Aktivitäten von SIPAZ (Mitte Mai 2019 bis Mitte August 2019)
04/10/2019FOKUS: Der Maya-Zug
13/01/2020Im September war es drei Monate her, dass die Regierungen von Andrés Manuel López Obrador (AMLO) und Donald Trump ein Abkommen geschlossen hatten, das Mexiko dazu verplichtete, Maßnahmen zu ergreifen, um die Zahl der Migranten zu senken, die das Land auf dem Weg in die USA durchqueren.
Laut den Vereinigten Staaten sank die Zahl der Festnahmen an seiner Grenze um 56% in diesem Zeitraum. Die beiden Regierungen erachten diese Verringerung als Resultat eines Wechsels in der Migrationspolitik von Mexiko hin zu einer Logik der Eindämmung, die die Entsendung der Nationalgarde in die Grenzregion sowie andere Regeln für Migranten aus Asien und Afrika beinhaltet, die nun keine Erlaubnis mehr haben, bis zur Nordgrenze zu reisen.
Diese Veränderungen haben bei nationalen und internationalen Organisationen sowie den Vereinten Nationen große Besorgnis ausgelöst, da es eine Verschärfung der Menschenrechtsverletzungen gegenüber Migranten bedeutet hat. Das Abkommen umfasst außerdem einen weiteren Aspekt, der Anlass für Kontroversen war: die politische Initiative „Bleib in Mexiko“, die Migranten dazu verpflichtet, während der Bearbeitung ihres Asylantrags, in Mexiko zu warten.
Im Oktober forderte das Kollektiv der Beobachtung und des Monotorings der Menschenrechte im Südosten Mexikos den mexikanischen Staat dazu auf, „unter voller Achtung und Garantie der Menschenrechte auf die Migrations- und Asylkrise des Landes zu reagieren, besonders an der Südgrenze. Das schließt endgültige Lösungen für die Überfüllung und unmenschlichen Bedingungen in den Einwanderungsstationen und -aufenthaltsorten mit ein“. Für den Zeitraum bis September errechnete die Organisationen „Ohne Grenzen“, dass bis zu 150.000 Personen in den 53 Einwanderungsstationen im ganzen Land festgehalten wurden, zusätzlich zu den weiteren 50.000, die als Teil des Programms „Bleib in Mexiko“ in ihre Heimat zurückgeschickt wurden.
Front Line Defenders und das Netwerk Alle Rechte für Alle (Red TdT) hatten zudem denunziert, dass sich die Aggressionen gegen Aktivisten für die Rechte von Migranten intesiviert hatten. Sie identifizierten 69 Vorkomnisse von Festnahmen, Drohungen, Belästigung, Diffamation, Aggression, Deportation, Überwachung oder verweigerten Eintritts in das Land zwischen Oktober 2018 und September 2019, 41 davon 2019. Sie drängten die mexikanische Regierung, „die Kriminalisierung von Migranten, die sich auf ihrem Weg organisieren, um ihre Menschenrechte zu verteidigen“ zu unterlassen sowie „die Aktionen der Nationalgarde hinsichtlich der Herbergen und Festnahmen von Migranten zu überwachen und zu begrenzen“.
National: Erster Regierungsbericht AMLOs: Ein glückliches, glückliches, glückliches Land?
Am ersten September präsentierte AMLO seinen ersten Regierungsbericht. Darin spricht er von der Notwendigkeit, die Korruption weiter zu bekämpfen ebenso wie mehr Gerechtigkeit und Gleichheit zu suchen. Hinsichtlich der Ergebnisse seiner Sparpolitik bestätigte er, dass „wir in den ersten 9 Monaten Einsparungen von 145 Milliarden pesos erreicht haben“. Er bekräftigte, dass „die Börse stabil geblieben ist; das Wirtschaftswachstum ist gering, aber es gibt keine Rezession, außerdem ist die Lohnverteilung jetzt weniger ungerecht“.
