Aktivitäten von SIPAZ (Mitte Februar bis Mitte Mai 2011)
29/04/2011AKTUELLES: Mexiko – International und national werden die konsequenzen der strategie des kampfes gegen den drogenhandel hinterfragt
30/11/2011Als Ergebnis seines sechstägigen Besuchs in Mexiko vom 2. bis 9. Juli äußerte der Menschenrechtsbeauftragte des UNO Hochkommissariats Navathem Pillay besondere Besorgnis über die: „Zunahme von Meldungen über Menschenrechtsverletzungen sowie die exzessive Gewaltanwendung durch staatliche Kräfte in der Durchführung ihrer Aktionen gegen die organisierte Kriminalität“ (es wird von über 40 000 Toten gesprochen), wegen der Angriffe auf MigrantInnen, auf MenschenrechtsverteidigerInnen und Journalisten, sowie aufgrund der Situation der indigenen Völker.
Am 12. und 13. August trafen sich MenschenrechtsverteidigerInnen und Journalisten in Mexiko-Stadt, um ihr Viertes Nationales Treffen abzuhalten. Sie dokumentierten einen gefährlichen Rückschritt angesichts der derzeit herrschenden Gewalt im sogenannten Krieg gegen den Drogenhandel. Zudem zeigten sie sich beunruhigt aufgrund der abweichenden Meldungen des Staates in Bezug auf ihre internationalen Verpflichtungen: u.a. die Antwort des Staates auf das Gesetz zur Nationalen Sicherheit, die Militarisierung, die Anwendung des Militärgesetzes in Fällen von Menschenrechtsverletzungen, die Repression, die Straflosigkeit, die Nichterfüllung der Urteile des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Sie prangerten an, aufgrund der Zunahme von Einschüchterungen und gewalttätigen Aktionen, (einschliesslich Mord) in ständiger Gefahr zu schweben. Zudem legten sie dar, dass sie Verleumdungskampagnen sowie der Nutzung des Strafsystems gegenüberstehen, die ihre Arbeit kriminalisieren.
Zwei Momente und zwei Sichtweisen einundderselben Tatsache: die generelle Verschlechterung des vorherrschenden Kontextes bezüglich der Menschenrechte im Land.
Friedensbewegung: Auf und Ab im Dialog mit Behörden und der Zivilgesellschaft (siehe Schwerpunktthema FOKUS)
Zu einem der Katalysatoren der sozialen Unzufriedenheit wurde die Bewegung für Frieden mit Gerechtigkeit und Würde, die sich im April diesen Jahres gründete. Am 4. Juni rief sie zur Bürgerkarawane für Frieden mit Gerechtigkeit und Würde auf, auch genannt „Karawane des Trosts auf der Route des Schmerzes und des Blutes“. An den sieben Tagen, die die Karawane andauerte, legten über 500 Menschen eine Entfernung von fast 3 tausend Kilometern zurück (von Cuernavaca bis Ciudad Juárez).
Am 10. Juni wurde der Nationale Pakt für Frieden mit Gerechtigkeit und Würde in Ciudad Juárez unterschrieben. Der Dichter Javier Sicilia, welcher die Bewegung anführt, wies die Regierung darauf hin, dass, wenn sie die im Pakt beschriebenen Punkte nicht beachte, sie gemeinsam mit den regionalen Bewegungen zum zivilen Widerstand aufriefen, die Zahlungen von Steuern verweigerten sowie das Wahlverfahren 2012 boykottierten.
Am 23. Juni trafen sich mehrere Mitglieder der Bewegung mit dem Präsidenten Felipe Calderón sowie Mitgliedern seines Kabinetts. Etliche Stimmen kündigten bereits im Vorfeld an, dass dieses Treffen zum Scheitern verurteilt sei, denn die Bewegung von Sicilia versuche auf dem Weg des Dialogs die Regierung zu überzeugen, eine Situation von Gewalt zu beenden, die auch auf wirtschaftliche und politische Interessen der machthabenden Gruppen trifft. Trotzdem gelang es der Gruppe um den Dichter, sich mit der Exekutiven auf Bundesebene zusammen zu setzen, um die Aussagen der Familien der Opfer des Kampfes gegen das organisierte Verbrechen, anzuhören. Die Entscheidung, mit der Regierung zu verhandeln, bedeutete allerdings auch, dass sich andere Akteure der Zivilgesellschaft von der Bewegung distanzierten.
