ANALYSE: Mexiko, erneute Polarisierung
30/05/2008SCHWERPUNKTTHEMA : Bergwerke in Chiapas – Neue Bedrohung für das Leben der indigenen Völker
29/12/2008In den letzten Monaten drehten sich die größten Sorgen der mexikanischen Bevölkerung um die Preissteigerungen bei Lebensmitteln. Seit April gaben zivile Gruppen, allen voran FIAN (Netzwerk der Aktion für das Menschenrecht auf Ernährung) in Mexiko an, dass das Land schon solche Zeichen einer Ernährungskrise zeigt wie mindestens 37 weitere Nationen. Die Daten wurden mit einem Parameter der Vereinten Nationen, UNO, erhoben. Die Situation ist sehr riskant, denn schon 35% der Grundnahrungsmittel werden importiert.
Im Forschungsbericht des Programa de las Naciones Unidas para el Desarrollo (PNUD), einem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, das im Juli mit dem Titel „Nahrungsmittelpreise, Armut und Sozialpolitik in Mexiko“, veröffentlicht wurde, heißt es, dass sich in den letzten zwei Jahren eine Millionen 800 Tausend MexikanerInnen in extremer Armut und befinden und eine Millionen 300 Tausend als patrimonial Arme einzustufen seien, was bedeutet, dass sie ihre Grundbedürfnisse nach Wohnraum, Transport und Kleidung nicht befriedigen können.
Ein noch alarmierender Bericht kommt vom Studienzentrum öffentlicher Finanzen des Abgeordnetenhauses („Der Einfluss der Steigerung der Nahrungsmittelpreise auf die Armut in Mexiko“). Er kommt zu dem Schluss, dass die Zahl der in extremer Armut lebender Personen in Mexiko um mindestens 7 Millionen von 13,7 auf 20 Prozent angestiegen ist (über 21 Millionen Personen).
Die Regierungsvorschläge wurden von sozialen Akteuren stark in Frage gestellt. Ende Mai bezeichneten Bauernführer die von der Regierung angekündigten Unterstützungsaktionen für arme Familien als „Demagogie„, „unzureichend“ und „unwirksam„. Sie wiesen darauf hin, dass die Preisbindungen, zum Teil für Brot, wenig bewirken seien, um die Preise zu senken, da viele Importe aus den USA kommen und keiner Art von Preisbindung unterstehen.
Mitte Juni meinten einige Gesetzgeber und Führer von Gewerkschaften und Bauern das die vom Präsidenten Felipe Calderón angekündigte Preiskontrolle für einige Nahrungsmittel auch, „ungenügend“ und vor allem „zu spät“ seien, denn die meisten Preise sind längst gestiegen.
Energiereform: ein ständig schwelender Konflikt… und jetzt?
Ein anderes in den Medien stark präsentes und stark polemisches Thema ist die von Felipe Calderón am vergangenen 9. April vorgestellte Energiereform. Für die Gegner bedeutet diese Reform ein Versuch der Privatisierung der nationalen Erdölvorkommen. Da sich der Senat für zwei Monate dauernde offene Debatte unter Beteiligung von Experten entschied, bevor irgendeine Entscheidung getroffen werde, konnten die Spannungen etwas reduziert werden.
Der demokratische nationale Kongress, angeführt vom Ex-Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador (AMLO) und der Frente Amplio Progresista, der Breiten fortschrittlichen Front (FAP, welche die größten linken Parteien vereint: Partei der demokratischen Revolution PRD; Partei der Arbeit, PT; und Konvergenz) entschied, eine öffentliche Volksbefragung über die Energiereform zu organisieren. Am 27. Juli wurde diese Befragung in neun Bundesstaaten und der Hauptstadt durchgeführt. Sowohl der Senat, als auch das bundesstaatliche Wahlinstitut, weigerten sich, daran teil zu nehmen. Der Koordinator der Umfrage, Manuel Camacho Solís, erklärte am folgenden Tag, dass die Volksgebragung ein Erfolg gewesen sei. Als Bergündung nannte er die Beteiligung von mehr als eineinhalb Millionen Personen, von denen sich etwas über 80% gegen die vom Präsidenten vorgeschlagene Reform aussprachen.
