2002
02/01/2003POLITISCHE LAGE: Widerstand Und Autonomie, Schaffung Der Zapatistischen Juntas Der Guten Regierung
29/08/2003- In einer Welt des Krieges: Begegnungsräume schaffen, Alternativen miteinander teilen
- EZLN – „ein anderer Kalender: der des Widerstands“
- Nationales Treffen gegen das PROCEDE und das PROCECOM
- Das zweite ChiapasTreffen gegen Neoliberalismus
- Erstes Regionales Treffen der Indigenen Frauen der EntieTzetal
- Das dritte Treffen zum Austausch von Erfahrungen der Arbeit für Frieden und Versöhnung
- „Die Landwirtschaft erträgt es nicht weiter!“
- Bewegung zur Förderung der nationalen Einheit gegen Neoliberalismus
- Möglichkeiten und Herausforderungen
Am Neujahrsmorgen erlebte Chipas eine gewaltige Mobilisierung der zapatistischen Unterstützungsbasen in den Straßen von San Cristóbal, die den neunten Jahrestag der zapatistischen Erhebung begingen und das Schweigen brachen, das sie seit der Annahme der Verfassungsreform über indigene Rechte im April 2001 gewahrt hatten. In den von ihren wichtigsten Kommandanten und Kommandantinnen verlesenen Kommuniqués bestätigten sie unter anderem: „was wir Zapatistas erbitten und fordern, ist, daß sie in der Verfassung die Rechte, die Autonomie und die Selbstbestimmung aller indigenen Völker Mexikos anerkennen. Wir fordern, daß sie uns mit Gleichheit und Gerechtigkeit behandeln. Deshalb nehmen wir nicht hin, daß sie uns verspotten oder uns aus Mitleid ihre Brotkrumen oder ihren Abfall anbieten. […] Denn wir sind Völker mit einer langen Geschichte. Deshalb sind wir bereit, den Kampf fortzusetzen, bis wir indigenen Völker in unserem ganzen Vaterland respektiert werden.“
Diese Versammlung wurde als die größte öffentliche Demonstration der Zapatistas bis zum heutigen Tag betrachtet.
Die Zapatistas veröffentlichten eine Serie von Kommuniqués, die sie als „Stelen“ bezeichneten: eine für jeden Monat des Jahres und jede einem mexikanischen Bundesstaat gewidmet. Mit diesen „Stelen“ wollte die EZLN den „anderen Kalender: den des Widerstands“ erstellen, der die Geschichte des „unterirdischen Mexiko, das widersteht und kämpft“, erzählt.
Die Stelen des Kalenders rekapitulieren die vergangenen und heutigen Kämpfe an verschiedenen Orten. Unter anderem werden erwähnt der Kampf gegen die Privatisierung der archäologischen Zone von Monte Albán in Oaxaca; in Puebla die Opposition der Bauern gegen die Landenteignung zum Zweck des Baus der Autobahn Puebla-Tecamachalco und des Milleniumparks; in Hidalgo die Verteidigung der Indígenas in der Huasteca, aber auch der jungen Banden und Punks in Pachuca; der Wiederaufbau der Autonomie durch die verschiedenen Völker, die die nordpazifische Region bewohnen; Wiederaneignung der Gemeinschaftlichkeit der Nation Purépecha oder die Bewegung für die Verteidigung der traditionellen Medizin in Michoacán; bis hin zum Bundesstaat Mexiko, wo es der Bauernbewegung von San Salvador Atenco gelang, durch ihre Organisation und ihre Proteste den Bau eines neuen Flughafens für Mexiko-Stadt auf ihren Feldern zu verhindern.
Das alles sind Geschichten des Widerstands gegen die Ausplünderung der Felder zugunsten von Handelsinteressen; letztlich verkörpern sie den Kampf für die Respektierung der indigenen und volkstümlichen Kulturen, ihre Identität und das Gebiet, in dem diese sich entwickeln. Die Säulen scheinen anzuzeigen, daß die Rückforderungen der Bevölkerung und der Aufbau eines anderen Mexikos nicht nur in Chiapas vonstatten gehen, sondern nationalen Charakter haben: „Es ist die Geburt einer Bewegung mit vielen Gesichtern, politisch, aber nicht parteigebunden, die sich über viele geographische Gegenden erstreckt, und die zusammen mit anderen Bewegungen der Ausdruck eines kollektiven und individuellen Widerstandes ist, der noch nicht sichtbar ist.“ (Nordpazifische Region, Achte Stele)
In diesem Sinn, und während dieser ersten Monate des Jahres, wurden in Chiapas und auf nationaler Ebene Räume geschaffen, in denen konkrete Erfahrungen dieses Widerstandes gegen die Regierungsprogramme und gegen die Freihandelsabkommen, die die Völker als Bedrohung ihres Territoriums und ihrer natürlichen Lebensgrundlagen betrachten, ausgetauscht werden.
