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26/09/2024Aktivitäten von SIPAZ (Mitte Mai bis Mitte August 2024)
26/09/2024
N achdem Alejandra Rojas Chávez 25 Jahre in der Organisation „Comisión de Apoyo a la Unidad y Reconciliación Comunitaria, CORECO A.C.” (dt. Die Kommission zur Förderung der Einheit und gemeinschaftliche Versöhnung) gearbeitet hat, wird sie diese Phase ihres Lebens Ende 2024 abschließen. In einem Interview teilte sie ihre Erfahrungen mit uns, was sie gelernt hat und die Prozesse, die sie während ihrer Zusammenarbeit mit der Organisation begleitet hat.
25 Jahre Begleitung bei CORECO
Alejandra Rojas Chávez lebt seit 32 Jahren im Bundesstaat Chiapas. Als sie anfangs Mitglied des Teams des Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas (Frayba) war, lernte sie schon CORECO, kennen. CORECO wurde 1996 als zivilgesellschaftliche Organisation gegründet, die Gemeinden und Organisationen bei ihrer Arbeit für Einheit, Versöhnung und Friedensförderung begleitet.
Alejandra kam 1999 zu CORECO und hat seitdem an verschiedenen Prozessen teilgenommen. Zum Beispiel, der Ausbildung und Begleitung von lokalen Versöhnungs- und Menschenrechtskommissionen in „Los Altos“ (dt: Das Hochland Chiapas), die Begleitung von Diplomaten in der „Transformación Positiva de Conflictos (TPC)“ (dt: Positive Konflikttransformation) und an Mediations- und Dialogmoderationsprozessen, bei welchen die Teilnehmer*innen positive Lösungen für ihre Konflikte finden und aufbauen konnten. Außerdem hat sie seit 2005 Workshops zum „Fortalecimiento del corazón” (dt: Stärkung der eigenen Mentalität) begleitet und hat Treffen von Friedens- und Versöhnungsstifter*innen koordiniert. Sie hat auch den „Caminar del Pueblo Creyente de la Diócesis de San Cristóbal“ (dt: Marsch des gläubigen Volkes der Diözese San Cristóbal) und in den letzten Jahren den der „Articulación para la Paz y el Buen Vivir“ (dt: Artikulation für den Frieden und dem guten Leben), begleitet.
Die Arbeit an der eigenen Mentalität
„Die Workshops zur Stärkung der Mentalität entstanden im Rahmen einer persönlichen und kollektiven Suche nach neuen Möglichkeiten zur Begleitung von Gemeinden und Personen, die für ihre Gemeinden arbeiten und, die aufgrund verschiedener Situationen keine Lösungen für ihre Konflikte finden, da sie sich gelähmt fühlen oder die Hoffnung verloren haben“, teilte uns Alejandra mit.
Die Workshops zum „Fortalecimiento del corazón“, sind Bereiche, in denen die Teilnehmer*innen in „ihre Essenz, ihr Herz und ihre Sorgen horchen können. Sie beschäftigen sich damit, was sie verletzt und dem, was sie aufgrund der Realität, in der sie leben, ausgesetzt sind.“ Die Workshops ermöglichen es Stärke und Energie zu sammeln, um nach vorne blicken zu können. Durch sie konnten die Teilnehmer*innen ihre Herzen heilen, sich ihrer wahren Selbst und ihrer Aufgabe im Leben bewusstwerden, neue Beziehungen aufbauen und wieder Hoffnung schöpfen, um weiterhin Frieden und ein gutes Zusammenleben in ihren Gemeinden aufzubauen.
Die Teilnehmer*innen konnten auch ihre Sichtweise auf die Konflikte ändern und erlernen, anderen besser zuzuhören, sie zu verstehen und zu erkennen, dass jeder Mensch eine eigene Geschichte hat. Alejandra erzählte uns von Momenten, in denen die Menschen ihren Groll und ihre Rachegelüste loslassen konnten, indem sie ihre Erfahrungen teilten. „Manchmal hat man im Leben keinen Raum und keine Zeit, um in sich zu gehen und sich selbst zuzuhören. Die Workshops ermöglichen es, innezuhalten und tief in sich hineinzuhorchen und die eigene Stärke zu sammeln “, sagte sie.