Dazu sagte Georgina Kessel, die Energiesekretärin, diese Ergebnisse seien nur eine Summe von Information, mit der gerechnet worden war. Sie fügte hinzu, die Umfrage bringe nur die erwarteten Ergebnisse. Dabei sei die Beteiligung viel niedriger ausgefallen, als erwartet. Zugleich verwies sie auf verschiedene Ungereimtheiten und erklärte, dass „es enorm viele Umfragen auf nationaler Ebene gibt, die besagen, dass die Mehrheit der Mexikaner unsere staatliche mexikanische Erdölgesellschaft Petróleos Mexicanos (Pemex), modernisieren will“.
Zweifel an dieser Aussage kamen nicht nur von der Regierung und der Rechten, sondern auch von einigen linken Sektoren. Kritisiert wurde, dass die PRD nicht glaubwürdigsei, eine solche Umfrage zu organisieren, solange sie ihre internen Wahlen des Parteivorsitzenden nicht geregelt hätte (die im März stattgefunden hatten). Diese Situation erklärt in gewisser Weise die niedrige Wahlbeteiligung.
Die Reform muss noch vom Kongress verabschiedet werden. Es könnte zu friedlichem zivilen Widerstand seitens der CND und der FAP kommen.
Menschenrechte: Fehlende „Verpflichtung“?
Der Vertreter des Hochkommissariats für Menschenrechte der Vereinten Nationen (OACNUDH) in Mexiko, Amérigo Incalcaterra, verlies im Mai angeblich auf Druck der mexikanischen Regierung sein Amt. Die spanische Tageszeitung El Pais schreibt, die kritische Art von Incalcaterra habe in den letzten Jahren „die Autoritäten so in Bedrängnis gebracht, bis es nicht mehr auszuhalten war“. Es fällt auf, dass diese Information in die Öffentlichkeit gelangte, kurz nachdem ein Abkommen dieser Institution mit der mexikanischen Regierung in Kraft treten sollte, angeblich um ihr mehr Beteiligung und Kritikberechtigung in den Recherchen um Menschenrechtsverletzungen in Mexiko zu gewähren. Verschiedene nationale Menschenrechtsorganisationen verlangten von der Regierung diese Situation aufzuklären, was ohne Antwort blieb.
Amnesty International (AI) wies Ende Mai darauf hin, dass das mexikanische Volk darauf warte, das Felipe Calderón die Führung in der Verteidigung der Menschenrechte übernehme. In 18 Monaten Amtsführung „hat er seine Verpflichtung Fortschritte im Schutz der Menschenrechte zu machen noch nicht gezeigt“, was „Besorgnis“ errege.
Die Hauptklagen beschäftigen sich mit der zunehmenden Militarisierung seit dem Amtsantritt Felipe Calderóns. Während dieser Periode wurden bei der Nationalen Menschenrechtskommissionen (CNDH) 634 Klagen gegen die mexikanische Armee wegen mutmasslichem Missbrauch und Verletzungen fundamentaler Garantien eingereicht. Die Anklagen werden immer mehr. Trotzdem scheint die visitadora general (Untersuchungsbeamte der CNDH) Susana Pedroza die Zahl der Anklagen schönzureden, indem sie erklärt, die Klagen seinen weniger schlimm als die 1997 registrierten.
Im Mai kritisierten Vertreter von Amnesty International (AI), Human Rights Watch (HRW) und dem Zentrum für Gerechtigkeit und internationales Recht (CEJIL) das Verhalten der CNDH gegenüber dem Militär: Sie bestanden darauf, dass es eine „begrenzte“ Antwort sei und im Widerspruch zu internationalen Standarts auf diesem Gebiet stünde.
