2022
13/04/2023FOKUS: Megaprojekte, ein Risikofaktor für jene die ihr Territorium verteidigen
03/05/2023
I n den Tagen vom 9. Und 10. Januar fand in Mexiko Stadt das 10. Gipfeltreffen der nordamerikanischen Staats- und Regierungschefs statt. Im Vorfeld des Treffens hatten zivilgesellschaftliche Organisationen aus den drei Ländern in einem Schreiben an die Präsidenten Mexikos, der Vereinigten Staaten und Kanadas gefordert, dass „die dringendsten Krisen unserer Zeit: bewaffnete Gewalt, Umweltzerstörung und Kriminalisierung der Migration“ besprochen werden müssten. Mehrere Analysten haben jedoch betont, dass die erzielten Vereinbarungen eher der Dynamik entsprechen, die die Beziehungen zwischen den drei Ländern seit den ersten Bemühungen um eine Handelsintegration in Nordamerika in den 1990er Jahren geprägt hat, wobei nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 Sicherheitsfragen zunehmend in den Vordergrund gerückt wurden.
Das 10. Gipfeltreffen befasste sich mit sechs Hauptaufgaben: Wettbewerbsfähigkeit, Migration, Sicherheit, Vielfalt, Gesundheit und Umwelt sowie Klimawandel. Aus Perspektive der Menschenrechte, könnte ein Fortschritt in der Annahme der Erklärung zu Gleichheit und Gerechtigkeit unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit bestehen, die einen Abschnitt zu Vielfalt, Gleichberechtigung und Eingliederung der afroamerikanischen und der indigenen Bevölkerung, der Frauen und der LGBTQI+-Personen enthält, in dem es heißt: „Wir konzentrieren uns darauf, marginalisierten Gemeinschaften Möglichkeiten für eine volle, gleichberechtigte und sinnvolle Teilhabe an unseren Demokratien und Volkswirtschaften zu bieten“. Es werden jedoch nicht viele andere Elemente genannt, die dazu beitragen, diese guten Absichten wirksam werden zu lassen.
Aus mexikanischer Sicht könnten drei Themen von größter Bedeutung sein: Wirtschaft, Sicherheit und Migration. Im Wirtschaftsblock (Wettbewerbsfähigkeit) liegt der Schwerpunkt nach wie vor auf der Integration Nordamerikas als Handelsblock, um in der globalen Wirtschaft wettbewerbsfähig zu sein. Es wurden Vorschläge wie die Stärkung der Lieferketten, der Dialog zur Förderung öffentlicher und privater Auslandsinvestitionen, eine Kartierung der Mineralien in der Region und die Schaffung „nachhaltiger“ Arbeitsplätze unterbreitet. Mehrere dieser Initiativen könnten dazu führen, dass die Abhängigkeit der mexikanischen Wirtschaft von der US-Wirtschaft verstärkt und das extraktivistische Modell ausgeweitet wird. Andererseits hatte Außenminister Marcelo Ebrard im Vorfeld gesagt, dass die Handelsstreitigkeiten von den USA und Kanada gegen Mexiko im Rahmen des derzeitigen Abkommens zwischen Mexiko und den USA sowie Kanada (T-MEC) auf dem Gipfel nicht zur Sprache kommen würden. Dies sind jedoch Bereiche, die Anlass zur Sorge geben. Im Jahr 2022 begann die Regierung Biden mit Anfragen über die mexikanischen Reformen im Energiesektor, insbesondere über diejenigen, die den mexikanischen halbstaatlichen Unternehmen Vorrang einräumt. Ebenso fordern Senatoren, die mit den Interessen der Agrarindustrie in den USA verbunden sind, Anfragen gegen das mexikanische Einfuhrverbot für genetisch veränderten Mais und Glyphosat.
