Aktivitäten von SIPAZ (Mitte November 2021 bis Mitte Februar 2022)
15/04/2022FOKUS: Gewaltkrisen beeinträchtigen das Recht auf freie Meinungsäußerung in Mexiko
15/06/2022
B ei einer Veranstaltung in Mexiko-Stadt im März stellte Amnesty International (AI) ihren Bericht über die Menschenrechtslage im Jahr 2021 und Anfang 2022 vor.
Dort wird betont, dass „Mexiko nach wie vor eine schwere Menschenrechtskrise erlebt, die sich nicht nur in der Nummer der Menschen manifestiert, deren Rechte konstant verletzt werden, sondern auch in der Tatsache, dass wir im Jahr 2021 mit großer Besorgnis die Gefahr der Verringerung des öffentlichen Raums, die sich immer wieder in den Attacken gegen zivilgesellschaftliche Organisationen, gegen die Presse und gegen Menschenrechtsverteidiger*innen zeigt.“
Als weiteren besorgniserregenden Punkt wird die „fortschreitende Militarisierung“ genannt, da 2021 mit 99.946 die „größte Anzahl an Militärs seit dem Beginn des Krieges gegen den Narcotráfico 2006 eingesetzt wurde.“ Auch über die Militarisierung der öffentlichen Sicherheit hinaus werden immer mehr Aufgaben in die Hände der bewaffneten Kräfte übergeben, vor allem die Kontrolle des Zolls, der Häfen, der öffentlichen Arbeiten und der Megaprojekte, unter anderem.
Amnesty International besorgt ebenfalls das Problem des erzwungenen Verschwindenlassens, da im Jahr 2021 mindestens 7.698 Fällen von vermissten und verschwundenen Personen im Land dokumentiert wurden. Damit stieg die Zahl der verschwundenen Personen zum Jahresende auf 97.000 seit 1964. Des Weiteren, und „angesichts dieser Zahlen, hält die Straflosigkeit an; für 2021 wurden nur 35 Verurteilung wegen des Verbrechens des gewaltsamen Verschwindenlassens ausgesprochen.“
Ein weiteres besorgniserregendes Thema war die Migration, bei der es Berichte über übermäßige Gewaltanwendung und willkürliche Pushbacks durch die Behörden sowie über Entführungen, Erpressungen und Morde durch nichtstaatliche Akteure gab. AI betont, dass der Umgang der Guardia Nacional (Nationalgarde) mit der Migration „ein ernsthaftes Risiko für die Achtung der Menschenrechte von migrantischen Personen darstellt.“
Besonders besorgniserregend: die Situation der Menschenrechtsverteidiger und der Meinungsfreiheit
Im März legte das Zentrum für Umweltrecht (Centro Mexicano de Derecho Ambiental, Cemda) einen Bericht über die Situation von Umweltschützer*innen und umweltschützenden Gemeinden in Mexiko vor. Es stellte fest, dass im Jahr 2021 25 Umweltschützer*innen getötet wurden und es 238 Angriffe verschiedener Art gab, fast 165 % mehr als im Jahr 2020. Bislang wurden in der derzeitigen Regierung 58 Umweltschützer*innen getötet. Um so viel Gewalt zu erklären, verweist Cemda auf „Umweltprozesse, die nicht im legalen Rahmen ablaufen, die kulturell nicht angemessen sind, die die Rechte auf Information, Beteiligung und Autonomie nicht respektieren. (…) Als zweites hebt es die Langsamkeit und das Versäumnis der Justiz hervor, sozio-ökologische Konflikte zu lösen (…). Drittens: Die Staatsanwaltschaften halten an ihrer Verpflichtung fest, Gewalttaten zu untersuchen. Als letztens wird die Ineffizienz der Schutzmechanismen genannt.“
Im April legte die Organisation für freie Meinungsäußerung Artículo 19 ihren Bericht 2021 mit dem Titel „Verweigerung“ vor. Er dokumentiert, dass im Jahr 2021 alle 14 Stunden ein Angriff auf die Presse registriert wurde, also insgesamt 644 Angriffe. „An zwei von fünf Anschlägen war der mexikanische Staat beteiligt„, betonte sie. In den drei Jahren Regierungszeit des Präsidenten AMLO gab es bereits 1.945 Angriffe auf die Presse, darunter 30 Morde an Journalist*innen, die „die gewalttätigste Zeit gegen die Presse in der Geschichte darstellt.“ Darüber hinaus wird 2021 „die Tendenz sichtbar, Probleme die in Verbindung zu Menschenrechten stehen, im öffentlichen Raum zu leugnen und unsichtbar zu machen“, daher der Titel des Berichts. Artikel 19 betont, dass „diese Leugnung sich in offizieller Desinformation, in öffentlicher Stigmatisierung der Presse, im Ermessensspielraum bei der Vergabe offizieller Werbung, in der Täuschung im Transparenzsystem, in der Gewalt gegen die Presse, in der digitalen Kluft und in den Menschenrechtsverletzungen zeigt.“
Bis Mitte Mai wurden nachweislich 11 Journalist*innen seit Anfang des Jahres getötet, eine höhere Zahl als in jedem anderen Land, das sich in einem bewaffneten Konflikt befindet, womit Mexiko zum tödlichsten Land für die Presse geworden ist.
