SIPAZ Aktivitäten (April – Juni 2004)
30/06/2004ANALYSE : Die Wahlen in Chiapas, wer hat gewonnen?
30/12/2004Chiapas befindet sich aktuell kurz vor den Wahlen der Bürgermeister von 118 Gemeindebezirken und 40 Landtagsabgeordneten am 3. Oktober. Trotz des Übermaßes an Plakaten, Slogans und Bekehrungseifer verwischt der nationale Kontext insbesondere die Relevanz der Wiedererstarkung von lokalen Machtgruppierungen. Es scheint, dass die nächsten Bundeswahlen 2006 schon vorweggenommen eine Rolle spielen. Mit diesem Datum im Hinterkopf stellen sich zwei Ereignisse als politisches Barometer dar: der Regierungsbericht des Präsidenten Fox im September und eine Serie von Kommuniqués des Subkomandanten Marcos, die im August veröffentlicht wurden und die den ersten Bericht der Räte der guten Regierung nach einem Jahr ihrer Existenz darstellt.
Aufregung während des präsidialen Berichtes
Am vergangenen ersten September präsentierte Präsident Fox seinen vierten Regierungsbericht dem Kongress – von einem drei Meter hohen Metallzaun, Polizisten und Militärs umgeben. Außerhalb des Gebäudes unter Kontrolle der Ordnungskräfte protestierten tausende von Kleinbauern, Elektrizitätsarbeitern und Gewerkschaftern. In der Abgeordnetenkammer herrschten ebenso Töne des Missfallens vor. Die Präsentation wurde 23 Mal durch Proteste der Abgeordneten aller Parteien (außer der Partei des Präsidenten, der PAN – Partei der Nationalen Aktion) unterbrochen. Abgeordnete der Partei der Demokratischen Revolution (PRD, größte Linkspartei) drückten ihre Missachtung dem Präsidenten durch ihr Abwenden aus.
Für die Presse war jedoch der herausragenste Moment, als der Präsident zur gemeinsamen Beschlussfassung um Ruhe bat: „Der politische Wechsel weist immer noch wichtige Mängel auf. Einer der augenscheinlichsten ist, dass die Kommunikation zwischen der Legislative und Exekutive nicht so gelaufen ist, wie diese Zeiten es erfordern. (…) Es ist die Verantwortung von allen Mitgliedern der politischen Klasse zu vermeiden, dass die Gesellschaft jede Illusion von Demokratie verliert und denkt, dass der Kampf von vielen Jahren vergebens gewesen ist.“
Andere interpretierten seine Worte „das niemals mehr eine Autorität über dem Gesetz steht“ als eine direkte Anspielung auf Andrés Manuel López Obrador, dem aktuellen Regierungschef der Hauptstadt. Dieser gehört der PRD an und kann als möglicher Präsidentschaftskandidat der Republik mit einer hohen sozialen Akzeptanz rechnen. Es gibt eine Eingabe der Bundesgeneralstaatsanwaltschaft den Hauptstadtkandidaten zu entheben, um ihn wegen seiner vermeintlichen Verantwortung zum Tatbestand des Amtsmissbrauchs gerichtlich verfolgen zu können. Des Weiteren wird ihm die Nichterfüllung eines richterlichen Beschlusses vorgeworfen, der die Unterbrechung des Baus von zwei Straßen anordnete. Das könnte seine Kandidatur verhindern. Diese Situation hat Empörung in der Bevölkerung hervorgerufen, wie aus der Demonstration von hunderttausenden Mexikanern am 29. August in Mexiko-Stadt ersichtlich wurde. Mehrere Abgeordnete der PRD protestierten während des 4. präsidentialen Berichtes gegen diesen Vorstoß.
Sicherlich hat schon der Mangel an politischen Minimalübereinkünften mit der Opposition im Kongress strukturelle Reformen verhindert, die der Präsident vorgeschlagen hatte. Aber es haben sich auch andere Fronten innerhalb der eigenen Partei und des eigenen Kabinetts in der aktuellen Regierungsperiode gebildet. Alfonso Durazo Montaño, Ex-Präsidentensprecher legte sein Amt anklagend nieder: „Wenn es keine Rechtlichkeit, Gleichheit, Demokratie und ein präsidential gerechtes Schiedsverfahren gibt, könnte der Streit um die Wahlen 2006 in eine Wiederholung der alten und schädlichen Runden von Misstrauen über die Wahlergebnisse konvertieren. Und wenn die Wahlen sich nicht an den Urnen entscheiden lassen, werden sie in den Straßen entschieden.“ Dies entfesselte einen Skandal, der in dem Verzicht von Marta Sahagún mündete, Nachfolgerin ihres Mannes im Präsidentenamt zu werden.
