AKTIVITÄTEN VON SIPAZ (Mitte Mai bis Mitte August 2010)
30/07/20102010
03/01/2011Nachdem die mexikanische Zivilgesellschaft mehrfach dazu aufgerufen hatte, reichte Präsident Calderón am 18.Oktober, anscheinend nur angesichts der jüngsten Urteile des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte (IAGMR) gegen den mexikanischen Staat, einen Vorschlag zur Reform des Militärstrafrechts im Parlament ein. Die Reform würde das militärische Sonderrecht insofern eingrenzen, dass Zivilgerichte über Verbrechen wie Folter, das Verschwinden lassen von Personen und Vergewaltigungen urteilen und nicht mehr wie bisher das Militärgericht, das derzeit für die Prozessverfahren bei Menschenrechtsverletzungen durch Armeeangehörige zuständig ist. Mit dieser Reform strebt die föderale Regierung an, die vom IAGMR vorgeschriebenen Sanktionen für die von Militärs in Guerrero verübten Menschenrechtsverletzungen zu befolgen: In den Fällen Rosendo Radilla – er wurde während des sogenannten „schmutzigen Kriegs“ Opfer der Praxis des Verschwindenlassens – und der Meph’aa-Indigenen Inéz Fernandez und Valentina Rosendo, die 2002 vergewaltigt wurden.
Internationale Menschenrechtsorganisationen beurteilten die Reform als nicht ausreichend. Das Büro des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Menschenrechte in Mexiko erklärte, dass die Initiative den Erwartungen nicht entspräche, da nicht alle von Militärs begangenen Verbrechen an Zivilpersonen eingebunden seien. Diesbezüglich kritisierte auch Gabriela Knaul, Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für unabhängige Richter und Strafverteidiger, nachdem sie das Land im Oktober besucht hatte, dass solch gravierende Verbrechen wie außergerichtliche Hinrichtungen nicht mit einbezogen worden seien.
Verschiedene mexikanische Menschenrechtsorganisationen äußerten ihrerseits in einer gemeinsamen Mitteilung, dass die Reform die Umstände aufrecht erhielte, welche Straffreiheit im Falle von Vergehen des Militärs an der Zivilbevölkerung begünstige. Sie wiesen daraufhin, dass die interne Gesetzgebung diesbezüglich nicht mit den internationalen Verträgen übereinstimme. Außerdem hoben die Organisationen hervor, dass man die Urteilssprüche des IAGMR mit dieser Reform nicht beachte, da schon in den abgegebenen Urteilen „die Reform des Artikels 57 des Militärstrafrechts dahingehend präzisiert wird, dass die Militärgerichtsbarkeit unter keinen Umständen befugt ist, über Verbrechen von Militärangehörigen an Zivilpersonen zu urteilen.“
Kein Ende der Gewalt
In den letzten Monaten gelang es der Bundespolizei (PF) Drogenhändler festzunehmen, die innerhalb der Strukturen der organisierten Kriminalität einen hohen Rang einnehmen. Eine dieser Festnahmen, die von Edgar Valdez Villareal – alias Die Barbie – erfolgte am 30. August, zwei Tage vor der Vorstellung des Präsidentschaftsberichts. Dies hat die Vermutung aufkommen lassen, dass es sich, aufgrund der Kritik verschiedener zivilgesellschaftlicher Sektoren bezüglich der Menschenrechtsverletzungen und der Morde infolge der Regierungsstrategie gegen das organisierte Verbrechen, um eine vereinbarte Übergabe handele. Die Regierung Calderón benützt diese Festnahmen, um den Truppeneinsatz im Kampf gegen die Verbrecherbanden zu rechtfertigen. Jedoch hat, trotz Verhaftungen und Tod einiger Bosse seit dem Regierungsantritt von Calderón , die Gewalt durch diese militärischen Strategien nicht abgenommen. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass es kurz- oder mittelfristig zu einer Gewaltabnahme kommen könnte.
