SIPAZ bedauert zutiefst die Ermordung an dem Pfarrer Marcelo Pérez
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19/12/2024
D ie US-Wahl lässt das Sprichwort „Armes Mexiko, so weit weg von Gott, so nah an Amerika“ wieder aufleben. Der designierte Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat erklärt, er werde Mexiko mit 25 % Zöllen belegen, wenn die Regierung von Claudia Sheinbaum den Zustrom von Migranten und den Fentanyl-Handel über die 3.000 Kilometer lange gemeinsame Grenze nicht eindämmen kann. Trump geht erfolgreich aus seiner ersten Amtszeit hervor: Die Republikaner haben die Kontrolle über den Kongress erlangt, und die Konservativen dominieren den Obersten Gerichtshof. Außerdem hat er ein zusätzliches Druckmittel: die für 2026 vorgesehene Überarbeitung des Vertrags zwischen Mexiko, den USA und Kanada (TMEC), wobei die Vereinigten Staaten der wichtigste Handelspartner Mexikos sind.
Während Trumps erster Amtszeit und unter Andrés Manuel López Obrador als mexikanischem Präsidenten kündigte Trump als Reaktion auf die seiner Meinung nach untätige Haltung der mexikanischen Behörden beim Stoppen der Migrantenkarawanen, einen allgemeinen Zoll von 5 % an. Angesichts dieser Bedrohung verstärkte die zunächst eher nachsichtige Regierung López Obrador die Nord- und Südgrenzen mit einer massiven Militärpräsenz, eine Strategie, die bis heute mit katastrophalen Folgen für die Menschenrechte fortgesetzt wird. Heute fungiert Mexiko bereits als sicherer Drittstaat und sammelt an seinen Nord- und Südgrenzen Tausende von Migranten, die auf Asyl in den USA warten.
Claudia Sheinbaum hat darauf bestanden, dass die transnationale Migration durch soziale Lösungen in den Herkunftsländern angegangen werden muss, eine Initiative, die sich eindeutig nicht mit Trumps Vorstellungen deckt.
Für seine zweite Amtszeit hat Trump die größte Abschiebung von Migranten in der Geschichte versprochen, darunter auch Migranten ohne Papiere, ihre Ehegatten und Ehegattinnen, Kinder und andere Familienangehörige. Die Überweisungen von Mexikanern in den USA nach Mexiko sind eine der Säulen der mexikanischen Wirtschaft und nach offiziellen Angaben die zweit- bis drittgrößte Einnahmequelle nach dem Tourismus und dem Erdölverkauf. Sollte auch nur ein Teil der versprochenen „Massenabschiebung“ eintreten, gäbe es in Mexiko Grund zur Sorge. Derzeit halten sich schätzungsweise 5 Millionen Mexikaner irregulär in den USA auf.
Ein weiterer Spannungspunkt wird die Politik zur Bekämpfung der Drogenkartelle sein. Schon als Kandidat behauptete Trump, die mexikanischen Kartelle seien so mächtig, dass sie „den Präsidenten in zwei Minuten ausschalten könnten. Sie sind es, die Mexiko regieren.“ Zu seinen Plänen gehört es, die mexikanischen Kartelle als terroristische Organisationen einzustufen, wodurch ihm die Macht gegeben werden würde, über sein Territorium hinaus zu intervenieren. Trump hat versprochen, Fenatanyl-Labore zu bombardieren und Häfen zu blockieren, über die die chemischen Grundstoffe transportiert werden. Claudia Sheinbaum hat sich zwar nicht zu diesen Initiativen geäußert, doch dies könnte als direkte Einmischung in die mexikanische Souveränität interpretiert werden.
Angesichts der Drohungen hat Sheinbaum sich geäußert, um die Stabilität der bilateralen Beziehungen zu wahren. Der mexikanische Peso ist nichtsdestotrotz auf den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Jahren gefallen, was die Unsicherheit widerspiegelt. Darüber hinaus haben innenpolitische Faktoren diesen Trend noch verstärkt, welches mit pessimistischen Prognosen über die Entwicklung der mexikanischen Wirtschaft zusammenhängt.
