AKTUELLES: Mexiko am Scheideweg
14/07/2018FOKUS : Die Tragödie der internen Zwangsvertreibung in Mexiko- eine der vielen ausstehenden Aufgaben der neuen Regierung
20/10/2018Am ersten Juli fanden in Mexiko Wahlen statt, die als historisch gelten, da noch nie zuvor so viele Ämter auf einmal gewählt wurden: 18.311 öffentliche Positionen auf Staats-, Bundes und Gemeindeebene.
Andrés Manuel López Obrador (AMLO), Kanditat für die Koalition „Gemeinsam werden wir Geschichte schreiben“, zu der das Movimiento Regeneración Nacional (MORENA), Partido del Trabajo (PT) und die Partido Encuentro Social (PES) gehören, wurde mit einem in Mexiko bisher unerreichten Stimmgewinn zum Präsidenten der Republik gewählt: er erhielt 53% der abgegebenen Stimmen. Seine Koalition blieb auch stärkste Kraft in den beiden Kammern. Sie siegte ausserdem in fünf Bundesregierungen (Veracruz, Chiapas, Morelos, Tabasco und Ciudad de México). Die Gewalt vor der Wahl erreichte Ausmasse wie sie noch nie zuvor in Mexiko gesehen wurden. Das Beratungsunternehmen Etellekt berichtete, dass 8. September 2017 bis zum Ende der Wahlkampfkampagnen 133 Politiker ermordet wurden und 548 Agressionen verzeichnet wurden.
Obwohl AMLO mehrere Monate an der Spitze der Befragungen vor den Wahlen stand, war ein derartig durchschlagender Sieg etwas überraschend, da es noch nie zuvor eine solche Schwächung der historischen Parteien gegeben hatte, die das Land seit 80 Jahren regiert hatten: die Partido Revolucionario Institucional (PRI) und die Partido Acción Nacional (PAN).
Viele Analysten erklären diese Tendez mit den Entscheidungen, die die Parteien während ihrer Regierungszeit getroffen haben: der Krieg gegen das organisierte Verbrechen (2007) und die strukturellen Reformen in der jüngsten Amtszeit von Enrique Peña Nieto (PRI), die weder die versprochene Entwicklung noch den versprochen Wohlstand brachten, sondern eine starke Welle des Protestes dagegen.
Viele schreiben die Umstände dieser letzten Wahl auch der Fragmentation und den Streitigkeiten, die es innerhalb der historischen Parteien gab, zu. Der „López-Obrador-Effekt“, der mit seiner Führungspersönlichkeit und der Wahrnehmung von Ehrlichkeit inmitten der vielen gemeldeten Korruptionsfälle verbunden ist, wurde ebenfalls hervorgehoben. Er schlug eine Veränderung vor, die in einer politisch erniedrigten Klasse Anklang fand. Darüber hinaus, im Vergleich zu seinen vorherigen Versuchen, nuancierte er seine Reden, rannte förmlich in Richtung Zentrum und machte viel Raum für Führungskräfte, die sich in anderen Parteien entwickelten, um diese dann später unzufrieden zu verlassen.
Troz der Ergebnisse ist der Handlungsspielraum für die nächste Regierung begrenzt
Selbst mit den mehr als 30 Millionen gewonnenen Stimmen und obwohl seine Partei in beiden Kammern eine Mehrheit haben wird, wird der Handlungsspielraum für AMLO, wenn er im Dezember die Macht übernimmt, begrenzt sein. Er wird einige Anpassungen im Haushalt realisieren können, wird aber Schulden erben, die die 10 Billionen Pesos noch ersteigen. Zahlreiche Analysten weisen darauf hin, dass die Macht weiterhin in den Händen des kapitalistischen transnationalen Kapitals bleiben wird, die ihre eigenen Interessen und ein Machtgefüge in ihrem Sinne verfolgen.
Die Prioritäten der neuen Regierung ist der Abbau von Korruption, von Sonderrechten und Privilegien, die Erfüllung von Sparversprechen, die Reduzierung von Gewalt durch eine andere Sicherheitsstrategie als die der beiden vorherigen Regierungen und die Anpassung des Haushalts um eine Politik des „Vorrangs der Armen“ zu ermöglichen.
