Aktivitäten von Sipaz (Mitte Mai bis Mitte August 2021)
19/10/2021FOKUS: Gewalt, eine Springflut in Chiapas
05/01/2022
I m September präsentierte der Präsident Andrés Manuel López Obrador (AMLO) seinen dritten Staatsbericht, in welchem er auf die Situation der Menschenrechte hierzulande einging. Er ist der Überzeugung, dass in Mexiko „die Menschenrechte nicht verletzt werden“, auch wenn zahlreiche Zivilorganisationen dem widersprechen. Die Nationale Kommission für Menschenrechte (CNDH) informierte in ihrem Bericht 2020 über 11.387 Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen, ausgeübt von unterschiedlichen öffentlichen Institutionen. Human Rights Watch (HRW) erklärte, dass durch die Mobilisierung von Streitkräften, die dem öffentlichen Dienst sowie dem Zoll, der Migrationskontrolle und der Entwicklung der Großprojekte dienen soll, weitere militärische Missbräuche vermerkt wurden. HRW bestätigte, dass sich „Menschenrechtsverletzungen – einschließlich Folter, Vertreibungen und Missbrauch von Migranten, außergerichtliche Hinrichtungen und Angriffe auf unabhängige Journalisten und Menschenrechtsverteidiger – auch unter der Regierung von Andrés Manuel López Obrador fortgesetzt haben“. „Gerade einmal 1.3% der verübten Straftaten in Mexiko werden verfolgt“, erwähnte die Organisation Impunidad Cero. Das Menschenrechtszentrum Miguel Agustín Pro Juárez (Centro Prodh) äußerte: „Zweifellos hat die Regierung einige Maßnahmen gefördert, die in die richtige Richtung gehen (…), aber von dort bis zur Behauptung, dass die Menschenrechtsverletzungen in Mexiko ausgerottet wurden, gibt es eine Distanz, die von der Wahrhaftigkeit zur Unwahrheit führt“.
Das Verschwinden von Personen: ein großes, noch offenes Problem
Zum Gedenken an den Internationalen Tag der Opfer des Verschwundenen (August), haben zivilgesellschaftliche Organisationen und Kollektive Aktionen durchgeführt, um auf den Ernst der Lage in Mexiko aufmerksam zu machen und von den Behörden zu fordern, dass sie effektiv nach den verschwundenen Personen suchen. Nach Angaben der Nationalen Fahndungskommission (Comisión Nacional de Búsqueda, CNB), ist die Zahl der vermissten Personen in Mexiko von 1964 bis November 2021 auf 94.939 gestiegen.
Positiv zu vermerken ist, dass im Oktober ein Dekret veröffentlicht wurde, mit dem die Kommission für den Zugang zur Wahrheit und die Förderung der Gerechtigkeit schwerer Menschenrechtsverletzungen, die zwischen 1965 und 1990 begangen wurden, ins Leben gerufen wurde. Während dieser Zeit, die auch als „Schmutziger Krieg“ bekannt ist, wurden unterschiedliche Verbrechen begangen, unter anderem Entführungen von Personen, Folter und außergerichtliche Hinrichtungen von Personen, die Bewegungen oder Organisationen angehören, die die staatliche Politik in Frage stellten. Die Aufgabe der Kommission ist, die Menschenrechtsverletzungen in diesem Zeitraum die Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, zu überwachen und Berichte darüber zu erstellen.
Verteidiger, Journalisten, Frauen und Minderjährige: die meist gefährdetsten Gruppen
Im Oktober gab das Innenministerium bekannt, dass während der Regierungszeit von AMLO bisher 47 Journalisten und 94 Menschenrechtsverteidiger getötet wurden. Außerdem informierte das Ministerium, dass von den Mördern der Journalisten nur fünf verurteilt wurden. Die Bundesstaaten mit der höchsten Zahl ermordeter Aktivisten sind Guerrero, Oaxaca und Chiapas.
Im Oktober verurteilten zivilgesellschaftliche Organisationen vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) die Unterdrückung und Stigmatisierung von feministischen Demonstrationen. Sie wiesen auf die „unangemessene Gewaltanwendung, sexuelle Gewalt sowie körperliche und digitale Belästigung“. Die Beschwerden richten sich auch gegen die restriktiven Gesetze, die den sozialen Protest kriminalisieren, sowie mit der Militarisierung und der Anwendung von Gewalt in diesem Zusammenhang; mit der Verletzung des Rechts auf friedliche Versammlung und des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Sie machten auch die stigmatisierenden Diskurse sichtbar, mit denen die Bewegungen diskreditiert wurden. Im September erklärte AMLO beispielsweise, dass „der mexikanische Feminismus direkt zu einer Oppositionsbewegung“ gegen seine Regierung geworden.