Claudia Sheinbaum, zwischen Kontinuität und Wandel
Am 1. Oktober trat Claudia Sheinbaum als neue Präsidentin ihr Amt an. Sie gewann die Wahl mit 36 Millionen Stimmen und schlug ihre Hauptkonkurrentin, Xóchitl Gálvez, um 30 Prozentpunkte. Sheinbaum beginnt ihre Amtszeit mit einer qualifizierten Mehrheit im Kongress, der Unterstützung von Verbündeten in 24 Gouverneursämtern, einer geschwächten Opposition und einer kürzlich beschlossenen Justizreform, die es dem regierenden Block ermöglichen wird, das Justizwesen umzugestalten. Die 100 Punkte ihres Regierungsplans sehen vor, die Themen der bisherigen Regierung wie Sparmaßnahmen, Korruptionsbekämpfung und die Ausweitung der Sozialprogramme fortzuführen und neue Prioritäten wie Frauenförderung, Bildung und Wissenschaft, Umweltschutz und den Kampf gegen Machismus und Rassismus zu setzen.
Der in diesem Bericht untersuchte Zeitraum war durch eine Welle von Reformen gekennzeichnet, ein Trend, der am Ende der Amtszeit von AMLO begann, als er versuchte, sein Erbe zu festigen, welches durch die Wahl Sheinbaums und somit seiner damit verbundenen Macht und seinem Einfluss, ermöglicht wurde.
Unter den wichtigsten Reformen, auch unter der Präsidentschaft von López Obrador, sticht die im September verabschiedete Initiative zur administrativen und operativen Eingliederung der Nationalgarde (GN) in das Nationale Verteidigungssekretariat (Sedena) hervor. Das Menschenrechtszentrum Miguel Agustín Pro Juárez (Centro Prodh) bezeichnete diese Maßnahme als „einen Schritt ohne Rückkehr zur Militarisierung“.
Die Besorgnis über die Auswirkungen dieser Reform wurde im Oktober deutlich, als bei einer Verfolgung in der Gemeinde Villa Comaltitlán, Chiapas, sechs Migranten durch mexikanische Armeeangehörige getötet und zehn weitere verletzt wurden. Nach Angaben der Sedena entdeckten die Soldaten ein Fahrzeug, das mit hoher Geschwindigkeit fuhr und versuchte, ihnen auszuweichen. Als Reaktion auf die angeblichen Schüsse seitens des Fahrzeugs gaben zwei Soldate Schüsse ab. „Da es sich um einen Vorfall handelte, der Zivilisten betraf, wurde die Generalstaatsanwaltschaft informiert, damit sie die notwendigen rechtlichen Schritte einleiten konnte“, so die Sedena. Das Kollektiv zur Beobachtung der südlichen Grenze forderte Gerechtigkeit für die Opfer und wies darauf hin, dass dieser Vorfall eine „direkte Folge der Anordnung des Militäreinsatzes zur Eindämmung der Migrationsströme unter einer Logik der Verfolgung und nicht des Schutzes von Menschen auf der Flucht“ sei.
Im September wurde die Reform über indigene und afroamerikanische Völker verabschiedet. Zu den bemerkenswertesten Fortschritten gehört, dass sie als Subjekte des öffentlichen Rechts und nicht nur als Objekte des öffentlichen Interesses anerkannt werden, welches es ihnen ermöglichen wird, finanzielle Mittel direkt zu erhalten und zu verwalten. Darüber hinaus sieht die Reform die Verpflichtung vor, ihnen einen angemessenen Rechtsbeistand in Form von Dolmetscher*innen, Übersetzer*innen, Rechtsanwält*innen und spezialisierten Sachverständiger*innen zur Verfügung zu stellen. Die Abgeordneten der Opposition bezeichneten die Reform jedoch als unzureichend. Diese Auffassung wurde von Expert*innen und Organisationen geteilt, die sie als „oberflächlich“ bezeichneten, da sie sich nur auf den zweiten Artikel der Verfassung beschränke, und darauf hinwiesen, dass „sie keine praktischen Auswirkungen haben wird“. Die Kritik konzentrierte sich vor allem auf die fehlenden Fortschritte in der Frage von Land und Territorium, die als grundlegend für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts angesehen werden.