Am 22. Juni wurden Arbeitsgruppen zwischen der Bewegung und der Bundesregierung gebildet, um Themen zu bearbeiten wie u.a. die Beachtung und Verfolgung von Fällen der Justizverwaltung sowie die vollständige Revision der nationalen Sicherheitsstrategie. Aufgrund der Verabschiedung des Gesetzesentwurfs zur Nationalen Sicherheit, brach die Bewegung den Dialog mit der legislativen Macht am 9. August ab. Sie äusserten Bedenken, dass dieser „den Autoritarismus und den Krieg gutheisst“.
Am 14. August demonstrierten in Mexiko Stadt einige tausend Personen zum einen gegen diese Gesetzesvorlage, zum anderen um die Exzesse im Krieg gegen den Drogenhandel anzuklagen. In diesem Rahmen versicherte Javier Sicilia: „unsere Bewegung ist für den Frieden, und der ist ohne Dialog nicht möglich“. Dafür kündigte er an: „trotz der Verrate, der Militäraktionen und Simulationen der Gesetzgeber“, werden wir den Dialog wieder aufnehmen.
Gesetzgebende und gerichtliche Agenda: einige Fortschritte, viele Risiken
Was die Fortschritte bezüglich der Menschenrechte betrifft, wurde im Mai die Verfassungsreform auf dem Gebiet der Menschenrechte konkretisiert. Viele zivile nationale und internationale Organisationen hielten dies für den wichtigsten Schritt, den das Land in diesem Bereich seit Jahrzehnten unternommen hat. Javier Hernández, Vertreter des UNO Hochkommisariats für Menschenrechte (OACNUDH), erinnerte aber, dass jetzt weitere Aufgaben anstehen, wie z.B. die Verabschiedung sekundärer Gesetze.
Während die Diskussionen bereits seit Monaten im Gang sind, publizierte die mexikanische Regierung passenderweise genau im Rahmen des offiziellen Besuchs des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte, eine Vereinbarung, um die Grundlagen zu einem Mechanismus für den Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen festzulegen. Verschiedene Organisationen der Zivilgesellschaft begrüssten diese Vereinbarung, allerdings zeigten sie auch Schwachpunkte auf: es mangelt unter anderem an Abkommen mit den Bundesstaaten, an Mechanismen, um die Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft zu garantieren sowie an einem interinstitutionellem Etat zur Durchführung.
Am 12. Juli bestimmte der Oberste Gerichtshof der Nation (SCJN), dass die Menschenrechtsverletzungen, die von Militärs begangen wurden, vor zivilen Gerichten verurteilt werden müssen. Diese Entscheidung ist von höchster Bedeutung, wenn tausende Soldaten im Kampf gegen die Drogen eingesetzt werden und die Zahl der Anklagen wegen Menschenrechtsverletzungen dramatisch angestiegen ist. In derselben Sitzung entschied das höchste Tribunal auch, dass alle mexikanischen Richter verpflichtet seien, die Vereinbarkeit einer gewissen Norm in Bezug auf die verfassungsmässige Bereitschaft und die vom mexikanischen Staat unterzeichneten internationalen Abkommen zu analysieren.
Die Bewilligung und Durchführung dieser Art Entscheidungen und Gesetze geschah nicht ohne ziehen und reißen. Im Juli erklärte der Marinesekretär, dass die Verbrechergruppen versuchten, den guten Namen der Institutionen zu beschmutzen, indem sie Bürgergruppen sowie die Fahne der Menschenrechte benutzten, „mit der böswilligen Absicht, die Beteiligung derselben gegen sie zu blockieren um so das Feld offen zu haben für ihre Bösartigkeiten“. Wegen dieser Erklärungen brachen zivile Organisationen den Dialog mit der Regierung ab, den sie zum Aufbau des Mechanismus zum Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen aufrecht erhalten hatten.