Im August stellte der Unterstaatssekretär für Menschenrechte und Migration, Alejandro Encinas, eine Studie über die Auswirkungen der Pandemie auf Kinder vor. Er berichtete, dass 5,2 Millionen Schüler aus pandemiebedingten Gründen oder wegen fehlender Ressourcen nicht am Schulunterricht teilnahmen. Er verwies auf den Rückgang des Anteils der Kinder und Jugendlichen, die zum ersten Mal in das Schulsystem eintraten. Des Weiteren wurden zwischen März und Juni 2021 Rekordwerte bei der Gewalt in der Familie verzeichnet. „Kinder und Jugendliche leiden unter psychischer, sexueller, physischer und wirtschaftlicher Gewalt sowie unter Vernachlässigung in ihrem Zuhause“, so der Staatssekretär. Aus dem Bericht geht hervor, dass während der Pandemie 273.661 Geburten von jugendlichen Müttern registriert wurden. 4.401 Tötungsdelikte an Minderjährigen zwischen 2018 und 2020; und ein Anstieg der Selbstmorde um 12 % in dieser Altersgruppe.
MIGRATION: „Exodus aus der Armut“ durchquert Mexiko
Im Oktober startete die Migrantenkarawane „für Würde, Freiheit und Frieden“ in Chiapas, um „die Kriminalisierung, der die Menschen auf der Flucht ausgesetzt sind“, zu veranschaulichen. Mehr als 4.000 Migranten schlossen sich an, darunter schwangere Frauen und mehr als tausend Kinder, sowie Menschen mit Behinderungen.
Auf der anderen Seite haben Organisationen, Netzwerke und Kollektive aus Mexiko und Mittelamerika die Kampagne #ProtectionNoContainment ins Leben gerufen, um der Unterdrückung, Einschließung und Abschiebung von Menschen auf der Flucht ein Ende zu setzen. „In den letzten drei Jahren hat sich die mexikanische Regierung gemeinsam mit der US-Regierung an Maßnahmen zur Einschränkung des Schutzes von Migranten beteiligt, indem sie die mexikanische Migrationspolizei militarisierten und die Schutzsuchenden kriminalisierten“, betonten sie. Die Menschen sind gezwungen, ihre Länder zu verlassen, weil es keine Bedingungen gibt, die ihnen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, sagten sie. Die mangelnde Reaktion der mexikanischen Migrations- und Asylbehörden hat die Menschen an der südlichen Grenze, die primär aus Haití, Venezuela und Zentralamerika, in der Schwebe gelassen, betonten sie. Dort lebten sie seit mehr als einem Jahr ohne Arbeitsmöglichkeiten und ohne Zugang zu Gesundheit und Bildung. Wenn sie versuchten, nach Mexiko einzureisen, um dort bessere Lebensbedingungen zu finden, wurden sie von Vertretern des Nationalen Migrationsinstituts (INM) und der Guardia Nacional unterdrückt und zurückgedrängt.
MILITARISATION: Anhaltende Bedenken
Im August bekräftigten Amnesty International und das Kollektiv Seguridad sin Guerra (Sicherheit ohne Krieg), dass „es dringend notwendig ist, dass die mexikanische Regierung die Beteiligung des Militärs an Aufgaben der öffentlichen Sicherheit beendet“. Sie erinnerten daran, dass die Militarisierung zu einer Zunahme von schweren Menschenrechtsverletzungen geführt hat. Trotz der Tatsache, dass die von AMLO vorgeschlagene Reform, mit der die Nationalgarde (Guardia Nacional) in das Sekretariat für nationale Verteidigung (Sedena) integriert werden würde, noch nicht bestätigt wurde, bestätigen „offizielle Dokumente die militärische Vorherrschaft, die in der Tat bereits über diese Polizeikräfte besteht“, prangerten sie an. Analysten sind der Ansicht, dass die Guardia Nacional gegenwärtig „50 % Militärpolizei der SEDENA, 10 % Seepolizei des Sekretariats der Marine (SEMAR), 20 % der föderalen Polizei und 17 % der neuen Rekruten, die von SEDENA und SEMAR angeworben und in Militärstützpunkten ausgebildet wurden, ausmacht“.