Ebenfalls im September wurde die vielleicht umstrittenste und international am meisten in Frage gestellte Justizreform verabschiedet. Im November äußerte die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (IAKMR) ihre Besorgnis über die Reform und warnte, dass sie die Unabhängigkeit der Justiz gefährden könnte. Die mexikanische Regierung ihrerseits argumentiert, dass die Bürger das Recht haben sollten, die Richter zu wählen, und verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der Reform, die von einer großen Mehrheit im Kongress Zustimmung erhielt. Mitglieder der Richterschaft prangerten jedoch die Einmischung der Exekutive in das Justizwesen an und behaupteten, dass dadurch die Arbeitsrechte der Justizbeamten und die Unabhängigkeit der Justizverwaltung verletzt würden. Vor der IAKMR argumentierte die mexikanische Regierung, dass „diese Reform notwendig war, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Gerichte und in das Justizsystem im Allgemeinen wiederherzustellen, da die mexikanischen Richter […] gewöhnliche und gefährliche Kriminelle und Drogenhändler freigelassen, Urteile ohne Berücksichtigung der Geschlechterperspektive gefällt, die Enteignung des Landes indigener Völker legalisiert und die Vetternwirtschaft in der Justiz umfassend dokumentiert haben“.
Bereits im Oktober forderten mehr als hundert zivile Organisationen unter dem Mandat von Claudia Sheinbaum die Ablehnung einer Reform, die auf die Abschaffung der Transparenz in Prozessen abzielte. Sie argumentierten, dass diese Änderung die Tür öffnen würde, dass „die Bereitstellung von Informationen und Transparenz der Exekutive untergeordnet wird, in einem Kontext, in dem Informationsverweigerungen und Vorbehalte zugenommen haben“. Sie forderten „einen offenen Prozess zur Verbesserung des derzeitigen institutionellen Rahmens, der das Recht der Gesellschaft auf Information schützt“. Diese Reform wurde jedoch im November ohne weitere Debatte angenommen.
Menschenrechte: Weiterhin besorgniserregend
Im Oktober stellte EDUCA eine Studie über schwere Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger*innen in Mexiko vor. Zwischen Dezember 2018 und Oktober 2024 wurden 252 Angriffe auf Verteidiger*innen registriert: 225 Morde und 27 Fälle von Verschwundenen. Von diesen Fällen wurden 42 als außergerichtliche Hinrichtungen eingestuft. Die gefährlichsten Kämpfe betrafen die Verteidigung des Territoriums und der Bürgerrechte (80 %). Der Süd-Südosten ist die gefährlichste Region, in der sich 51 % der Fälle konzentrieren. Zweiundsechzig Prozent der getöteten Verteidiger*innen gehörten einem indigenen Volk an und 57 % waren Landarbeiterinnen. Außerdem waren 20 % der Opfer Frauen oder Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung. „Die Daten zeigen, dass es eine gescheiterte Sicherheitsstrategie auf nationaler Ebene gibt. Wir haben die Schwächung von Schutzeinrichtungen und autonomen Menschenrechtsorganisationen beobachtet. Was in dieser Regierung verstärkt wurde, war die Kultur der Straflosigkeit; die Militarisierung der öffentlichen Sicherheit; der Zugang zur Justiz wurde zur Ausnahme und nicht zur Regel“, so die Studie.
Im November stimmte der Senat der Wiederwahl von Rosario Piedra Ibarra als Leiterin der Nationalen Menschenrechtskommission (CNDH) zu, obwohl sie die am schlechtesten bewertete Kandidatin unter den 15 Bewerber*innen war. Bereits im September hatten hundert zivile Organisationen darauf hingewiesen, dass Rosario Piedra Ibarras Amtszeit, die 2019 begann, „stark kritisiert wurde, weil sie es versäumt hatte, die Krise der schweren Menschenrechtsverletzungen, die das Land durchlebt, vollständig, objektiv und umfassend anzugehen.“ „Bewusste Kompromisse und Auslassungen spiegeln eine Voreingenommenheit in ihrem Handeln wider, die mit der Regierung [von Andrés Manuel López Obrador] übereinstimmt, welche zuvor schwere Menschenrechtsverletzungen ignoriert hat.“ Es ist zu befürchten, dass sich dieser Trend während der neuen Amtszeit, die jetzt unter dem Vorsitz von Claudia Sheinbaum steht, fortsetzt.