Was einen der Bereiche betrifft, der das am meisten in Anspruch genommen hat, die Gewalt, kündigte AMLO als gewählter Präsident bereits an, dass es zwischen August und Oktober „Anhörungsforen, um den Weg des Landes zum Frieden und zur nationalen Versöhnung vorzuzeichnen“ geben wird. Sie zielen darauf ab, Vorschläge zu Themenbereichen wie dem „nationalen Versöhnungspakt, dem Wiederaufbau des sozialen Gefüges und des friedlichen Zusammenlebens, Entwaffnung, Demobilisierung, Resoziliasierung von Mitgliedern des organisierten Verbrechens und eine Garantie der Nichtwiederholung, Drogenkonsum- und besitz, Waffenbesitz- und transport und eine Reduzierung von Strafen sowie Schwerverbrechen“ indetifizieren.
Seit Beginn des Prozesses haben sich die Fragen genauso wie die Proteste von Opfern und zivilgesellschaftlichen Menschenrechtsorganisationen in Hinblick auf das Format und des möglichen Umfangs des Prozesses vermehrt. Dennoch hat das Tem von AMLO angekündigt, dass auf ihrer Grundlage der Plan für die Versöhung und Befriedung des Landes im November fertig sein wird.
Erwartungen von der sozialen Front und den Menschenrechten
Abseits der Anhörungsforen zum Thema Gewalt stellen ziviligesellschaftliche Organisationen und soziale Bewegungen mehrere Forderungen an die angehende
Regierung mit einer Reihe von konkreten Forderungen.
Im Juni wurden 10 präsidiale Dekrete vorgelegt, die den Schutzstatus von 40% der mexikanischen Flussgebiete, die 55% der Oberflächengewässer der Nation ausmachen, verändern. Die Exekutive stellt diese Möglichkeit als Massnahme zum Umweltschutz dar. Andere Gruppen zweifeln; es erlaube das Wasser für 50 Jahre zu konzessieren, insbesondere der mineralgewinnenden Industrie, da die meisten dieser Flussgebiete mit Standorten zusammenfallen, an denen Megaprojekte geplant sind. Sie sind sich einig, dass es darum geht, die Tür zur Privatisierung von Wasser zu öffnen, wobei das Menschenrecht auf Wasser ignoriert wird.
Im August forderte die Alianza Mexicana contra el Fracking (AMCF) AMLO und die Gesetzgeber der Koalition „Gemeinsam werden wir Geschichte schreiben“ auf, die hydraulische Bruchmethode, bekannt als Fracking, für die Gewinnung von Gas und Öl in Mexiko gesetzlich zu verbieten. Sie riefen auch dazu auf, die bestehenden Verträge zu überarbeiten (91 wurden in den vergagenen 6 Jahren geschlossen) und einen Aufschub neuer Verträge sowie einen Plan für die Energiewende zu formulieren.
Auch im August denunzierten ziviligesellschaftliche Organisationen das unterlassene Aufgreifen von Defiziten der Comisión Nacional para Prevenir y Erradicar la Violencia contra las Mujeres (Conavim) durch die Regierung Enrique Peña Nietos. Sie betonten, dass die Gewalt gegen Frauen in Mexiko zwischen 2014 und 2017 8.904 von ihnen das Leben gekostet hat und dass nur 24% dieser Fälle als Frauenmorde ermittelt wurden. Sie berichteten ausserdem, dass „alarmierende Besorgnis aufgrund der der Brutalität, Bösartigkeit und Straflosigkeit in solchen Fällen vorherrsche“. Zudem forderten sie die folgende Regierung dazu auf, die Conavim zu stärken und „das Recht der Frauen auf ein gewaltfreies Leben zu garantieren“.
Andere Akteure erwarten jedoch keine Veränderung mit dem Amtsantritt von AMLO und der Parteien, die ihn zur Präsidentschaft geführt haben. Die Ejército Zapatista de Liberación Nacional (EZLN) betonte, dass „alle Anstrengung der Partido Movimiento de Regeneración Nacional und von López Obrador und seinem Team seit dem 1. Juli nur dazu da sind, um sich bei der dominanten Schicht und dem grossen Kapital beliebt zu machen. Es gibt keinen Hinweis (…), der darauf hindeutet, dass es sich um eine progressive Regierung handelt, keinen. Ihre Hauptprojekte werden die Territorien der ursprünglichen Völker zerstören, die Millionen von Hektar im Lakandonischen Dschungel, den Tren Maya oder das Gebiet des Istmo, das sie machen wollen, unter anderem.“ Die Armee kündigte an, dass Widerstand in ihren Gemeinden folgen wird und schlug die Gründung einer grossen zivilgesellschaftlichen Organisation auf nationaler Ebene vor sowie von neuen nicht-indigenen internationalen Zivilräten. Es blieb auf jeden Fall klar, dass die Ankündigung des zukünftigen Kabinetts von AMLO im Sinne einer Verfassungsreform, die die von der EZLN und der mexikanischen Regierung unterzeichneten Abkommen von San Andrés über indigene Rechte und Kultur aufgreift, nicht das Format ist, durch das die Zapatisten ihr autonomes Modell weiter vertiefen wollen.