Zum Thema Sicherheit ist anzumerken, dass kurz vor dem Gipfeltreffen Ovidio Guzmán, der Sohn von „El Chapo Guzmán“ und Mitglied des Sinaloa-Kartells, in Culiacán verhaftet wurde, bei einer Operation, die mindestens 29 Tote und viele Verletzte forderte. In der Erklärung des 10. Gipfels ist ausdrücklich von „unserem gemeinsamen Sicherheitsraum“ die Rede, und der Schwerpunkt lag auf der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, wobei ein konfrontativer Ansatz beibehalten wurde. Im Gegensatz dazu wurde wenig über den Waffenhandel aus den USA gesagt, obwohl schätzungsweise mehr als 70 % der bei Morden in Mexiko verwendeten Waffen aus den USA stammen.
Die Migrationsfrage führte letztlich zu keinen großen Veränderungen im Vergleich zu der Politik, die trotz ihrer schwerwiegenden menschenrechtlichen Auswirkungen verfolgt wird. Das von Trump initiierte Programm, das Tausenden von Migrant*innen das Recht auf Asyl verweigert (Bidens Erweiterung bezog auch Venezolaner, Kubaner, Nicaraguaner und Haitianer in den Ablehnungsmechanismus ein), wird beibehalten. Mexiko erklärte sich bereit, 30.000 abgeschobene Personen aus diesen Ländern pro Monat aufzunehmen, ohne zu erwähnen, wie ihre Rechte garantiert werden sollen. Es war zwar die Rede von einer Zusammenarbeit für eine „sichere, geordnete und humane“ Migration und vom „Ausbau der regulären Kanäle, der Stärkung der Asylverfahren und der Förderung einer ausgewogenen öffentlichen Darstellung“, doch wurden keine klaren Finanzmittel oder Mechanismen dafür angekündigt.
NATIONAL: Entführungen, Gefährdung von Menschenrechtsverteidiger*innen und Militarisierung, um nur einige der großen offenen Menschenrechtsfragen zu nennen
Legislaturperiode nach Legislaturperiode hat sich die Krise des Verschwindenlassens in Mexiko verschlimmert. Im Jahr 2018, dem Jahr des Inkrafttretens des Allgemeinen Gesetzes über das Verschwindenlassen von Personen, wurden 46.423 Fälle gemeldet; bis Ende 2022 stieg die Zahl auf 109.000. Seit dem Jahr des Inkrafttretens des Gesetzes wurden 32 lokale Suchkommissionen geschaffen und eingerichtet; außerdem traten das Zulassungsprotokoll für die Suche nach Personen und das nationale Register für vermisste Personen in Kraft. Dennoch sind „nicht alle Mechanismen voll funktionsfähig und es mangelt immer noch an der Koordination zwischen den Behörden“, beklagt die Bewegung für die Verschwundenen (Movimiento por Nuestros Desaparecidos). Zu den vorgesehenen Mechanismen gehören auch die Nationale Datenbank für forensische Daten, das Nationale Programm für Exhumierungen und forensische Identifizierung sowie das Nationale Register für nicht identifizierte und nicht beanspruchte Verstorbene, für die die Generalstaatsanwaltschaft (FGR) zuständig ist. Ein Richter entschied jedoch, dass die FGR ihren Pflichten nicht nachgekommen sei. Die FGR legte gegen die Entscheidung Stellung ein und argumentierte, dass ihr die Kompetenzen für die Umsetzung solcher Mechanismen fehle.
In Anbetracht der bisherigen Einschränkungen erklärte der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR), Volker Türk, dass Mexiko „noch nicht entschieden genug gehandelt hat, um dieses abscheuliche Verbrechen zu bekämpfen, von dem Hunderttausende von Menschen betroffen sind“. „Fehlinformationen und mangelnde Sensibilität gegenüber dieses Verbrechens sind bei vielen Beamten nach wie vor weit verbreitet, und die Kriterien für die Feststellung der Verantwortung werden nicht angemessen angewandt“, fügte er hinzu.
