AKTUELL : Chiapas – Vom Zuckerbrot zur Peitsche?
26/02/2010ANALYSE : Von Veränderungen und Kontinuität
30/07/2010Mexiko genießt international seit Jahrzehnten einen guten Ruf, was den Schutz der Menschenrechte angeht. Allerdings fußt dieser Ruf nicht auf der gegenwärtigen Menschenrechtssituation im Land, sondern vor allem auf der Rolle Mexikos bei der Vermittlung in den bewaffneten Konflikten in Mittelamerika in den 80er Jahren und der starken Präsenz Mexikos auf internationalem und multilateralen diplomatischen Parkett. Hinzukommt, dass die Abwahl der PRI (Partei der Institutionellen Revolution, die sich für über 70 Jahre an der Macht halten konnte), von mehreren Ländern als der Beginn einer „demokratischen Transitionsphase“ gewertet wurde, sodass man den folgenden Regierungen einen gewissen Spielraum für Veränderungen ließ. Zudem, auch angesichts des 2006 von Felipe Calderón der Drogenmafia und dem organisierten Verbrechen erklärten Krieg, teilen viele Länder ein gleiches Verständnis von „Sicherheit„.
Menschenrechtsverletzungen werden in Mexiko zunehmend als Kollateralschaden bei der Gestaltung eines „größeren Wohles“ gesehen. Als beispielhaft hierfür kann die Begründung des Verteidigungsministers von Mitte April für den Verbleib des Militärs auf den Straßen Mexikos zur Bekämpfung des Drogenhandels für weitere 10 Jahre angesehen werden. Wörtlich hieß es: „Die Strategie wird trotz des Todes von Zivilisten, Kindern, Jugendlichen, Studenten und Erwachsenen bei Kämpfen zwischen der Armee und den Drogenkartellen aufrechterhalten. Sie stellen einen bedauerlichen Kollateralschaden dar“.
Die offiziellen Statistiken zählen über 22.700 Tote durch die mit dem organisierten Verbrechen in Zusammenhang stehende Gewalt seit Dezember 2006. Dabei muss betont werden, dass die Morde nur ein Teil der Menschenrechtsverletzungen darstellen, die sich mit der Militarisierung des Landes im Allgemeinen vervielfacht haben. Journalisten geben an, dass es im Laufe der Amtszeit des aktuellen Präsidenten einen 400%-Anstieg der Beschwerden von Zivilisten gegen Militärs gegeben hat. 2009 kamen so 1.644 Beschwerden zusammen. Allein im ersten Drittel dieses Jahres gab es bereits 389 Beschwerden, das sind mehr als die jährlich zwischen 2000 und 2007 registrierten. Im Gefängnis und in Erwartung ihres Prozesses befinden sich dagegen nur 40 Militärs und gegen 55 weitere Militärangehörige laufen Ermittlungen in 37 Fällen von Menschenrechtsverletzungen.
Vorwürfe von internationalen Organisationen
Nicht nur NGOs (Nichtregierungsorganisationen), sondern auch einzelne Länder und multilaterale Organisationen wie die OAS (Organisation amerikanischer Staaten), die VN (Vereinten Nationen), aber auch die USA und das Europäische Parlament haben in den vergangenen Monaten schwere Vorwürfe gegen die Menschenrechtspolitik des mexikanischen Staats erhoben.
Vom 8. bis zum 9. März fand in New York (USA) eine Sitzung des Menschenrechtskomitees der Vereinten Nationen statt. Dort wurde über die Umsetzung des 1981 unterschriebenen Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte durch Mexiko diskutiert. Vor allem die Militarisierung des Landes, die Militärgerichtsbarkeit, das System des Arraigo (Arrest ohne Prozess), der Umgang mit Verbrechen, die in der Vergangenheit begangen wurden, die Abschaffung der Sonderstaatsanwaltschaft zur Untersuchung von Verbrechen gegen frühere soziale Bewegungen FEMOSSP (Fiscalía Especial para los Movimientos Sociales del Pasado), die Folter, die Haftbedingungen, die unklare Hierarchie zwischen den internationalen Verträgen, die über den mexikanischen Gesetzen stehen, die Gewalt gegen Frauen, die Situation der Rechte der indigenen Völker sowie die Anwendung des Artikels 33 der Verfassung (der sich mit der Möglichkeit befasst, Ausländer aus Mexiko zu deportieren, wenn sie sich in mexikanische politische Angelegenheiten einmischen) wurden kritisch betrachtet.