Beunruhigende Tendenz der Regierung, Menschenrechtsvorwürfe zu leugnen oder zu minimisieren
Im März verabschiedete das Europäische Parlament eine Entschließung, in der es heißt, dass „Mexiko seit langem der gefährlichste und tödlichste Ort für Journalist*innen außerhalb eines offiziellen Kriegsgebiets ist„. Es fordert die mexikanischen Behörden auf, „Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz und die Schaffung eines sicheren Umfelds für Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen zu gewährleisten, um die weit verbreitete Korruption und die Mängel im Justizsystem, die zu einem hohen Maß an Straflosigkeit führen, zu bekämpfen„. Es erklärte, dass sie „mit Besorgnis die harsche und systematische Kritik der höchsten Stellen der mexikanischen Regierung gegen Journalist*innen und ihre Arbeit zur Kenntnis nimmt„. Für ihren Teil brachte die mexikanische Regierung ihre Verärgerung zum Ausdruck und versicherte, dass „Mexiko aufgehört hat, ein Land der Eroberung zu sein, und, wie nur selten in ihrer Geschichte, werden die freiheitlichen Prinzipien der Gleichheit und Demokratie durchgesetzt. Hier wird niemand unterdrückt, die Meinungsfreiheit wird respektiert, ebenso wie die Arbeit der Journalist*innen. Der Staat verletzt keine Menschenrechte, wie es in vorherigen Regierungen der Fall gewesen ist, als Sie sich übrigens in komplizenhaftes Schweigen begeben haben.“ Mehrere Medienvertreter*innen, Beamte, Akademiker*innen und Organisationen beklagten den Mangel an Diplomatie und Professionalität, viele hielten es sogar für einen Scherz, und einige entschuldigten sich sogar beim Europäischen Parlament für diese Rede, die AMLO geschrieben hatte, wie er am darauffolgenden Tag bestätigte.
„Sie werden uns nicht auf die Anklagebank setzen„, sagte López Obrador, nachdem der UN-Ausschuss für das Verschwindenlassen von Personen (CED) seinen Bericht im April über die Situation in Mexiko vorgelegt. Das Gremium teilte mit, dass 95.121 Menschen in Mexiko vermisst werden, und das bei „fast absoluter Straffreiheit„. Es berichtete, dass der Hauptverursacher das organisierte Verbrechen ist, das in gewissem Maße von öffentlichen Bediensteten gefördert wird, sei es durch Beteiligung, Duldung oder Unterlassung. Der CED hat Fortschritte in normativen, institutionellen und juristischen Fragen während dieser sechsjährigen Amtszeit anerkannt, allerdings wird darauf hingewiesen, dass die Kluft zwischen der Theorie und der Umsetzung in der Praxis bestehen bleibt. Der Ausschuss forderte die mexikanische Regierung auf, „den Ansatz der Militarisierung der öffentlichen Sicherheit aufzugeben„, denn „die Beteiligung der Streitkräfte an Sicherheitsaufgaben ist weniger eine Lösung als ein Risiko und ein Anreiz für das weitere Verschwindenlassen von Personen„.