Vor kurzem gab es seitens der organisierten Kriminalität Angriffe, die aufgrund ihres Ausmaßes als Massaker bezeichnet werden können. Die Ermordung von 72 mittel- und südamerikanischen Migranten in San Fernando, Tamaulipas, Ende August, zeigt dies auf. Außerdem wurde, abgesehen von der Grausamkeit der Verbrecherbande, die man für dieses Massaker verantwortlich macht, offensichtlich, wie schutzlos Migranten sind. Dabei ist noch zu erwähnen, dass nicht nur im Norden des Landes, sondern auf allen Migrantenrouten Mexikos diese Schutzmaßnahmen des Staates fehlen. In Zeugenaussagen von Angestellten, die in Herbergen für Migranten arbeiten, wird häufig von Entführungen und Erpressungen berichtet.
Während der Amtsperiode Calderóns wurden bereits ungefähr 30 000 Menschen getötet. Durch Angriffe des organisierten Verbrechens und dem Einsatz staatlicher Streitmächte kamen unschuldige Personen aus den verschiedensten sozialen Schichten ums Leben. Ein weiteres Phänomen ist das Verschwindenlassen von Personen, das seit dem Beginn der militarisierten Strategie im Kampf gegen das organisierte Verbrechen zugenommen hat. Der Lateinamerikanische Verband der Vereine für Familienangehörige von Verhafteten und Vermissten schätzt, dass seit dem Amtsantritt Calderóns circa 3.000 Personen verschwunden sind: 400 aus politischen Gründen, 500 durch Menschenhandel und 2.100 durch organisierte Kriminalität. Das Verschwindenlassen von Personen durch das organisierte Verbrechen – in den Medien als „levantados“ bezeichnet – geschieht ohne offensichtlichen Grund. Organisationen, die sich der Suche von Vermissten widmen, geben an, dass in vielen Fällen Angehörige staatlicher Sicherheitskräfte für die Entführungen verantwortlich sein könnten, da die Täter, laut Zeugenaussagen, Uniformen trugen.
Menschenrechtsaktivisten im Norden haben bereits begonnen von einer „sozialen Säuberung“ zu sprechen, die unter dem Deckmantel der „Drogenhandelsbekämpfung“ vorgenommen wird. Diese Behauptungen stützen sich darauf, dass sich die Anzahl der Toten und Verschwundenen seit dem Beginn der Einsätze gegen das organisierte Verbrechen seitens der aktuellen Regierung – oft handelt es sich um jugendliche Bandenmitglieder und Kleinkriminelle – enorm vergrößert hat. Es gibt keine Beweise für diese Hypothese, da einem Großteil der Morde nicht nachgegangen wird oder das hohe Maß an Korruption jegliche Möglichkeit der Aufklärung zerstört. Gleichzeitig forderten einige Senatoren der Republik vom Geheimdienst Cisen Auskünfte über die Existenz so genannter „Todesschwadronen„, zum Töten angeworbene bewaffnete Gruppen, die gesetzlos agieren und die der Staat tolerieren würde.
Selbstzensur bezüglich der Gewalt ist in den Medien üblich geworden, da sie großen Gefahren ausgesetzt sind und von den Behörden keinerlei Schutz erwarten können, wenn sie ihre Aufgabe erfüllen und der im Lande herrschenden Gewalt nachgehen, um darüber zu informieren. Seit kurzem ist die Situation der Journalisten noch schwieriger geworden, da sie zur Zielscheibe einiger Drogenkartelle wurden, die in mehreren Fällen Büros verschiedener Medien, vor allem im Norden, angriffen und sie zur Veröffentlichung ihrer Botschaften zwangen. Angesichts dieser Situation gab es eine starke Ablehnung seitens der Regierung, als die Zeitung El Diario (in Ciudad Juárez) im September als Editorial einen Brief mit dem Titel „Was wollen Sie von uns?“ veröffentlichte, der Folgendes beinhaltet: „Meine Herren verschiedenster Organisationen, die sich um den Drogenverkaufs- und -schmuggelplatz in Ciudad Juarez streiten: (…) Sie sind in diesem Moment die tatsächlich Regierenden in dieser Stadt, da die rechtlich befugten Stellen, obwohl wir sie wiederholt um Schutz ersucht haben, nicht verhindern konnten, dass unsere Kollegen weiterhin sterben. (…) Wir wollen keinen Toten mehr. Wir wollen keine Verletzten und wir wollen keine Einschüchterungen mehr. Es ist unmöglich unsere Funktion unter diesen Umständen auszuüben. Geben sie uns deshalb an, was sie von uns als Medium erwarten. (…) [D]er Staat als Schützer der Bürgerrechte – und folglich der der Journalisten – war in all diesen Jahren der kriegerischen Auseinandersetzungen nicht vorhanden, selbst als er es mittels der verschiedenen Einsätze scheinbar vorgab zu sein, die allerdings gewaltige Misserfolge waren.“ Diesbezüglich verkündeten Menschenrechtsverteidiger im November, dass der entsprechende , im November von der Regierung gestartete Schutzmechanismus „unzureichend und schwach“ sei, um sich um Aggressionen, Morde, Erpressungen und Entführungen zu kümmern, denen die Pressegemeinde des Landes ausgesetzt ist.
