2015
02/05/2016FOKUS: Wo sind sie? Die Situation des gewaltsamen Verschwindenlassens in Mexiko
20/05/2016Anfang 2016 bestimmen zwei Themen die Titelseiten der nationalen Medien: Die Festnahme von Joaquín “El Chapo” Guzmán, Gründer des Sinaloakartells und seit Juli 2015 auf der Flucht, sowie der Besuch von Papst Franziskus in Mexiko vom 12. bis zum 17. Februar. Die Festnahme von “El Chapo” wurde von der mexikanischen Regierung ausgiebig gefeiert. Laut der US-Generalstaatsanwaltschaft, war Guzman schon nicht mehr aktiv im Geschäft und die Struktur des Sinaloakartells blieb trotzdem intakt, auch wenn die Verhaftung den “Anspruch der Gesetzesanwendung” repräsentiert.
Der Besuch von Papst Franziskus enttäuschte diejenigen, die sich klarere Äußerungen zu den Problematiken, die das Land gerade bewegen, gewünscht hatten. Obwohl er sich nicht zu konkreten Vorkommnissen wie das gewaltsame Verschwindenlassen der 43 Studenten der Escuela Normal Rural in Ayotzinapa in Guerrero im Jahr 2014 äußerte, gab er für die, die es hören wollten, eindeutige Erklärungen ab. Zum Beispiel bestätigte er in Mexiko Stadt vor dem Präsidenten Enrique Peña Nieto und seinen geladenen Gästen, dass “jedes mal”, wenn “wir auf Kosten des Wohlergehens aller den Weg des Privilegs oder des Vorteils für einige wenige suchen, das Leben in der Gesellschaft früher oder später fruchtbaren Boden für Korruption, Drogengeschäfte, Exklusion verschiedener Kulturen, die Gewalt, Menschenhandel, Entführung und Mord bietet”. In Ciudad Juárez kritisierte er das Wirtschaftsmodell, das “die besten Maximalgewinne propagiert, sofort und egal zu welchem Preis (…) und dabei die Ausbeutung der ArbeitnehmerInnen riskiert, als wären sie Objekte zum gebrauchen, wegwerfen und ausschließen”.
Die Orte, die er in Mexiko besuchte, spiegeln in sich eine Sensibilität für bestimmte Themen wider: Der Bundesstaat Mexiko mit seinen hohen Raten an Feminicidios (Morde an Frauen, bedingt durch ihr Geschlecht); Ciudad Juárez, auch dafür bekannt, ebenso wie für die Ausbeutung in Montagebetrieben und Textilmanufakturen aufgrund der Grenzlage zu den USA; Michoacán, das sich durch die Gewalt in Verbindung mit dem organisierten Verbrechen hervorhebt. In Chiapas wurde die religiöse Feier während des päpstlichen Dekretes offiziell in indigenen Sprachen gehalten. Ein weiterer Punkt mit wenig Beachtung war der Besuch der Ruhestätte von Samuel Ruiz García, der 40 Jahre Bischof von San Cristóbal und seiner Zeit eine polemische Figur in der katholischen Hierarchie war.
Die Berichte, die Mexiko im Bereich der Menschenrechte kritisieren, gehen weiter… ebenso die mexikanische Resistenz gegenüber internationalen Prüfungen
In früheren Publikationen wiesen wir darauf hin, dass viele kritische Berichte von internationalen Instanzen, wie den Vereinten Nationen (ONU) oder der Organisation Amerikanischer Staaten (OEA) über den Umgang mit Menschenrechten im Land existieren. Im Januar erschienen ebenfalls die Berichte von Transparency International (TI) über die Wahrnehmung von Korruption und vom Freedom House über die freie Meinungsäußerung, in denen Mexiko ebenfalls gerügt wird.