AMLO: hohe Zustimmungsrate
Menschenrechtsfragen scheinen die Zustimmungswerte des Präsidenten nicht zu beeinflussen. Im April wurde ein Referendum zur Abberufung seines Mandats abgehalten, ein historischer Präzedenzfall in Mexiko für die Absetzung eines Präsidenten wegen „Verlust der Amtsfähigkeit„. Die Ergebnisse wurden auf unterschiedliche Weise interpretiert: Für die einen zeigen sie eine „durchschlagende“ Zustimmung zur Regierung Obrador, für die anderen eine Ablehnung, die sich in der Stimmenthaltung von mehr als 80 Prozent der Bevölkerung ausdrückt; für wieder andere verkörpern sie die Hoffnung, dass diese Initiative auch in zukünftigen Regierungen mit zukünftigen Präsidenten gefeiert wird.
Während die Abberufung für viele aufgrund der Popularität von AMLO als „selbstverständlich“ galt, wurde die Zahl der Teilnehmer zu einer der wichtigsten Interpretationen dieses Wahlübung. Erstens, weil für die Verbindlichkeit der Wahl 40 % des Wählerverzeichnisses erforderlich sind, was nicht geschehen ist. Und zweitens, weil die 17,7 % Befürworter nicht die 30 Millionen Stimmen erreicht haben, mit denen AMLO die Präsidentschaft gewann. Für AMLO sprechen die 15,6 Millionen Stimmen, die er erhalten hat, für den Grad der Akzeptanz seiner Regierung, während frühere Präsidenten mit weniger Stimmen an die Macht kamen. Er beschuldigte das Nationale Wahlinstitut (INE) für die niedrige Wahlbeteiligung.
Seit den Wahlen im Juni 2021 hat Morena, die Partei von AMLO, ihre qualifizierte Mehrheit im Kongress verloren, was ihren Handlungsspielraum verringert. Infolgedessen wurde im März inmitten einer heftigen Debatte die Elektrizitätsreform des Präsidenten diskutiert. Mit 275 Stimmen dafür und 223 Stimmen dagegen wurde sie abgelehnt, da sie nicht die Zustimmung von zwei Dritteln der Abgeordneten erhielt. Die Entscheidung hat eine große Kontroverse ausgelöst, da einige behaupten, dass dies ein Verrat am Land und an den Menschen sei, die letztlich die Konsequenzen dieser Tat in der Zukunft zu tragen haben werden. Auf der anderen Seite feiern einige die Ablehnung als Triumph, weil sie sie als “veraltet und regressiv“ ansehen, die saubere Energien nicht berücksichtigt und ausländische Investitionen bremst, sie sagen ebenfalls, dass dies die Konsolidierung der Opposition gegen die Vierte Transformation (4T) widerspiegelt.
Andererseits hat Präsident López Obrador am selben Tag, an dem die Stromreform diskutiert wurde, der Abgeordnetenkammer eine Initiative zur Reform des Bergbaugesetzes in Bezug auf die Exploration und den Abbau von Lithium, vorgelegt, die fast sofort genehmigt wurde. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Obwohl sie im Allgemeinen positive Auswirkungen hatte, sprachen sich einige gegen sie aus und hielten sie für eine Farce. Zivilgesellschaftliche Organisationen erkannten an, dass es ein Fortschritt ist, der Ausbeutung des Bergbaus Aufmerksamkeit zu schenken, aber sie versicherten, dass dies nicht ausreicht und dass es notwendig ist, tiefgreifende Gesetzesänderungen zu etablieren, um die Plünderung durch und die Privilegien der Bergbauunternehmen in Mexiko zu beenden. Sie wiesen darauf hin, dass das Bergbaugesetz verschiedene Aspekte berücksichtigen sollte, wie zum Beispiel „die Abschaffung der Gemeinnützigkeit und des Vorzugscharakters der Bergbautätigkeiten, die Durchsetzung des Entscheidungsrechts der Gemeinden über die Erteilung von Bergbaukonzessionen in ihren Gebieten, indem den Unternehmen das Privileg für den Zugang zu Land und Wasser genommen wird„, unter anderem.