CHIAPAS: Die Zunahme der kriminellen Gewalt führt zu Sorge
Im September pilgerten Tausende von Menschen, die von der Kirchenprovinz von Chiapas einberufen worden waren, nach Tuxtla Gutiérrez, um den Mangel an Frieden und Sicherheit in dem Bundesstaat anzuprangern. Sie wiesen darauf hin, dass „die Gewalt, die von Gruppen des organisierten Verbrechens in einem Krieg um die Kontrolle des Territoriums ausgeübt wird, in verschiedenen Gemeinden erheblich zugenommen hat.“ Sie fügten hinzu, dass „die Ursache dieser Gewalt den Interessen entspringt, die den Aufbau einer Infrastruktur der Enteignung natürlicher Ressourcen vorantreiben (…); diese Wirtschaft erfordert Land und Gebiete, die frei von Siedler*innen sind (…) Die exponentielle Zunahme der Unsicherheit hat zu mehr Morden, Fällen von verschwundenen Personen und Zwangsvertreibungen geführt.“ Sie forderten die Behörden auf, „die Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschen- und Kollektivrechte zu würdigen.“ Sie rufen die Behörden auf, „die Rechtsstaatlichkeit zu festigen, die Menschenrechte und die kollektiven Rechte zu achten, die soziale Ordnung wiederherzustellen, ohne die Zivilgesellschaft zu gefährden, und die kriminellen Gruppen unverzüglich zu zerschlagen und zu entwaffnen“, um nur einige Maßnahmen zu nennen.
Die wichtigsten Brennpunkte sind nach wie vor die Sierra- und Frontera-Zonen, die „zu einem Schlachtfeld für Gebietsstreitigkeiten zwischen kriminellen Gruppen geworden sind, die Männer dazu zwingen, an die Front zu gehen und die Straßen zu sperren“, erklärten Bischöfe aus Chiapas und Guatemala im August.
Ein weiterer Brennpunkt ist Pantelhó. Im September ernannte der Kongress von Chiapas einen Gemeinderat, dem auch der Bruder von Daily de los Santos Herrera angehört, der 2021 zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil er den Mord an dem indigenen Staatsanwalt Gregorio Pérez Gómez geplant hatte. Die Einwohner der Gemeinde bestätigen, dass dieser neue Rat aus Personen besteht, die den Anführern der kaziken „Los Herrera“ nahe stehen und mit Morden und organisierter Kriminalität in Verbindung stehen. Sympathisanten der Selbstverteidigungsgruppe „El Machete“ warnten unterdessen, dass sie den vom Kongress ernannten Rat nicht anerkennen werden. Seit 2021 kämpfen diese Kazikengruppe und die in „El Machete“ organisierten Gemeinden nach einem bewaffneten Aufstand gegen „Los Herrera“ um die Macht in Pantelhó, wobei es Dutzende von Toten und Verletzten gab und zudem Familien vertrieben wurden.
Eine weitere Konfliktquelle entstand im Oktober, als das zapatistische Dorf „6 de Octubre“ in der Gemeinde Ocosingo von bewaffneten Personen aus der Gemeinde Palestina angegriffen wurde. Sie ließen sich auf dem zurückgewonnenen Land nieder und drohten den Bewohner*innen mit Zwangsvertreibung. Seit Juni „sind die Drohungen eskaliert und umfassen die Anwesenheit von Leuten aus Palestina mit hochmodernen Langwaffen, Drohungen, Frauen zu vergewaltigen, Häuser niederzubrennen und Hab und Gut, Ernten und Tiere zu stehlen“, so Subcomandante Insurgente Moisés. Aus diesem Grund hat die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) zunächst alle Informationen und Mitteilungen über die „Treffen des Widerstands und der Rebellion 2024-2025“ ausgesetzt. Später wurden jedoch die ersten Termine für Ende Dezember und Anfang Oktober festgelegt.
Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen: Tendenz steigend
Ein weiterer besorgniserregender Trend ist die Zunahme von Angriffen auf Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen. Im August schossen bewaffnete Männer auf den Journalisten Ariel Grajales Rodas in Villaflores. Dieser Journalist verbreitete sowohl offizielle Informationen als auch gewalttätige Ereignisse, darunter die Erhebung eines „derecho de piso“ (dt: Recht auf das Land) für alle kommerziellen Aktivitäten in der Region Frailesca.