In Bezug auf die Sicherheit berichtete AMLO, dass man immer noch „viel arbeiten muss, denn die Ergebnisse in Hinblick auf die Verringerung der kriminellen Vorfälle sind nicht gut (…) es stellt unsere größte Herausforderung dar“. Er berichtete vom Einsatz 58.600 Nationalgardisten und dass „das Ziel ist, 140.000 Elemente einzusetzen“.
Im Bereich der Menschenrechte hob AMLO hervor, dass „der Staat aufgehört hat, der Hauptverletzer der Menschenrechte zu sein“, und dass „45 politische Gefangene befreit wurden“. Außerdem betonte er die Verpflichtung der Regierung, „den Forderungen der Opfer nach Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Nichtwiederholung nachzukommen“.
Beim Thema der Migration erkannte AMLO an, dass er seine Strategie ändern musste, um eine wirtschaftliche Auseinandersetzung mit den Vereinigten Staaten zu verhindern, ging aber nicht weiter ins Detail über die Auswirkungen, die dieser Politikwechsel hinsichtlich der Menschenrecht hatte. Er äußerte, dass „sich um diese Angelegenheit ohne die Anwendung von Gewalt und Zwang gekümmert wird, sondern durch die Schaffung von Arbeits- und Wohlfahrtsmöglichkeiten für die Leute an ihren Herkunftsorten“.
Menschenrechte: einige Veränderungen, die sich noch nicht in der Realität widerspiegeln
Im August präsentierten zivile Organisationen den Bericht „Die Menschenrechte in Mexiko verteidigen: Das Ende der Straflosigkei?“. Der Bericht stellt fest, dass die Menschenrechtsverletzungen während den ersten Monaten der Regierung von AMLO abgenommen haben, obwohl es zu 41 verschiedenen Ereignissen kam, die 331 Menschenrechtsverletzungen beinhalten. Zudem haben die individuellen Menschenrechtsverletzungen gegen Aktivisten zugenommen. Er weist darauf hin, dass die Maßnahmen weiterhin „unzureichend“ sind und dass klar ist, dass das Thema keine „Priorität“ der Regierung ist. Im selben Monat warf die Diagnostik des federalen Schutzmechanismus für Aktivisten und Journalisten, der von der mexikanischen Vertretung des UN-Hochkomissariats für Menschenrechte (OHCHR) erarbeitet wird, auf, dass Ressourcen fehlen, um dessen Versprechungen zu erfüllen. Diese Situation wird durch die steigende Zahl von Begünstigten verschärft, was mit der Tendenz zu steigenden Aggressionen gegen Aktivisten und Journalisten zusammenhängt. Weiterer Anlass zur Sorge ist die Verwicklung von Beamten in Fällen (etwa 55%) und dass es einer Strategie bedarf, die „Teil einer systematischen Politik ist“.
Im September drückte die UN-Hochkomissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, ihre „schreckliche“ Sorge über die Situation der Journalisten und Menschenrechtsaktivisten in Mexiko aus. Sie zeigte ihre Besorgnis angesichts der wachsenden Gewalt im Land, insbesondere aufgrund der Feminizide. Außerdem schnitt sie das Thema des Verschwindens an, mit 40.000 Verschwundenen und 23.000 Leichen, die noch nicht identifiziert wurden. Sie erkannte die Ankündigung der Regierung von AMLO, die Kompetenz des UN-Ausschusses gegen das Verschwindelassen anzuerkennen, um individuelle Mitteilungen zu erhalten, als einen „Schritt nach vorne“ an.
Im November, nach Beendigung der sechsten periodischen Untersuchung Mexikos als Teil des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) gab der UN-Menschenrechtsausschus 48 Empfehlungen heraus. Unter anderem gibt er der mexikanischen Regierung zwei Jahre, um „im Entstehungsprozess der Nationalgarde als eine zivile Institution voranzukommen“. Der Ausschuss drückte seine Besorgnis „wegen des militarisierten Charakters der Ordnungskräfte im allgemeinen, was die Nationalgarde mit einschließt, und wegen des Fehlens eines klaren Zeitplans für den Rückzug der militärischen Kräfte aus den Aufgaben der Bürgersicherheit“ aus.