In all diesen internen und aktuell auch anderen international politischen Aspekten (Beziehungen zur USA und insbesondere zu Cuba) tauchen Widersprüche auf, die die Situation der mexikanischen Spitzenpolitik als Sackgasse verdeutlichen (hinsichtlich Exekutive und Legislative).
Was in der Bevölkerung vorherrscht ist die Desillusion und das Misstrauen gegenüber der politischen Klasse, das sich schon in der hohen Anzahl von Nichtwählern in 2003 gezeigt hatte. Die scheinbar makroökonomische Stabilität spiegelt sich weder in der Armut noch in der Arbeitslosigkeit, noch in den grundlegendsten Fragestellungen wider, die die Mexikaner tatsächlich beschäftigen (z. Bsp. das Thema der Unsicherheit). Die tiefe soziale und politische Krise kann nicht versteckt werden, was der Anstieg der Proteste und Demonstrationen in Mexiko-Stadt verdeutlicht.
Bilanz der Räte der Guten Regierung nach einem Jahr des Bestehens
Mit einer ausführlichen Reihe an Kommuniqués mit dem Titel „ein Video lesen“ gab Subkommandant Marcos eine erste Bilanz der Räte der Guten Regierung nach einem Jahr ihres Bestehens bekannt. Seine Bilanz sollte Mitte September durch die Räte vervollständigt werden.
Obwohl sie wenig Widerhall in den Massenmedien fanden, lohnt es die Berichte zu bewahren. Sie erhalten größere Relevanz im Kontext der vorigen Beschreibungen. Im ersten Teil der Kommuniqués beschreibt Marcos das aktuelle politische Panorama: „Eine schnelle Durchsicht durch die wesentlichen Bilder des „nationalen Lebens“ (…) erweckt eine Sensation aus Chaos, Anachronismus und Widersinn. Der gültige Kalender zeigt die Hälfte des Jahres 2004 an, aber die Programmgestaltung scheint manchmal in der Mitte des 19. Jahrhunderts und ab und zu in der Mitte des Jahres 2006 zu sein.“ Er hinterfragt die Korruption und die Antidemokratie der politischen Parteien, den Rechtstrend bei Parteikämpfen, die Rolle der Kommunikationsmedien sowie das Nicht-Funktionieren des mexikanischen Rechtssystems.
Der zweite Teil der Bilanz zur Arbeitsweise der Räte der Guten Regierung ist der selbstkritischste. Er bezeichnet die Hoffnung, unter der man sich einigen Besuchern gefügt hat, als Fehler und erklärt: „man muss verstehen, dass wir in einer Bewegung der Rebellion und des Widerstandes leben. Wenn wir dieser Tatsache verschiedene Generationen hinzufügen, die Opfer von Betrug und Verrat wurden, kann man das natürliche Misstrauen verstehen (…). Das, was einige als bürokratische Tendenzen bei den Räten der Guten Regierung und den autonomen Ratsversammlungen sehen, ist in Wirklichkeit Ergebnis aus der Dynamik des Angeklagten und Verfolgten.“
Auch erkennt er keinen Fehler in der Rotation der Komitees in den ‚Caracoles‚ und erklärt: „Wir wissen genau, dass diese Methode die Realisierung von einigen Projekten erschwert, aber im Austausch dazu haben wir eine Regierungs-Schule, die langfristig in einer neuen Form des Politikmachens aufgehen wird. Außerdem hat uns dieser ‚Fehler‘ ermöglicht, die Korruption zu bekämpfen, die sich unter den Autoritäten hätte ausbreiten können. (…) Es wird Zeit brauchen, das weiß ich. Aber solche wie die Zapatisten machen Pläne für Jahrzehnte – einige Jahre sind nicht viel Zeit.“ Marcos hütet sich vor dem Thema der Repräsentation („ein weiterer ‚Fehler‘, der es nicht ist“), und erklärt daraus die Ablehnung von Einladungen oder Unterstützungsangeboten anderer Bewegungen.
Schließlich erkennt Marcos hauptsächlich zwei Fehler an: bezüglich der Partizipation der Frauen sowie die Relation zwischen der zapatistisch politisch-militärischen Struktur und den autonomen Regierungen.