Man spürt einen gewissen Eigensinn gegenüber internationalen Prüfungen. Im März verkündete die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) “eine Kampagne des Verlustes des Ansehens in Mexiko” gegen ihren Exekutivsekretär Emilio Álvarez Icaza und gegen die unabhängige Expertengruppe (GIEI), die gegründet wurde um wegen des gewaltsamen Verschwindenlassens der Studenten von Ayotzinapa zu ermitteln. Die Kommission lehnt die vorzeitig begonnene Untersuchung gegen Álvarez Icaza “entschieden” ab. Es geht dabei um einen angeblichen Betrug seinerseits zum Nachteil des mexikanischen Staates in Bezug auf die Arbeit der GIEI. Zivile Organisationen merken an, dass die Kampagne versucht, die Anerkennung zu verringern, die die Gruppe aufgrund des Verrufes der offiziellen Nachforschungen erreicht hat.
Ebenfalls im März wurde dem Sonderberichterstatter der ONU für Folter, Juan E. Méndez, ein erneuter Besuch in Mexiko abgelehnt. Die mexikanische Regierung lehnte die Anfrage mit der Begründung ab, dass bereits Besuche anderer Experten vorgesehen sind. Im Nachhinein erläuterte das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, dass “sich der Besuch nicht konkretisieren lässt, bis das Gesetz gegen Folter im Kongress genehmigt ist”. Im Februar sprachen sich kürzlich erst etwa 30 Organisationen gegen besagte Initiative aus. Sie beklagten, dass der Präsident der Republik im Dezember 2015 “ohne Benachrichtigung der Organisationen, seine Initiative an den Senat schickte, die zudem noch einige Mindeststandards missachtet, die das Gesetz haben sollte. So beinhaltet es juristische Normen, die die Kommission für Folter anstrebt und etabliert eine Politik, die effiziente Untersuchungen unterbindet”. Zum Beispiel beinhaltet das Gesetz weder das Istanbulprotokoll, eine internationale Methode um Folter zu untersuchen, noch verbietet es den Gebrauch von nicht zulässigen Beweisen oder Aussagen, die unter Folter erzwungen wurden. In 2015 traf sich der Regierungschef mit zivilen Organisationen, ebenso wie mit Akademikern und sozialen Akteuren, aber der endgültige Entwurf, “beinhaltet nicht alle Vorschläge der Zivilbevölkerung und des akademischen Sektors”.
Die Lehrerschaft bleibt in Bewegung
Im Februar gab es in verschiedenen Bundestaaten der Republik Proteste gegen die Bildungsreform. Es bleibt daran zu erinnern, dass im Laufe der letzten Jahre zehntausende Lehrer und Lehrerinnen in verschiedenen Bundesstaaten gegen besagte Reform demonstriert haben und dabei drei Lehrer getötet wurden. In Chiapas demonstrierten in Tuxtla Gutiérrez tausende Lehrer und Lehrerinnen der 7. und 40. Abteilung der “Nationalen Lehrergewerkschaft (SNTE)”, für die Aufhebung der Bildungsreform, die Wiedereinsetzung eines Verhandlungstisches der Regierung, sowie die Befreiung der politisch Gefangenen.
In Guerrero gab es auch Mobilisierungen. In Acapulco gingen am ersten Todestag des Professors Claudio Castillo, der im Jahr 2015 bei einer Protesträumung durch die Polizei auf der Autobahn del Sol ums Leben kam, Mitglieder der “Staatlichen Lehrerkoordination von Guerrero (CETEG)” auf die Straße. Die Regierung gab an, dass ca. 2000 LehrerInnen aus Guerrero gefährdet sind ihren Arbeitsplatz zu verlieren, weil sie nicht an den Evaluationen teilnehmen. Die CETEG erklärte, dass die Regierung außerdem 30 Haftbefehle gegen Anführer der Bewegung hat. Ihrerseits protestierten 200 000 Mitglieder der “Staatlichen Lehrergewerkschaft Guerreros (SUSPEG)” in der Hauptstadt ihres Bundesstaates für die Aufhebung der Lehrerevaluationen.