Im Juli stellte das Menschenrechtszentrum Miguel Agustín Pro Juárez (Centro Prodh) einen vorläufigen Bericht über den Zeitraum von Januar 2007 bis Juli 2008 vor, worin es nahezu 50 Fälle von angeblichem Amtsmissbrauch durch Elemente der bewaffneten Streitkräfte, besonders in den Bundesstaaten Tamaulipas, Michoacán, Chihuahua, Guerrero und Sinaloa dokumentierten. Sie berichteten über den Tod von 11 Personen aufgrund von militärischen Aktionen 2007. Bis zum 10. Juni dieses Jahres wurden weitere 11 Tote registriert. Unter den häufigsten Missbrauchsfällem befinden sich körperliche Angriffe mit Feuerwaffen in der Nähe von Militärsperren oder Militärlagern.
Von Acteal (Chiapas) bis Atenco (Bundesstaat Mexiko): der Schatten der Straflosigkeit
Ende Mai gab die zivile Organisation Las Abejas an, dass der Staatsanwalt im Falle von Acteal, Noé Maza Albores, ihren Anführern androhte, sie ins Gefängnis zu sperren, wenn sie die monatlich am 22. stattfindenden öffentlichen Anklagen zum Gedenken an die 45 indigenen Opfer des Massakers am 22. Dezember 1997 nicht einstellten.
Auf der anderen Seite begannen Angehörige der 33 indigenen Gefangenen aus Chenalhó, die wegen Beteiligung an den Morden in Acteal angeklagt sind, eine Mahnwache in Tuxtla Gutiérrez (Hauptstadt von Chiapas), um die nationalen Gerichtsautoritäten zu veranlassen, die Prozessakten zu überprüfen. Nach ihrer Version waren nur ein Dutzend der 78 Gefangenen an der Tat beteiligt. Sie bestehen drauf, dass alle mit vielen gerichtlichen Ungereimtheiten verurteilt wurden. Im Juni – über 10 Jahre nach dem Massaker – wurde der Strafprozess der Verurteilten vor den obersten Gerichtshof der Nation, dem Suprema Corte de Justicia de la Nación (SCJN), gebracht, damit sich dieser zu möglichen Ungereimtheiten äußern könne.
Zwei Jahre nach der Polizeioperation, die eine Demonstration in San Salvador Atenco am 3. und 4. Juni 2006 niederschlug, verlangte Amnesty International erneut Gerechtigkeit für die vergewaltigten Frauen und wies auf die, „schweren Fälle von Folter“ hin, die ein „Zeichen der ungenügenden Verpflichtung der Regierung zur Beendigung dieser Verbrechen und Gewalt gegen Frauen“ seien.
Einige Tage vor dem zweiten Jahrestag dieser Vorkommnisse trugen 11 der 26 von Polizisten vergewaltigten Frauen eine Petition vor die Interamerikanische Menschenrechtskommission, Comisión Interamericana de Derechos Humanos (CIDH). Die Katalanin Cristina Valls trug eine Anklage vor die Spanische Audienz, in der sie der Polizei und den mexikanischen Auritäten vorwarf, an Folterungen und der Durchführung der Operation beteilgt gewesen zu sein. Im Juli hatte ein Gericht ihr das Amparo verweigert, wogegen sie nun Widerspruch einlegte.
In einem Interview im Mai wies der Gouverneur des Bundesstaates Mexiko Enrique Peña Nieto (PRI, Partei der institutionalisierten Revolution) den Vorwurf zurück, dass die Repression in Atenco ein „Ballast“ für seine Regierung sei. Er kündigte an, er würde wieder in der selben Form reagieren, wenn es darum ginge, Ordnung und sozialen Frieden wieder herzustellen. Als Antwort auf die internationale Kritik in Bezug auf Menschenrechte sagte er weiterhin „die Bereitschaft und Disposition“ seiner Regierung zu, um die Vorkommnisse, die jetzt vom Obersten Gerichtshof der Nation analysiert würden, zu untersuchen.
Chiapas: Vervielfachung der Polizei- und Militäroperationen
Seit Mitte Mai – und wie seit Ende der 90ger Jahre nicht mehr geschehen – vervielfachten sich polizeiliche und militärische Einsätze in den indigenen Regionen, besonders (aber nicht nur) in zapatistischen Gemeinden, im Urwald und im Norden Chiapas. Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas (CDHFBC) beklagte „eine Logik der Aufstandsbekämpfung“. „Taktische Aufmärsche in Territorien mit einer ihre sozialen Rechte forderndernden Zivilgesellschaft“ würden zunehmen. Zudem sei es der Polizei und dem Militär „erlaubt, die Reaktionen der Bevölkerung auf diese Einsätze zu beobachten“.