Nationales Treffen gegen das PROCEDE und das PROCECOM
„Für die Wiederherstellung unserer Gemeinschaften arbeiten. Die kollektive und gemeinschaftliche Arbeit stärken; Mittel gegen die Spaltung der Gemeinden suchen; die Einheit im Kampf fördern und die zivilen, sozialen und politischen Unterschiede respektieren; miteinander sprechen, uns als Indígenas und Bauern zusammenschließen, ohne herausragen zu wollen.“
(Vereinbarungen des Treffens)
Am 5. und 6. Februar 2003 fand in San Felipe Ecatepec (Chiapas) das Nationale Treffen gegen die Programme der Zertifizierung ejidaler Rechte (PROCEDE) und kommunaler Rechte (PROCECOM) unter dem Motto: „10 Jahre nach der agrarischen Gegenreform verteidigen wir unseren Boden“ statt.
Das Ziel des Treffens war, die unterschiedlichen Erfahrungen der indigenen Völker und Bauern mit diesen von der mexikanischen Regierung angestoßenen Programmen zu analysieren, ihren Widerhall zu kennenzulernen und Strategien zur gemeinsamen juristischen, politischen und sozialen Verteidigung gegen diese Programme zu entwerfen. Einberufen wurde das Treffen von Menschenrechtszentren und sozialen Organisationen aus Chiapas, Veracruz und Oaxaca, es wurden aber auch Erfahrungen aus sozialen Kämpfen in anderen mexikanischen Bundesstaaten wie Querétaro, Puebla, Jalisco, Mexiko-Stadt, Tabasco und Guerrero ausgewertet.
Das PROCEDE wurde als Instrument der neoliberalen Wirtschaftspolitik bezeichnet – die mit der Verfassungsreform des Artikels 27 (1) und dem Inkrafttreten des NAFTA-Abkommens (2) zusammenhängt -, das darauf zielt, die Privatisierung ejidaler und kommunaler Felder zu erleichtern. Die Teilnehmer diskutierten die verschiedenen Strategien der Regierung, das PROCEDE zur Anwendung zu bringen, sowie die Täuschungen und Erpressungen, die von den für Agrarfragen zuständigen Regierungsvertretern angewendet werden. Auch wurde bestätigt, daß das PROCEDE zu Spaltungen innerhalb der Gemeinden zwischen Befürwortern und Gegnern des Programms beiträgt. Gleichfalls wurden die tieferen Auswirkungen untersucht, die diese Programme auf die indigenen Kulturen und die zugrundeliegende Gemeinschaftlichkeit haben können, da der Verlust des Landes die Nahrungshoheit und die Anerkennung der indigenen Autonomie gefährdet.
Die Teilnehmer vereinbarten, sich dem Fortschreiten des PROCEDE durch Information und Bewußtseinsbildung in der Bevölkerung zu widersetzen. Sie klagten an: „die Regierungsprogramme PROCEDE und PROCECOM haben unsere Gemeinden und Ejidos gespalten und das Aufkaufen und den Verkauf der Felder begünstigt.