Angesichts der vorherrschenden Situation drückte die Präsidentin der Unterkommission für Menschenrechte des Europäischen Parlaments, Heidi Hautala, ihre Besorgnis über die nationale Sicherheit in Mexiko aus. „Anscheinend wird es Zeit, andere Strategien gegen Drogen anzuwenden“ sagte die Abgeordnete der Grünen – eine Ansicht, die sie mit vielen AnalytikerInnen Mexikos teilt.
Andererseits haben die USA zum ersten Mal in der Geschichte der militärischen Unterstützung für Mexiko, im Rahmen der Mérida-Initiative, entschieden, die Übergabe von 26 Millionen Dollar auszusetzen, die vom Fortschritt im Bereich der Menschenrechte abhängig gemacht wurde. Diese Ankündigung der nordamerikanischen Regierung stieß im mexikanischen Senat auf Ablehnung. In einer Versammlung mit dem Verteidigungsminister sprachen sich die Senatoren für die Beendigung dieser Initiative aus, mit der Argumentation, dass die Unterstützung gering sei, aber den Vereinigten Staaten die Möglichkeit gäbe, sich in interne Angelegenheiten einzumischen. Dabei sollte man bedenken, dass die Streichung der 26 Millionen Dollar, ein Präzedenzfall, nur 15% der US-Unterstützung ausmacht. Das heißt, die restlichen 85% wurden übergeben.
Ein Hoffnungsschimmer für Guerrero
Trotz eines höchst feindlichen Klimas von Amtsmissbrauch und Menschenrechtsverletzungen seitens der staatlichen Behörden und der Armee konnten einige soziale AktivistInnen im Bundesstaat Guerrero Siege feiern. So z.B. Inés Fernández y Valentina Rosendo, Mitglieder der Organisation des Indigenen Volkes der Me’phaa (OPIM), die vor dem IAGMR den Prozess gegen den mexikanischen Staat wegen sexuellem Missbrauch durch Militärs im Jahr 2002 gewannen. Zudem wurde Raúl Hernández Abundio, ebenfalls Mitglied der OPIM, am 27. August frei gelassen, nachdem er 2 Jahre und 4 Monate ungerechterweise inhaftiert und von Amnesty International (AI) als politischer Gefangener deklariert worden war. Hernández Abundio war des Mordes an Alejandro Feliciano Garcia, im Januar 2008, angeklagt worden. Amnesty International forderte für die Zeit der ungerechtfertigten Inhaftierung eine Entschädigung.