Im Hinblick auf die Frauen schreibt er: „Während die Beteiligung von Frauen in den geheimen revolutionären indigenen Komitees der Region bei Prozentsätzen zwischen 33 und 40 % liegt, liegt sie in den autonomen Ratsversammlungen und den Räten der Guten Regierung im Durchschnitt unter einem Prozent. (…) Obwohl die zapatistischen Frauen eine fundamentale Rolle im Widerstand spielten und spielen, der Respekt ihren Rechten gegenüber bleibt in einigen Fällen die bloße Deklaration auf Papier. Es ist richtig, dass die innerfamiliäre Gewalt abgenommen hat, aber mehr durch die Einschränkung des Alkoholkonsums als durch eine neue Familien- und Geschlechterkultur.“
Die Beziehung zwischen dem politisch-militärischen Apparat und den autonomen Regierungen stellt er mit den Einschränkungen dar: „Ursprünglich war die Idee, dass die EZLN die Gemeinden im Aufbau ihrer Autonomie begleiten und unterstützen sollte. Ohne Zweifel, die Begleitung wurde manchmal zur Leitung, der Ratschlag zu einem Befehl… und die Unterstützung zur Behinderung. (…) Die Tatsache, dass die EZLN eine politisch-militärische und geheime Organisation ist, stört immer noch Prozesse, die demokratisch sein sollen und müssen.“
Im dritten Teil berichtet er vom ‚alten Antonio‘, der ihm einmal erklärt hat, dass die Indigenen gekrümmt gingen, „weil sie auf ihren Schultern ihr Herz und das Herz von allen tragen“. Er fügt hinzu, dass „sich die Zapatisten zu den Schultern, die den Menschen gemein zu sein scheinen, eine dritte Schulter hinzugefügt haben: die der ‚Zivilgesellschaften‘.“ Er bedankt sich für die Unterstützung und betont: „für uns allein ist das Ziel zu gross die Konstruktion einer Welt, in der alle Welten passen; eine Welt, die das Herz von allen trägt.“
Er unterstreicht, dass dieses Jahr „Personen und Organisationen aus wenigstens 43 Ländern (Mexiko eingeschlossen)“ in die Caracoles kamen. Er berichtete über die fast 12,5 Millionen Pesos an Einnahmen sowie 10 Millionen an Ausgaben. Er erklärte das Wie und Warum der Verteilung auf die 5 Caracoles. Obwohl die Details durch die Räte der Guten Regierung bekannt gegeben werden, erläuterte Marcos, dass nichts davon zum persönlichen Vorteil verwendet wurde.
Im vierten Teil bezieht sich Marcos auf das, was er als die „vier Trugschlüsse“ bezeichnet, nämlich Argumente, die verwendet werden von Gegnern der autonomen zapatistischen Prozesse. Das erste Argument befasst sich damit, dass diese Prozesse das Land zersetzen oder „balkanisieren“ könnten. Marcos verneint dies, obwohl sich „das Land tatsächlich auflöst, aber nicht durch die indigene Autonomie, sondern durch einen authentisch internen Krieg, durch eine schonungslose Zerstörung seiner Fundamente: Die Souveränität über die natürlichen Ressourcen, die Sozialpolitik und die nationale Wirtschaft. (..) Kurzum die Bundesregierung hat auf ihre Funktionen verzichtet und der Nationalstaat schwankt – geschlagen von denjenigen oben, nicht von denjenigen unten“.
Dieser Situation gegenüber, schlägt er vor „die Nation neu zu gründen. Mit einem neuen Sozialpakt, neuer Verfassung, neuer politischer Klasse und einer neuen Form von Politik. Kurz es würde ein Programm des Kampfes fehlen, das von unten aufgebaut werden müsste – mit der Basis einer realen nationalen Agenda und nicht derjenigen, die von Politikern und Medien befördert wird.