Des weiteren, wurden laut EDUCA, seit Dezember 2018 bis November 2022, 141 Menschenrechtsverteidiger*innen in Mexiko umgebracht. Die Mehrheit dieser Verbrechen gelten bis zum jetzigen Zeitpunkt als unbestraft. Von diesen Fällen ereigneten sich 34 in Oaxaca, gefolgt von Guerrero mit 25, Chiapas mit 14 und Chihuahua mit 10 Fällen. Einer der Hauptgründe für ihre Ermordung war die Verteidigung von Land und Territorium angesichts von Investitions- und Entwicklungsprojekten. Die meisten von ihnen gehörten indigenen Bevölkerungsgruppen an.
Im Januar, informierte das mexikanische Komitee Cerezo, dass es im Jahr 2022, 25 außergerichtliche Hinrichtungen an Menschenrechtsverteidiger*innen dokumentiert wurden. Es wurde hervorgehoben, dass in den letzten drei bis sechs Jahren 335 Fälle registriert wurden, wobei die meisten Fälle unter der Regierung Peña Nieto (56 %) auftraten, gefolgt von Andrés Manuel López Obrador (24 %) und Calderón (20 %). Bei den meisten Fällen handelte es sich wiederum um Verteidiger*innen von Land und Territorium.
Der Beginn des Jahres 2023 war laut „Aluna Psychosoziale Begleitung“ besonders gewalttätig für Aktivist*innen. Bis zum 17. Januar wurden 4 Morde, 2 Fälle von Verschwindenlassen und 12 willkürliche Verhaftungen registriert.
Im Februar berichtete das Netzwerk „Alle Rechte für alle„, dass die Interamerikanische Menschenrechtskommission (IACHR) im Januar Schutzmaßnahmen in drei Fällen erlassen hat, in Staaten wo „die Makrokriminalität an Boden gewonnen hat und das Zusammenspiel mit den Behörden die Unsicherheit und Straflosigkeit verschärft“. Die Maßnahmen wurden zugunsten von Ricardo Arturo Lagunes Gasca und Antonio Díaz Valencia in Michoacán, der Jesuitengemeinschaft von Cerocahui in Chihuahua und Pascuala López und ihrer Familie in Chiapas erlassen. Das Netzwerk erklärte, dass „die Realität die morgendlichen Reden und offiziellen Berichte und die internen Ressourcen des mexikanischen Staates übersteigt; sie sind erschöpft und unzureichend, um den Familien, Gemeinden und Kollektiven, die Gerechtigkeit und Wahrheit fordern, Antworten zu geben“.
Was schließlich die Militarisierung betrifft, so hat der Oberste Gerichtshof der Nation (SCJN) im November die Vereinbarung gebilligt, mit der AMLO die Armee angewiesen hat, permanent bei den Aufgaben der öffentlichen Sicherheit zu bleiben. Im Jahr 2020 hatte Laura Ríos, Mitglied der Partei PAN, eine Verfassungsklage mit der Begründung eingereicht, Präsident López Obrador habe mit der Erlassung des Abkommens in die Befugnisse der Legislative eingegriffen. Das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (UN-HCHR) in Mexiko reagierte auf das Urteil des Gerichtshofs mit der Aussage, dass es das „bereits hohe Maß an Gewalt“ verschärfen und Menschenrechtsverletzungen Vorschub leisten könnte, und verwies auf die Bedenken, die zuvor von Expert*innen der Organisation geäußert wurden. Auch das Menschenrechtszentrum Miguel Agustín Pro Juárez (Centro Prodh) erklärte, dass „eine Chance für die Justiz vertan wurde, ein Gegengewicht zur Militarisierung des Landes zu bilden„. Es forderte den Gerichtshof außerdem auf, sich mit den anderen Klagen wegen Verfassungswidrigkeit zu befassen, die in derselben Angelegenheit eingereicht wurden.