Trotzdem haben die Belästigungen und Bedrohungen nicht aufgehört: Am 28 August versuchten zwei Unbekannte die Tochter von Inés Fernández in Ayutla de los Libres zu entführen. Bei diesem Entführungsversuch wurden Drohungen gegen Raul Hernández verlautbart, die den kürzlich Freigelassenen dazu veranlassten, keinerlei öffentliche Aktivitäten auszuüben. Ebenso wurde am 30.August Álvaro Ramírez Concepción, Leiter der politischen Organisation für die Zukunft der Gruppe der Mixteken (OFPM), angeschossen und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Am 27. September wurden Genaro Cruz Apóstol, Siverio Matias Dominguez und David Valtierra Arango, Mitglieder des freien Radios Radio Ñomndaa („Das Wort des Wassers“) zu drei Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt – wegen mutmaßlichem illegalen Freiheitsentzug von Narciso Garcia Valtierra, Freund der ehemaligen Bürgermeisterin Acdadeth Rocha Ramirez, Kazikin der Region Xochistlahuaca. Das Menschenrechtszentrum De la Montaña Tlachinollan erklärte in einem Kommuniqué in Bezug auf diese Strafe: „Das heutige Urteil zeigt wieder einmal, dass der Justizapparat jeglicher Unparteilichkeit entbehrt und mittels Bestechung die Interessen der Kaziken vertritt. Statt soziale Gerechtigkeit zu verteidigen, werden soziale Aktivisten, die ihre Stimme erheben, verfolgt. Diese Gerechtigkeit, die den sozialen Protest kriminalisiert, gewährt allerdings Straffreiheit, wenn Straftaten von jenen begangen werden, die an der Macht sind.“ Bei einer höheren Instanz wird nun Berufung eingelegt.
Im Oktober dieses Jahres feierten die Regionale Koordination der Gemeindeautoritäten und und die Gemeindepolizei (Coordinadora Regional de Autoridades Comunitarias-Policía Comunitaria; CRAC-PC) ihr 15-jähriges Jubiläum. Das selbst verwaltete und autonome Modell der Rechtssprechung durch die indigene und mestizische Bevölkerung der Regionen La Montaña und Costa Chica entstand, um die zur damaligen Zeit hohe Kriminalität zu bekämpfen. In der Schlussrede dieser Zusammenkunft wurde verkündet „dass der staatliche Sicherheits- und Justizapparat durch und durch korrupt und völlig unfähig ist, den Bürgern Sicherheit und Gerechtigkeit zu bieten. Dass sein Einsatz interessengeleitet ist und nur den Zweck hat, soziale Organisationen und Gemeinden zu dezimieren, zum Schweigen zu bringen und zu unterdrücken, welche würdig ihre Stimme erhoben haben, um Übergriffe und Gewalttätigkeiten der Regierung und des kapitalistischen Systems anzuklagen.“
Mordwelle am Ende der Amtszeit von Ulises Ruiz in Oaxaca
In den Monaten zwischen den staatlichen Wahlen am 4.Juli und dem Amtsantritt des neuen Gouverneurs (Anfang Dezember) haben die Gewalttätigkeiten und politisch motivierten Morde zugenommen. Am 22. Oktober wurde in Tuxtepec Catarino Torres Peresa, Leiter des Bürgerrechtskomitees (Codeci), ermordet. Er war 2006 einer der ersten politischen Gefangenen der APPO (Volksversammlung der Bürger Oaxacas). Tags darauf wurde in der Hauptstadt Oaxaca-Stadt der Begründer und Anführer der Bewegung für Vereinigung und Kampf der Triquis (MULT), Heriberto Pazos Ortiz, erschossen. Heriberto Pazos Ortis ist auch Gründer der Partei für Volkseinheit (PUP), die als einzige indigene politische Partei in Lateinamerika gilt. Die Leitung von MULT verurteilte den Mord und klagte an, dass die Verantwortlichen für die Tat in den höchsten Kreisen zu finden seien. Beim Begräbnis erklärte der gewählte Gouverneur Gabino Cue Monteagudo, dass das Verbrechen nicht unbestraft bleiben wird. Cue Monteagudo wird sein Amt Anfang Dezember antreten.
Heriberto Pazos Ortis war ein weiteres Opfer in der Serie von Gewalttaten, die die Triquis in letzter Zeit betroffen haben. Die Unabhängige Bewegung für Vereinigung und Kampf der Triquis (MULTI), die mit der Autonomen Gemeinde von San Juan Copala zusammenhängt, hat in den Monaten September und Oktober die Ermordung von vier Personen angeklagt. Mitte September mussten mehr als Hundert Familien, Sympathisanten der Autonomen Gemeinde, infolge von Gerüchten über ein mögliches Massaker, den Ort verlassen. Am 7.Oktober ordnete die IAKMR für 135 Einwohner Sicherheitsmaßnahmen an, doch nicht einmal die Intervention des Interamerikanischen Organismus konnte die Gewalt stoppen. Dies belegt wieder einmal die unterlassende Haltung der abtretenden Regierung, die sie während der gesamten jüngeren Phase des Konflikts in der Region der Triquis eingenommen hat.