GUERRERO: Unsicherheit
Seit dem Versuch der Regierung Guerrero als einen sicheren Bundesstaat und ein Touristenziel in seiner Blütezeit zu präsentieren, offenbart eine Umfrage des “Nationalen Instituts für Statistiken und Geografie (INEGI)”, dass 90% der Einwohner Guerreros ihren Bundesstaat als unsicher einschätzen. Zivilorganisationen klagen an, dass es eine Strategie zum Verlust des Ansehens und dem fehlenden Respekt gegenüber VerteidigerInnen gibt. Und das in einem Staat, in dem keine Garantien für Sicherheit bestehen. Ein Beispiel dafür sind die Drohanrufe beim “Workshop der gemeinnützigen Entwicklung (Tadeco)” im März, die in Verbindung mit ihrer Arbeit mit Familien von Verschwundenen stehen. Außerdem gab Artículo 19 an, dass Guerrero für Journalisten mit über 100 Angriffen in den letzten sechs Jahren an dritter Stelle der gefährlichsten Orte steht. Auf der anderen Seite hat die Generalstaatsanwaltschaft bestätigt, dass sich ca. 50 Gruppen des organisierten Verbrechens um die Kontrolle des Territoriums streiten.
Im Kampf gegen die Unsicherheit setzt die Regierung auf die Einführung einer einzigen Kraft: Die Vereinigung der einzelnen Sicherheitsniveaus zu einer offiziellen Körperschaft. Mitglieder der “Regionalen Koordination der Gemeindebehörden (CRAC)” aus Chilapa haben diese Strategie abgelehnt. Sie merkten an, dass sie die Anpassung auf ihrem Gebiet nicht erlauben werden, denn “es ist eine hinterlistige Lüge, dass damit die Kriminalität aufhöre” und weil damit das Recht auf Selbstbestimmung der Gemeinden im Hinblick auf Sicherheit und Gerechtigkeit gefährdet ist.
Zu den guten Neuigkeiten gehört, dass Nestora Salgado García, Kommandantin der Gemeindepolizei in Olinalá und Mitglied der CRAC, nach mehr als zweieinhalb Jahren aus dem Gefängnis entlassen wurden. Ihre Verhaftung wurde von der ONU als “illegal und willkürlich” bewertet, motiviert durch ihre Arbeit als “Verteidigerin der indigenen Bevölkerung des Bundesstaates Guerrero”. Nach ihrer Befreiung startete sie die nationale Kampagne “Gib den politisch Gefangenen in Mexiko ein Gesicht” (im Original: “Ponle Rostro a las y los Presos Políticos en México”) um die bestehenden Fälle sichtbar zu machen und ihre Befreiung zu erreichen.
Gewaltsames Verschwindenlassen
In Bezug auf den Fall von Ayotzinapa hat die “Argentinische Gruppe von Gerichtsanthropologen (EAAF)” im Februar ihren Abschlussbericht vorgelegt, der der Version der Regierung, die als “historische Wahrheit” verbreitet wurde, widerspricht. Der Bericht gibt an, dass es auf der Mülldeponie von Cocula keinen Brand in dem Ausmaß und der Länge gab, der ausgereicht hätte, soviele Körper zu entzünden. Die menschlichen Überreste die dort gefunden wurden, gehören nicht zu den Studenten. Zu den Aktionen, die von den Angehörigen organisiert wurden, gehört auch die erneute Beisetzung von Julio César Mondragón, ermordeter Student in der Nacht der Angriffe, der exhumiert wurde, damit seine Todesursache erneut untersucht werden konnte; ebenso wie die Karawane nach Iguala um Informationen über den möglichen Verbleib der Verschwundenen zu erhalten. Einige der Familien beklagten sich über die Regierung, die “auf Zeit setzt” bis die Forderungen verstummen, obwohl “sie sich irren, denn jeder Tag ist zur Stärkung und für den Kampf”.