Ihre Beteiligung an Migrationsoperationen ist besonders besorgniserregend, da sie „schwerwiegende Auswirkungen auf die Wahrung der Rechte von Migranten hat“. In diesem Zusammenhang erklärte der Chef der Sedena, Luis Cresencio Sandoval, bei seinem Besuch in Chiapas im August, die Streitkräfte hätten „eine Reihe von operativen Maßnahmen“ an der südlichen Grenze abgeschlossen, an der mehr als 14.000 Personen teilnahmen. Für den Zeitraum von Juni 2019 bis Dezember 2020 wurden 193.640 Migranten bei der Migrationsbehörde vorstellig. Fachleute schätzen, dass „mehr als 78 Prozent der Verhaftungen von Migranten in Mexiko in diesem Zeitraum vom Militär oder Teilen der Nationalgarde durchgeführt wurden“.
CHIAPAS: Gewalteskalation
In den letzten Monaten ist es in Chiapas mehrfach zu Gewalttaten gekommen (siehe Enfoque). In San Cristóbal de las Casas hat das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas erklärt, dass sie: „täglich Berichte über hochkalibrige Schusswechsel und Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Gruppen, die von den kommunalen und staatlichen Behörden geduldet werden, bekommen.“ Im Oktober wurde der Journalist und Kolumnist Fredy López Arévalo auf der Straße vor seinem Haus in San Cristóbal ermordet.
Im Oktober wurde Dayli de los Santos Herrera Gutiérrez, der mutmaßliche Drahtzieher des Mordes an dem indigenen Staatsanwalt Gregorio Pérez Gómez im August, verhaftet. Dieser war für die Ermittlungen zu den Gewalttaten in Pantelhó zuständig. De los Santos und sein Bruder werden von der Selbstverteidigungsgruppe El Machete beschuldigt, mit einer „kriminellen Gruppe“ namens „Los Herrera“ in Verbindung zu stehen. Diese ist für mindestens zweihundert Morde verantwortlich, die in Pantelhó in Absprache mit der PRD-Stadtregierung begangen wurden. Im November hat der Staatskongress die gewählte Stadtpräsidentin Raquel Trujillo Morales (ebenfalls von der PRD) aufgrund eines Ermittlungsverfahrens wegen Mordes an einer Person im Juli dieses Jahres ihres Amtes enthoben.
Im Oktober forderte das Netzwerk „Alle Rechte für alle“ (Red TdT) die Einstellung der Angriffe gegen die Migrantenunterkunft „Casa Betania Santa Martha“ in Salto Agua, nachdem eine Gruppe bewaffneter Personen die Unterkunft betreten und die Anwesenden bedroht hatte. Das Netz erklärte, dass diese Art von Aggression in diesem Jahr bereits zum dritten Mal aufgetreten ist und, dass es sich dabei um einen Kontext handelt, in dem auch andere Organisationen, die sich für die Menschenrechte von Migranten einsetzen, schikaniert wurden. Mitte September schloss die Casa del Caminante Jtatic Samuel Ruiz García in Palenque aufgrund von Drohungen ihre Türen.
Gleichzeitig tauchten mehrere Selbstverteidigungsgruppen auf. Die erste, El Machete, gründete sich wegen der politischen Krise und der Sicherheits-Katastrophe in Pantelhó. Die zweite, „Gente de la Selva“ (Menschen aus dem Urwald), zeigten sich im September und erklärte ihre Unterstützung von El Machete. Im Oktober erschien die Gruppe „Bewaffnete Streitkräfte Simojovel“, die, unter anderem, folgende Forderungen stellte: „1. Respektierung unserer indigenen Forderung, 2. Keine weiteren Umleitungen von Resourcen des Dorfes, 3. Wir werden weder Mörder noch bewaffnete Drogenhändler dulden.“ Ebenfalls im Oktober tauchte eine vermeintliche Selbstverteidigungsgruppe in Altamirano auf, wo es nach den Wahlen zu einem heftigen Konflikt kam, um die Amtseinführung der gewählten Kandidatin Gabriela Roque Tipacamú, Ehefrau von Roberto Pinto Kanter, zu verhinden. Die beide werden beschuldigt, ihren Machtbereich (seit 2002) in dieser Gemeinde fortsetzen und ausbauen zu wollen.