Ende September wurde sowohl Oaxaca wie auch Chiapas vom Tropensturm „Matthew“ heimgesucht. In beiden Staaten verursachten die heftigen Regenfälle Erdrutsche und Straßeneinbrüchen, wie auch den Tod von Dutzenden Menschen. Zudem wurde über den Ernteverlust in einigen Regionen der beiden Bundesstaaten berichtet, was die Bevölkerung, die (laut Statistiken) zu den Ärmsten der Republik zählt, besonders betrifft, da der Großteil des Angebauten für den Eigenkonsum bestimmt ist.
Chiapas: Die Belästigungen und Bedrohungen dauern an
Nachdem Ana, Beatriz und Celia González Pérez, Tseltal-Indigene, 1994 in Altarmirano von Soldaten vergewaltigt wurden, akzeptierten sie 16 Jahre nach dieser Gewalttat eine von der chiapanekischen Regierung vorgeschlagene Entschädigung. Jedoch erklärten sie in einem öffentlichen Brief: „Wir nehmen diesen Vorschlag als einzigen Beweis dafür an, dass die mexikanischen Regierung öffentlich ihre Verantwortung für die Vergewaltigung unserer Körper, unserer Rechte und unserer Würde anerkennt. Allerdings unter der Bedingung, dass auch das unserer Mutter zugefügte Leid anerkannt wird.“ Außerdem schrieben sie: „Wir wollen an keiner politischen Veranstaltung teilnehmen, damit die Regierung nicht unser Wort für ihre Zwecke missbraucht. Ebenso akzeptieren wir ihre Programme nicht, da sie nicht die wirklichen Probleme der Bevölkerung lösen. Wir organisieren uns in unseren Gemeinden selbst, um sie zu lösen. (…) Wir fordern jetzt und werden immer die Bestrafung der Militärs fordern, die uns diesen Schaden zufügten. Richter eines zivilen Gerichts und nicht das Militär, wie bisher, sollen die Nachforschungen betreiben und die Schuldigen zur Verantwortung ziehen. (…) Wir verlangen auch den sofortigen Abzug des Militärs aus unseren Dörfern und Gemeinden in Chiapas, da sie weiterhin Frauen missbrauchen, die Prostitution fördern, die Menschen terrorisieren und ihnen Schaden zufügen.“ Ihr Fall wurde 1996 der IAKMR präsentiert und 1999 zugelassen, doch gab die IAKMR nur einige Empfehlungen ab, da Mexiko erst 1998 die Rechtssprechung des interamerikanischen Systems akzeptiert hatte, zwei Jahre nachdem die Klage bei dieser Instanz eingereicht worden war.
Was den Fall des Massakers in Acteal, am 22 Dezember 1997, anbelangt, so wurden im Oktober des vergangenen Jahres 15 Personen freigelassen, die Strafen für ihre Mittäterschaft an diesen Vorfällen verbüßten. Die Organisation Las Abejas, der die 45 Opfer angehörten, war über die Freilassungen entrüstet. Am 11. November informierte das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas (Frayba), dass die IAKMR den Fall Acteal aufgenommen habe, um ihn zu prüfen. Es sollte an dieser Stelle daran erinnert werden, dass 34 wegen ihrer Teilnahme am Massaker verurteilte Personen 2009 frei gelassen wurden, als der Oberste Gerichtshof Mexikos feststellte, dass sie kein Recht auf ein angemessenes Prozessverfahren gehabt hätten. Über diese Freilassungen waren die Abejas äußerst beunruhigt und besorgt, da sie um ihre Sicherheit fürchteten, falls die Freigelassenen in ihre Herkunftsorte zurückkehren würden.