Am 11. März veröffentlichte dann das im Krieg gegen den Drogenhandel mit Mexiko verbündete US-Außenministerium den „Länderbericht 2009 zur Situation der Menschenrechte“. Obwohl der Abschnitt über Mexiko bestätigt, dass im Land die Grundrechte gewahrt werden, folgt eine lange Auflistung von Fällen wie willkürlichen Hinrichtungen durch die Sicherheitskräfte, physischer Gewalt, schlechten Haftbedingungen, willkürlichen Verhaftungen, die dem Strafsystem inhärente Straffreiheit, die Erzwingung von Geständnissen durch Folter, Angriffe auf Journalisten und das Verschwindenlassen von Menschen durch das Militär.
Ebenfalls am 11. März verabschiedete das Plenum des EU-Parlaments in Straßburg die Resolution „Eskalation der Gewalt in Mexiko“, in der das Europäische Parlament seine Besorgnis über die Spirale der Gewalt in Mexiko und das allgemeine herrschende Klima der Straffreiheit im Land, sowie die Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Frauen ausdrückte. Im Rahmen der Bemühungen um eine Vertiefung des Dialogs und der Kooperation in der Menschenrechtspolitik fand am 12. Mai ein Treffen zwischen Mexiko und der EU statt. Dabei erklärte die EU ihre Bedenken über die Zuständigkeit von Militärgerichten für die von den Militärs begangenen Straftaten, die weitgehende Straffreiheit bei Verbrechen, sowie eine unverhältnismäßige Gewaltanwendung. Dennoch erkannte sie auch die Bemühungen Mexikos zur Einhaltung der Menschenrechte im Land an.
Fälle wie das Verschwinden von Rosendo Radilla Pacheco 1974 (im Rahmen des „schmutzigen Kriegs“ (guerra sucia) verschwunden, s. letzten Bericht), einem Vorkämpfer für soziale Rechte aus Guerrero, haben dazu geführt, dass nun auch die OAS (durch die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte und den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte) seit mehreren Monaten die Lage der Menschenrechte in Mexiko zu hinterfragen begonnen hat.
Steigende Gefahren für Menschenrechtsverteidiger
Am 17. April endete in Mexiko Stadt das Dritte Mexikanische Treffen von Menschenrechtsverteidiger. In der Abschlusserklärung wird die Tendenz der zunehmenden Gefährdung von Menschenrechtsverteidiger bestätigt, auf die wir bereits hingewiesen haben.
Die Teilnehmer machten deutlich, dass sie sich „aufgrund ihres Einsatzes für die Menschenrechte in einer Situation ständiger Gefährdung befinden“. Diese Gefährdung drücke sich in „Drohungen, Folter, Einschüchterungsversuchen, Freiheitsentzug ohne rechtliche Grundlage, Hausdurchsuchungen und sogar Morden“ aus. Sie gaben an, dass es „keine geeigneten Mechanismen zum Schutz ihrer Arbeit gibt“. Zudem haben die Drohungen viele Menschenrechtsverteidiger dazu gebracht, die Orte zu verlassen, an denen sie leben. Außerdem hat die Militarisierung „die bis dahin schon gefährliche Arbeit noch gefährlicher gemacht“. Sie machten auch deutlich, dass dieser gewalttätige Kontext besonders Frauen, Indigene und Journalisten betrifft.
In dieser Situation hat der Senat am 8. April einer Änderung der Verfassung im Bereich Menschenrechte zugestimmt und an das Bundesparlament weitergeleitet. Laut verschiedener mexikanischer und auch internationaler Menschenrechtsorganisationen beinhalte die Reform positive Aspekte, im konkreten werde die Bedeutung des internationalen Rechts unterstrichen und ganz klar definiert, wie und unter welchen Umständen der Notstand ausgerufen werden kann. Darüber hinaus erhielte die Nationale Menschenrechtskommission (CNDH) die Rechte, um Untersuchungen durchzuführen, und Ausländer bekämen Garantien, so dass sie nicht willkürlich des Landes verwiesen werden können. Bis heute ist diese Reform nicht verabschiedet worden und die Menschenrechtsverteidiger befinden sich weiter in einer prekären Lage.