Außerdem verpflichteten sie sich, „für die Autonomie zu arbeiten und für die Erfüllung der Abkommen von San Andrés zu kämpfen, besonders für das Recht auf Selbstbestimmung und auf das Territorium, den politischen und kulturellen Widerstand gegen das PROCEDE und das PROCECOM durch das Zurückfordern und den Respekt gegenüber unseren Sitten und Gebräuchen voranzutreiben; die Nominierung eigener Autoritäten und kommunaler Statuten; Gebrauch der indigenen Sprachen in Ejido- und Gemeindeversammlungen; sowie das Aufstellen von Regeln sozialen Zusammenlebens, die das Recht auf das Land und seinen Schutz verteidigen.“
(1) 1992 wurde die Landverteilung für beendet erklärt und der Verfassungsartikel 27 reformiert, der früher die Veräußerung von Ejidoland (Gemeindeland) verbot; seitdem kann jeder Teilhaber des Ejido seine Parzelle verkaufen. Die Mehrheit der Experten ist der Ansicht, daß diese Reform dazu führte, das Ejido- und Gemeindeland dem Markt zu öffnen. ^
(2) Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen trat am 1. Januar 1994 inkraft und wird als eine der Ursachen der Erhebung der Zapatistischen Befreiungsarmee an diesem Tag betrachtet. Für die mexikanischen Bauern ist nach neun Jahren der Saldo negativ, da sie nicht mit den Preisen der US-Produkten konkurrieren konnten, die von ihrer Regierung subventioniert werden. Das führte zum Brachliegen unzähliger Felder, zur Einlagerung von Korn, das sich weder auf dem nationalen noch auf dem internationalen Merkt verkaufen läßt, und zum Verschwinden vieler kleiner und mittlerer Produzenten. ^
Das zweite ChiapasTreffen gegen Neoliberalismus
„Den Widerstand stärken und nach Alternativen suchen“
(Themen des Treffens)
Die Politik, die diese Programme ins Leben rief, wurde intensiver analysiert beim zweiten ChiapasTreffen gegen Neoliberalismus. Das erste Treffen fand im Oktober 2002 in San Cristobal de las Casas statt, wo dieses zweite in der Gemeinde „Nuevo Huixtan“ (eine vom Bau eines Staudamms bedrohte Region) geplant wurde. Hier sollten parallel 15 „talleres“ zu folgenden Themen stattfinden: PROCEDE, Staudammprojekte, Plan Puebla-Panama, Kaffee, OMC-ALCA, Frauen, Militarisierung, Biodiversität, Sicherung der Ernährung, Menschenrechte, Mais, fairer Handel, genetisch veränderte Produkte, Herbizide/Pestizide, Spaltungen der Gemeinden und neoliberale Pläne (dieser Punkt mit Unterstützung von SIPAZ und Alianza Civica).
Bei diesem Treffen erklärte uns ein Teilnehmer: „Wir erkennen nicht, woher das Problem kommt. Sobald in der Gemeinde ein Projekt startet, entsteht sofort Hass, denn die einen erhalten weniger als andere. Und ich denke, nicht wir sind das Übel, sondern die, die uns diese „Hilfe“ von oben auferlegen, um die wir dann streiten, so dass niemals Einheit unter uns entsteht. Der Hass wirft die Frage auf: Wie können wir das lösen?… den Hass zwischen uns Bauern, die eigentlich Brüder sind. Selbst die Frauen mit dem Programm „Oportunidades“ (Möglichkeiten) [*] streiten darüber untereinander. Das sind die Probleme, die das „Neoliberale Projekt“ in sich birgt.“
Viele der Teilnehmer engagierten sich in Arbeitsgruppe über die Staudammprojekte. Übereinstimmend betonten sie, dass eine der Strategien des PPP der Bau verschiedener Staudämme zwecks Energiegewinnung sei, was zum Großteil auf dem Territorium Chiapas´ stattfindet. Das bedeutet an erster Stelle die unweigerliche Vertreibung derjenigen, denen die betroffenen Gebiete gehören inklusive der implizierten sozialen, kulturellen und natürlichen Konsequenzen, die die Gemeinden zu tragen haben.