Ausstehende Themen auf internationaler Ebene der gegenwärtigen und der zukünkftigen Regierung
Im Juli präsentierten die Berichterstatter zur freien Meinungsäusserung der Comisión Interamericana de Derechos Humanos (CIDH) und der Vereinten Nationen einen Bericht als Produkt ihrer Mexikoreise 2017. Sie signalisierten, dass das Land „eine tiefe Sicherheitskrise durchläuft, die die Menschenrechte der Bevölkerungs massiv beeinträchtigt. Einer der zentrale Aspekte der Krise ist die Schwächund der Rechtsstaatlichkeit und der lokalen Regierungsführung, die sich im ganzen Land ausgebreitet hat.“ „Neben der Anwendung von Gewalt in all ihren Formen, versuchen kriminelle Akteure und Behörden, Journalisten für ihre eigenen Zwecke zu kooptieren und zur Verbreitung von Informationen zu zwingen, die kriminellen Organisationen zugute kommen oder ihren Gegnern schaden“, gaben sie an.
Im Juli veröffentlichte die Organisation Global Witness den Bericht „Zu welchem Preis? Unverantwortliche Verhandlungen und die Ermordung von Terrtorial- und Umweltverteidigern in 2017“. Im Fall von Mexiko stach hervor, dass „die Kollusion zwischen Firmen und Behörden sowie die Präsenz des organisierten Verbrechen Faktoren sind, die in Mexiko die Ermordung von Umweltschützern inzidieren, welche sich zwischen 2016 und 2017 vervielfacht haben, von 3 auf 15 Fälle, 13 davon Indigene.“ Sie riefen die nächste Regierung dazu auf, sich der Problematik „vorrangig“ anzunehmen und, um die Partizipation der Gemeinden und zivilgesellschaftlichen Organisationen zu garantieren, diese an den Entscheidungen in Hinblick auf Megaprojekte zu beteiligen.
Im August, im Rahmen des internationalen Tages der indigenen Völker, veröffentlichte die UN-Sonderberichterstatterin für diesen Bereich Victoria Cauli-Torpuz einen Bericht über ihren Besuch in Mexiko 2017. Sie wies auf „die beachtliche bestehende Diskrepanz zwischen der juristischen, politischen und institutionellen Realität und den international erreichten Verpflichtungen des Landes“ hin. Das in „einem Kontext tiefer Ungleichheit, Armut und Diskriminierung der indigenen Völker, was deren Zugang zur Justiz, Bildung, Gesundheit und anderen Grundleistungen limitiert.“ „Aufgrund der fehlenden Selbstbestimmung und der fehlenden vorzeitigen, freien, informierten und kulturell angemessenen Beratung häufen sich territoriale Konflikte, Zwangsvertreibungen, Kriminalisierung und Gewalt gegen indigene Völker“ betonte sie.
CHIAPAS: Wahlen auf allen Ebenen
In Chiapas fanden die Wahlen im Juli auf allen Ebenen statt: Staat, Bundesstaat und Gemeinde. Auf Bundesebene fegte Morena (mit mehr als einer Millionen Stimmen) alles weg. Rutilio Escandón Cadenas wurde mit mehr als 39% der Stimmen zum Gouverneur gewählt. Die Koalition „Gemeinsam werden wir Geschichte schreiben“ gewann zudem die Mehrheit der lokalen Abgeordnetenmandate und in den wichtigsten Städten des Staates.
Dieser Sieg fand jedoch auf eine Weise satt, die bedeutet, dass viele vom Volk gewählte Positionen nicht in den Händen ihrer historischen Mitglieder blieben, sondern in den Händen von Persönlichkeiten, die mit dem derzeitigen Gouverneur der Partido Verde Ecologista de México (PVEM) Manuel Velasco Cuello (MVC) in Verbindung standen. Der Fall, der die grösste Kontroverse verursachte, war der von Eduardo Ramírez Aguilar, der Senator für Morena in Chiapas sein wird. Als Mitglied der PVEM während der Amtszeit von Manuel Velasco war er Staatssekretär und lokaler Abgeordneter. Er war nicht der einzige Fall und aus diesem Grund erwägen einige, dass es vor den Wahlen eine nicht-öffentliche Allianz zwischen MVC und Morena im Bundesstaat gab.