Angriff auf eine Beobachtungsmission in Oaxaca – ein extremes Beispiel der Verletzbarkeit
Am 27. April wurde eine Karawane zur Beobachtung der Menschenrechte in der Gemeinde La Sabana angegriffen, vermutlich von Mitgliedern der Organisation „Unión de Bienestar Social de la Región Triqui“ (Ubisort, Union für das soziale Wohlergehen der Region Triqui), als sie sich auf dem Weg zur autonomen Kommune San Juan Cópala befand. Das Ziel der erwähnten Mission war den Einwohnern von San Juan Cópala humanitäre Hilfe zukommen zu lassen und ihre Situation zu dokumentieren, da sie nach wiederholten Angaben seit Monaten von der Gruppe Ubisort eingekesselt werden. Dieser Angriff stellt, im Zeitraum des vorliegenden Berichts, das extremste Beispiel „der Situation der Verletzbarkeit derer dar, die für die Verteidigung und Unterstützung der Menschenrechte arbeiten angesichts der immer wiederkehrenden politischen Gewalt, der Kriminalisierung ihrer Arbeit und der staatliche Gleichgültigkeit gegenüber dem Schutz ihres Lebens und der körperlichen Unversehrtheit“ (Kommuniqué des Netzwerks für den Frieden, 28. April).
Während des Angriffs starben Beatriz Alberta Cariño Trujillo, Direktorin des Centro de Apoyo Comunitario Trabajando Unidos (CACTUS, dt.: Zentrum für die kommunitäre Unterstützung vereinten Arbeitens) und der internationale Beobachter Jyri Jaakkola aus Finnland. Zudem gab es mehrere Verletzte und vier Personen wurden als verschwunden gemeldet, weil sie sich zwei Tage in den Bergen verstecken mussten. Wegen der Heftigkeit des Angriffs und der nationalen und internationalen Missbilligung hat sich die Generalstaatsanwaltschaft der Republik (PGR) entschieden, die Untersuchungen zu dem Fall zu übernehmen.
Schon seit Jahren leidet die Region der indigenen Triqui unter einem hohen Grad an Gewalt, der mit den Auseinandersetzungen um die politische, soziale und wirtschaftliche Kontrolle in der Region in Verbindung zu bringen ist. Diese Situation ist nach Aussagen von Organisationen in Oaxaca nicht angemessen von den staatlichen Behörden behandelt worden. Außerdem ist zu unterstreichen, dass der Angriff kurz nach dem Beginn der bundesstaatlichen Wahlkampagnen geschah, was bereits in der Vergangenheit zu einer Zuspitzung der sozio-politischen Konfliktivität führte.
Der Gouverneur des Bundesstaats Oaxaca, Ulises Ruiz Ortiz (PRI), sprach die bundesstaatliche Regierung von jeglicher Verantwortung des Angriffs frei. Außerdem stellte er die Teilnahme von Ausländern bei der Karawane in Frage und wies darauf hin, dass man ihren Aufenthaltsstatus untersuchen solle. Diesbezüglich kritisierte das Netzwerks für den Frieden in seinem Kommuniqué, dass „die Regierung von Oaxaca die internationale Beobachtung, als einen Mechanismus des zivilen Friedenseinsatzes, der eine Schlüsselrolle in verschiedenen Orten und Kontexten bei der Unterbindung von Gewalt spielte, in Frage stellt.“
Verschärfte Verletzbarkeit durch die Rolle der Medien: Mehr Polemik über die EZLN in den nationalen Medien.