Nach Meinung des Zentrums für politische Analyse und soziale und wirtschaftliche Forschung (CAPISE) bedeuten diese Einsätze „Drohungen mit Repression, Gefängnis, Vertreibung oder Tod gegen das Zapatistische Heer Nationaler Befreiung (EZLN), die zapatistische Bevölkerung und die Mitglieder der Otra Campaña, der Anderen Kampagne“.
Jorge Lofredo vom Zentrum für Dokumentation der bewaffneten Bewegungen präsentierte das gerade erschienene Buch „Corte de Caja, Schnitt der Kiste“, das von Laura Castellanos und Ricardo Trabulsi veröffentlicht wurde. Es besteht aus einem ausführlichen Interview mit dem Subkomandanten Marcos, der erklärt: „Es ist wie 1993, aber umgekehrt (…) Jetzt ist es die Regierung die den Angriff plant“. Er bekräftigt in der selben Buchvorstellung: „Trotz wiederholter Klagen über Militäreinmärsche in zapatistischen Gebieten, die dann nicht konkretisiert wurden, kann dies als eine Militärstrategie gesehen werden, die genau hier hinführt: ständige Belagerung und Bedrohung, die auf eine Reaktion der EZLN spekuliert und Nichtregierungsorganisationen diskreditiert, bis am Ende doch etwas geschieht“.
Um dieser Situation zu begegnen, verlangten Anfang Juli mehr als 200 Kollektive aus verschiedenen Ländern der Welt, die Angriffe gegen die Zapatistas einzustellen. Ende Juli kamen etwa 300 AktivistInnen, vor allem aus Europa, nach Chiapas, um die Situation zu beobachten und das „Szenarium des Krieges“ anzuklagen.
Letztlich gilt es, die Beziehung zwischen wirtschaftlichen und militärischen Interessen zu erwähnen (siehe Schwerpunktthema dieses Berichts). Am 28 Juli endete das zehnte Gipfeltreffen zwischen den Regierungen der Bundesstaaten in Villahermosa (Tabasco, México) sowie das zehnte Gipfeltreffen der Staats-und Regierungschefs in Tuxtla. Die anwesenden Regierenden bestätigten die Ziele des Plan Puebla Panamá, der in „Proyecto Mesoamérica“ umbenannt wurde. Die Abschlusserklärung bezieht sich wiederholt auf den Kampf gegen die organisierte Kriminalität und auf die Zustimmung zur Initiative Mérida, die durch die USA finanziert wird.
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Polizei- und Militäroperationen: Wichtigste Vorfälle
- Am 27. April drangen mindesten 500 Polizisten mit Gewalt in die Gemeinde Cruztón, Bezirk Venustiano Carranza ein.
- Am 19. und 20. Mai ist ein Einmarsch des Militärs und des Geheimdienstes Agencia Federal de Investigación (AFI) in der Gemeinde San Jerónimo Tulijá (offizieller Bezirk Chilón und autonomer Ricardo Flores Magón) verzeichnet.
- Am 22. Mai patrullierten bewaffnete Kräfte in 11 Gemeinden von Venustiano Carranza mit Präsenz der Bauernorganisation Emiliano Zapata-Región Carranza (OCEZ-RC).
- Am 23. Mai wurden in mehreren Gemeinden des Bezirks Tila (nördliche Zone) Militärkontrollen installiert. Am selben Tag wurden Tiefflieger und Einmärsche in Carrizal und Río Florida (Bezirk Ocosingo) gemeldet.
- Am 27. Mai informierte die Bundesumweltbehörde, Procuraduría Federal de Protección al Ambiente (Profepa), dass die Generalstaatsanwaltschaft mit Elementen der bewaffneten Streitkräfte Mexikos und Unterstützung der Bundespolizei zwei Bauerngruppen die auf nichtreguläre Weise auf 35 Hektar im Naturschutzgebiet von Montes Azules siedelten, von dort vertrieben hat.