In legislativen Fragen hat das Gesetz zur Nationalen Sicherheit, das von der Regierungskommission der Abgeordnetenkammer verabschiedet wurde, zu größter Ablehnung seitens Spezialisten und Menschenrechtsorganisationen geführt. Sie hinterfragen insbesondere, dass dieses Gesetz: „ein zivilmilitärisches Regime mit besonders unüblicher Macht für die Streitkräfte“ festlegt, „die befugt werden, ohne demokratische Kontrolle in Angelegenheiten der öffentlicher Sicherheit sowie des Strafrechts zu intervenieren“.
Es bleibt zu unterstreichen, das all diese Diskussionen in einem Kontext von Vorwahlen stattfinden (Präsidentschaftswahlen im Juli 2012), in denen verschiedenene Akteure innerhalb eines Szenariums was das aktuelle übertrifft, begannen, ihre Karten hinsichtlich ihrer persönlichen und/oder parteilichen Interessen auszuspielen
Polemik im Umfeld der US-Interventionen in Mexiko
Die Regierung der USA hat den Kampf gegen die organisierte Kriminalität, der von Felipe Calderón begonnen wurde, mit Ressourcen und Trainings unterstützt. Besonders – aber nicht exklusiv – jedoch durch die „Initiative Mérida“ (IM, seit 2007). Trotz der umstrittenen Ergebnisse der IM (die Verhaftung von etwa 30 Anführern des Drogenhandels gegenüber mehr als 40 tausend Toten, 10 tausend Verschwundenen und einem Drogenverkehr, der anscheinend nicht abnimmt), wurde bekannt gegeben, dass die USA ihre finanzielle Unterstützung verstärken will.
Ein anderes Element, das Tinte fliessen liess, war die Ernennung des neuen US-Botschafters in Mexiko, Earl Anthony Wayne, der zuvor in Kabul, Afghanistan, angestellt war. Dies läßt den Befund durchblicken, welche Strategie die USA für Mexiko vor hat. Wayne hat bestätigt, der Initiative Mérida als ein wichtiger Teil der Beziehungen zwischen den beiden Ländern Priorität einzuräumen.
Die Intervention der USA durch die Initiative Mérida wurde von verschiedenen Analytikern als Interventionismus bezeichnet, besonders nach der Veröffentlichung eines Artikels in der Tageszeitung The New York Times, in welchem vorgeschlagen wird, das Weisse Haus solle ein Team von Mitgliedern des CIA sowie von Auftragnehmern schicken, um mit den mexikanischen Spezialeinheiten zu arbeiten. Die Zeitung behauptete in dem selben Artikel: „Funktionäre auf beiden Seiten der Grenze sagen, sie hätten neue Methoden entworfen, um die mexikanischen Gesetze umzudrehen, die dem ausländischen Militär sowie den Polizeikräften verbieten, auf mexikanischen Territorium zu operieren“.
CHIAPAS: wiedersprüchliche Zeichen
Die Hauptachse der Konfliktivität in Chiapas dreht sich um das Thema Land und Territorium. Es gab eine besonders hohe Zahl von Klagen seitens der Juntas der Guten Regierungen (JBG) der Zapatistengemeinden. In der Mehrheit der Konflikte geht es um den Disput von Land was von den Zapatistas „zurückerobert“ wurde, oder es wird ihnen mit Vertreibung von ihrem Land und ihren Rechten gedroht. Im Fall von La Garrucha beinhalten die Konflikte sogar bewaffnete Angriffe gegen ihre Basis.
Am 24. Juli wurden vier Gefangene des Ejidos San Sebastian Bachajón, im Bezirk Chilón, freigelassen, die seit vergangenem Februar nach einer Konfrontation um die Kontrolle des Kassenhäuschens am Eingang der Wasserfälle von Agua Azul, im Gefängnis sassen. Der fünfte Gefangene (ein Minderjähriger) war gegen Kaution etwas früher entlassen worden. Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas erklärte, dass, auch wenn die ejidatarios ihre physische Freiheit zurückerhalten haben, sie doch weiterhin Gefangene eines „einseitigen Prozesses [sind], mit der Polizei und der mexikanischen Armee auf ihrem Land, und vor Regierungsprojekten die mit der Bevölkerung nicht abgesprochen waren“.