Auch im November wählte der Senat als neue Vorsitzende der Nationalen Menschenrechtskomission (CNDH) Rosario Piedra Ibarra. Piedra Ibarra ist Aktivistin und Tochter des Gründers des Komitees ¡Eureka!, einer Organisation für Familienangehörige von Verschwundenen. Oppositionsparteien der Regierungspartei Bewegung der Nationalen Regenerierung (Morena) klagten an, dass es zu Wahlbetrug gekommen war, und forderten die Annulation der Wahl. Auf der anderen Seite, baten sieben der 56 Kandidaten für den Posten um eine Neuwahl, da „der Prozess Zweifel über seine Legalität lässt, die beseitigt werden müssen“. Vier Menschenrechtskollektive und 128 Opfer aus 12 Bundesstaaten riefen den Präsidenten dazu auf, keine Position zu beziehen, „bis dass es einen transparenten Prozess ohne Schatten des Zweifels gibt“. Letztlich, zwischen Aufschreien und Feilschen, protestierte Rosario Piedra, die ihre Wahl für „legitim“ und „legal“ hielt, und darauf bestand, dass sie unparteiisch sei, oblwohl sie in der Vergangenheit Kongresskandidatin für Morena gewesen war.
CNI und EZLN konstruieren andere Vorschläge
Im September fand die nationale und internationale Versammlung „Der Isthmus gehört uns“ in Juchitán, Oaxaca, statt, nachdem der Nationale Indigene Kongress (CNI) und der Indigene Regierungsrat (CIG) dazu eingeladen hatten. Sie erklärten, dass „wir dabei sind, den Schlag des kapitalistischen patriarchalen Systems und seiner Megaprojekte im ganzen Land zu analysieren, und dabei, die Widerstandskämpfe der Völker des Isthmus‘ und des Südens Mexikos zu stärken, gegen den interozeanischen Korredor im Isthmus von Tehuantepec, der diese Region in einen immensen Industriepark in den Händen des transnationalen Kapitals transformieren soll und gleichzeitig in einen Schutzwall für Trump gegen die zentralmerikanischen Migranten“.
Eine weltweite Rundreise zur Verteidigung des Lebens und unserer Territorien „SAMIR FLORES LEBT“ wurde im Oktober organisiert. Sie trug den Namen des Deligierten Samir Flores, ein Umweltaktivist, der im Februar ermordet wurde, und sollte „eine verlagerte und durchschlagende Mobilisierung, im ganzen Land, gegen die Megaprojekte des Todes mit einem antikapitalistischen und antipatriarchalen Charakter“ sein.
Im November lud die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) zur Teilnahme an der „Kombination für das Leben: Dezember des Widerstandes und der Rebellion“ ein, die in Chiapas im Dezember stattfindet. Besagtes Event beinhaltet: die zweite Edition des Filmfestivals Puy Ta Cuxlejaltic; die erste Tanzveranstaltung „Tanz dir eine andere Welt“; das Forum zur Verteidigung des Territoriums und Mutter Erde: die Vierte Versammlung des CNI; das zweite Internationale Treffen von Frauen, die kämpfen; und die Feier des 26. Jubiläums des „Krieges gegen das Vergessen“.
CHIAPAS: Aktivisten und Journalisten, Vulnerabilität
Im August wurde in Palenque die Leiche von Nora Patricia López aufgefunden. Sie war Umweltschützerin und Verantwortliche für das Projekt des Ara-Papageis im Ökopark Aluxes. Im vergangenen Juni wurde in der Region außerdem der Umweltschützer José Luis Álvarez ermordet. Im Januar war zudem der Aktivist Sinar Corzo Esquinca ermordet worden. Er verteidigte in Tonalá das Recht auf Wasser. Weiterhin wurden Drohungen und Festnahmen von Umweltaktivisten in Tuxtla Gutiérrez, Chilón und San Cristóbal de Las Casas dokumentiert.