Die Teilnehmer aus mehr als 30 chiapanekischen Bezirken wendeten sich gegen den PPP, die Staudämme, ALCA und die Militarisierung des Bundesstaates; sie lehnten den imperialistischen Krieg Bush´s gegen jegliche Völker ab; sie riefen jede und jeden auf, zusammen zu arbeiten für einen gerechten und würdigen Frieden, die Saat und Identität zu verteidigen, die kollektive Arbeit als eine reale Alternative der Völker anzuerkennen. Letztlich beschlossen sie gemeinsame Aktionen des Widerstands und unterstützten die Agenda der Aktionen des Jahres:
- 8. März: Internationaler Frauentag
- 14. März: Internationaler Tag gegen Staudammprojekte
- 10. April: Gedenken an den Tod Zapatas und konitinentale Woche gegen gentechnisch malipulierte Produkte
- 5.-9. Mai: 1. Hemisphärisches Treffen gegen die Militarisierung (in San Cristobal d.l. Casas, Chiapas)
- Juli: Foren gegen PPP und Staudämme und für kulturelle und natürliche Vielfalt (in Honduras)
- 16.-18. Mai: 1. nationales Treffen des mittelamerikanischen Widerstandes gegen die neoliberale Globalisierung (San Juan Guichicovi, Oaxaca)
- 14.-16. August: Forum zur Autonomie (organisiert vom Friedensnetzwerk, in Chiapas)
- 12. Oktober: Internationale Kampagne zu Mobilisierung und Protest
[*] So nennt sich das Regierungsprogramm, das an Frauen gerichtet ist, später bekannt als PROGRESA. Demnach erhalten die Frauen ein wenig Geld, abhängig von der Anzahl der Kinder und ob diese in der Schule und bei ärztlichen Kontrollen erscheinen. ^
Erstes Regionales Treffen der Indigenen Frauen der EntieTzetal
„Die Problematik des Lebens der Frauen sowie die Effekte der neoliberalen Politik in Bezug auf das Land, den Bundesstaat und die Gemeinden zu reflektieren, um nach neuen Formen der koordinierten Arbeit zu suchen bzw. diese zu schaffen zur Stärkung unserer Organisation und unserer sozialen, ökonomischen und politischen Forderungen.“
(Thema des Treffens)
Parallel mit dem Internationalen Frauentag fand im Bezirk Ocosingo das Erste Regionale Treffen der Indigenen Frauen der Tzetal statt, wo die Konsequenzen der neoliberalen Projekte und der Notwendigkeit der Umsetzung von entsprechenden Alternativen aus geschlechtsspezifischer Perspektive analysiert wurden. Dies geschah an fünf Arbeitstischen: soziale Rechte, ökonomische Rechte, kulturelle Rechte, politische Rechte sowie Versöhnung und Frieden.
Die Teilnehmerinnen bestätigten die Notwendigkeit zwischen verschiedenen indigenen und Bauern – Organisationen der Region bestehenden Konflikte zu lösen, und ihren Compañeros die Ziele ihrer Organisationen mitzuteilen. Ganz konkret vereinbarten sie einen Brief an die Kommandantin Esther zu schreiben um ihr und den zapatistischen Frauen ihre Erfahrungen mitzuteilen.
Es wurde der Wille zur Einheit und Koordinierung der Teilnehmerinnen mit anderen mexikanischen und internationalen Frauen erklährt um Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam gegen Regierungs und neoliberale Projekte zu kämpfen.
Das dritte Treffen zum Austausch von Erfahrungen der Arbeit für Frieden und Versöhnung
„Gehen wir über die Vielfalt in Richtung Einheit, indem wir unsere Gedanken respektieren um die Brücken bauen zu können, die uns gemeinsam zu Gerechtigkeit und Würde führen und den Frieden aufbauen. Denn eine andere Welt ist möglich.“
(Abschlußerklärung des Treffens)
Ende Januar fand das vom Netzwerk für Frieden(4) in Chiapas einberufene dritte Treffen zum Austausch von Erfahrungen der Arbeit für Frieden und Versöhnung statt. An diesem beteiligten sich 180 Personen aus sechs Regionen des Bundesstaates (Norte, Selva, Altos, Valles Centrales, Fronteriza und Frailesca), um die wichtigsten Konflikte ihrer Gemeinden zu analysieren und gemeinsame Lösungsstrategien zu entwickeln.
Die von den Teilnehmern angesprochenen grundsätzlichen Probleme in den Gemeinden sind: die Militarisierung, Alkoholismus und die Spaltungen zwischen den unterschiedlichen politischen und religiösen Gruppen. Als Ursache dieser Probleme identifizierten die Teilnehmer die von der staatlichen und bundesstaatlichen Regierung implementierten Programme als auch die neoliberalen Wirtschaftsprojekte: den Plan Puebla-Panama und die Freihandelsabkommen.