Auch andere Akteure, nicht nur Zapatisten oder Anhänger ähnlicher Prozessen (die ejidatarios von Bachajon sind Anhänger der Anderen Kampagne, von der EZLN 2005 ausgerufene Initiative) sind Ziele der Repression gewesen. Ende Mai klagten Bewohner der Nachhaltigen Landstadt Nuevo Juan de Grijalva, Bezirk Ostuacán, über Verfolgung und Belästigungen durch die Polizei, weil sie friedlich demonstrierten, um von der Regierung die Einhaltung ihrer Verpflichtungen nach dem Erdrutsch sowie der Überschwemmung des Flusses Grijalva 2007 zu verlangen. Acht Mitglieder der Gemeinde und ihr Anwalt waren im April ins Gefängnis gekommen. Nach 3 Monaten Gefangenschaft wurden sie im Juni befreit. Es ist zu erwähnen, dass Tage zuvor in verschiedenen Medien über die kritische Situation dieser Gefangenen und der anderen Geschädigten berichtet wurde. Außerdem wurde Kritik an den Projekten der Nachhaltigen Landstädte der Regierung des Staates geübt.
Was MenschenrechtsverteidigerInnen und Journalisten angeht, war der schlimmste Fall die Anklage aufgrund von mindestens drei kürzlich verübten Attentaten gegen das Fahrzeug des Priesters von Chenalhó, Marcelo Pérez, „ein Priester, der sich für Wahrheit und Gerechtigkeit engagiert„, um es mit den Worten der Zivilgesellschaft Las Abejas zu sagen. Dies rechtfertigte den Austausch zwischen den Priestern von Chenalhó und Simojovel. Auf der anderen Seite veröffentlichten die Journalisten Isaín Mandujano und Ángeles Mariscal im Juni eine Reihe von Belästigungen, Verleumdungen und Kontrollen, welche sie durch verschiedene Autoritäten der Regierung von Chiapas in den letzten Wochen erlebt hatten. Am 29. Juni trafen sich Mitglieder des Hauses der Rechte der Journalisten, A.C. mit dem Gouverneur von Chiapas und anderen Mitgliedern seines Kabinetts, die sich verpflichteten, die Unversehrtheit der Journalisten zu respektieren und die Medienaggressionen zu beenden. Im Bereich Menschenrechte gab es im Juli Fortschritte, als der Kongress von Chiapas erklärte, die Figur des „arraigo judicial“ abzuschaffen, eine Art Vorbeugehaft, dessen Anwendung von der UNO und MenschenrechtsverteidigerInnen stark kritisiert wurde.
Im Juni wurde Pablo Salazar Mendiguchía, Ex-Gouverneuer von Chiapas (2000-2006) verhaftet und ins Gefängnis El Amate gebracht (das er selbst 2005 erbaut hat). Dies bewerten einige eher als Zeichen des Beginns des Vorwahlkontextes (Gouverneurswahlen im August 2012) als einen Fortschritt im Kampf gegen die Staflosigkeit. Er wird unter anderem wegen Verbrechen wie Unterschlagung, ungebührlicher Ausübung des öffentlichen Dienstes und krimineller Vereinigung angeklagt. Die Staatsanwaltschaft von Chiapas bestritt, dass die Verhaftung ein politischer Racheakt des jetzigen Gouverneurs Juan Sabines sei (da die Differenzen mit dem Ex-Gouverneur von Chiapas auf der Hand liegen). Normalerweise weicht die Straflosigkeit nicht zurück, nicht einmal in sinnbildlichen Fällen wie dem Massaker von Acteal: Im August organisierte die Organisation Las Abejas eine Reihe von Aktionen für Gerechtigkeit und Frieden: „Acteal 2 Jahre nach der Befreiung der Paramilitärs durch den Obersten Gerichtshof der Nation, lebendige Zeichen der Erinnerung, Kampf gegen Straflosigkeit“.