Einen anderen Trend von denen, die wir in den letzten Monaten aufgezeigt haben, stellt die Rolle der Massenmedien dar, die soziale Proteste und die Arbeit der Menschenrechtsverteidiger kriminalisieren, Tatsachen und Darstellungen verdrehen und religiöse Andeutungen einfließen lassen, um andere Interessen zu vertuschen. Das bis zum Erscheinen des vorliegenden Berichts bedeutendste Beispiel spielte sich am 27. März ab, als die Tageszeitung Reforma einen Artikel veröffentlichte in dem ein vermeintliches Ex-Mitglied der EZLN „enthüllte„, dass es eine mutmaßliche Verbindung zwischen der EZLN und der baskischen Separatistenorganisation ETA gibt. In einer nicht unterschriebenen Meldung erklärte die Zeitung, dass sie „ein ausgiebiges Dokument“ von 83 Seiten erhalten habe, in dem vermeintlich die Strukturen dieser Bewegung, ihre Finanzierung und Ausrüstung einzeln aufgeführt sind sowie die erhaltene internationale Unterstützung. Mehr als 100 Medien hielten die Quellen der Meldung für zuverlässig und betitelten ihre Veröffentlichungen mit Sätzen wie: „Aufklärung der Verbindung von EZLN und ETA gefordert“.
Am 1. April verbreitete das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas eine Erklärung und Gegendarstellung von Leuccio Rizzo, dessen Gesicht auf der Titelseite der Reforma abgebildet worden war, als sei es das von Subcomandante Marcos. Das Menschenrechtszentrum erklärte: „uns besorgt, dass sich die Tageszeitung Reforma (…) dafür hergibt, Informationen ohne Grundlagen zu veröffentlichen, was die Artikel 11 und 14 der Amerikanischen Konvention der Menschenrechte verletzt und als Mittel der Aufstandsbekämpfung des mexikanischen Staats dient, um Menschenrechtsverteidiger bloßzustellen und sie zu kriminalisieren.“
Es könnte noch viel zur medialen Polemik berichtet werden, sowohl über den zweifelhaften Inhalt als auch die verschleierten Absichten. Der PRD-Bundesabgeordnete José Narro Céspedes, aktueller Koordinator der COCOPA (Comisión de Concordancia y Pacificación, Kommission für Übereinkunft und Befriedung) hob hervor: „Gleich vorneweg, einer Information von zweifelhafter Herkunft mit Lügen und Vorspielung falscher Tatsachen, acht Spalten auf der Titelseite und eine ganze Seite einzuräumen, spricht von einer politischen Absicht oder davon einen Vorwand für irgendeine repressive Aktion zu haben.“
Magda Gómez (Akademikerin und Spezialistin für indigenes Recht) betont in einem Artikel der La Jornada vom 31.März: „Was können wir vermuten, was dahinter steckt den Zapatismus mit einer Organisation wie der ETA zu verknüpfen? Warum wird die öffentliche Abgrenzung nicht erwähnt, die Sup Marcos bezüglich jeglicher Art von Terrorismus machte, egal wo er herkommt, in einem konfliktiven Austausch von Korrespondenz mit eben jener ETA?(…) Die Angelegenheit ist keine Bagatelle, zumal direkt der 9.Februar 1995 ins Gedächtnis gerufen wird, nur dass wir dieses Mal nicht wissen, ob der Coup allein medialer Art ist oder ob es eine Vorankündigung größerer Aktionen seitens des Staats ist, was wir auch nicht ausschließen können.“
Am 22. April wurde im Kongress ein Forum abgehalten, das zeitlich ungelegen scheinen könnte, wenn es nicht darum ginge darüber nachzudenken, wie ein Rückfall in eine „bewaffnete Lösung“ zu verhindern sei. Abgeordnete, Bischöfe, Intellektuelle, Vertreter von NGOs und Indigene forderten die praktische Umsetzung der Abkommen von San Andrés (Abkommen über indigenen Rechte und indigene Kultur, die 1996 zwischen der EZLN und der Bundesregierung unterzeichnet wurden). Die Teilnehmer des Forums vertraten die Position, dass trotz der indigenen Reform von 2001, die Indigenen des Landes immer noch in den Genuss aller Rechte kämen, diskriminiert würden, ausgeschlossen, ausgebeutet, ihrer Ressourcen und Ländereien beraubt, ihnen keine Gerechtigkeit zugestanden würde und es ihnen an Schulen und Gesundheitversorgung mangele.