Im September beklagte das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas (Frayba) eine Zunahme der Gewalt gegen Mitglieder*innen seines Teams. Es berichtete, dass es seit Januar „vier Angriffe, Aggressionen und Delegitimierung unserer Arbeit“ registriert habe, und dass seine Mitglieder*innen von Juli bis zu dem jetzigen Zeitpunkt Morddrohungen erhalten hätten und dass das Haus einer Person durchsucht worden sei. „Hinzu kommen Erpressung, Einschüchterung, Überwachung und verbale Aggressionen, die zum Teil von Akteuren ausgehen, die mit der kommunalen, bundesstaatlichen und föderalen Regierung verbunden sind“, prangerte es an. Und das, obwohl der Organisation von der IAKMR vorsorgliche Maßnahmen zugestanden worden waren. Es bedauerte, dass die Regierung „die Gewalt nicht aufhalten kann, im Gegenteil, die Risiken nehmen zu und mit ihnen auch die Risiken für, die die Menschenrechte verteidigen“.
In ähnlicher Weise klagte die Journalistin Dalia Villatoro im September über Drohungen gegen sie. Sie beschrieb, dass „mutmaßliche Mitglieder des organisierten Verbrechens eine Drohung gegen mich ausgesprochen und ein Plakat vor meinem Haus aufgehängt haben, auf dem sie mich mit Veröffentlichungen auf den Facebook-Seiten Notifraylesca und Villaflores in Verbindung bringen“.
Der Fall, der für am meisten Erregung sotgte, war die Ermordung des Padre Marcelo Pérez Pérez am 20. Oktober in San Cristóbal de Las Casas. Er wurde 2002 zum Priester geweiht und hatte sich als Verteidiger der Menschenrechte und des Schutzes der Mutter Erde sowie als Vermittler in verschiedenen sozialen Konflikten einen Namen gemacht. Seit 2015 hatte er aufgrund der ständigen Bedrohungen, denen er wegen seiner Arbeit ausgesetzt war, Schutzmaßnahmen von der IAKMR erhalten. Mehrere Organisationen, Netzwerke und Kollektive sprachen sich gegen den Mord aus. Präsidentin Claudia Sheinbaum bedauerte den Mord und versicherte, dass bereits eine Untersuchung zur Aufklärung des Verbrechens eingeleitet wurde. Am 22. Oktober wurde Edgar „N“ festgenommen und zu einem Strafverfahren verurteilt, weil er für den Mord verantwortlich sei. Die Schnelligkeit, mit der die Verhaftung erfolgte, lässt viele Analytiker an diesen Urteil zweifeln, und sie drängen die Ermittlungen in jedem Fall darauf, die Ursacher des Verbrechens zu ermitteln.
OAXACA: Risiken für Menschenrechtsverteidiger*innen bleiben bestehen
In der EDUCA-Studie über schwere Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger*innen in Mexiko führt Oaxaca mit 58 getöteten Menschenrechtsverteidigern zwischen Dezember 2018 und Oktober 2024 die Liste an. Es kommt weiterhin häufig zu Übergriffen.
Im August wurde die „Partizipative Diagnose: Auf dem Weg zu einer öffentlichen Politik für den umfassenden Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen in Oaxaca“ vorgestellt. Die Diagnose dokumentiert, dass zwischen 2018 und 2022 14 Verteidigerinnen in Oaxaca getötet wurden und dass von 2016 bis 2019 1.063 Angriffe registriert wurden. Frauenverteidigerinnen und Journalistinnen laufen Gefahr, durch „Gewaltandrohungen, einschließlich sexueller Gewalt, zum Schweigen gebracht zu werden; sie sind auch gefährdet, Opfer von Femiziden, Vergewaltigungen, Säureangriffen, willkürlicher Festnahmen, Inhaftierungen und gewaltsamem Verschwindenlassen zu werden“. Eines der besorgniserregendsten Faktoren ist die Kriminalisierung.
Im September prangerte das Menschenrechtszentrum Bartolomé Carrasco Briseño (BARCADH) einen Cyberangriff auf seine sozialen Netzwerke an. Es erklärte, dass „unsere Organisation schwerwiegende Fälle von Menschenrechtsverletzungen von Opfern und Kollektiven, die sich an uns wenden, begleitet; deshalb beunruhigt uns diese Situation“.