CORECO hat verschiedene Projekte zum „Fortalecimiento del corazón” entwickelt. In Kursen, die ausschließlich Frauen gewidmet waren, konnten diese ihre Identität wiedererkennen und wertschätzen. Auf dieser Grundlage konnten sie auch andere Frauen in ihren eigenen Prozessen unterstützen und begleiten. CORECO hat zudem mit Jugendlichen gearbeitet, die auf der Suche nach ihrem eigenen Weg sind und herausfinden wollen, wie sie ihre Gemeinde unterstützen können.
„Bei einem Treffen zum „Fortalecimiento del corazón“, bei dem uns Personen, die den Maya angehören, begleitet haben, konnten die Jugendlichen, durch Gebete und eine Feuerzeremonie die Stärke ihrer Gemeinde fühlen und finden.“ Inmitten eines Kontextes der Gewalt haben sie durch ihre Spiritualität, Wege gefunden, ihren Vorfahren zu gedenken, sich bewusst zu werden, woher sie kommen und dass sie als Gemeinde die Stärke haben, das Leben weiter aufzubauen. „Obwohl das ‚Große Ganze‘ schwierig und düster aussehen kann, gibt es auch die helle Klarheit. Die Klarheit, die aus der Stärke der Gemeinden, die ihr Territorium beschützen, die sich mit dem Leben sowie der Natur verbinden und die ihre Kraft aus der Spiritualität schöpfen, erwächst. Es gibt viel Hoffnung in den Gemeinden und Familien“, sagte Alejandra.
Die innere Stärke wiedererkennen
Während ihrer Zeit bei CORECO hat Alejandra durch die persönlichen und kollektiven Geschichten der Männer und Frauen, mit denen sie gearbeitet hat, gelernt. Sie hat verstanden, dass Erfahrungen, die jemanden verletzten und nicht aufgearbeitet werden, zu gewalttätigem Verhalten führen können. Außerdem hat sie auch die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Menschen zu schätzen gelernt, die ihnen helfen ihre Konflikte zu lösen und zu transformieren: „Wenn man ein wenig an die Hand genommen wird, ist es möglich zu erkennen, dass man dieses Können hat.“
Die gewonnenen Erkenntnisse konnten anschließend in anderen Gruppen geteilt werden. Alejandra zufolge haben „wir als CORECO Gemeinden und Kollektive begleitet, die die Kraft gefunden haben, ihre Entscheidung, Konflikte nicht mit Gewalt zu lösen, sondern neue Wege zu finden, zu festigen. In diesem Sinne sind die Workshops zum „Fortalecimiento del corazón“ wichtig, da sie helfen, Konflikte auf andere Art und Weise zu sehen und zu verstehen. Sie öffnen den Blick und das Herz für Alternativen. In einigen Fällen, die damals nicht aufgeklärt werden konnten, haben wir später mitbekommen, dass die Gemeinden in der Lage waren, ihre Konflikte zu lösen und umzuwandeln, sodass sie wieder eine Gemeinde werden konnten, die in Einheit lebt.“
Hoffnung und Glaube bei der Friedensförderung
Alejandra erzählte uns, dass CORECO mit Menschen zusammengearbeitet und begleitet hat, die selbst in Konfliktsituationen die Hoffnung auf Veränderungen aufrechterhalten, indem sie „sehen, dass sie nicht die Einzigen sind, die sich in Konfliktsituationen befinden, dass sie immer ein Licht finden können und dass sie versuchen, etwas anderes aufzubauen.“
Sie erzählte auch von ihren persönlichen Erfahrungen und erwähnte, dass sie immer im Glauben und in der Hoffnung war, dass es möglich sei, anders zu leben, Frieden zu schaffen und an sich selbst und andere zu glauben, sodass man friedlichere und harmonischere Beziehungen aufbauen könne. In diesem Sinne erinnerte sie sich an ein Zitat von Ghandi: „Es gibt keinen Weg zum Frieden: Frieden ist der Weg.“ Sie fügte hinzu, dass „Frieden auch in konkreten Momenten entsteht, in denen wir anderen begegnen, in denen wir uns gegenseitig anerkennen und wertschätzen und in denen unsere Erfahrung anderen in ihrem Leben und ihrer Arbeit hilft.“