Die Organisation “Siempre Vivos” (dt.: “Immer lebend”) beklagt von ihrer Seite aus mehr als 100 Personen mit unbekanntem Verbleib in Chilapa. Dieses Verschwinden ergab sich durch den Einfall von bewaffneten Zivilisten, die im vergangenen Jahr die Stadt für fünf Tage besetzt haben. Eine andere Organisation, das Komitee “Los Otros Desaparecidos” (dt.: “Die anderen Verschwundenen”) mit über 500 Familien aus Iguala und dem Umland als Mitglieder gaben an, dass sie seit ihrer Gründung 142 Leichnamen in versteckten Gräbern gefunden haben. Mitte Februar wurde Norma Angélica Bruno Román, eine der Mitglieder, durch einen Auftragsmörder umgebracht.
Chiapas: Soziale Brisanz im Aufschwung
Oxchuc war Ausgangspunkt für Straßenblockaden und gewaltsame Ausschreitungen aufgrund der Ablehnung der Wahl von María Gloria Sánchez Gómez der “Grünen Ökologischen Partei Mexikos (PVEM)” zur Bezirksbürgermeisterin im Juli 2015. Sánchez Gómez strebt an, den Bezirk zum zweiten Mal zu regieren und wechselt sich bei dem Posten mit ihrem Ehemann ab. Am 8. Januar schickte die Regierung 500 Grenadiere, die sie letztendlich wieder abziehen mussten.
Nach mehr als zehn Monaten seit der gewaltsamen Vertreibung der Bewohner des Dorfes Primero de Agosto, beklagten die betroffenen Familien einen neuen Vorfall von Belästigung durch die Ejidatarios aus der Gemeinde Miguel Hidalgo, Mitglieder der “Historischen Unabhängigen Zentrale der Landarbeiter und Campesinos (CIOAC-H)“. Von der mexikanischen Regierung fordern sie weiterhin die baldige Rückkehr in ihr Dorf, Gerechtigkeit und eine umfassende Wiedergutmachung des Schadens. Die CIOAC-H war auch Teil eines anderen Vorfalles: Im Januar drangen Mitglieder der genannten Organisation in die Gemeinde 20 de Noviembre im Bezirk Las Margaritas ein. Grund für die Aktion war die Nichteinhaltung von Vereinbarungen des Ejidos durch eine Gruppe von Frauen der CIOAC-H weshalb sie nach den Gewohnheiten der Gemeinde bestraft wurden. Einwohner des Ejido berichteten, dass ca. 20 Mitglieder der CIOAC-H mit Geländewagen in die Gemeinde gefahren kamen und Schüsse abgaben. Ergebnis dieser Aktion waren ein Angeschossener und zehn Verletzte, von denen einer später im Krankenhaus verstarb.
Vor dem Besuch des Papstes gab es in San Cristóbal de Las Casas einige Mahnwachen. Dieser Zeitpunkt erwies sich als strategisch günstig, denn alle erreichten, dass sich die Regierung zu Gesprächen bereit erklärte. Neun indigene Familien aus Shulvó, Zinacantán errichteten eine Mahnwache, denn sie wurden bereits im Dezember 2015 von „einer Gruppe paramilitärischer PRI-Aktionisten“ vertrieben. Die „Bauernorganisation Emiliano Zapata der Region Carranza (OCEZ RC)“ errichtete eine Mahnwache, um von den Behörden Antworten auf agrarische und soziale Forderungen zu erhalten. Sechs ehemalige Gefangene und ihre Familien, Solidarische des Kollektivs „Voz de La Amate“, zogen ihre Mahnwache nach der Unterschrift einer Vereinbarung mit den Behörden zurück. In der Vereinbarung ging es um den Schadensersatz, entstanden durch die „ungerechtfertigte Verhaftung“, ebenso wie die Beschleunigung des Verfahrens zur Befreiung von Alejandro Díaz Sántiz und Roberto Paciencia Cruz.
Das Thema Land und Territorium bleibt im Zentrum der Anspruchsforderungen
Am 25. Januar nahmen um die 3000 Anhänger des Pueblo Creyente (PC) der Diözese San Cristóbal de Las Casas an einer Pilgerreise teil, um den Kampf und dem Weg von jTatic Samuel Ruiz García zu gedenken, der vor fünf Jahren verstarb. Sie gedachten seiner Einstellung zur Verteidigung der Erde, der Autonomie und der sozialen Gerechtigkeit.