Ebenfalls im September wurde der Menschenrechtsverteidiger Daniel Bautista Vásquez in Villa de Etla tot aufgefunden. Ihm wurden von der IAKMR vorsorgliche Maßnahmen zugesprochen. Im März 2020 wurde sein Bruder Ángel von Angehörigen der Polizei von Tlaxiaco gefoltert. Nach diesen Ereignissen zeigten Daniel und seine Familie die Misshandlungen durch die Polizei an, die zu zahlreichen Drohungen und Schikanen gegen sie führten.
Am 4. Oktober verschwanden die Anwältin Sandra Domínguez Martínez und ihr Ehemann in der Sierra Mixe von Oaxaca. Sandra setzte sich für die Verteidigung der Menschenrechten ein und denunzierte seit 2020 Cybermobbing, geschlechtsspezifische Gewalt und die Teilnahme von Beamten an der WhatsApp-Gruppe „Sierra XXX“ an, in der pornografische Fotos von indigenen Frauen geteilt wurden. Seit dem 6. November haben Sandras Angehörige eine Sitzblockade vor dem Regierungspalast von Oaxaca eingerichtet. Sie prangern an, dass sowohl die Angehörigen als auch ihre Anwält*innen Opfer von Überwachung und Einschüchterung geworden sind.
Am 5. November wurden die Schwestern Adriana und Virginia Ortiz García, die sich für die Rechte der Triqui-Indigenen einsetzen, in Oaxaca de Juárez ermordet. Beide waren Aktivistinnen der Bewegung für die Vereinigung und den Kampf der Triqui (MULT) und hatten sich intensiv für die Verteidigung der Menschenrechte und die Suche nach ihren Cousinen eingesetzt, die 2007 verschwunden waren.
Im Oktober legte das Büro der Menschenrechtsverteidigung in Oaxaca einen Bericht über die interne Zwangsvertreibung vor, in dem berichtet wird, dass die Opfer dieses Phänomens „unsichtbar und ohne Anerkennung ihrer Rechte“ sind. Aus dem Bericht geht hervor, dass die Ursachen für die Vertreibung in diesem Bundesstaat vielfältig sind: die Verhängung und Anwendung von Gemeinschaftssanktionen, die Nichtübereinstimmung der religiösen Überzeugungen, Konflikte um Land und Territorien, die vor allem auf nicht definierte Landrechte zurückzuführen sind, Konflikte um die Teilnahme an Wahlen und andere Gründe. „Die Anerkennung der Menschenrechte von Vertriebenen ist nur langsam vorangeschritten. Seit vielen Jahren mangelt es an dem Willen einiger Institutionen und die öffentliche Politik der Vergangenheit war nicht ideal. Außerdem fehlt eine Legeslation, wodurch die Opfer sich in einer vulnerablen Situation befinden“ teilt die Defensoría.
Im November waren in Oaxaca für das Jahr 2024 bereits 91 Frauen ermordet worden. Das Konsortium für parlamentarischen Dialog und Gleichberechtigung verurteilte die Eskalation der Gewalt gegen Frauen in den letzten Monaten angesichts der Untätigkeit der Regierung von Oaxaca. „Wir fordern, dass Salomón Jara die Sicherheit von Frauen und Mädchen angesichts der Gewalt, die Oaxaca durchdringt und die sich in 677 Verschwundenen und 204 Femiziden während seiner Regierungszeit widerspiegelt, garantiert“, erklärte es. Nach Angaben von México Evalúa liegt die Straflosigkeit bei Frauenmorden in Oaxaca bei 100%, bei Fällen von Verschwindenlassen bei 99,6%.