CHIAPAS: Klima der generellen Gewalt
Im Januar pilgerten mehr als 5.000 Katholik*innen aus verschiedenen Gemeinden der Diözese San Cristóbal de Las Casas in der Stadt. In einer Kundgebung verwiesen sie auf die Präsenz des organisierten Verbrechens „in einem Kontext von Streitigkeiten und der Kontrolle von Territorien hin, was zu einem Klima allgemeiner Gewalt, Drohungen, Konfrontationen, Verschwinden und Morden (…) sowie der Rekrutierung von Jugendlichen führt„. Es wies auch auf die Duldung und das Zusammenspiel der Behörden mit diesen Akteuren hin, was zu Straflosigkeit und Ungerechtigkeit führt. „Wir fordern ein Ende der Zerstörung von Familien durch Gewalt, Vertreibung, Entführung, Enteignung von Territorien und der Unsicherheit, die durch die Zunahme von Waffen und die Präsenz des organisierten Verbrechens wächst. Wir fordern, dass Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft respektiert werden und dass ihr Recht, frei zu entscheiden, nicht behindert wird. Wir fordern ein Ende der Kriminalisierung des Kampfes für die Verteidigung der Selbstbestimmung unserer Völker und die Verteidigung unseres Territoriums“, erklärte die Katholiken.
Ebenso marschierten im Januar hunderte von Personen in Chicomuselo „um das Ende der Gewalt zu fordern, die von dem organisierten Verbrechen verursacht wird, welches versucht den Bergbau in der Region durchzusetzen, mit der Regierung als stillen Mithelfer“. In dem Aufruf „Marsch für das Leben“, verkündeten Kommunen- und Gemeindevertreter*innen, dass seit Mitte 2022 auf illegale Weise, mit dem Baryt-Abbau in der Mine, in der Gemeinde Santa María begonnen wurde, ebenso dass „diese ihren Ursprung in der Konzession des kanadischen Unternehmens BlackFire hat, das 2009 versuchte, sich im Ejido Grecia niederzulassen und seine Aktivitäten nach der Ermordung des Verteidigers des Gebiets Mariano Abarca einstellte“.
Die Demonstrant*innen prangerten auch an, dass „eine Gruppe des organisierten Verbrechens namens MAIZ im Auftrag dieses Bergbauunternehmens Gewalt angewendet hat, mit Langwaffen durch die Gemeinden gezogen ist, um die Bevölkerung einzuschüchtern und sie zu warnen, dass sie ihnen schaden werden, wenn sie sich dem Bergbau widersetzen, und ganz nebenbei haben sie begonnen, Gebühren für Handel und Transport zu verlangen“. Während des Marsches forderten die Teilnehmenden den Schutz des Lebens und die Unversehrtheit der Verteidiger*innen der Mutter Erde, insbesondere von Isabel Recinos Trigueros, die im Dezember angegriffen wurde.
Letztlich, kündigten in derselben Region vermummte Männer mit Westen und hochkalibrigen Waffen in einem Video die Gründung einer Selbstverteidigungsgruppe mit dem Namen „Indigener Rat“ an, da die Behörden nicht auf die wachsende Welle der Gewalt reagieren. Die Gruppe macht Personen, die mit dem Kartell von Jálisco – Neue Generation (CJNG) in Verbindung stehen, für diese Verbrechen verantwortlich. Sie wiesen darauf hin, dass sie nicht zulassen werden, dass das Kartell in indigene Gemeinden eindringt. „Wir wenden uns auch an unsere Brüder in Chicomuselo, dass wir sie unterstützen werden und sie nicht allein lassen, weil sie von der Organisation El Maíz, die sich der Erpressung verschrieben hat, schikaniert werden und viele unserer indigenen Brüder verschwunden sind“, erklärten sie.
Schließlich mussten im Februar 42 Familien aus ihren Häusern im Ejido Saltillo in der nahe gelegenen Gemeinde Las Margaritas fliehen. Sie prangerten an, dass eine Gruppe von Personen, die angeblich der Alianza de Organizaciones Sociales y Sindicatos de Izquierda (ASSI) angehören, einer Organisation, die dem Bürgermeister von Las Margaritas, Bladimir Hernández Álvarez, nahestehen soll, mit Knüppeln, Macheten und Schusswaffen bewaffnet in das Ejido eingedrungen sei, 27 Häuser niedergebrannt und andere zerstört, Tiere getötet und diese Familien vertrieben habe. Die Vertriebenen „gaben an, dass sie aus ihren Häusern vertrieben wurden und ihnen gedroht wurde, nicht zurückzukehren, weil sie nicht aus der Central Independiente de Obreros Agrícolas y Campesinos-Histórica (CIOAC-Histórica) ausgetreten sind, der sie angehören, und weil sie nicht der ASSI angehören“.