Während der Wahlkampfkampagnen verurteilten die Bischöfe, dass „das politische Parteiensystem die Ursache für Spaltungen und Konflikte in den Gemeinden und Dörfern war durch die Korruption, die lokalen Autoritäten, den Stimmkauf, die Nötigung zu sozialen Programmen, die irreführende Propaganda, falsche Versprechungen, die Verteilung von Nahrungsmitteln und anderen Zwecke um die Stimmabgabe zu beeinflussen etc.“. Sie wiesen darauf hin, dass „das Eingreifen von organisiertem Verbrechen bei der Auswahl und Aufstellung von Kandidaten und die Existenz von illegalen bewaffneten Gruppen im Dienste politischer, wirtschaftlicher und krimineller Interessen festzustellen war“.
Die Staatsanwaltschaft berichtete, dass sie 38 Untersuchungen zu gewalttätigen Vorfällen am Wahltag (einschliesslich mehrerer Morde) eingeleitet hat. Das Instituto de Elecciones y Participación Cuidadana de Chiapas (IEPC) berichtete später, dass 67 der 122 Gemeinden von Chiapas die Kommunalwahlen angefochten wurden genauso wie in 10 der 24 Distrikte für lokale Abgeordnetenmandate.
Menschenrechte: Beschwerden, die von den Kandidaten geerbt werden
Im Juli verurteilten die antragstellenden Organisationen der Declaratoria de Alerta de Violencia de Género contra las Mujeres (AVGM) „das Fehlen von Verpflichtungen der Landesregierung zur Bewerung der Umsetzung der im AVGM angeordneten Massnahmenn“ an. Sie brachten zum Ausdruck, dass durch ihre ständige Beobachtung und die Berichte der Behörden „schwerwiegende Versäumnisse und Unwahrheiten“ festzustellen waren, die „als Einhaltung der AVGM dargestellt werden.“
Im August verurteilten Mitglieder des Congreso Nacional Indígena (CNI) der nördlichen Zone von Chiapas den Erhalt von Drohungen und Agressionen bei bestimmten Vorfällen, zu denen es in den Gemeinden Tila, Salto de Agua y Yajalón kam. Sie berichteten, dass sie „bedroht, belästigt, eingeschüchtert, zu Verbrechern gemacht und ihres Landes beraubt“ wurden. Sie waren alarmiert, dass sie „ihre Häuser in ihren Gemeinden nicht mehr verlassen können, weil sie Opfer von Entführungen, Überfällen und Diebstahl von Waren aus den Fahrzeugen, die sie zurückgebracht haben“ geworden sind. „Es gibt keine Gerechtigkeit, obwohl es Anklagen bei der Staatsanwaltschaft gibt (…), es gibt Detonationen von Hochleistungswaffen, sogar in Anwesenheit der mexikanischen Armee (SEDENA). Keine Behörde kann die Welle der Unsicherheit und Gewalt aufhalten. Wir fordern Gerechtigkeit, Frieden und Ruhe.“
Ebenfalls im August berichtete die Menschenrechtsabteilung der Diozöse San Cristóbal, dass 57 Gemeinden 40.400 Unterschriften gesammelt haben, um eine einstweilige Verfügung der Asociación Nacional de Abogados Democráticos (ANAD) gegen die Wasserreserveverordnung zu unterstützen unter Berücksichtigung der „fehlenden vorherigen Befragung“.
OAXACA: Gewalt über den Wahlkontexte hinaus
Die während des Wahlkampfes beobachtete Gewalt muss zur vorher im Staat bereits herrschenden dazugerechnet werden, mit weiter wachsendem Saldo, das sich aus Konflikten verschiedener Art ergibt.
Im Juli ereignete sich eine bewaffnete Attacke zwischen Einwohnern von San Lucas Ixcotepec und Santa María Ecatepec als Folge eines Konfliktes um das begrenzte Land. Es gab 13 Tote. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichteten, dass es aufgrund anderer Agrarkonflikte zu weiteren Gewalttaten in der Sierra Sur gekommen sei, dass es Besorgnis über die Abwesenheit des Staates bei der Lösund dieser Konflikte gebe und dass die einzige Antwort die weitere Militarsierung der Region gewesen sei, unterstützt vom Ley de Seguridad Interior.