GUERRERO: “Die unzähmbare Gewalt”
Im November warnte das Menschenrechtszentrum Tlachinollan vor dem Ausmaß der Gewalt in Guerrero: „Die Kriminalität weitet sich aus, bis sie auf eine andere Gruppe trifft, die das Territorium kontrolliert. Es sind die kriminellen Gruppen selbst, die sich Grenzen setzen und nicht die staatlichen Institutionen. Die Macht, die die kriminellen Gruppen durch ihren hohen Waffenbesitz erhalten, verleitet sie dazu, die Sicherheitskräfte herauszufordern. Ihre Waffen sind hoch entwickelt und sie sind besser ausgerüstet. Sie haben zahlreiche Kontakte für Waffenlieferungen aus den Vereinigten Staaten. Sie haben Grundstücke an strategischen Orten (…). Sie rekrutieren junge Menschen, um ihre Vorherrschaft auszubauen und Personen für ihre bewaffneten Überfälle zu haben. Ihr Ziel ist es, die Gruppe, aus bestimmen Regionen, zu verdrängen. Bei jungen Personen gibt es selten rechtliche Konsequenzen oder Maßnahmen zur Eindämmung dieser unaufhaltsamen Gewalt. Kriminelle Unternehmen sind sehr rentabel, weil sie in verschiedene Geschäftszweige eindringen können, in denen sie ihr Geld mit gut etablierten Unternehmen waschen. Dies ist nur in Staaten möglich, in denen die Korruption weit verbreitet ist, in denen das Gesetz nicht durchgesetzt wird und die Justiz eine Ware ist, die hohe Dividenden abwirft (…) Die Schwächung der öffentlichen Institutionen hat zu einem Überschwappen des organisierten Verbrechens geführt, das sich in den touristischen Zentren, in den großen Städten, in den Gemeindehauptstädten und in den ländlichen Gemeinden niedergelassen hat. Sie erscheint als das Ungeheuer mit tausend Köpfen, als die Macht, die sich in der öffentlichen Verwaltung eingerichtet hat“.
Im September demonstrierten mindestens 10.000 Menschen, darunter Studenten, Universitätsstudenten, Akademiker, Organisationen, Kollektive, Gewerkschaften und Einzelpersonen, in Mexiko-Stadt 10 Jahre nach dem Verschwinden von 43 Studenten der ländlichen Schule Ayotzinapa in Iguala. Präsident AMLO hatte versprochen, diesen Fall während seiner sechsjährigen Amtszeit aufzuklären, was er jedoch nicht getan hat. „Er hat das Vertrauen, das wir als Eltern in ihn gesetzt haben, verraten und dem Fall Ayotzinapa den Rücken gekehrt, um die Armee zu schützen“, sagte Hilda Legideño, Mutter von Jorge Antonio Tizapa Legideño, der in jener Nacht verschwand. Mario González, Vater des verschwundenen Studenten César Manuel González Hernández, sagte, dass „jeder, der Untersuchungen vertuscht oder behindert, auch ein Komplize des gewaltsamen Verschwindenlassens ist“. Er warnte: „Wenn die neue Regierung dies beabsichtigt, werden wir weiter kämpfen“.
Zugleich feierte die regionale Koordinatorin der Gemeindebehörden-Gemeindepolizei (CRAC-PC) im Oktober das 29-jähriges Bestehen. Sie bekräftigte, dass „die CRAC-PC hält den Stürmen stand, die durch die Aktionen der Caciques und der Regierungen ausgelöst werden. Unser Justizsystem hat sich angesichts der von kriminellen Gruppen verursachten humanitären Katastrophe als wirksam und erfolgreich erwiesen.” Es wurde sich zu der kürzlich verabschiedeten Reform für die indigene Bevölkerung und beanstandete geäußert, dass „die politische Vertretung und das Eigentum an Territorien und Naturgütern in der kürzlich verabschiedeten Reform schlichtweg igmoriert wurden. Wo sollen wir ohne Territorium unsere Selbstbestimmung, Autonomie und Gerechtigkeit ausüben? Das Rückgrat des indigenen Rechts: Sicherheit und Gerechtigkeit, Regierungsführung und Eigentum an unseren Territorien und natürlichen Ressourcen wurden nicht in die Reform einbezogen. Die historische Schuld gegenüber unseren Völkern besteht fort.” „Sozialprogramme sind wenig hilfreich, wenn unsere Rechte nicht anerkannt werden. Wenn sie nicht mit einer verfassungsmäßigen Anerkennung einhergehen, werden sie letztlich zu einem Klientelismus und einem Wohlfahrtsmechanismus, der uns in Rückständigkeit und Marginalisierung gefangen hält“, schloss sie. Sie sagte, sie werde weiterhin „Sicherheit, Gerechtigkeit und Umerziehung mit oder ohne Gesetz ausüben (…). Wir sind nicht an ein geschriebenes Gesetz gebunden, sondern werden von Worten, Träumen, Zeichen, einer anderen Art des Seins und des Daseins in der Welt regiert.”