Eine weitere Gewalt, die es zu überwinden gilt: geschlechtsspezifische Gewalt. Im November gingen Frauen im Rahmen des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen auf die Straße, um Sicherheit und Gerechtigkeit zu fordern. In der Erklärung, die sie am Ende ihrer Mobilisierung verlasen, wiesen sie darauf hin, dass in diesem Jahr bisher 345 Mädchen und Jugendliche im Bundesstaat verschwunden sind, fast acht pro Woche. Darüber hinaus „haben wir bei der Analyse von Zeitungsartikeln mindestens 53 Fälle gefunden, die alle Merkmale eines Femizids aufweisen“, erklärte die Feministische Beobachtungsstelle gegen Gewalt an Frauen in Chiapas. Chiapas belegt derzeit landesweit den fünften Platz bei diesem Verbrechen, und nach Angaben der Organisation „Por la Superación de la Mujer“, bleiben sechs von zehn Frauenmorden in Chiapas ungestraft.
OAXACA: Der neue Gouverneur tritt sein Amt in einem komplexen Umfeld an
Am 1. Dezember trat, Salomón Jara Cruz, als Gouverneur von Oaxaca an und ist damit der erste Gouverneur der Partei Nationale Regenerationsbewegung (MORENA) in diesem Bundesstaat. Geboren in einer indigenen Gemeinde, zugehörig zu einer linken Partei. Nach der enttäuschenden Mitte-Links-Erfahrung von Gabino Cué (2010-2016), weckte seine Herkunft in der Bevölkerung nicht die gleichen Hoffnungen auf einen Wandel: Nur 38 % der Wähler nahmen an der Abstimmung teil, die ihm die Wahl zum Gouverneur ermöglichte. Außerdem wurde behauptet, dass die Stimmen für ihn mehr mit seiner Mitgliedschaft in der Partei von Präsident López Obrador als mit seinem eigenen Charisma zusammenhingen. Zweifellos erhält er einen Staat, der von Armut, Gewalt, Unsicherheit und zahlreichen politisch-sozialen Konflikten zerrissen ist, sowie eine Verschuldung, die die Suche nach Alternativen nicht gerade erleichtert.
Ein großer Teil der sozialpolitischen Konflikte in dem Bundesstaat leiten sich aus Problemen der Agrarwirtschaft und Megaprojekten her, welche einen Teil der lokalen Bevölkerung vertreiben. Im Januar organisierte der „Frente de Organizaciones Oaxaqueñas “ (FORO), bestehend aus zehn Sozialorganisationen, das Forum namens „Die oaxakenische Konjunktur, Herausforderungen der gesellschaftlichen Bewegungen”. Die Teilnehmenden lehnen die Umsetzung der Megaprojekte wie den Zug-Maya, dem Morelos-Integral-Projekt (PIM) und dem Interozeanischen Korridor ab, da „sie in Wirklichkeit ein einziges Megaprojekt darstellen, das darauf abzielt, den Südosten Mexikos zugunsten des Großkapitals und gegen die Interessen des Volkes umzugestalten„. Sie betonten, dass diese Absichten durch „Dekrete“ und den Einsatz von Armee und Marine zur Bewachung ihrer Anlagen geschützt werden.