Im September demonstrierten Journalisten und Familienangehörige von Mario Leonel Gómez Sánchez, einem 2018 in Yajalón ermordeten Journalisten, um die Festnahme des oder der Hintermänner zu fordern. Sie klagten an, dass es ein Jahr nach der Tat noch immer keine Gerechtigkeit gibt. Der Bruder des Opfers beschuldigte die Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates (FGE), langsam und nachlässig bei den Ermittlungen gewesen zu sein. Auch wenn drei mögliche Täter festgenommen wurden, denunzierte er, dass es institutionelle Verschleierungen und Vetternwirtschaft in dem Fall gibt, während er und seine Familie in Angst gelebt haben, „weil die Verantwortlichen durch die Straßen von Yajalón laufen, als wäre nichts“.
Hinsichtlich der Fortschritte wurde im November der ehemalige Bürgermeister von Amatán, Manuel de Jesús Carpio Mayorga, der Parteimitlgied von Morena ist, von Landespolizisten festgenommen. Er wird dem Mord an den Mitglieder der Regionalen Unabhängigen Bauernbewegung- Koordination des Nationalen Ayala-Plans- Nationale Bewegung (Mocri-CNPA-MN) Noé Jiménez Pablo und José Santiago Gómez Álvarez im vergangenen Januar beschuldigt. Die Aktivisten hatten an einem Protest teilgenommen, um die Entlassung des Gemeinderates zu fordern. Der Protest klagte unter anderem die kazikenähnliche Herrschaft der Brüder Carpio Mayorga an, die Willkühr der Poliziei des Gemeindebezirks in Absprache mit Verbrechern und das Nicht-Ausführen von Bauarbeiten. Manuel de Jesús Carpio Mayorga und sein gesamtes Kabinett waren zurückgetreten, als die Anschuldigungen gegen sie aufkamen.
Interne Zwangsvertreibung:die Menschenrechtskrise im Hochland hält an
Im September kam es zu einer Einigung, die die Rückkehr von 13 aus Ejido Puebla, Gemeindebezirk Chenlahó, vertriebenen Familien erlaubte. Einwohner aus dem Dorf baten um die Freilassung von Javier Gómez Gutiérrez, ein im Rahmen der post-elektoralen Problematik im Mai 2016, die zur Zwangsvertreibung geführt hatte, verurteilter Häftling. Sie erklärten, dass die Rückkehr der „sich selbst vertriebenen“ noch nicht beendet wurde, da in San Cristóbal de Las Cas noch eine weitere Gruppe existiert. Diego Cadenas, Direktor des Menschenrechtszentrums Kuuntik, der besagte Gruppe begleitet hat, erklärte, dass „13 vertriebene Familien zurückgekehrt sind (…) nach einer Strafzahlung von 15.000 pesos pro Familie, welche vom aktuellen Gemeindepräsidenten von Chenalhó Abraham Cruz Gómez bezahlt wurde, damals einer der Täter der Zwangsvertreibung. Dass die Opfer dazu konditioniert werden, eine Strafe an die Aggressoren zu bezahlen, um zurückkehren zu können, ist weit davon entfernt, eine Aktion zu sein, die zu verhindern hilft, dass sich die Tat wiederholt, viel mehr erweist sie sich als Anreiz, die Vertreibung zu wiederholen“.