CHIAPAS: Verschlimmerung der Gewalt in mehreren Teilen des Bundesstaates
Die letzten Monate wurden weiterhin durch eine Zunahme der Gewalt in verschiedenen Teilen des Staates gekennzeichnet, insbesondere im Hochland und in den Grenzgebieten.
In Los Altos, die Touristenstadt San Cristóbal de Las Casas mit einbezogen, wurde von häufigen bewaffneten Zusammenstößen, Morden und Raubüberfällen berichtet. Auf der Seite der Indígenas ist ein besonderer Hotspot nach wie vor das Grenzgebiet zwischen Aldama und Santa Martha (Gemeinde Chenalhó), das seit den 1970er Jahren nach einer unzureichenden Landabgrenzung Territorium eines Agrarkonflikts ist. Es geht jedoch „nicht nur um inner- und zwischengemeinschaftliche Agrarkonflikte, die an sich schon eine sofortige Interventionsstrategie seitens der zuständigen Behörden verdienen. Eine solche Sichtweise verringert das Ausmaß des Problems in unverantwortlicher Weise. Es handelt sich um einen offenen Streit um die territoriale Kontrolle, bei dem alle möglichen Interessen aufeinandertreffen, deren schreckliche Folgen wir in anderen Staaten der Republik gesehen haben„, bekräftigte das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas (Frayba).
Weitere schwere bewaffnete Auseinandersetzungen wurden in Frontera Comalapa gemeldet, fast täglich im Ejido San Gregorio Chamic. Seit acht Monaten hat sich der Streit zwischen zwei bewaffneten zivilen Gruppen um die Kontrolle der Region verschärft. Neben den Morden zwischen rivalisierenden Banden gab es Dutzende von Fällen von verschwundenen Personen, vor allem von jungen Menschen.
Ein weiteres Beispiel für die Verschärfung der Gewalt: Im April wurde in Venustiano Carranza, Siltepec, Emiliano Zapata und El Parral ein außerordentlicher Wahltag aufgrund der Annullierung der Wahlen vom 6. Juni 2021 einberufen. Im vergangenen Jahr wurden die Ergebnisse annulliert oder die Wahlen fanden aufgrund von Konflikten, Drohungen sowie Diebstahl oder Verbrennung von Stimmzetteln nicht statt. Nach der Wiederholung der Übung in den Gemeinden Frontera Comalapa und Honduras de la Sierra wurden die Wahlen erneut ausgesetzt, weil „keine Bedingungen oder Sicherheitsgarantien für die Durchführung des Wahltages bestehen„, teilte das Nationale Wahlinstitut (INE) mit.
Im Mai wurden auch mehrere Übergriffe in Gebieten gemeldet, die von der Zapatistischen Nationalen Befreiungsarmee (EZLN) zurückerobert worden waren: Mitglieder der Regionalen Organisation der Kaffeebauern von Ocosingo (ORCAO) griffen Gemeinden im Dorf Moisés Gandhi an, was zur Vertreibung von 83 Menschen führte. Kurz darauf prangerte Frayba das gewaltsame Vorgehen gegen die Zapatisten in der Gemeinde Nuevo San Gregorio an, Autonomer Rebellenbezirk Lucio Cabañas, ebenfalls wegen eines Streits um zurückgewonnenes Land. Frayba verurteilte auch „die Gleichgültigkeit des mexikanischen Staates, wirksame Maßnahmen zur Eindämmung der Gewalt zu ergreifen„.
Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger*innen: Das Risiko, seine Stimme zu erheben
Im März verurteilte das Gläubige Volk (Pueblo Creyente) von Chicomuselo die Existenz von „Verfolgung, Drohungen und Einschüchterung“ gegen den Pfarrer dieses Ortes, Matías Rodríguez Jiménez. Es wies darauf hin, dass, als der Priester „auf dem Weg in die Nachbargemeinde Frontera Comalapa war (…) er bemerkte, dass er von drei Personen auf Motorrädern verfolgt wurde. Ein paar Kilometer weiter gesellten sich zwei weitere Personen zu ihm und versperrten ihm den Weg. Als er anhielt, kamen drei Männer auf ihn zu, schlugen auf sein Auto ein und sagten: „Wir wissen, wer Sie sind und was Sie beruflich machen, passen Sie auf sich auf!“ Pueblo Creyente stellte außerdem Überwachung im Gemeindehaus in den letzten Monaten fest. Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen würdigten die Leistung des Priesters, der „den Kampf des Volkes zur Verteidigung seines Territoriums gegen Bergbauunternehmen, den illegale Verkauf von alkoholischen Getränken, Moscamed, gegen Gewalt gegen Frauen, Militarisierung, Verunsicherung und Rekommunalisierung begleitet.“
Im April haben mutmaßliche Bewohner*innen der Kolonie Bienestar Social, die in eine ökologische Zone in San Cristóbal de Las Casas eingedrungen sind, sowie Mitglieder*innen der kriminellen Gruppe, bekannt als „Motonetos“, die Durchführung einer Veranstaltung verhindert, bei der es um die Erklärung von 115 Hektar Feuchtgebiet in San Cristóbal de Las Casas zum kritischen Lebensraum gehen sollte. Als rund 100 Personen, darunter Aktivist*innen und Bürger*innen am Ort des Geschehens ankamen, wurden sie von bewaffneten Personen empfangen, die befürchteten, dass die Erklärung zu ihrer Vertreibung führen würde. Die Situation wurde immer angespannter, und es gab viel Gedränge, Drohungen und körperliche Gewalt gegen den Umweltschützer León Enrique Ávila.
Viele Aktionen angesichts der Gewalt, neben anderen Forderungen
Im Februar marschierten rund zweitausend Mitglieder*innen des Pueblo Creyente in der Gemeinde Benemérito de las Américas, um die Stilllegung von zwei Palmenölverarbeitungsanlagen zu fordern, da sie in ihrem Territorium Verschmutzung und Verseuchung verursachen. Sie erklärten, dass sie verschiedenen staatlichen Instanzen ihre Beschwerden vorgelegt haben, jedoch keine Antwort erhielten. Sie stellten ebenfalls die Ausbeutung von Arbeitskräften in diesen Unternehmen in Frage und erhoben weitere Forderungen „wie Gesundheit, Bereitstellung von Medikamenten, Bau von Krankenhäusern, mehr Ärzte. Was die Gewalt betrifft, so leiden die Orte unter dem organisierten Verbrechen, Entführungen, Raubüberfällen und Morden.“
Ebenfalls im Februar kam es in Las Margaritas zu einer Konfrontation, bei der zwei Menschen starben und mehrere verletzt wurden. Nach Angaben der Einwohner dieser Gemeinde war dies nur ein weiteres Beispiel für die Gewalt, die den Staat vereinnahmt hat und die sich immer sichtbarer im ganzen Land ausbreitet. Vor diesem Hintergrund riefen die Kirchen verschiedener Konfessionen zu einer „Pilgerreise für Frieden, Leben und gegen Gewalt und Diskriminierung“ auf, die im März stattfand. Sie kündigten die Gründung der „Allianz der Kirchen für den Frieden“ an, die „inmitten der gravierenden Verschlechterung, die unser ganzer Bundesstaat Chiapas derzeit erfährt„, operieren wird.