Demonstrationen und Kriminalisierung
Im Oktober, ein Jahr nach der Zerschlagung der Proteste gegen die Errichtung einer Kaserne der Guardia Nacional in Chilón, haben Familienangehörige und Einwohner die Einstellung des Strafverfahrens gegen César Hernández Feliciano und José Luis Gutiérrez Hernández gefordert. Sie wurden wegen des Verbrechens des Aufstandes verhaftet, nachdem sie an einer Demonstration gegen den Bau der Kaserne teilgenommen hatten, um dann gefoltert und in Isolationshaft gehalten zu werden. Ihre Verteidigung hat eine Reihe von Rechtsmitteln eingelegt, die jedoch alle abgewiesen wurden. Darüber hinaus ist daran zu erinnern, dass die Maya-Tzeltal-Gemeinden im November 2020 eine einstweilige Verfügung gegen den Bau der Kaserne (das „Cuartel“) eingereicht haben, da es keine freie, vorherige und kulturell angemessene Konsultation gab. Dieser Amparo ist bis heute nicht abgeschlossen.
Im Oktober meldeten zivile Organisationen, dass sie seit mehr als 10 Jahren verschiedene Aktionen durchgeführt haben, um den Umweltauswirkungen auf die Feuchtgebiete um San Cristóbal de Las Casas entgegenzuwirken. Sie betonten die Unterlassung der Behörden, die „dringende und wirksame Maßnahmen nicht durchführen“. Sie hoffen, dass mit dem Eintritt der neuen Verwaltung 2021-2024 „das Thema wieder auf den Tisch kommen und als Gelegenheit genutzt wird, etwas zu tun.“
Am 1. November veranstalteten Frauenkollektive und Angehörige von Opfern von Frauenmorden den „Marcha de Catrinas“ in San Cristóbal de Las Casas, Comitán und Tuxtla Gutiérrez, um für die Ermordeten Gerechtigkeit zu fordern und die Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Die Feministische Beobachtungsstelle gegen Gewalt gegen Frauen in Chiapas berichtet, dass von 2016 bis 2020 „mehr als 900 gewaltsame Todesfälle von Frauen registriert wurden.“ „Wir haben den Widerstand der Staatsanwaltschaft wahrgenommen, mit einer geschlechtsspezifischen Perspektive zu ermitteln, die für die Klärung des Sachverhalts, den Zugang zur Wahrheit und zur Justiz von grundlegender Bedeutung ist“, schlossen die Demonstranten.
Aggressionen in zapatistischen Gebieten während der Reise für das Leben
Die zapatistische Delegation „Escuadrón 421“ ist im September wieder in Mexiko eingetroffen, nachdem sie mehr als 4 Monate lang mehrere europäische Länder besucht hatte, um dort ihren eigenen Kampf vorzustellen, aber auch, um die Kämpfe verschiedener sozialer und populärer Gruppen kennenzulernen. Ihnen folgte die Luftdelegation La Extemporánea, die sich aus 177 Zapatistas sowie einer Delegation des Nationalen Indigenen Kongresses (CNI) zusammensetzt. Die gesamte Reiseroute des Escuadrón 421 und La Extemporánea (die noch nicht zurückgekehrt ist) wird in etwa 30 europäische Länder abdecken.
Währenddessen prangerte das Netzwerk des Widerstands und der Rebellion AJMAQ im September an, dass Mitglieder der regionalen Organisation der Kaffeebauern von Ocosingo (ORCAO) zwei Mitglieder des Rates der Guten Regierung (JBG) Patria Nueva in der Gemeinde Ocosingo entführt haben. AJMAQ wies darauf hin, dass „die ORCAO seit mehreren Monaten eine Reihe von kriminellen Aktionen gegen die Stützpunkte der EZLN in der autonomen Gemeinde Moises Gandhi durchführt. Die verabscheuungswürdigsten Taten sind die, die seit August 2020 registriert wurden. ORCAO verübte gewaltsam die Plünderung, den Raub, die Zerstörung und das Abbrennen der autonomen Ladengenossenschaft El Arco Iris und entführte Félix López Hernández am 8. November 2020 und zwei Mitgliedern des Menschenrechtszentrums Fray Bartolomé de Las Casas am 12. April dieses Jahres. Er vertrat die Auffassung, dass „diese Eskalation der Gewalt, die von den hohen Mächten der Bundesregierung orchestriert wird, in den Rahmen der EZLN-Initiative Travesía por la Vida Capitulo Europa (Reise für das Leben, Kapitel Europa) fällt, die versucht, auf friedliche und kreative Weise die Saat des Widerstands, der Rebellion und der Mutter Erde zu verbreiten, d.h. für das Leben“.