Im Oktober veröffentlichte die CNDH eine Empfehlung wegen „des Zustandes der Gewalt, Unsicherheit, dauerhaft riskanten Situation und fehlenden Schutzes im Gemeindebezirk Aldama, Chiapas, aufgrund eines Streites um Landbesitz im Gemeindebezirk Chenalhó, der zum Tot einer Person führte (…) und der Vertreibung zahlreicher Familien“. Auch wenn die CNDH einige Fortschritte anerkannte, „war das noch nicht genug“, „da die Akte der Gewalt verschiedener Gruppen nicht aufgehört haben“. Es sei daran erinnert, dass im Juni ein Waffenstillstand zwischen den beiden Gruppen unterschrieben wurde, ohne dass so die Gewalt in der Region gestoppt werden konnte.
Im November, zwei Jahre nach der massiven Zwangsvertreibung von mehr als 5.000 Indigenen aufgrund eines Agrarkonfliktes aus Gemeinden, die sich direkt an der Grenze der Gemeindebezirke Chenalhó und Chalchihuitán befinden, fordeten die Witwe, Familienangehörige und Freunde von Samuel Luna Girón, der im Oktober 2017 ermordet wurde, Gerechtigkeit, da bislang noch niemand für die Tat festgenommen wurde. Ebenso baten sie die Behörden darum, Entschädigungen zu leisten und die zivilen bewaffneten Gruppen, die weiterhin straflos in Chenalhó operieren, zu zerschlagen.
Weitere Denunziationen im Bereich der Menschenrechte
Im August erklärte die Volkskampagne gegen den Feminizid in Chiapas seine „Ablehnung“ angesichts der „fehlenden Verpflichtungen der Regierungen (…) angesichts des schwerwiegenden Anstiegs der Feminizide“. Sie denunzierte, dass im Jahr 2019 bis jetzt 120 gewaltsame Tode von Frauen registriert wurden, von denen nur 49 als Feminizide klassifiziert wurden. Obwohl im Bundesstaat im November 2016 die Warnung vor geschlechtsspezifischer Gewalt (AVG) aktiviert wurde, können „die alarmierenden genannten Zahlen“ nur mit „dem fehlenden Interesse der Behörden“ erklärt werden. Die Kampagne forderte unter anderem, dass die Behörden die Gewalt gegen Frauen als ein soziales, kulturelles und politisches Problem angehen, das es erfordert, konkrete und dringende Maßnahmen zu ergreifen, und dass die AVG sich auf alle Gemeindebezirke des Bundesstaates ausweitet.
Im November äußerten zivile Organisationen ihre Besorgnis angesichts der Militarisierung im Gemeindebezirk Chicomuselo. Ein Jahr nach der Einweihung der Militärbasis in besagtem Gemeindebezirk, klagen sie an, dass es ihre Funktion war „den Widerstand gegen den Bergbau, den es in dem Gemeindebezirk gibt einzuschüchtern sowie die Arbeit, die die Aktivisten des Territoriums leisten, zu überwachen“. Sie erklärten, dass trotz der Argumente, die die Anwesenheit der Soldaten rechtfertigen, „die Diebstähle und Überfälle nicht weniger geworden sind“. Sie wiesen darauf hin, dass seit August, nach der Ankündigung der EZLN neue Autonome Gemeindebezirke zu gründen, von denen Chicomuselo einer ist, „von militärischen Rundfahrten berichtet wurde“.
OAXACA: Systematische Attacken auf Menschenrechtsaktivisten
Im Oktober, 17 Monate nach dem gewaltsamen Verschwindenlassen des Aktivisten Ernesto Sernas García, denunzierte die Weltorganisation gegen Folter (OMCT) die Untätigkeit des mexikanischen Staates in dem Fall. Sie rief die Behörden dazu auf, eine effektive Suche zu beginnen, um seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Laut der Organisation Front Line Defender „koinzidierte“ das Verschwinden des Anwaltes „mit einem entscheidenden Moment in einem Gerichtsprozess, bei dem er 23 Aktivisten [der Organisation Sol Rojo] rechtlich vertrat und deren Verhaftung im Jahr 2015 von der UN-Arbeistgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen für willkürlich erklärt wurde“.