Beim Treffen wurde ein Handlungsplan entwickelt, ein überregionales Team zur Vorbereitung des nächsten Treffens ernannt und ein Aufruf an die Bevölkerung verabschiedet: „Beachten wir alle Personen, Gruppen und Gemeinden genauso wie ihre Sitten und Gebräuche. Suchen wir den gegenseitigen Respekt und lösen wir unsere komunitären Probleme mit Hilfe des Dialoges. Vereinen wir uns, um uns gemeinsam den Problemen zu stellen, die uns betreffen: Agrarkonflikte, Vertreibungen und Spaltungen in den Gemeinden.“
(4) Das Netzwerk für Frieden ist ein lokaler Aktions- und Handlungsraum, der versucht, Versöhnungs- und Friedensprozesse von Organisationen und Gemeinden in Chiapas zu unterstützen. Dem Netzwerk gehören u.a. an: Alianza Civica-Chiapas, CORECO, Caritas, SIPAZ, CIEPAC, CEPAZ, DESMI, EDUPAZ, Enlace, Comunicación y Capacitación, die Menschenrechtszentren Fray Bartolomé de las Casas und Fray Pedro Lorenzo de la Nada, etc. ^
Im letzten halben Jahr sind die Mobilisierung und bäuerliche Stellungnahmen gegen das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) auf nationaler Ebene gewachsen. Am 12.November gaben 12 nationale und regionale Bauernorganisationen das Manifest „Die Landwirtschaft erträgt es nicht weiter: Sechs Vorschläge zur Rettung und Aufwertung der mexikanischen Landwirtschaft“ heraus. In diesem wird das Inkrafttreten eines neuen landwirtschaftlichen Kapitelabschnittes des NAFTA-Abkommens zum 1. Januar 2003 abgelehnt, durch welches Lebensmittelimporte aus den Vereinigten Staaten und Kanadas erleichtert wurden. (Mais, Bohnen, Milchpulver und Rohrzucker ausgenommen)
Unter anderem fordert diese Bewegung:
- Die Wiederverhandlung des Kapitels zur Landwirtschaft im NAFTA-Abkommen;
- Einen Notstandsplan für 2003 und einen perspektivischen Plan bis 2020, der eine Strukturreform im Agrarsektor festschreibt;
- Einen Anstieg des staatlichen Budgets zur ländlichen Entwicklung von 0,6 auf 1 % des Bruttoinlandsproduktes;
- Die Orientierung einer neuen ländlichen Finanzierung an der Idee einer sozialen Bank;
- Qualität und Unschädlichkeit der Lebensmittel für die mexikanischen Verbraucher; und
- die Erfüllung der „Vereinbarungen von San Andrés“ hinsichtlich der Rechte und Kultur indigener Völker.
Parallel zur zapatistischen Mobilisierung in Chiapas füllten am 1.Januar 2003 die verschiedenen Kerngruppierungen der Bewegung „El Campo No Aguanta Más“ – aus allen Ecken des Landes kommend – den Zócalo (Hauptplatz) von Mexiko-Stadt. Es war die größte nationale Bauernmobilisierung seit den Zeiten von Lázaro Cárdenas. Durch Mahnwachen, Hungerstreiks und Kundgebungen haben die Bauern der Regierung die Etablierung eines „runden Tisch“ zum Dialog über ein nationales Abkommen für die Landwirtschaft abgerungen.
Aktuell finden Treffen zwischen Bauernorganisationen und den Regierungsämtern statt, die an dem „runden Tisch“ des Dialoges teilnehmen. Auch wenn bereits Konsens in einigen Punkten erreicht wurde, existieren in anderen erhebliche Abweichungen in Bezug auf das NAFTA-Abkommen, die Bewertung des Notstands der mexikanischen Landwirtschaft und die Zulassung der Bauern zur mexikanischen Sozialversicherung.
Auf der anderen Seite schlossen sich ungefähr 400 soziale Organisationen (unter ihnen Gewerkschaftsmitglieder der Nationalen Union der Arbeiter (UNT), El campo no aguanta más, der ständige Agrarkongreß (CAP) und El Barzón) in der „gewerkschaftlichen, bäuerlichen und sozialen Front (FSCS) mit dem Vorschlag zusammen, sich zu vereinen und den Kampf zu stärken für ein national gerechteres Entwicklungsprojekt, für eine Arbeitsrechtsreform zur Begünstigung der Arbeiter, für ein neues nationales Landwirtschaftsabkommen und gegen die Privatisierung des nationalen Energiesektors.