Die EZLN hat sich gegen die Freilassung der beiden Mitglieder der JBG ausgesprochen und auf die Untätigkeit der Regierung verwiesen, die „diese Verbrechen deckt und fördert“ und „Allianzen mit den Drogenhändlern unterhält, die die Gemeinden zwingt, Selbstverteidigungsgruppen zu bilden“, davon abgesehen, „fördert und finanziert die Regierung paramilitärische Gruppen, wie die, die immer wieder Gemeinden in Aldama und Santa Martha angreifen“. In dem Kommuniqué „Chiapas am Rande des Bürgerkriegs“ spricht die EZLN unter anderem über die Langsamkeit der Impfkampagne, die Behinderung der zapatistischen Delegation in Europa und der Verbleib derselben Kader in verschiedenen politischen Parteien.
OAXACA: Aggressionen gegen Menschenrechtsverteidiger nehmen zu
Im August meldete die Unión Cívica Democrática de Barrios, Colonias y Comunidades (Ucidebacc), dass ihr Anführer, Antonio Zarate Bernal, entführt und später „mit zahlreichen Schlägen und Folterspuren“ wiedergefunden wurde. Die Ucidebacc verurteilte die anhaltende Unterdrückung, der sie seit mehreren Jahren ausgesetzt sind, und erinnerte daran, dass ihr Anführer Antonio Zarate Bernal bereits 2011 entführt worden war und zwei Monate später wegen unzureichender Beweise freigelassen wurde. Die Verhaftung hatte „mit der Kriminalisierung des mexikanischen Staates zu tun (…), der das mexikanische Justizsystem in betrügerischer Weise ausgenutzt hat, um Akten für vorgefertigte Straftaten anzulegen“.
Im September wurde José Castillo Castro, ein Verteidiger von Land und Territorium in der Chontal-Gemeinde Barra de la Cruz in Santiago Astata, ins Krankenhaus eingeliefert, nachdem er bei einem Angriff von zwei Motorradfahrern zweimal angeschossen wurde. Das Zentrum für Derechos Humanos y Asesoría a Pueblos Indígenas (CEDHAPI) forderte eine Untersuchung dieses Angriffs und wies auf die Zunahme von Angriffen auf Menschenrechtsverteidiger und Journalisten hin.
Die Organisation Frente No a la Minería por un Futuro de Todxs informierte, dass es während der im Oktober organisierten Mobilisierung zur Einstellung des San-José-Bergbauprojekts, das von Fortuna Silver Mines betrieben und überwacht wird, zu Unruhen kam.
Mitglieder der Gemeinde- und Agrarbehörden, die Mitglieder der Front sind, erhielten Drohungen von Personen, die behaupteten Waffen zu besitzen, um „die an der Mobilisierung Beteiligten zu entfernen“ und die Demonstranten zu identifizieren. „Unsere Mobilisierungsaktion ist friedlich, sie steht im Einklang mit dem Gesetz, im Rahmen der Verfassung und den Vereinbarungen der Generalversammlung zum Verbot von Bergbauaktivitäten“, erinnerten sie.
Im November erklärte die Generalstaatsanwaltschaft einen rosa Alarm wegen des Verschwindens der Umweltschützerin Irma Galindo Barrios. Die Verteidigerin der Wälder ihrer Gemeinde Ñuu Savi befand sich zuletzt in Mexiko-Stadt und sammelte Hilfsgüter für Gemeinden in San Esteban Atatlahuca, die Ende Oktober von einer bewaffneten Gruppe angegriffen wurden, nachdem sie den Raubbau an ihren natürlichen Ressourcen angeprangert hatten. Bei den Ereignissen kam eine Person ums Leben und vier weitere Menschen werden vermisst. Dutzende von Häusern brannten nieder und rund 300 Menschen wurden vertrieben. Die Umweltschützerin war bereits seit 2019 Opfer von Verleumdungen, Belästigungen und Drohungen.