Im November wurde Fredy García Ramírez festgenommen, der Mitglied des Komitees zur Verteidigung der Indigenen Völker (CODEDI) ist. Laut der Staatsanwaltschaft kam es zu dem Haftbefehl wegen wegen eines Ereignisses in der Gemeinde Santiago Xianica einige Wochen zuvor, bei dem zwei Polizisten der Landespolizei gefoltert wurden und ein Mitarbeiter der Landesermittlungsbehörde ums Leben kam. Front Line Defenders äußerte seine „ernste Besorgnis“ wegen der Verhaftung, da „das Ausnutzen von fabrizierten Verbrechen zu einer wirksamen Strategie geworden ist, um diejenigen einzuschüchtern, die wegen und für die Menschenrechte in Oaxaca arbeiten“. Das Observatorium für den Schutz der Menschenrechte bedenkt, dass „es sich nicht um einen Einzelfall handelt, sondern dass es ein Muster systematischer Attacken auf CODEDI in den letzten 21 Monaten makiert, was fünf Morde, zwei versuchte Morde, sechs willkürliche Festnahmen, 3 Fälle von Einbrüchen und Diebstählen sowie permanente Drohungen und die Militarisierung der Zone, in der sich CODEDI befindet, einschließt“.
Eine andere besorgniserregende Situation im Bereich der Menschenrechte ist, dass zahlreiche Organisationen ein Jahr nach der Veröffentlichung der AVG in 40 Gemeindebezirken in Oaxaca davon berichten, dass seitdem 126 Frauen ermordet wurden. Sie ziehen in Erwägung, dass diese Zahl impliziert, dass die AVG „keinen Unterschied gemacht hat“, wenn es zu 60% der Fälle in Gemeindebezirken kam, wo diese gilt. Sie riefen den Gouverneur dazu auf, sich umittelbar mit den Gemeindeprpräsidenten des Bundesstaates zu treffen, damit die AVG so angewendet wird wie es sein sollte. Sie baten ebenfalls darum, den Haushalt für die Implementierung sowie einen detaillierten Bericht über ihre Ergebnisse zu veröffentlichen.
In Verbindung mit dem Thema Land und Territorium denunzierten die Einwohner von Magdalena Ocotlán, ein Jahr nachdem Überlaufen des Jales-Staudamms wegen schwerer Regenfälle, dass die Behörden sich dem Fall nicht ernsthaft angenommen haben. Obwohl die Firma eine Strafe von 800.000 pesos zahlen musste, kontaminiert der giftige Schlamm weiterhin den Fluss und verursacht Krankheiten. Das kanadische Unternehmen Fortuna Silver Mines, das 26 Minenkonzessionen in 35 Gemeindebezirken der Zentralen Täler Oaxacas besitzt, darunter die Mine Cuzcatlán, wies die „falschen Anschuldigen“ zurück und sagte, sie halte die „Steuer-, Umwelt-, Gesundheits-, Arbeits- und sozialen Vorschriften ein“. Außerdem planen sie ebendiese Mine auf 7.000 Hektar auszuweiten. Der Gemeindepräsident von Ocotlán forderte die Aufhebung der Erweiterung sowie sofortige Aufmerksamkeit für die verursachten Probleme.
GUERRERO: Ayitzinapa und die „Verkommenheit“ de Justizsystems
Im September informierte der Staatssekretär für Menschenrechte des Innenministeriums Alejandro Encinas darüber, dass 24 für ihre mutmaßliche Beteiligung am Verschwinden der 43 Studenten der ländlichen Lehramtshochschule von Ayotzinapa in Iguala 2014 Beschuldigte freigelassen wurden. Er fügte hinzu, dass bereits 77 der insgesamt 142 festgenommenen Personen wieder auf freiem Fuß sind. Er sieht dies als „eine Beleidigung für die Opfer, die Eltern der Familien und eine Schande für die Justiz“; er beteuerte, dass es „das Elend, die Verkommenheit zeigt, in der sich das Justizsystem des Landes befindet“.
