SIPAZ-Aktivitäten (Von Oktober 2005 bis 15. Januar 2006)
28/04/2006ANALYSE : Mexiko – Zwei Präsidenten?
30/11/2006Für jemanden, der von außen kommt, kann dieser Ort surrealistisch wirken, fast wie eine Zeitreise. Wir befinden uns in einem Dorf, indem die meisten Häuser noch aus Holz gebaut sind. Dazwischen laufen Schweine, Hähne und andere Tiere frei herum. Nachts hören wir die Brüllaffen. Im ersten Moment erinnern nur die Plakate mit den Präsidentschaftskandidaten an das Datum: 2.Juli 2006.
Kurz vor neun Uhr morgens kam der Vertreter des IFE (Nationales Wahlinstitut) auf den Schulhof, wo die Verantwortlichen, die die Wahltische installierten, noch bei der Arbeit waren. Er sah gestresst aus, da es so lange dauerte. Die Wahlen sollten offiziell um acht Uhr beginnen. Das liegt daran, dass „zwei Uhrzeiten“ bestehen: die „von Fox“ (Sommerzeit) und die „Uhr Gottes“ (auf dem Land werden die Uhren nicht umgestellt. Auf der Uhr Gottes war es ja erst acht Uhr morgens). Fünfzehn Minuten später wurden die Wahltische eröffnet, und die ersten begannen zu wählen.
Wir waren früh gekommen, um den Beginn des Wahlprozesses zu beobachten. Von weitem sahen wir den Kampf der Verantwortlichen mit dem Tisch und den drei Plastikschachteln, in welche die Leute ihre Stimmzettel werfen sollten (für Präsidenten, Senatoren und Abgeordnete).Dies liess uns an die Möbel denken, die Du zu Hause allein zusammen bauen kannst. Etwas, was immer schwieriger wird, als auf der Erklhrung steht, und am Schluss bleiben unerklärlicherweise Schrauben übrig.
Während sich die Leute näherten, um zu wählen, zählten die Verantwortlichen der Wahlurne zweimal die Wahlzettel. Sie klebten Poster mit Erklärungen, wie gewählt werden soll, und füllten eine große Menge Papier aus.
An jedem Wahltisch waren auch Beobachter der politischen Parteien anwesend, um den Wahlprozess zu überwachen. In diesem Dorf gab es nur Vertreter der PRD (Partei der Demokratischen Revolution) und der PRI (Parter der Institutionalisierten Revolutiion). Die PAN (Partei der Nationalen Aktion) hat keine relevante Präsenz in dieser Zone.
Die Stimmung war festlich. In den Jahren der größten Konflikte in der nördlichen Zone von Chiapas, von 1995 bis 2000, war die Polarisierung durch die Mitgliedschaft in einer Partei sehr groß: auf der einen Seite die PRI-Anhänger, darunter die Mitglieder von „Desarrollo. Paz y Justicia“ (Entwicklung, Friede und Gerechtigkeit). Diese werden auch als Paramilitärs bezeichnet. Auf der anderen Seite die „Opposition“ (vor allem Mitglieder der PRD und zivile UnterstützerInnen der Zapatistas).
Die Erinnerung aus dieser Zeit, in der über 100 Personen der Opposition ermordet wurden oder verschwunden sind, bleibt in der Erinnerung der Menschen. Die Angst aus dieser Zeit war weiterhin in Veranstaltungen vor den Wahlen präsent. In diesem Rahmen erhielten wir den Dank für unsere Präsenz, die ihnen half, sich sicherer zu fühlen. Die Leute waren sich klar, das sie keine Probleme wollten. Die UnterstützerInnen der Zapatistas sagten zum Beispiel: „wir werden uns weder provozieren lassen, noch werden wir provozieren. Hoffentlich wird unsere Entscheidung, nicht zu wählen, respektiert“.
In der nördlichen Zone wurden keine größeren Vorkommnisse gemeldet. Es gab nur einige Schwierigkeiten wegen der großen Entfernungen der Wahltische, und dass einige der (überwiegend heimgekehrten) Flüchtlinge in von der PRI dominierten Dörfern zu wählen hatten. In vielen Fällen sehen sie in diesen die Täter, die für ihre Flucht verantwortlich waren. Es gab auch Fälle, in denen Leute zu dem nächst gelegenen Wahltisch kamen, ihr Name aber in der Wählerliste nicht auftauchte. Sie gingen dann in ein anderes Dorf um zu wählen. Dies schien völlig normal. In diesem Sinne fällt uns auf, dass es auch ganz üblich und normal zu sein scheint, in den Wahlkampagnen Stimmen zu kaufen, was ja auch als „Wahlverstoß“ gilt. Ein weiterer Aspekt in den meisten Dörfern ist, dass es selten individuelle und geheime Wahlen gibt. Erstens kennen sich die Menschen und zweitens entscheiden sie oft gemeinsam in der Dorfversammlung über ihre Stimmen.
Im Wahldistrikt der nördlichen Zone verweisen die aktuellen Ergebnisse auf den Sieg des „Bündnisses zum Wohl aller“ (PRD, Partei der Arbeit, PT und Convergencia). Das Gesamtergebnis in Chiapas mit einer relativ hohen Wahlbeteiligung von 49.37%.
STATE TOTAL | % | |
186.373 | 17.66 | |
340.865 | 32.30 | |
460.910 | 43.68 | |
6.922 | 00.65 | |
14.040 | 01.33 | |
7.555 | 00.71 | |
38.374 | 03.63 | |
Bürgerbeteiligung | 49.37 % |
Jetzt geht die Sorge um, die Wahlen im Bundesstaat Chiapas am 20.August, mit Kandidaten die viel näher aneinander liegen. Deshalb werden agressivere Wahlkämpfe befürchtet. Aber wie uns die Leute in den Dörfern sagen, „dies beginnt erst…“.