Am 21. und 22. Januar vereinigten sich mehr als 70 Delegierte aus 20 Bezirken in Boca del Cielo, Tonalá um ihre Erfahrungen beim „Chiapanekischen Treffen von Betroffenen von Staudamm- und Minenprojekten“ auszutauschen. Sie überlegten sich eine Strategie zur gemeinschaftlichen Verteidigung gegenüber der Vervielfachung der Minen-, Infrastruktur-, und Staudammprojekte, die ihnen von der Regierung „ohne Befragung der Bevölkerung“ auferlegt werden. Auf der anderen Seite verurteilten sie „die Aufbürdung des grünen Kapitalismus, die sich in den Windparkprojekten, den Projekten der Verminderung von Emissionen durch Waldrohdung und Zerstörung der Wälder (REDD) und Dienstleistungen im Umweltschutz zeigt“.
Bedrohungen und Aggressionen gegen VerteidigerInnen in Chiapas
Am 3. März wurde Berta Cáceres in ihrem Haus ermordet. Sie war Mitglied des Bürgerlichen Komitees von indigenen Organisationen in Honduras (COPINH) und Oppositionelle des Staudammprojektes Agua Zaraca. Zum Zeitpunkt ihrer Ermordung war der Mexikaner Gustavo Castro ebenfalls anwesend. Er überlebte, blieb aber verletzt zurück und ist nun der einzige Zeuge. 27 Tage wurde das Mitglied von der Organisation „Otros Mundos Chiapas“ (dt.: „Andere Welten Chiapas“) in Honduras festgehalten. Zahlreiche Organisationen drückten ihre Besorgnis um seine Sicherheit aus und bezeichneten die Tatsache, dass seine Rückkehr nach Mexiko verhindert wird als „Willkür“. Anfang April konnte Gustavo Castro dann letztendlich nach Mexiko zurückkehren.
Am 21. März lehnten Mitglieder des Pueblo Creyente eine Einladung zum Dialog mit den Gómez Brüdern öffentlich ab. Sie sehen diese als Anführer, die mit Alkohol- und Waffengeschäften zu tun haben. Dieselben, die hinter den Belästigungen und Bedrohungen gegenüber dem Pfarrer Padre Marcelo Pérez und Mitgliedern des Pfarrrates stecken. Sie sagten, dass die Aggressionen andauern und die Schüsse in den Stadtbezirken wieder zugenommen hätten.
Am 24. März wurde Juan Carlos Jiménez Velasco, Anführer des „Unabhängigen Bündnisses der Zivilorganisationen (CIO-AC)“ und Mitglied der CNTE in San Cristóbal de Las Casas ermordet.
Ebenfalls im März wurde in San Cristóbal de Las Casas in das Haus von Carlos Herrera eingebrochen. Er ist für die Morena Partei (Bewegung der Nationalen Regeneration) in Chiapas im Gemeinderat. Der Betroffene erklärte, dass es kein Raubüberfall war, sondern er die Tat als „eine Botschaft“ sieht, „die einschüchtern soll für das, was wir als Volksdiener der Morena Partei gemacht haben: Das Gesetz verteidigen um dem Dorf ein Gesicht zu geben“.
Eine Serie von EZLN Mitteilungen
Zwischen März und Februar veröffentlichte die „Zapastistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN)“ eine Reihe von Mitteilungen, unter anderem auch eine Einladung zu anstehenden Aktionen. Sie kündigte drei Veranstaltungen an: Das Festival „CompARTE POR LA HUMANIDAD“ (dt.: Teile für die Menschlichkeit“) im Juli, ein Fest zu Ehren des 20-jährigen Kampfes des Nationalen Indigenen Kongresses (CNI) am 12. Oktober und als drittes das Treffen „L@s Zapatistas y las conCIENCIAS POR LA HUMANIDAD“ (dt.: „Die Zapatisten und das Bewusstsein für die Menschlichkeit“), welches im Dezember 2016 und im Januar 2017 stattfinden wird.