Im April fand der Zweite Kongress der Zoque statt, um „kollektive Lösungen für (…) die Errichtung von Bergbauprojekten, die Zwangsumsiedlung von Familien, die Verschärfung der nationalen und internationalen Migration sowie das Interesse an der Privatisierung von Wasser, Land und des Vulkans Chichonal zu finden„. Die Teilnehmer prangerten auch die von bewaffneten Gruppen ausgehende Gewalt sowie die Spaltung und Zusammenarbeit durch Hilfsprogramme. Sie äußerten auch ihre Besorgnis über die „Reaktivierung von Energieprojekten, die den Bau neuer Wasserkraftwerke in den Gemeinden Chicoasén, Copainalá und Francisco León bedeuten würden„. Sie erinnerten daran, dass ihnen im Jahr 2016 eine Mobilisierung gelungen ist, um die Konzessionierung von Land für die Ausbeutung von zwölf Ölquellen zu verhindern. Sie äußerten, dass „wir heute wie damals beschlossen haben, uns nicht zu verkaufen, uns nicht zu verraten und nicht aufzugeben.“
Ebenfalls im April versammelten sich rund 400 Personen aus verschiedenen Teilen der Gemeinde Chilón in der Gemeinde Pamal-Navil zu einer Pilgerfahrt für Leben, Gerechtigkeit, Einheit und Würde für Mutter Erde und die Völker. Sie gaben die Forderungen Tseltal-Volkes bekannt: Achtung der Mutter Erde, Verteidigung ihres Territoriums und absolute Freiheit für die Gemeindeverteidiger Cesar Hernández und José Luis Gutiérrez, die 2020 wegen des Verbrechens des Aufstandes angeklagt wurden, nachdem sie gegen den Bau einer Kaserne der Nationalgarde in ihrem Gebiet demonstriert hatten.
Im März füllten Tausende von Zapatisten die Straßen von San Cristobal de las Casas, Ocosingo, Palenque, Las Margaritas, Altamirano und Yajalon, um gegen die kapitalistischen Kriege zu protestieren, die „die Völker unterdrücken und die Mutter Erde in allen Geografien zerstören.“ Sie bekundeten ihre Solidarität nicht nur mit dem „Widerstand in der Ukraine und Russland„, sondern auch „mit allen Völkern, bei denen Krieg herrscht, wie in Palästina, Kurdistan, Syrien, mit dem Volk der Mapuche, den Pueblos Originarios auf der ganzen Welt und mit allen freiheitlichen Prozessen, die angegriffen, verfolgt, ermordet, zum Schweigen gebracht werden.“ (siehe Artikel)
OAXACA: Verschlechterung der Situation der freien Meinungsäußerung und der Verteidigung der Menschenrechte im Bundesstaat.
In den letzten 9 Jahren sind in Oaxaca 11 Journalisten ermordet worden. Eine weitere alarmierende Zahl ist die der Ermittlungsakten zu Menschenrechtsverletzungen gegen Journalist*innen und Kommunikator*innen im Staat: Das Büro der Verteidigung der Menschenrechte der Bevölkerung von Oaxaca (DDHPO) registriert 288.
Im April protestierten Journalist*innen, um während des von dem Mechanismus zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen in Juchitán organisierten Dialogs Gerechtigkeit für die Ermordungen der Journalisten Heber López (Februar 2022) und Gustavo Sánchez (Juni 2021) zu fordern. Sie protestierten mit Transparenten, auf denen der Slogan #PeriodismoEnRiesgo (#JournalismusinGefahr) zu lesen war, in Solidarität mit den angegriffenen Journalisten in der Region und um Gerechtigkeit für die ermordeten Journalist*innen und für ihre Familien zu fordern. Soziale Organisationen aus der Region nahmen ebenfalls an dem Gespräch teil und legten die Menschenrechtsverletzungen der Aktivist*innen angesichts der Enteignung ihres Landes für die Entwicklung von Windkraftprojekten und des Interozeanischen Korridors des Isthmus von Tehuantepec dar.
Im Mai forderten die vertriebenen Bewohner*innen von Guerrero Grande im Rahmen einer weiteren vom Mechanismus organisierten Arbeitsgruppe in Tlaxiaco das lebendige Wiederauftauchen der Menschenrechtsverteidigerin Irma Galindo Barrios, der im Oktober 2021 verschwand. Die Umweltschützerin und Verfechterin der Wälder in der Region Mixteca verschwand in Mexiko-Stadt, als sie Lebensmittel für die Gemeinden des Bezirks San Esteban sammelte, die Ende Oktober angegriffen wurden, nachdem sie den Raubbau an ihren natürlichen Ressourcen angeprangert hatten. „Niemand sollte verschwinden, nur weil er die Natur verteidigt„, forderten die Demonstrant*innen, die seit Oktober 2021 nicht mehr in ihre Häuser zurückkehren konnten, da sie niedergebrannt wurden, was nach einigen Angaben mit den örtlichen Behörden in Verbindung steht.