In diesem Sinne mobilisierten im Februar verschiedene Gemeinden, Ejidos und andere Gruppen am Isthmus von Tehuantepec, die vom Nationalen Netzwerk des zivilen Widerstands aufgerufenen, Aktionen im ganzen Land für einen gerechten Stromtarif, gegen die Durchsetzung des Interozeanischen Korridors, die Militarisierung und die „Megaprojekte des Todes“ durchzuführen. In diesem Zusammenhang prangerten sie das Klima der Gewalt, Verfolgung, Kriminalisierung, Schikane und Aggression gegen die Bewohner*innen von Puente Madera und gegen die Versammlung der indigenen Völker des Isthmus zur Verteidigung von Land und Territorium (APIIDTT) an.
Neue Ursachen von Spannungen könnten entstehen. Im Februar kündigte Andrés Manuel López Obrador an, dass im Isthmus vier neue Industrieparks für die Erzeugung von Windenergie gebaut werden sollen. Sie werden von der Bundeskommission für Elektrizität (CFE) verwaltet und von US-Banken finanziert, da diese Initiative Teil des Abkommens mit den Vereinigten Staaten über Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels ist. Es handelt sich um eine erste Ausschreibungsrunde. Diese vier Windparks werden zu den 29 Windparks hinzukommen, die bereits im dem Isthmus in Betrieb sind und die auf unterschiedlichen Ebenen Widerstand hervorgerufen haben.
Ein weiterer Bereich, der den zivilgesellschaftlichen Organisationen des Bundesstaates Sorgen bereitet, ist die Verschärfung der geschlechtsspezifischen Gewalt. Im November wurden im Rahmen des Internationalen Tages zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen eine Reihe von Aktivitäten organisiert. In einer Erklärung, die von 34 Organisationen und Angehörigen von Opfern unterstützt wurde, erinnerten sie daran, dass im Jahr 2018 in Oaxaca zwar eine Warnung vor geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen aufgrund der Ernsthaftigkeit der Situation herausgegeben wurde, es aber „keine entschlossenen Maßnahmen zur Beseitigung und Bestrafung von Gewalt gegen Frauen gab; seither wurden 498 Frauen Opfer von Femiziden, 1.672 von Verschwindenlassen“.
Wenige Tage vor dem Wechsel des Gouverneurs beklagten sie sich bei Alejandro Murat, dem scheidenden Gouverneur, dass seine Amtszeit „eine sechsjährige Zeit der Trauer“ gewesen sei. In diesem Zeitraum wurden 715 Frauen Opfer von Frauenmorden, während 1.989 Frauen (einschließlich Mädchen) Opfer von gewaltsamem Verschwindenlassen oder anderen Gewalttaten (z. B. sexualisierter Gewalt, familiärer Gewalt, wirtschaftlicher oder politischer Gewalt) wurden. Insgesamt waren also 3.965 Frauen während seiner Amtszeit Opfer irgendeiner Art von Aggression.
GUERRERO: „Trübe“ Staatsaussichten
Zu Beginn des Jahres 2023 veröffentlichte das Menschenrechtszentrum Tlachinollan ein Mitteilung mit dem Titel „Zwischen flüchtigem Spektakel und permanenter Gewalt“, in dem es den „goldenen Traum, den Tausende von in- und ausländischen Tourist*innen an Neujahr in Acapulco genossen“, der Gewalt in der Peripherie und anderen Regionen des Bundesstaates Guerrero gegenüberstellte. Es wies darauf hin, dass „die großen sozialen Gegensätze, die in Acapulco bestehen, sich nicht umgekehrt haben, sondern sich noch vertieft haben. Die Korruption ist unkontrolliert. Die Gemeindeverwaltungen werden auf undurchsichtige Weise geführt“. Es fügte hinzu, dass „das Fehlen öffentlicher Einrichtungen, die sich um die grundlegendsten Bedürfnisse kümmern, besorgniserregend ist. Dieses Machtvakuum wurde von den Chefs des organisierten Verbrechens gefüllt, die verschiedene kommerzielle Aktivitäten kontrollieren und Gruppen von Transporteuren, Straßenhändlern und Siedlern unter ihre Kontrolle gebracht haben, die ihr Recht durchsetzen und für ihre Sache arbeiten“.