Weiterhin entstehen immer mehr Konflikte durch das Vorhandensein natürlicher Ressourcen und die Existenz von zwei unterschiedlichen Projekten von Entwicklung, nämlich einerseits das des Staates, andererseits das durch die von den Zapatistas aufgebaute Autonomie verbreitete. Im Falle der natürlichen Ressourcen könnte man den Kampf verschiedener Gruppen in der Gemeinde Chicomuselo gegen das Bergwerk anführen, das die kanadische Firma Blackfire zu betreiben beabsichtigt. Diesem Kampf fiel bereits im November des Vorjahres Mariano Abarca, einer der Anführer der Bergwerksgegner, zum Opfer. Momentan, obwohl nicht endgültig, wurde die Arbeit im Bergbau suspendiert. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass der Pfarrer von Chicomuselo, Eleazar Juárez Flores, bedroht wurde, weil er das Vorgehen der lokalen Organisationen gegen den Bergbaubetrieb, für die Verteidigung ihres Territoriums und der Umwelt begleitet hat.
In San Marcos Avíles, im offiziellen Landkreis Chilòn, sahen sich 170 zapatistische UnterstützerInnen (BAZ) gezwungen ihren Wohnort zu verlassen, da sich ein Teil der restlichen Gemeindebewohner gegen die Errichtung einer Autonomen Schule stellte und die BAZ bedrohte. Nach mehr als einem Monat der Vertreibung und trotz der noch bestehenden Risiken, beschlossen die Zapatistas in ihre Häuser zurückzukehren, die laut einer Bekanntmachung des Rates der Guten Regierung in Oventik „von den Angreifern geplündert und einige halb zerstört“ worden waren. „Doch„, so heißt es weiter in dieser Mitteilung, „werden unsere ZapatistInnen dort bleiben, denn unsere Genossen haben ein Recht in ihrem Dorf zu leben und ihre Felder zu bestellen.“
Auch zivilgesellschaftliche Organisationen waren jüngst Zielscheibe für Belästigungen. Am 5. Oktober teilte das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas (CDHFBC)mit, dass während einer Demonstration der evangelikalen Gruppe Ejercito de Diós, am 1. des Monats Flugblätter mit Verleumdungen gegen einige MitarbeiterInnen des Menschenrechtszentrum verteilt wurden. Vor dieser Demonstration hatte sich Esdras Alonso González, Anführer des Ejercito de Dios, in einem Schreiben an den Innenminister gewendet, in dem er behauptete: „Die Konflikte, die sich in der Region Los Altos in Chiapas entwickelt haben, besonders in Gegenden mit Ejidos, sind Folge der Präsenz nationaler Aktivisten und Organisationen wie auch der Teilnahme von Ausländern, die sich um das soziale Netz gruppieren, das vom Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas koordiniert wird.“
Am 14 Oktober meldete das Centro Indigena de Capacitación Integral (Indigenes Zentrum für Integrale Ausbildung) „Fray Bartolomé de las Casas“ A.C.-Universidad de la Tierra Chiapas (Cideci-Unitierra Chiapas) Belästigungen durch angebliche Angestellte der Comisión Federal de Electricidad (CFE). Dazu ist anzumerken, dass Cideci-Unitierra seit 4 Jahren einen Elektrogenerator besitzt und deshalb die Dienstleistung der CFE nicht benötigt.
Als Teil der Agenda der Regierung bezüglich der Menschenrechte muss erwähnt werden, dass die staatliche Exekutive dem chiapanekischen Kongress einen Vorschlag präsentierte, demnach die aktuelle Staatliche Kommission für Menschenrechte abgesetzt werden soll, um einen Staatlichen Rat für Menschenrechte zu bilden. Dieser soll aus VertreterInnen bestehen, die von verschiedenen Sektoren der Zivilgesellschaft, unter anderen Akademikern und NGOs für Menschenrechte, ernannt werden sollen. Obwohl die neue Institution mehr Partizipation der Zivilgesellschaft einbezieht, muss abgewartet werden, ob man sich dadurch mit den Beeinträchtigungen der Menschenrechte, die sich in Chiapas immer noch ereignen und sich neuerdings immer mehr gegen soziale Bewegungen richten, besser auseinander setzen wird.