Auch im Juli verurteilten die Asamblea de los Pueblos Indígenas del Istmo en Defensa de la Tierra y el Territorio (APIITDTT) und die Asamblea Comunitaria de Álvaro Obregón die Ermordung des Gemeindepolizisten Rolando Crispín López. Sie erinnerten daran, dass „sich die Gemeinde Álvaro Obregón seit 2012 in einem Verteidungskampf um ihr Territorium gegen die Firma Eólica del Sur, früher Mareña Renovables, befindet und die Gemeindepolizei im Februar 2013 gegründet wurde“.
Im Juli verurteilte das Comité de Defensa de los Pueblos Indígenas (CODEDI) die Einrichtung eines militärischen Kontrollpunktes in der Nähe seines Ausbildungszentrums in Santa María Huatulco. Dazu kam es nur fünf Monate nach der Ermordung von drei ihrer Mitglieder durch ein bewaffnetes Kommando nach einem Treffen mit der Staatsregierung und nur Tage nach der Ermordung ihres regionalen Koordinators in der Sierra Sur. Das alles, „ohne jegliche Fortschritte bei der gerichtlichen Untersuchung“. Für CODEDI ist der Hintergrund dieser Gewalt das Projekt zur Konstruktion von drei hydroelektrischen Staudämmen im Copalita-Fluss. Der Espacio Civil de Oaxaca verurteilt „die militärische Besetzung von Gebieten, in denen die Dörfer gegen die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen kämpfen“, „die unverhältnismässige Zunahme der Aggressionen gegen alle Verteidiger und Mitglieder der sozialen Bewegung Oaxacas“ sowie „das Desinteresse und die mangelnde Reaktion der Staatsregierung auf diese Situation“.
Im August vor dem Hintergrund der Wahlergebnisse forderte die Coordinación para la Libertad de Personas Defensoras Criminalizadas en Oaxaca Gerechtigkeit für 33 Menschenrechtsverteidiger, die sich in Gerichtsprozessen befinden. Sie baten um ein Treffen mit AMLO, um „eines der zentralen Themen der Agenda der sozialen Bewegung in unserem Land zu besprechen“.
Was die Straflosigkeit betrifft, so hat das Büro des UN-Hochkomissars für Menschenrechte in Mexiko (UN-HCHR) im Juni, am zweiten Jahrestag des Nochixtlán-Falles, erklärt, dass die mexikanische Regierung gescheitert ist, die Tragödie vom 19. Juni 2016, die nach der Unterdrückung der Lehrerprosteste enstanden war, bei denen es zu mehreren gewaltsamen Todesfällen und mehr als 100 Verletzten kam, aufzuklären. Eine weitere Sorge der UN-HRD ist es, dass „viele Opfer und ihre Vertreter mit Verleumdungskampagnen, Einschüchterungsversuchen und sogar physischen Angriffen ins Visier genommen wurden“.
GUERRERO: „das unsicherste und blutrünstigste Wesen des Landes“
In Guerrero, genauso wie in Oaxaca, war der Wahlfaktor nicht mehr als eine weitere Komponente der Gewalt, die den Staat in den letzten Jahrzehnten verwüstet hat. In Hinblick auf den beispielhaften Fall von Ayotzinapa ordnete ein Bundesgericht an, dass die Generalstaatsanwaltschaft den Prozess in den Ermittlungen zum erzwungenen Verschwinden von 43 Studenten der Escuela Normal Rural de Ayotzinapa en Iguala im September 2014 wiederaufnimmt. Mit der Begründung, dass die Ermittlung nicht „schnell, effektiv, unabhängig und unparteiisch“ war. Das Gericht stellte fest, dass „ausreichend Hinweise vorliegen, um anzunehmen, dass die Geständnisse und Anklagen gegen die Mitbeschuldigten unter Anwendung von Folter erlangt wurden“ und dass „davon ausgehend, dass es in Mexiko keine unabhängige Staatsanwaltschaft gibt, entschieden wurde, eine Ermittlungskomission für Wahrheit und Gerechtigkeit einzusetzen.“ Das Zentrum ProDH, das die Familien der Studenten vertritt, meinte dass „sich bestätigen wird, dass im Fall Ayotzinapa nicht die Wahrheit gesagt wird. Aufrgund des Inkrafttretens des Urteils, wird diese Einschätzung nicht mehr nur von internationalen Gremien, sondern auch von einem nationalen Gericht vorgenommen“.