Es ist erwähnenswert, dass Oaxaca mit insgesamt 153 Personen die zweithöchste Anzahl von Begünstigten des föderalen Schutzmechanismus aufweist.
GUERRERO: Mexikanische Armee in den Fall Ayotzinapa verwickelt
Im März legte die Interdisziplinäre Gruppe unabhängiger Experten (GIEI) der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) ihren dritten Bericht mit den Ergebnissen ihrer Ermittlungen zum Verschwinden der 43 Student*innen aus Ayotzinapa im September 2014 vor. Die gesammelten Beweise zeigen, dass sowohl die Armee als auch die Marine an dem Verschwinden der 43 Studenten*innen und an der Verschleierung von Informationen sieben Jahre lang beteiligt waren. Sie weisen darauf hin, dass die Schüler*innen von Ayotzinapa seit Jahren untersucht wurden, dass das Militär die Schule infiltriert hatte, dass 4 Tage vor dem Verschwinden Kommandant der 35. Militärzone alle Bataillone in Guerrero anwies, die Schüler*innen zu verfolgen; dass am Tag des Verschwindens sowohl die Polizei als auch das Militär die Schüler*innen genauestens überwacht, haben; dass diese Informationen nicht an die Ermittlungsbehörden weitergegeben wurden, unter anderem. Ein unveröffentlichtes Video, aufgenommen von einer Drohne der Marine, und auf denen Elemente der Marine zu sehen sind, die in die Mülldeponie Cocula eindringen (ein wichtiger Ort für die Untersuchung im Jahr 2014) und die Szene manipulieren, wurde gezeigt.
Im Mai erklärten Angehörige der 43 Opfer, dass „die mit den Ermittlungen beauftragten Behörden wenig tun konnten, um die mexikanische Armee dazu zu bringen, die Informationen zu liefern, im Gegenteil. Die Vereinbarungen der föderalen Exekutive mit dieser Institution lassen die Vermutung zu, dass die Regierung nicht bereit ist, die Beziehungen zu belasten, geschweige denn, sie strafrechtlich zu verfolgen, obwohl der Präsident öffentlich bekräftigt hat, dass er sich für die Aufklärung des Sachverhalts und die Bestrafung der Schuldigen einsetzen wird.“
Angesichts des Widerstands gegen die Lösung eines so emblematischen Falles wie Ayotzinapa gibt es wenig Hoffnung für neuere Fälle. Im Mai fand in Acapulco eine politische Kundgebung statt, um die lebendige Übergabe des Landverteidigers Vicente Suastegui Muñoz, der seit August 2021 verschwunden ist, zu fordern. Er ist Mitglied des Rates der Ejidos und Gemeinden gegen den Staudamm von La Parota (CECOP), und deshalb „…behaupten wir, dass das Verschwinden von Vicente politisch motiviert ist, und zwar aufgrund seiner Beteiligung an der Verteidigung des Landes. Die CECOP ist eine Bewegung, die unterdrückt wurde, mehrere Mitglieder sind gefallen, sie wurden ihrer Freiheit beraubt und mussten in Angst leben„, sagte das Menschenrechtszentrum der Montaña Tlachinollan.
In ähnlicher Weise forderte der regionale Koordinierungsausschuss der Gemeindebehörden und der Gemeindepolizei (CRAC-PC) im Mai „eine schnelle, gründliche und unparteiische Untersuchung des Mordes an dem Verteidiger der Rechte von Afro-Mexikaner*innen, Luis Ortiz Donato, am Donnerstag, den 28. April 2022“, in der Gemeinde Marquelia. Sie betonten auch, dass „seine Ermordung eine katastrophale Botschaft von Machtgruppen und vom organisierten Verbrechen gewesen ist, die sich durch ein staatliches Justizsystem geschützt fühlen, das Verbrechen gegen sie nicht untersucht.“