- Am 29. Mai kritisierte die Front für den sozialistischen Kampf, Frente Nacional de Lucha por el Socialismo (FNLS), Rundflüge bewaffneter Hubschrauber über Gemeinden, die der Bauernorganisation Emiliano Zapata (OCEZ) angehören.
- Am 4. Juni wurden Militär- und Polizeiaufmärsche in der Nähe des zapatistischen Caracoles La Garrucha sowie in den Gemeinden der zapatistischen zivilen Hermenegildo Galeana und San Alejandro gemeldet.
- Am 17. Juli umzingelten Militärs für drei Tage die Gemeinde 28. Juni (Bezirk Venustiano Carranza). Sie sagten, sie würden nach Drogenanbaugebieten suchen. Anscheinend suchten sie aber nach Mitgliedern des Revolutionären Volksheeres, Ejército Popular Revolucionario (EPR).
- Am 23 Juli klagte das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas an, dass Staatspolizisten von Chiapas Bauern der Gemeinde Cruztón, Bezirk Venustiano Carranza, und Beobachter, die der anderen Kampagne (Otra Campaña) angehören, belästigt hatten.
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Chiapas: weitere Spannungsachsen
Auf parallele Weise gibt es focos rojos (Spannungsfelder) in mehreren Teilen des Bundesstaates. Im Hochland klagten im Mai der autonome Rat von Magdalena de la Paz und der Rat der Guten Regierung, la Junta de Buen Gobierno (JBG) von Oventic, über den Versuch, ihnen Teile ihres Territoriums wegzunehmen. In Huitepec gehen die Drohungen der Vertreibung aus dem zapatistischen Naturschutzgebiet weiter: Im Juni versuchte eine mit der Bezirksmacht in Verbindung stehende Gruppe dort Bäume zu pflanzen. Bewohner der la Sección III Las Palmas (auch in Huitepec) behaupteten , dass die Bezirksregierung von San Cristobal versuche, sie zu zwingen, gewaltsame Vertreibungen der Zapatistas aus dem Naturschutzgebiet zu unterstützen.
Im Urwaldgebiet kam es in der Gemeinde Morelia (Sitz des zapatistischen Caracols, Bezirk Altamirano) zu Auseinandersetzungen zwischen Militanten der PRI und zivilen zapatistas, (bases de apoyo). Ausgangspunkt waren Steigkeiten um die Wasser- und Stromversorgung. Mindestens 10 Menschen wurden verletzt.
Eine andere Konfliktachse dreht sich um die hohen Tarife bei den Strompreisen. Im April klagten Mitglieder der Vereinigten Völker für die Verteidigung der Stromversorgung, Pueblos Unidos por la Defensa de la Energía Eléctrica (PUDEE), in mehreren Bezirken der nördlichen Zone Chiapas, darüber, dass Bewohner unter Druck gesetzt würden, die hohen Strompreise zu bezahlen, um im Gegenzug staatliche Hilfsprogramme in Anspruch zu nehmen. Im Juli demonstrierten über tausend Indigene in Ocosingo, um von der nationalen Energiegesellschaft, Comisión Federal de Electricidad (CFE), gerechte Tarife, Schuldenerlass und ein Ende der Stromkürzungen zu fordern.
Aufgrund der organisierten Prozesse, die in verschiedenen Gefängnissen im März und April begannen (siehe vergangenen SIPAZ Bericht), wurden Anfang Juni die zapatistischen Gefangenen Ángel Concepción Pérez Gutiérrez und sein Vater Francisco Pérez Vázquez nach 12 Jahren Gefängnis in Tacotalpa (Tabasco) freigelassen. Ende Juli wurden 3 Mitglieder der Stimme der Llanos, La Voz de Los Llanos, aus dem Gefängnis Centro Estatal de Reinserción Social de Sentenciados (CRSS) Nummer 5 in San Cristóbal de Las Casas freigelassen; ebenso 3 Gefangene der Stimme von El Amate, La Voz de El Amate, die sich im Gefängnis CRSS 14 befanden..