Im November hatten die Familien der 43 eine Besprechung mit Präsident AMLO und mit Mitgliedern der Komission für Wahrheit und Zugang zur Justiz in dem Fall. AMLO bestätigte seine Verpflichtung, alles mögliche zu tun, um den Aufenthaltsort der Studenten zu finden. Alejandro Encinas erklärte, dass die Akte des Falles sich „in einem Prozess der totalen Rekonstruktion“ befindet, da sie „viele Mängel in der Art und Weise, auf die sie integriert wurde, aufweist“. Er fügte hinzu, dass die Generalstaatsanwaltschaft der Republik (FGR) dabei ist, die entsprechenden Elemente vorzubereiten, um die im Aufbau des Falles involvierten Beamten vorzuladen. Wenig später zündeten Unbekannte die ehemalige Kommandozentrale der Gemeindepolizei von Iguala an, wo Dokumente, die in Verbindung mit dem Verschwinden der 43 stehen, aufbewart wurden.
Menschenrechtsaktivisten: Ein permanentes Risiko
Im September verschwand der Gewerkschaftsführer und Gemeindeaktivist Óscar Hernández Romero. Die Gewerkschaft United Steelworkers (USW) aus den Vereinigte Staaten gab bekannt, „dass Hernández sich der kanadischen Bergbaufirma Torex Gold Resources widersetzte, die 2018 eine Initiative der Gewerkschaftsbildung der Bergarbeiter verboten hatte“, die in der Mine Media Luna arbeiten. „Diese Kampagne wurde unterbrochen, nachdem zwei Befürworter [der Gewerkschaftsbildung] ermordet wurden. Und bis jetzt wurde niemand verhaftet“, fügte sie hinzu. Sie erklärte, dass „die mexikanische Regierung umittelbar handeln muss, um Óscar Hernández Romero aufzufinden und in den Morde an den Arbeitern zu ermitteln“.
Im Oktober drückten zivile Organisationen ihre „tiefe Besorgnis“ wegen Äußerungen des ehemaligen Leiters der Generalstaatsanwaltschaft von Guerrero, Iñaki Blanco Cabrera, aus, gegen den Anwalt Vildulfo Rosales des Menschenrechtszentrums des Berges von Tlachinolla, „dem er vorwirft, die Ermittlungen zu behindern und von der Verteidigung der Familien der 43 verschwundenen Studenten zu profitieren“. Sie bestätigten, dass die Äußerungen scheinbar „die Aufmerksamkeit ablenken“ wollen „sowie verhindern, dass gegen die Landesbehörden von Guerrero ermittelt wird“.
Am 20. November wurde in Tlapa de Comonfort die Leiche des Aktivisten und Leiters der Volksfront des Berges (FPM) Arnulfo Cerón Soriano aufgefunden, der seit dem 11. Oktober verschwunden war. Tlachinollan beklagte, dass sich nicht unmittelbar um den Fallgekümmert wurde, erst als er auf internationaler Ebene bekannt wurde: „diese fehlende Sorgfalt in den ersten Stunden nach der Anzeige, zusammen mit einem Kontekt der Makrokriminalität, extremer Gewalt, Korruption und Straflosigkeit, die charakteristisch für Guerrero sind, machen diesen Fall sehr komplex“.
Im November denunzierte die Regionale Koordination der Gemeindeautoritäten- Gemeindepolizei (CRAC-PC) die Kriminalisierung und Verfolgung ihrer Mitglieder von Seiten der Justiz, nach der „Gegenreform, die von der Landesregierung vorangetreiben wurde und die die gesetzlichen Bestimmungen aufgehoben hat, die sich auf die Befugnisse der CRAC-PC beziehen, um Gerechtigkeit zu schaffen, erteilen und zu verwalten, ein Umstand, der unsere Gemeindeinstitutionen untergräbt und einen zulássigen Rahmen für die Kriminalisierung und Verfolgung unserer normativen Systeme schafft“.