Die zweite Kritik hinsichtlich zapatistischer Autonomie befasst sich mit dem Risiko der Staatsgründung innerhalb eines Staates. Marcos antwortet: „Die Räte der Guten Regierung entstanden um alle zu berücksichtigen, Zapatisten oder Nicht-Zapatisten und auch die Gegen-Zapatisten.“ Und er bestätigt, dass, „Respektieren ein Anerkennen ist. So erkennen die Räte der Guten Regierung die Existenz und Rechtssprechung der Landesregierung sowie der offiziellen Landkreise (Municipios) an, und in den meisten Fällen erkennen die offiziellen Autoritäten aus den Landkreisen und der Landesregierung auch die Rechtssprechung der Räte an. Genauso akzeptieren und respektieren die Räte aber auch die Existenz und Rechtmäßigkeit anderer Organisationen und fordern Respekt.“
Im Gegensatz zu früheren Phasen und im Gegensatz zu dem, was er über den Beauftragten der Regierung für Frieden, Luis H. Alvarez, schreibt, zieht Marcos Bilanz: „Die Regierung von Chiapas wusste, dass die Ziele des Zapatismus keine lokalen, sondern bundesstaatliche sind. Die Regierung von Chiapas wählte nicht Teil des Problems zu sein, sondern versuchte Teil der Lösung zu sein.“
Das dritte von Kritikern der Autonomie vorgebrachte Argument bezog sich auf das Risiko der Vermehrung von Konflikten. Marcos führt aus, dass diese sich eher verringert haben und häufiger nach Lösungen als nach Bestrafungen gesucht wird. Er akzeptiert erneut die Rechtssprechung, damit die staatliche Justiz seine Funktion ausüben kann. Dennoch kritisiert er: „Bis hin zu aktuellen Fällen hat die Justiz von Chiapas brilliert durch Langsamkeit und Ineffizienz. Es scheint, dass der Rechtsapparat in Chiapas nur tätig wird, wenn es darum geht politische Feinde der Landesregierung zu bestrafen.“
Der vierter „Trugschluss“ bezieht sich nach Marcos auf das Thema der Rechtssprechung. Er erklärt, dass „die Räte der Guten Regierung weder Straflosigkeit denjenigen gewähren, die mit ihnen sympathisieren noch diejenigen bestrafen, die gegensätzliche Ideen und Vorstellungen haben. Die Gesetze, die in den autonomen rebellischen zapatistischen Bezirken herrschen, widersprechen nicht den Grundlagen der Landes- und Bundesrechtssprechung, sondern ergänzen sie oftmals sogar.“
Er fügt hinzu, dass „die Kollektivrechte (…) nicht den Individualrechten widersprächen, sondern es sogar erlauben würden, dass diese Individualrechte nicht nur einige, sondern alle erreichen könnten.“ Und schlussfolgert in diesem Kommuniqué überzeugend mit den Worten: „Auf zapatistischem Land wird nicht die Vernichtung der mexikanischen Nation vorangetrieben. Im Gegenteil, das was hier entwickelt wird, ist eine Möglichkeit ihrer Rekonstruktion.“
Im fünften Teil präsentiert er einige interne Übereinkünfte z.B. zur Erhaltung der Wälder, gegen den Drogenverkehr oder dem Menschenhandel von Personen ohne Papiere. Und obwohl sie nicht an den Wahlen teilnehmen, da sie diese Möglichkeit nicht als einen Weg zum Aufbau von Demokratie sehen, widersetzen sie sich den Wahlen am 3. Oktober auf zapatistischen Gebiet nicht.
Im sechsten Teil redet Marcos von „sechs Fortschritten“ und versichert, dass dieLebensbedingungen in den zapatistischen Dörfern „besser als diejenigen der Gemeinden sind, die ‚Regierungsunterstützung‘ erhalten. Die hauptsächlichen Fortschritte sind in Fragen von Gesundheit, Bildung, Ernährung, Land, Wohnraum und den Formen von Selbstregierung zu verzeichnen. Auch wenn sie noch ein gutes Stück Weg davon entfernt sind, ideal zu sein.“
… … … … … …
In Kürze
MONTES AZULES
Anfang Juli wurden 25 Familien der Gemeinde San Francisco El Caracol in das neue Dorf Santa Marta im Bezirk Marqués de Comillas umgesiedelt. Nach offizieller Version wurden „von der 523 Hektar großen Gesamtfläche Santa Marta 13,46 ha zum Bau von 25 Häusern und eines Gemeinschaftshauses benötigt, welche mit Trinkwasseranschluss sowie Stromversorgung durch Solarzellen und Toiletten ausgestattet sind. Es wurden Wege und eine (ungepflasterte) Zugangsstraße geschaffen. Auch wurden ihnen Unterstützung für eine Gesundheitsversorgung sowie Projekte zur Produktion gewährt, um Dienste und Möglichkeiten der Entwicklung zu garantieren.“
Neben der teuren und Aufsehen erregenden Umsiedlung ziehen einige Analisten den Schluss, dass es in Santa Marta um die Schaffung einer „Modellgemeinde“ ging, als Basis für weitere Verhandlungen mit denjenigen Gemeinden, die bis heute einer Umsiedlung nicht zugestimmt haben. In diesem Sinn ist also nichts wirklich gelöst.