Vor dem Forum hatte der derzeitige Präsident der COCOPA, José Narro, schon gewarnt: „Die Bundesregierung soll echte Zeichen senden, dass sie bereit ist, die Abkommen von San Andrés Larráinzar zu unterzeichnen, bevor es für einen Umschwung zu spät sei, denn man spürt die Gefahr, dass die EZLN oder andere bewaffnete Gruppen des Landes wieder dazu übergehen könnten die Waffen zu erheben“.
Am 8. März, im Rahmen des Weltfrauentags, realisierten circa 500 Frauen und Männer, Anhänger der Anderen Kampagne eine Protestkundgebung auf dem Platz vor der Kathedrale von San Cristóbal de las Casas. Sie beklagten: „den Krieg, den die schlechten Regierungen mit Hilfe der Schlägertruppen, Paramilitärs und ihren bewaffneten Kräften veranlassen, wo wir rebellische Frauen in Zielscheiben für Angriffe, Ausbeutung und Kriegsbeute der Seelenlosen verwandelt werden (…) Die schlechten Regierungen nutzen ihre Macht, um die Massenmedien zu kontrollieren, Tatsachen zu schaffen und so ihre Strategie des Terrors und Tod zu kaschieren. Aber wir Frauen und Männer, die wir kämpfen, verstehen, dass es ihre Absicht ist, Bedingungen für eine militärische Intervention zu schaffen, gegen die Unterstützerbasis der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung, Gemeinden und Organisationen der Anderen Kampagne, ebenso gegen alle die den kapitalistischen Interessen hinderlich sind, die kapitalistischen Interessen, die nur danach suchen, die Reichsten zu begünstigen, ungeachtet der Bevölkerung und des Lebens an sich“.
Chiapas: Behandlung der Symptome, nicht aber der Ursachen der Konflikte
Es gibt viele Beispiele für Konflikte in Chiapas, die in den letzten zehn Jahren aufbereitet wurden, ohne dass es hierbei jemals zur Entspannung kam oder das man sich ernsthaft mit den Ursachen oder rechtmäßigen Forderungen, die dahinter stehen können, auseinander gesetzt hätte. Wir werden hier nur einige Beispiele auf Ebene des Bundesstaates geben, die sowohl auf Straflosigkeit als auch auf die Kriminalisierung der Verteidiger (auch der internationalen Beobachter) und der der Rolle der Medien in diesem Zusammenhang hinweisen.
Siedlung Amaytic
Fünf Tzeltal-Bauern, Unterstützungsbasen der Zapatistischen Armee der nationalen Befreiung, die am 11. Mai im Bezirksgefängnis von Ocosingo ohne Anklage verhaftet wurden, wurden am nächsten Tag von den Behörden freigelassen. Erst wurden sie den Anwohnern der Gemeinde Peña Limonar gefasst, dann von der Polizei überführt, um sie der Staatsanwaltschaft zu übergeben.
Der Rat der Guten Regierung (JBG) von La Garrucha, Landkreis Ocosingo, hatte am 10. Mai deren Verhaftung sowie das Verschwinden von neun Zapatisten aus der Siedlung Amaytic angezeigt, die sich im Autonomen Landkreis Ricardo Flores Magón befindet. In ihrer Mitteilung macht er „alle drei Ebenen des Staats– Bund, Land und Kommune – dafür verantwortlich, sich dieses Problems nicht ernsthaft angenommen zu haben“.
Der Konflikt geht bis mindestens August 2002 zurück, als zwei zapatistische Autoritäten ermordet wurden, wonach deren Mörder gezwungen worden waren, in Peña Limonar zu wohnen. Laut La Garrucha versuchten sie im März 2010 ihre Rückkehr nach Amaytic durchzusetzen, besetzten mit Gewalt Gebiete und riefen so neue Konflikte hervor.
Biosphärenreservat Montes Azules
Seit mindestens 2002 fanden dort Umsiedlungen (einige verhandelt, andere erzwungen) statt. Im Januar diesen Jahres wurden die Gemeinden Laguna El Suspiro (auch bekannt als El Semental) und Laguna San Pedro (auch bekannt als San Pedro Guanil) zwangsumgesiedelt. Der Staat hat neue Umsiedlungen von sieben Gemeinden angekündigt, gemeinsam haben sie eine Größe von etwas weniger als 3.000 Hektar.
