07/07/2021Aktivitäten von SIPAZ (Mitte Februar bis Mitte Mai 2021)
07/07/2021Frauen und Mädchen in Mexiko leben in Umständen, in denen der Staat nichts unternimmt, um ihre Rechte zu schützen. Wenn sie öffentlich gegen geschlechterspezifische Gewalt protestieren, werden sie auf verschiedene Weisen verletzt, unteranderem auch wegen ihres Geschlechts.
I n deraktuellen Pandemie sind am 8. März, also am Internationalen Feministischen Kampftag, trotz dermöglichen Risiken der Pandemie, mehreretausend Frauen* in Mexiko auf die Straße gegangen, um einerseits Achtung für ihre Rechte und andererseits ein Recht auf ein gewaltfreies Leben zu fordern. Sowohlfeministische Kollektive und zivilgesellschaftliche Organisationen als auch Individuen beteiligten sich an den Demonstrationen.
Seit Jahrzehnten nehmen Frauen* auf derganzen Welt an verschiedenen Aktionen teil, um auf ihre prekären Situationen aufmerksam zu machen, in denen sie sich einzig und allein wegen ihres Geschlechts befinden. Nach Informationen des Sekretariats der Sicherheit und des Schutzes der Bürger (SSPC) im Januar des laufenden Jahres verzeichnet Mexiko weiterhin geschlechtsspezifische Gewalttaten, im Durchschnitt werden 10 Frauen* pro Tag ermordet. Täglich werden zweidieser Fälle als Femizide registriert. Hinzukommt, dass diese Zahl im Laufe der Pandemie deutlich angestiegen ist, wie verschiedene Quellen berichten.
2021: Ein März inmitten einer Pandemie
Seit nun mehrals einem Jahr gibt es in Mexiko, wie auch im Rest der Welt, Einschränkungen, die die Durchführung von Aktionen, wie dem Generalstreik im Jahr zuvor, bei dem mehrals 200.000 Menschen teilnahmen und durch welchen ein Verlust von 37 Millionen Pesos verzeichnet wurde, unmöglich machen. Nichtsdestotrotz konnteauch die aktuelle Pandemie nicht verhindern, dass tausende Frauen* aus unterschiedlichen Generationen, sozialen Schichten und Hintergründen ihre Stimme sowohlin sozialen Medien als auch bei Demonstrationen, Feiern und Straßenfesten erheben, um ein klares Zeichen zu setzen: Schluss mit der Gewalt und der Unsicherheit.
Aktionen am März in der Republik
Feministische Demonstranten, solche aus Gruppen als auch jene, die keiner Vereinigung angehören, sind, zumindest auf dem Paper, durch das Recht auf friedliche Zusammenkunft geschützt, wie Amnesty Internationalin dem Bericht „Mexiko: die Wut der Frauen“ 2021 erklärt. Allerdings bestätigt Amnesty Internationalim gleichen Zug, dass die mexikanischen Behörden mit Gewalt und Verletzung des eben genannten, aberauch anderer Menschenrechte, gegen Frauen vorgegangen sind.
Währenddessen wurden verschiedene Aktionen durchgeführt, von denen einige auf gerade diese Art der Gewalt aufmerksam machten. So haben beispielweise Frauen* derzivilgesellschaftlichen Organisation Las Abejas de Actealin Chiapas einer Militärbasis eine Botschaft hinterlassen, in der sie erklären, dass das Militär in ihren Gebieten unerwünscht ist. In Städten wie Tuxtla Gutiérrez, San Cristóbal de las Casas oder Tonalá demonstrierten hunderte Frauen* nach dem Motto: „Nicht die Polizei beschützt mich, sondern meine Freundinnen“, um die vielen Femizide anzuprangern, die im Laufe des letzten Jahres ohne Strafverfolgung begangen wurden.
Im Bundesstaat Guerrero, aber auch in der Hauptstadt hörte man Rufe wie „Ein Vergewaltigerdarf kein Gouverneursein!“, was sich auf die Vorwürfe gegen den Regierungskandidaten der Partei Movimiento Regeneración Nacional(Morena), Félix Salgado Macedonio bezieht. Ihm wird sexuelle Belästigung und Vergewaltigung vorgeworfen.