OAXACA: Unerledigtes für die Regierung von Gabino Cué
Was die Straflosigkeit angeht, eröffnete sich eine Möglichkeit des Fortschritts Anfang Juli, als Lizbeth Caña Cadeza den Rücktritt von ihrem Amt bekannt gab. Zivile Organisationen verlangten von der Staatsanwaltschaft die Ermittlung gegen sie aufgrund ihrer Rolle als Generalstaatsanwältin unter der Regierung von Ulises Ruiz Ortiz (2004-2010). Die mexikanische Liga für die Verteidigung der Menschenrechte (Limeddh) versicherte, es gäbe genügend Beweise, um ihre Verantwortung in Fällen von willkürlichen Verhaftungen, Folterungen, gewaltsamen Verschwindenlassens und außergerichtlichen Hinrichtungen im sozialen Konflikt 2006 zu beweisen. Bis zum heutigen Datum wurden keine Ermittlungen diesbezüglich begonnen. Der 10. August, ein weiteres Gedenken an die wenigen Fortschritte gegen die Straflosigkeit in den Fällen von Gewalt in Verbindung mit dem politisch-sozialen Konflikt 2006: 21 Personen aus verschiedenen Organisationen führten eine Fastenaktion durch, um Rechtssprechung im Fall von José Jiménez Colmenares einzufordern.
Eine andere offene Front für die Regierung von Oaxaca stellen weiterhin die konfliktiven Beziehungen mit der Sektion 22 der Lehrergewerkschaft (SNTE) dar, die ihre Streiks, Demonstrationen und Mahnwachen im historischen Zentrum von Oaxaca Stadt zusätzlich zu den Mobilisierungen auf der Strasse vervielfacht hat, um die Antworten auf ihre Forderungen als „Mindeststandards“ zu deklarieren und um Rechtssprechung in den Fällen von verschwundenen und ermordeten LehrerInnen zu verlangen.
Ein anderer Brennpunkt, der in den letzten Wochen reaktiviert wurde: Im August wurden drei Mitglieder der Bewegung der Vereinigung und des Kampfes der unabhängigen Triqui (MULT-I) ursprünglich aus Agua Fría Copala stammend, aus dem Hinterhalt erschossen. Die MULT-I rechnet den dreifachen Mord der Bewegung der Vereinigung und des Kampfes der Triqui (MULT) sowie der Vereinigung zum sozialen Wohlergehen in der Region Triqui (Ubisort) in Verbindung mit der Partei der Volkseinheit (Partido Unidad Popular) beziehungsweise der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) zu. MULT, MULTI und Ubisort kämpfen um die Kontrolle der Zone, was in den letzten 3 Jahrzehnten schon mindestens 500 Tote gefordert hat.
In Fragen bezüglich Land und Territorium, klagten im Juni ejidatarios von Unión Hidalgo, (Istmo de Tehuantepec), dass sie von Vertretern der spanischen Firma Demex bedroht wurden. Diese kamen mit staatlichen Geheimdienstagenten (AEI) bewaffnet an Bord eines Pickups ohne Kennzeichen. Diese ejidatarios organisierten einen Protest, da Demex ihre Versprechungen, die sie als Ausgleich zur Pacht der Ländereien gab, um Umweltschäden durch den Bau eines Windmühlenparks zu vermeiden, nicht eingehalten hatte. Dies ist nur ein Beispiel einer Situation, die der UNO Hochkommissar für Menschenrechte in seinem kürzlichen Besuch in Oaxaca festgestellt hat. Er wertete dies als ein generisches Problem, als er seine Sorge über die Auswirkungen von Entwicklungsprojekten auf indigenem Land und Territorium ausdrückte.
Im Allgemeinen ziehen verschiedene Analytiker in Betracht, dass ein großer Teil der aktuellen politisch-sozialen Konfliktivität im Staat auf die erneute Positionierung der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) zurückzuführen ist, die, nach 80 Jahren an der Macht heute in der Rolle der Opposition, immer noch eine starke Präsenz im Kongress und in lokalen Regierungen hat.