Vor diesem Hintergrund fand am 5. und 6. März in der Gemeinde Candelaria, Landkreis Ocosingo, das Sozialforum der Montes Azules statt, an dem 200 Personen teilnahmen. Dies waren teilweise Indigene aus Gemeinden, die demnächst vertrieben werden könnten, wie auch soziale und andere Organisationen aus den übrigen Landesteilen. In der Abschlusserklärung wurde hervorgehoben, dass „keiner Person, Gemeinde oder Dorf, aufgrund der Tatsache, dass sie in einem Naturschutzgebiet leben, ihre Recht aberkannt werden darf, vor allem nicht das Recht auf Leben, menschliche Sicherheit und Selbstbestimmung„. Bedenkend, „dass eine unserer großen Herausforderungen darin besteht, unsere Arbeit und Vorschläge in den Medien bekannt zu machen, um das Bild als Plünderer und Umweltzerstörer, das die Regierung von uns propagiert, verändern zu können“, weist die Erklärung darauf hin, dass „unsere Strategien den politischen Kampf mit Rechtsschutz, nachhaltiges Haushalten mit Rohstoffen mit dem Bau von Projekten, die gutes Leben ermöglichen, verbinden zu versuchen“.
Seinerseits hat der Rat der Guten Regierung „Hacia la Esperanza“ (Der Hoffnung entgegen), die sich in La Realidad, der Grenzregion des Urwalds befindet, in einer Mitteilung kundgetan, dass „Calderón neue Umsiedlungen in zapatistischen Gemeinden organisiert, er schlägt Breschen im Biosphärenreservat Montes Azules. Das sind Vorhaben der drei Instanzen der schlechten Regierung auf kommunaler, Landes- und Bundesebene“. Der Rat erklärt, dass „für uns das Land denjenigen gehört, die es bearbeiten, daher prangert der Rat öffentlich die derzeitigen Ereignissen an und angesichts dieser Situation geben wir Ihnen bekannt, dass wir als ELZN nicht noch eine weitere Umsiedlung erlauben werden, wir werden keine weitere dieser Handlungen dulden und noch viel weniger werden wir aufgeben, wir werden unser Land verteidigen, was auch immer kommen mag, weil für uns das Land nicht gemietet, nicht vermietet werden kann und noch viel weniger bieten wir es wie ein Gegenstand zum Kauf an“.
Chenalhó
Am 9. März hat die Organisation Las Abejas eine Mitteilung veröffentlicht, in dem sie zum erneuten Aufruf des Staates zum Dialog in einer bezahlten Anzeige vom 27. Februar Stellung bezieht.
Angesichts der Besorgnis der staatlichen Mitteilung in der Region Acteal aufgrund der Anwesenheit von Ausländern aus Pakistan, Indien, Peru, Spanien und der USA, sagten Las Abejas dem Gouverneur, „dass ihn seine Spitzel nur halb informiert haben. Es sind auch Menschenrechtsbeobachter aus Deutschland, Argentinien, Chile, Schweden, der Schweiz, Frankreich, Belgien, Norwegen, Japan, Australien, Guatemala und vielen anderen Ländern gekommen. Falls er es noch nicht weiß, auf allen Kontinenten weiß man um das Massaker von Acteal und die Verantwortung, die die Regierung hierfür trägt. Aber die Regierung zeigt ihre rassistische Gesinnung, wie sie es bereits beim Aufstand der EZLN getan hat: ‚wenn die Indigenen etwas entscheiden, kommt es daher, dass die Ausländer sie lenken, weil sie nicht im Stande sind, selbst zu denken‘. Und nachdem sie uns so beleidigt haben, erwarten sie etwa, dass wir uns mit ihnen zusammensetzen und reden? Wir sagen dem Gouverneur, dass wir das tun, was unser Herz und unser Gewissen uns sagt: Wir nehmen keine Hilfen und produktiven Projekte an, wir glauben ihren falschen Versprechungen nicht, wenn wir sehen, was ihre Taten, und nicht ihre Worte sagen. Wir brauchen keine Ausländer, um uns das zu sagen, was unsere Augen sehen“.