Anfang September sprach sich außerdem das erste Mal der Rat der Guten Regierung aus La Realidad gegen die Drohungen zur Vertreibung aus, die die Gemeinden Primero de Enero und Santa Cruz als zugehörige Gemeinden des autonomen Landkreises Libertad de los Pueblos Mayas erhalten hatten. Beide Gemeinden befinden sich im Biosphärenreservat Montes Azules.
Straflosigkeit in Chenhaló
Zwei Ereignisse verursachten weitere Spannung in diesem Bezirk der Altos: Im August wurde ein Unterstützer der Zapatisten aus Polhó ermordet (was immer noch aufzuklären ist) und im September zeigte die Zivilorganisation „Las Abejas“ an, dass Kinder 190 Kugeln gefunden hätten woraufhin sie öffentlich erklärte: „Dies beweist die Ungerechtigkeit mit Fakten, die wir Tag für Tag leben. Die Paramilitärs als eigentliche Autoren des Massakers von Acteal 1997 sind immer noch bewaffnet und deshalb leben wir auch weiterhin in Unsicherheit.“
Kritiken am Rechtssystem von Chiapas
Aber auch andere Fälle, die das Versagen des Rechtssystems in Chiapas demonstrieren, verdienen Aufmerksamkeit. So wurden z.B. zwischen Januar und April diesen Jahres vier Personen wegen des Verdachts auf Mord an einem Lehrer aus San Cristóbal de las Casas verhaftet. Anzeigen weisen jedoch darauf hin, dass drei von ihnen gefoltert und Beweismittel für die Anschuldigungen gefälscht wurden. Im August wurden die Verteidiger der Angeklagten und einer der Zeugen verhaftet aufgrund von „versuchten Falschaussagen“ (ein Delikt, das im Strafrecht nicht existiert). Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas versichert: „Wir kennen die Interessen von denjenigen nicht, die ungerechterweise die Verhafteten beschuldigen, aber diese Aktionen stellen eine klare Einschüchterung der Verteidigung dar. Dadurch soll erstens die Anklage wegen Mordes gegen die vier Verhafteten aufrechterhalten und zweitens die Verantwortung der Behörden für eine Bestrafung wegen Folter und Beweismittelfälschungen kaschiert werden.“ Für weitere Informationen siehe auch: http://www.frayba.org.mx/index.php
Außerdem wurde der Präsident der bundesstaatlichen Menschenrechtskommission von Chiapas (CEDH) Pedro Raúl López Hernández durch den Kongress des Landes (Legislative) am 17. August zeitweise abgesetzt. Der Kongress argumentierte, dass der Präsident der CEDH der obersten Finanzbehörde (als Beauftragte zur Ermittlung in Fällen von Vermögensveruntreuung) eine Untersuchung verwehrt hat. Der Präsident der CEDH hatte die Untersuchung der besagten Behörde verweigert, da das gesetzlich erforderliche Prozedere, um diese Art von Untersuchungen in öffentlichen Einrichtungen vornehmen zu dürfen, nicht erfüllt war. Er befürchtete keine Gewähr zu haben auf einen sauberen und transparenten Prozess der Überprüfung und dadurch den Status der Autonomie in der Menschenrechtsarbeit zu gefährden.
Folgen der Vorfälle in Guadalajara
In ihrem Juli-Bericht klagt die Nationale Kommission für Menschenrechte (CNDH) an, dass die Polizei aus Jalisco illegale Verhaftungen, brutale Behandlungen, Erniedrigungen, physische und psychische Folter gegen Personen beging, die am vergangenen 28.Mai gegen das dritte Gipfeltreffen Lateinamerikas, der Karibik und der Europäischen Union in Guadalajara demonstrierten.
Die CNDH empfahl dem Gouverneur von Jalisco, Francisco Ramírez Acuña/PAN, zur Einleitung des bürokratischen Verfahrens notwendige Anweisungen zu erteilen, um die betroffenen Beamten zur Verantwortung ziehen zu können. Dieser insistierte jedoch darauf, dass der Bericht „parteiisch wäre“ und dass „wir ein ruhiges Gewissen wegen dieser Aktionen haben, die sich gegen diejenigen richteten, die gekommen waren Guadalajara und Jalisco anzugreifen.“ Trotz des wachsenden Drucks durch nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen befinden sich noch immer 17 Jugendliche im Gefängnis von Guadalajara. 49 wurden zwar auf Vertrauensbasis entlassen, bleiben aber weiterhin angeklagt.
… … … … … …