Unter den vorherigen Mitteilungen war eine mit dem Titel „Y MIENTRAS TANTO… las comunidades partidistas“ (dt.: „Und in der Zwischenzeit…die parteizugehörigen Gemeinden“), in der sie verschiedene Fälle der Ausbeutung in den Gemeinden konkretisiert, die vom Parteiensystem geführt werden. Eine andere mit dem Titel „¿Y EN LAS COMUNIDADES ZAPATISTAS?“ (dt.: „Und in den zapatistischen Gemeinden?“) beschreibt die Fortschritte in den autonomen Bezirken in Bezug auf Bildung, Gesundheit, Wirtschaft, Landarbeit, Gleichberechtigung der Geschlechter etc. In dieser Mitteilung bestätigten sie, dass „sie sich nicht von den kirchlichen oder weltlichen Dummheiten oder den Laien der vermeintlichen ’neuen Konstitution‘ mitreißen lassen, die ‚uns retten‘ wollen und dabei zu denselben alten Zwangsmethoden zurückkehren, die sie, wie sie sagen, kritisieren“.
8. März
Am Weltfrauentag wurden in Chiapas einige Aktionen organisiert. Die „Bewegung zur Verteidigung von Land und Territorium und für die Teilnahme und Anerkennung von Frauen bei Entscheidungen“ veröffentlichte ihre Vereinbarungen zum Recht der indigenen Dörfer auf Selbstbestimmung, die Forderung auf Anerkennung der Frauen als Mitinhaberinnen von Ländereien und die Erklärung ihrer Territorien frei von Megaprojekten. Sie lehnten außerdem das Regierungsprogramm „de corte asistencialista“ ab, das sich an Frauen richtet. Zudem forderten sie den „Alarm geschlechterbezogener Gewalt“ (AVG) für Chiapas auszurufen. Auf der anderen Seite fand ein Pilgermarsch auf Initiative der Frauen der zivilen Organisation Las Abejas aus Acteal statt, die seit dem Massaker an 45 Personen im Jahre 1997 ihren Widerstand gegen die Militarisierung ihres Territoriums aufrecht erhalten. Es protestierten auch die Frauen aus Simojovel, die gegen den Alkohol und den Drogenhandel in ihrer Region kämpfen.
Eine Kluft angesichts der Straflosigkeit
Im Januar gab es einen Akt der Anerkennung, bei dem der mexikanische Staat seine Verantwortung im Fall von El Aguaje anerkannte und ein Abkommen zur freundschaftlichen Einigung unterschrieb. El Aguaje ist eine Gemeinde in der Nähe von San Cristóbal de Las Casas, in der im Jahr 2000 ein Kind umkam und zwei weitere verletzt wurden, als eine von Streitkräften des 31. militärischen Sperrgebietes, das an die Gemeinde grenzt, zurückgelassene Granate explodierte. Das Zentrum für Menschenrechte Fray Bartolomé de Las Casas, das in dem Fall die Verteidigung übernahm, gab an, dass die juristischen Konsequenzen in Mexiko “spät und in einer unvollständigen, abgekürzten und teilweise unwürdigen Form” passieren. Das Zentrum betonte, dass an der Veranstaltung kein einziges Mitglied des Militärs teilnahm: “Das Militär ist nicht anwesend, weil es in Mexiko unantastbar ist. Uns ist klar, dass es eine Supermacht für die Zivilbevölkerung ist”.
OAXACA: VerteidigerInnen der Mutter Erde handeln angesichts dem aktuellen Kontext der Ausbeutung
Aufgrund der Bedrohung der Ausbeutung auf Territorien der Gemeinden durch Abbauprojekte fand im Januar das “Bundesstaatliche Treffen von Gemeinden und Organisationen gegen den Minenbau” statt. In einer Erklärung forderten die TeilnehmerInnen der staatlichen und der nationalen Regierung den Abbruch aller Minenprojekte, weil es schon mehr als 400 Minenkonzessionen in Oaxaca gibt, und bei “keiner einzigen eine Befragung (der Betroffenen) durchgeführt wurde”.