Sie fordern „eine öffentliche Zusage, dass das Urteil im Rest der sechsjährigen Amtszeit vollzogen wird.“
Hierfür, „angesichts der ungewöhnlichen Rechtsoffensive- bestehend aus mehr als hundert Rechtsmitteln- der Regierung Enrique Peña Nietos gegen das Urteil (…) und in Erwartung, dass der Oberste Gerichtshof der Nation mehrere dieser Rechtsmittel lösen muss“ baten Angehörige der Studenten den Obersten Gerichtshof im Juni „sich dem Druck der Exekutive nicht zu beugen und auf der Seite der Wahrheit und der Opfer zu stehen“. Das Zentrum ProDh wies darauf hin: „Diese Regierung, weit davon entfernt seine Kräfte zu nutzen, um die Studenten zu finden, nutzt ebendiese, um das Urteil des Gerichtes anzugreifen“.
Ein weiterer Prozess, der sinnbildlich bleibt in Guerrero, ist der der Coordinación Regional de Autoridades Comunitarias – Policía Comunitaria (CRAC-PC). Im Juli beförderte Héctor Astudillo Flores eine Verfassungsreform des Artikel 14, die die Rechte der indigenen Völker in Guerrero beschneidet und die Wörter „gemeinschaftliche und ländliche Polizei“ aus dem Verfassungsartikel entfernt. Sie legt fest, dass die Beschlüsse des Justizsystems der Gemeinden der geltenden Rechtsordnung entsprechen und von Richtern der staatlichen Justizbehörde bestätigt werden müssen. Die CRAC-PC verurteilt, dass diese Reform die Unterordnung der Gemeindejustiz gegenüber der Staatsregierung befördert. Tlachinollan bestätigte für seinen Teil, dass die Reform „ein Schlag gegen den Kampf der indigenen Völker Guerreros ist in der Hinsicht, dass sie ihnen einen Status verweigert, der auf internationaler Ebene bereits anerkannt wird“. Sie betonte, dass die Gemeinden „nicht um Erlaubnis bitten werden, so wie sie seit 24 Jahren nicht darum gebeten haben, sich als Völker zu erheben, um zu sagen, dass es reicht mit einem absoluten, korrupten und mit dem organisierten Verbrechen kolludierenden Sicherheits- und Justizsystem“.
In Guerrero existieren mindesten 18 bewaffnete selbsternannte Polizeigruppen mit Präsenz in mindestens 38 der 81 Gemeinden des Staates, von denen allein die CRAC-PC vom Gesetz 701 beschützt wird. Vor der Hintergrund der ablehnenden Reaktionen, erklärte Astudillo Flores, es gibt eine „falsche Interpretation“ bezüglich der Inhalte der Reform und betonte, es gebe den Vorschlag, damit es keine bewaffneten Gruppen „an jeder Autobahn“ gebe und dass „dies reguliert werden muss“.
Auf einer hoffnungsvolleren Note, wurde im Juni eine 19-jährige Haftstrafe gegen zwei Soldaten verhängt, die der Vergewaltigung und Folter, hervorgegangen aus den Taten gegen die indigene Frau Valentina Rosendo Cantú im Jahr 2002 in Guerrero, angeklagt wurden. Besagtes Urteil ist eien Antwort auf das, was der Corte Interamericana de Derechos Humanos (CoIDH) gegenüber dem mexikanischen Staat angeordnet hat. „Das ist das erste Mal, dass Mexiko seine Verpflichtung nachgekommen ist, nach einem Urteils des interamerikanischen Gerichtes Menschenrechtsverletzungen durch Militärangehörige zu ermitteln, zu verurteilen und zu bestrafen (…) Es ist ein Meilenstein und ein Beweis dafür, dass Straflosigkeit trotz des fehlenden Willens gebrochen werden kann“, hob das Centro por la Justicia y el Derecho Internacional para Centroamérica y México (CEJIL) hervor. Für die Organisationen, die Valentina begleitet haben, „zeigt dieser Fall exemplarisch die schwerwiegenden Konsequenzen, die die Beteiligung der bewaffneten Kräfte am Schutz der Bürger und muss ein weiterer Aufruf an den Staat sein, seine öffentliche Sicherheitspolitik zu verändern.“