Die doppelte Gewaltgegen Demonstrantinnen
In vielen Fällen sprachen Kommunikationsmedien nicht überdie gerechten Forderungen der Frauen* und ihre Frustration überdie wenigen Erfolge in ihrem Kampf, sondern überdie Zerstörung von öffentlichen Gebäuden, Auseinandersetzungen mit der Polizeiund über Festnahmen und verletzte Personen (Sowohlauf Seiten der Demonstranten als auch auf derder Sicherheitskräfte). In der Hauptstadt informierten die lokalen Behörden über 81 Verwundete während der Proteste.
Außerdem berichteten einige Quellen überdie Verwendung von Tränengas seitens der Polizei, was die Regierung jedoch bestritt.
In dem Informationsbericht von Amnesty Internationalwurde hervorgehoben, dass die mexikanischen Behörden mit unnötigerund exzessiver Gewalt, das heißt mit illegalen und willkürlichen Festnahmen und verbalem und körperlichem Missbrauch, gegen die Protesteder Frauen* und ihre Versuche, geschlechterspezifische Gewalt anzusprechen, vorgegangen sind. Des Weiteren wird berichtet, wie feministische Kundgebungen, die größtenteils friedlich verliefen, als gewalttätig betitelt werden und, wie viele der Teilnehmenden in ihren Menschenrechten im Zuge dieser Demonstrationen im vergangenen Jahrverletzt wurden. Auch definiert Amnesty International sowohldie Zeichen und Symbole, die von Demonstrierenden an Wände oderauf den Boden gemalt wurden als auch die Manipulation von Monumenten als „Expressionen, diedurch das Menschenrecht auf Meinungsfreiheitgeschütztsind“.
Die „Antwort“ der Regierung der Vierten Transformation – „Eine Mauer des Friedens“
Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador(AMLO) präsentierteeine sehr gegensätzliche Einstellung bezüglich des Gender-Themas. Beiverschiedenen Gegebenheiten hat er den bereits erwähnten Ex-Kandidaten Salgado Macedonio unterstützt. Erhat finanzielle Mittel für öffentliche Programme gekürzt, die sich fürdie Bekämpfung dergeschlechterspezifischen Gewalt einsetzen und beieiner Konferenz erklärte er, dass die feministischen Bewegungen „Gruppen sind, die durch Konservativemanipuliertwerden und, dass ihre Forderungen politische Angriffesind“.
Neben den erwarteten Demonstrationen am 8. März in der Hauptstadt haben sich die Repräsentanten und die dort ansässige Regierung (geführt von einer Frau*) dazu entschieden, einen Wall, eine „Mauerdes Friedens“, vordem Nationalpalast zu errichten – etwas, was es vorhernoch nie zuvorgegeben hat. Dieser Wall sei, so der Präsident, zum Schutz der Demonstrierenden errichtet worden. Nichtsdestotrotz wurdedas Projekt von vielen Seiten scharf kritisiert, da es als Ausdruck staatlicher Unterdrückung verstanden werden könne.
Diese Mauerhat sich in ein polemisches Symboldes Internationalen Feministischen Kampftages verwandelt. Sie wurde bis Ende der Woche als eine „Mauerder Erinnerung“ genutzt, an die die Namen von hunderten Opfern von Femiziden geschrieben wurden. Zusätzlich wurden gigantische Bilder mit Nachrichten wie „Mexiko – ein Frauenmörder“ an der Fassade des Nationalpalastes abgebildet.
„Der Lockdown hat die öffentlichen feministischen Proteste zwareingedämmt, jedoch haben die Legitimierung ihrer Gründe und die Bereitschaft, sie zu verteidigen, die politische Agendaund die Kommunikationsmedien überfordert und durcheinandergebracht, während sich gleichzeitig die soziale Basis erweitert und diversifiziert hat. Ihre Kraft hat die Proteste in die mächtigste Bewegung gegen die patriarchale Herrschaft in Mexiko verwandelt“, so Laura Castillas, Journalistin und feministische Autorin in der Washington Post.