Auch wenn das Staudammprojekt Paso de la Reyna Teil des nationalen Infrastrukturplanes ist, “wird er nicht gebaut”, so der Hinweis der Einwohner jener Gemeinde, die sich im “Rat der Vereinten Völker für die Verteidigung des Río Verde (COPUDEVER)” organisieren und dies im März im Rahmen des Internationalen Aktionstages der Flüsse äußerten. Die Organisation EDUCA dokumentierte, dass bis heute min. 50 000 Personen wegen der Konstruktion von Staudammprojekten in Oaxaca vertrieben wurden bzw. umgesiedelt werden mussten.
Ebenfalls im März jährte sich der Mord an Bernardo Vásquez Sánchez, Sprecher der “Koordination der vereinten Völker des Ocotlán- Tales (COPUVO)” zum vierten Mal. Weit entfernt von der Forderung nach Gerechtigkeit wurden die Mordverdächtigen im Juni 2015 freigelassen. Die COPUVO forderte den Stopp des Minenprojektes San José und die Bestrafung der Verantwortlichen der Mörder und den Fällen von Verschwindenlassens.
Alarm geschlechterbezogener Gewalt im Bundesstaat?
In den ersten Monaten des Jahres 2016 wurden 18 Morde an Frauen registriert, 12 davon wurden von der Bundesstaatsanwaltschaft als “Feminicidios” (dt.: Morde an Frauen, bedingt durch ihr Geschlecht) klassifiziert. Diese Ziffern reichen laut der “Nationalen Beobachtungsstelle für Feminicidios” aus, um einen Alarm geschlechterbezogener Gewalt für den Bundesstaat auszurufen. Die Beobachtungsstelle konkretisiert ihre Angaben dadurch, dass “der Anstieg der Fälle und die Regelmäßigkeit, die dies mit sich bringt, eine ernsthafte Problematik enthüllt, die sich von Seiten der Regierung außer Kontrolle befindet”.
Aufgrund dieser Realität, organisierten Frauen und Mitglieder verschiedener ziviler Organisationen, eine Veranstaltung zur Sensibilisierung und forderten die Behörden in Bezug auf diese Problematik zum Handeln auf. Sie forderten von der Regierung, dass die “Untersuchungsprotokolle wegen Mordfällen an Frauen verschärft werden und keine Straflosigkeit für die Verdächtigen zugelassen wird”. Das “Konsortium für den parlamentarischen Dialog und die Gleichberechtigung Oaxaca (Consorcio)” gab an, dass die Gesamtzahl der begangenen Feminicidios während der Regierungszeit des Gouverneurs Gabino Cué auf 437 angestiegen ist. “Es gab keine bahnbrechenden Neuigkeiten über die Unzulässigkeit der Morde an Frauen. Das zeigt, dass diese Art von Gewalt nicht als wichtig erachtet wird”.
Für die Wahrheit, für die Gerechtigkeit
Im Februar beendete die “Wahrheitskommission Oaxacas (CVO)” offiziell ihre Nachforschungen zu den Geschehnissen im Rahmen des sozialpolitischen Kontextes in den Jahren 2006 und 2007, die Menschenrechtsverletzungen verursacht hatten. Im September 2014 begannen sie mit dieser Arbeit und schlussfolgerten nun, dass “es schwierig wird, die aktuellen Probleme und die der kommenden Jahre zu lösen, solange sich Oaxaca nicht um die Folgen des Konfliktes, der 2006 begann, kümmert. Denn während die Opfer vergessen, stigmatisiert oder sogar kriminalisiert worden sind, genießen die Täter der Menschenrechtsverletzungen, dank dem, was einer Amnestie gleicht, ihre Straflosigkeit. Deshalb hat der Bericht auch den Titel “Wir wissen es schon!””.