Dialog EPR-Regierung: viel Medienrummel und wenig Ergebnisse
Ende April rief das Revolutionäre Volksheer, Ejército Popular Revolucionario (EPR, eine bewaffnete Gruppe, die vor vier Jahrzehnten im Süden Mexikos als Guerrilla entstand) verschiedene mexikanische Persönlichkeiten auf, eine Mediation zu gründen, um in einen indirekten Dialog mit der Regierung zu vermitteln, um das lebendige Auftauchen ihrer Mitglieder zu erreichen: Edmundo Reyes Amaya und Gabriel Alberto Cruz Sánchez sind seit Mai 2007 in Oaxaca verschwunden. Diese Persönlichkeiten verknüpften ihre Teilnahme an die Bedingung, dass die EPR bereit sei, alle von der Vermittlungskomission vorgeschlagenen Bedingungen zu erfüllen, einschließlich der Forderung, alle bewaffneten Aktionen einzustellen.
Die Verhandlungsmöglichkeiten schienen sich einzuschränken, als die Bundesregierung weitere Bedingungen an den Dialog zu knüpfen begann: 1. ein direktes Treffen (indem die für das Vermittlungskomitee vorgeschlagenen Persönlichkeiten nur als „soziale Zeugen“) fungierten; 2. eine öffentliche Verpflichtung der EPR „radikale Aktionen“ wie Sabotage und Gewalt einzustellen; und 3. dass es im Dialog nicht nur um die Verschwundenen ginge, sondern auch über die Beeindigung des bewaffneten Kampfes.
Die von der EPR als Teil der Vermittlergruppe vorgeschlagenen Schriftsteller Carlos Montemayor und der Antropologe Gilberto López y Rivas, zeigten auf, dass diese Initiative nur Erfolg habe, wenn das Innenministerium, Secretaría de Gobernación verstehe „dass, wenn sich eine Guerrilla für Verhandlungen öffne, sie damit nicht ihre Kapitulation vorschlägt“. Sie weigerten sich auch, „Gäste aus Stein“ zu sein, wenn sie an einem solchen Prozess als „soziale Zeugen“ fungierten. Mit einem Komunique kündigte die EPR an, es gäbe keine „Verhandlungen, in denen die bedingungslose Aufgabe oder das Ende des bewaffneten Kampf thematisieret werden, um sich in das institutionelle Leben einzuordnen.“
Die Bundesregierung entschied sich für ein Treffen mit der Vermittlerkommission am 13. und 20. Mai. Als Montemayor sagte, „die Mitglieder der Komission schlugen vor, erstmal soziale und politische Themen des Prozesses zu behandeln“, blieben die Medien „unerwartet still“, nachdem sie zuvor viel darüber berichtet hatten.
Ein Grund für die Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten zwischen der Bundesregierung und der Vermittlungskommission ist es, dass letztere meint, es gäbe legale Gesichtspunkte, das gewaltsame Verschwindenlassen zu benennen – ein Aspekt, der den Staat noch einmal besonders zur Verantwortung zieht. In einem in der Tageszeitung La Jornada veröffentlichten Artikel betonte Montemayor „umständliche Sekuenzen legaler Aktionen, frustrierend und nichtoperativ, im Kontext internationaler Gesetzgebung, die sich um die wichtigsten Aspekte drehen, um das Verbrechen des Verschwindenlassens einer Person zu definieren“. Er bezog sich auf eine amerikanischer Konvention über das Verschwindenlassen einer Person, die 2001 durch die mexikanische Regierung unterschrieben wurde.
Nachdem der Prozess des Dialogs begonnen hatte, gab es Nachforschungen, die sich um Spekulationen und Gerüchten drehten. Die Teilnahme von Funktionären der Gerichte in Oaxaca, Procuraduría de Justicia de Oaxaca, und das Militär, standen im Fokus. Ein Ergebnis steht noch aus. In einem neuen Kommuniqué im Juni, kündigte die EPR gegenüber der Bundesregierung an, dass „Zeit vergeht“, um ihre Mitglieder lebend vorzustellen und zeigte auf, dass „es erzwungenes Verschwindenlassen in Mexiko“ gebe. Laut Schätzung der EPR gäbe es mindestend 75 aktuelle Fälle.