GUERRERO: Konfliktivität hält an, Gerechtigkeit wartet
Am 16. Juni eröffnete das Menschenrechtszentrum Tlachinollan erneut sein Büro in Ayutla de los Libres, nachdem es wegen Angriffen gegen sie zwei Jahre lang geschlossen war. Sie trafen diese Entscheidung, um die Menschenrechte in der Region weiter zu verteidigen, trotz der Risiken und Sicherheitsbedenken, die weiterhin bestehen. Tatsächlich wurden am selben Tag die LeiterInnen der Organisation des indigenen Volkes der Me´phaa (OPIM), Obtilia Eugenio Manuel und Cuauhtémoc Ramírez, mit dem Tode bedroht, wenn sie weiterhin die Umsetzung des Urteils des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte (CoiDH) in den Fällen von Valentina Rosendo Cantú und Inés Fernández Ortega forderten. Die beiden indigenen Frauen sind 2002 von Soldaten vergewaltigt worden. Diese handgeschriebene Botschaft bedrohte im weiteren Sinne auch Tlachinollan.
Zwei Wochen später erlitt die OPIM einen erneuten Angriff auf legalem Wege: Rafael Rodríguez Dircio, eines ihrer Mitglieder und Empfänger von vorbeugenden Schutzmaßnahmen, angeordnet von der interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH), wurde aufgrund derselben Anschuldigung verhaftet, aufgrund derer bereits weitere fünf Mitglieder der OPIM schon 2008 im Gefängnis saßen. Unter ihnen befand sich damals auch Raúl Hernández Abundio, von Amnesty International als Gewissensgefangener anerkannt und verteidigt, der bis August 2010 in Haft saß. Als er keine Beweise fand, um ihn zu verurteilen, sprach der Richter Rafael Rodríguez am 7. Juli frei. Tlachinollan erinnerte daran, dass weitere vier Haftbefehle gegen Mitglieder der OPIM aufgrund desselben Verbrechens bestehen.
Während die Belästigungen gegen die MenschenrechtsverteidigerInnen im Gebiet La Montaña anhalten, verschlimmert sich täglich die Situation der Gewalt im Bergland Sierra de Petatlán sowie an Costa Grande von Guerrero. Mitte Mai mussten 107 Personen die Gemeinde La Laguna (Coyuca de Catalán) auf Grund der Gewaltwelle, die sie in der Zone erleben, verlassen, um in Puerto Las Ollas Schutz zu finden. Trotz mangelnder Bedingungen kehrten sie Ende Juli in die Gemeinde zurück. Die Organisation OCESP (Campesinos Ecologistas de la Sierra de Petatlán und Coyuca de Catalán) erklärte, dass das Problem der Sierra de Petatlán in den Morden und Drohungen gegen die Zivilbevölkerung besteht. Die Regierung hat dagegen keine einzigen Aktionen oder Antworten angeboten.
Es sind nur ganz wenige Fortschritte in den Fällen der Anklagen aus Guerrero vor dem Interamerikanischen Gerichtshof zu verzeichnen, zu denen der mexikanische Staat verurteilt wurde. Im Fall Rosendo Radilla, der 1974 von Angehörigen des Militärs gewaltsam entführt wurde, forderte die CoIDH den mexikanischen Staat im Juni dazu auf, die bisher nicht umgesetzten Urteile, die vor eineinhalb Jahren ausgesprochen wurden, umzusetzen. In den Fällen von Inés Fernández und Valentina Rosendo informierte die Generalstaatsanwaltschaft des Militärgerichts (PGJM), dass die Fälle beider me´phaa Frauen an die Generalstaatsanwaltschaft der Republik (PGR), also die Zivilgerichte übergeben werden. Trotz geringer Fortschritte in den Arbeitsgruppen hinsichtlich der Entschädigungen und Wiedergutmachungen wurde damit am 12. August einer ihrer wichtigsten Forderungen statt gegeben.