Bewegung zur Förderung der nationalen Einheit gegen Neoliberalismus
„Unsere Völker kämpfen gegen den Neoliberalismus der seit seinem Beginn einen Krieg gegen die Menschlichkeit darstellt, beabsichtigt von denjenigen, die uns dieses Modell als das beste Produkt für die Menschheit verkauft haben. Heute organisiert sich die ganze Welt zum Kampf gegen die neoliberale Politik und nicht nur für den Frieden, sondern für alternative Projekte für eine wahre Demokratie mit Gerechtigkeit und Freiheit.“
(Pablo González Casanova, Ex-Direktor der nationalen autonomen Universität Mexiko [UNAM])
Die Reaktivierung der sozialen Bewegungen in ganz Mexiko gegen die neoliberalen Politiken, herausgefordert durch die mexikanische Regierung in unterschiedlichsten Bereichen (Privatisierung, Steuerreform, Arbeitsrechtsreform, Freihandel) hat die Einrichtung einer Bewegung zur Förderung der nationalen Einheit gegen Neoliberalismus befördert. Das Ziel ist einen Raum zur Bündelung der verschiedenen Kämpfe zwecks Verabschiedung einer gemeinsamen Absichtserklärung (Agenda) zu schaffen.
Die Bewegung, die sich aus Intellektuellen, NGOs, Gewerkschaften und verschiedenen sozialen Organisationen zusammensetzt, hielt Anfang März ihr erstes Forum in Mexiko-Stadt ab. Ziel war das Vorantreiben der Initiative und die Eröffnung der Diskussion, um in die Arbeit in den Bundesstaaten und den verschiedenen Sektoren einzusteigen, damit eine Koordination mit leitenden Persönlichkeiten sozialer Einrichtungen, Mitkämpfern aus verschiedenen politischen Zusammenhängen und dem sozialen Kampf aufgebaut werden kann.
Auf diesem Forum stellte Pablo González Casanova klar, daß “ wir weder die Avantgarde sein, noch alle Organisationen anführen wollen, sondern jederzeit die Autonomie jeder Organisation achten, sogar in den schwierigsten Momenten unseren Respekt den Ideologien, Religionen und politischen Positionen zollen, keine Wahlpolitik machen, gegen Terrorismus kämpfen – komme dieser vom Staat oder seinen Feinden – und die Solidarität in der gesamten Nation, in Lateinamerika und in der Welt vergrößern.“ (La Jornada, 7.3.2003)
Möglichkeiten und Herausforderungen
„Als Bauern können wir sagen: wir sind arm, das ist unsere Schuld; wir sind auf dem Land, wo es nicht viele Produkte gibt. Aber wenn ein hinterhältigerer Anderer kommt und den Angelhaken auswirft, sind wir die Fische. Und es ist einfach, weil wir Hunger haben und wir uns für eine Kuh verkaufen (…) ich denke, daß die Regierung uns die Augen, Ohren und Münder bedeckt. Aber was werden wir tun? Bündeln wir die Kraft, um diesen uns störenden Stein zu bewegen.“
(Teilnehmer in dem Workshop zu Spaltungen der Gemeinden, in Nuevo Huixtán)
Den Stein der neoliberalen Globalisierung sowie ihre militärische Wechselbeziehung zu bewegen (ausgedrückt in dem aktuellen Krieg und der Militarisierung strategischer Regionen), dies scheint das gemeinsame Ziel von zapatistischer Strategie, zahlreichen Treffen und Erklärungen auf lokalem und nationalem Niveau zu sein. Mit der Expansion der neoliberalen und kriegerischen Politik wächst in Chiapas und in der Region das Bewußtsein für eine unentbehrliche Entwicklungsalternative zum dominanten aktuellen Modell, als notwendige Garantie zum Aufbau eines andauernden und nachhaltigen Friedens mit sozialer Gerechtigkeit sowie dem Respekt auf individuelle und kollektive Menschenrechte.
Nach neun Jahren des Inkrafttretens des NAFTA-Abkommens und des zapatistischen Aufstands zielt alles in Chiapas und im Rest Mexikos auf einen sozialen, politischen und kulturellen Widerstand gegen die verschiedenen im Land eingeführten neoliberalen Projekte. Das setzt das Land und die Region in Gleichklang mit der kontinentalen und weltweiten Agenda, symbolisiert im „Frühling von Porto Alegre“.
In den Einigungsprozessen wird eine der größten Herausforderungen darin liegen, das Zusammenfließen der unterschiedlichen Bewegungen durch gemeinsame Ziele zu vollziehen: über die Besonderheiten hinweg, durch welche sich die Bewegungen unterscheiden, und gleichzeitig den Versuch auszuschließen, andere zu verdrängen oder Oberhand über sie zu gewinnen. Der Weg kann derselbe sein, obwohl es vielfältige Formen gibt, diesen zu begehen.