Es erklärte weiter, dass „die gesamte Strecke bis zur Landeshauptstadt in einen ständigen Streit um den Transport von Drogen verwandelt worden ist. Diese Ausweitung hat Menschenleben gekostet, und das Schlimmste ist, dass die städtischen Behörden es vorziehen, die Augen zu verschließen oder sich mit diesen Gruppen zu verbünden, um eine relative Regierbarkeit zu gewährleisten„. Tlachinollan äußerte auch, dass „das staatliche Panorama nicht nur wegen der sich ausbreitenden Gewalt düster ist, sondern auch wegen der wachsenden Macht der kriminellen Organisationen, die sich in verschiedenen Regionen niedergelassen haben und die Kontrolle über die Gemeinden selbst übernommen haben. Sie gehören zu den Wirtschaftsakteuren, deren illegale Aktivitäten in die Basisgeschäfte eingedrungen sind, um Geld zu waschen und gleichzeitig ihre Präsenz in den Regionen und Gemeinden zu verstärken, in denen es keine staatlichen Einrichtungen oder Programme gibt, die sich um die grundlegendsten Bedürfnisse kümmern. Die kriminelle Wirtschaft hat sich vervielfacht und ist nun dabei, selbst Grundnahrungsmittel zu kontrollieren. In mehreren Regionen ist dieses Phänomen bereits Realität, und die Bevölkerung ist in ihren Ketten gefangen“.
Die Fälle der Feminizide sind ebenfalls alarmierend: Im Januar wurden mindestens 15 registriert. Anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen im November prangerten die Vereinigung gegen Gewalt gegen Frauen in Guerrero (AGCVM) und andere feministische Kollektive wie auch Angehörige von Opfern „die Simulation, die in den Regierungsbehörden und auf den verschiedenen Ebenen der Regierung fortbesteht“ an.
In diesem Zusammenhang sind Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen nach wie vor einer äußerst gefährlichen Situation ausgesetzt. Im Dezember prangerte der Rat der Gemeinden gegen den Staudamm von La Parota (CECOP) die willkürliche Inhaftierung und Folter von zwei seiner Mitglieder, Modesto y Rodrigo León Jacinto an. Mehr als 130 zivile und soziale Organisationen forderten ihre Freilassung und „ein Ende der Schikanen und der Kriminalisierung der Mitglieder der CECOP“. Sie erklärten, dass „es wirklich besorgniserregend ist, dass im Bundesstaat Guerrero diese repressiven Maßnahmen gegen Aktivist*innen, die die natürlichen Lebensgrundlagen verteidigen, fortgesetzt werden„.
Andererseits protestierten im Januar Journalist*innen in Chilpancingo und Acapulco, um zu fordern, dass die Suche nach dem Journalisten Jesús Pintor Alegre und den Administratoren der Facebook-Seite Escenario Calenarion, Fernando Moreno und Alan García, die seit Dezember verschwunden sind, intensiviert wird. Als sie freigelassen wurden, sagten sie, dass sie von ihren Entführern beschuldigt wurden, auf ihrer Website Informationen zu verbreiten, die die kriminelle Vereinigung La Familia Michoacana und den Bürgermeister der Region wegen ihrer angeblichen Nähe zu der kriminellen Bande anprangerten.
Im Fall Ayotzinapa übergaben die US-Behörden im Januar Alejandro Tenescalco, den Leiter der Polizei von Iguala während des Angriffs auf die Studierenden von Ayotzinapa im September 2014, an Mexiko. Ebenfalls im Januar trafen sich Mitglieder der Interdisziplinären Gruppe unabhängiger Expert*innen (GIEI), die sich mit dem Fall befasst, unter vier Augen mit López Obrador und Alejandro Encinas, dem Staatssekretär für Menschenrechte, Bevölkerung und Migration, den sie Medienberichten zufolge baten, zu vermitteln, damit die Armee die angeforderten Informationen endlich aushändigt, die Generalstaatsanwaltschaft die 21 im letzten Jahr aufgehobenen Haftbefehle reaktiviert und weitere Verhaftungen in den Vereinigten Staaten beschleunigt werden.