Im November fand das Treffen zur Verteidigung unserer Natürlichen und Gemeinsamen Resourcen El Istmo es Nuestro in Jalapa, Mexiko, statt, das von Organisationen des Nationalen Indigenenrats organisiert wurde. Sie verurteilten neben der Verschärfung der Gewalt, die auf die Präsenz und Beteiligung des organisierten Verbrechens an den Geschäftsaktivitäten in der Region zurückzuführen ist, auch die Bedrohung und Belästigung durch die Unternehmen. Sie forderten außerdem ein Ende der Kriminalisierung der Verteidigung des Gebiets gegen den Interozeanischen Korridor (eines von AMLOs Großprojekten) im Isthmus von Tehuantepec.
Im September hat ein Gericht eine vollständige Aussetzung gegen EDF (Electricité de France) verhängt, die keine Arbeiten ausführen kann, solange der Rechtsstreit noch nicht abgeschlossen ist. Letztes Jahr hat die APIIDTT eine einstweilige Verfügung beantragt, weil die Gemeindemitglieder ihre Zustimmung zum Bau des Projekts nicht gegeben haben.
Im November billigte der Oberste Gerichtshof der Nation (SCJN) in allgemeiner Form den Entwurf zugunsten der Verteidigung von Los Chimalapas. Dies geschah neun Jahre nachdem die Regierung von Oaxaca eine Verfassungsklage gegen die Gründung der Gemeinde Belisario Domínguez durch die Regierung von Chiapas eingereicht hatte, die mit der Invasion von etwa 84.000 Hektar Land in Oaxaca verbunden war. Das Nationale Komitee für die Verteidigung und
Konservierung von Los Chimalapas, war der Ansicht, dass dieses Ergebnis Oaxaca begünstigt, insbesondere aber die Bewohner von Los Chimalapas, die ihr Gebiet in einem Konflikt verteidigen mussten, der von Viehzüchtern, Holzfällern und Drogenhändlern zum Abholzen und Eindringen in den Wald genutzt wurde.
GUERRERO: zwischen Gewalt und Armut
Am 1. Oktober wurden in Gemeinden in Guerrero, wie auch in anderen Bundesstaaten, neue Bürgermeister vereidigt, von denen viele mit ernsten Problemen konfrontiert wurden: Wassermangel, fehlende Gemeindepolizei, unfertige und unzureichende Arbeiten, unbezahlbare Schulden, Unruhen und Proteste wegen nicht erfüllter Verpflichtungen, schrieb das Menschenrechtszentrum Tlachinollan in La Montaña. Guerrero ist einer der Bundesstaaten, „in denen die Einmischung des organisierten Verbrechens bei den Wahlen im Juni am deutlichsten war“. Durch die Bedrohung von Kandidaten und/oder ihren Familien zwangen kriminelle Gruppen sie, ihre Absicht, sich zur Wahl aufzustellen, aufzugeben. In anderen Fällen haben sie einen bestimmten Kandidaten vorgeschrieben, erklärte Tlachinollan.
Anschließend besuchte Präsident López Obrador den Bundesstaat. Begleitet von der neuen Gouverneurin Evelyn Salgado besuchten sie mehrere Gemeinden. „Die Forderungen der indigenen und afro-mexikanischen Gemeinschaften drehen sich um die Achsen der Grundvoraussetzungen für ein würdiges Leben: Gesundheit, Bildung, Wohnen, Straßen und ein menschenwürdiges Leben: Gesundheit, Bildung, Wohnen, Straßen und die Reaktivierung des ländlichen Raums“, so Tlachinollan. Auch das Problem der Gewalt war präsent: die Ausbreitung bewaffneter Gruppen und der fehlende Zugang zur Justiz für Frauen, die Opfer von Gewalt wurden. Tlachinollan räumte ein, dass trotz der von der Regierung durchgeführten Programme die Familien der Montaña „die Schwelle zur extremen Armut nicht überschreiten konnten“, und dass dieser Besuch viele Erwartungen weckte, als beide Gouverneure „sich verpflichteten, den armen Regionen und Staaten Vorrang zu geben“. Auf kommunaler Ebene seien die Interessen jedoch anders, insbesondere wegen der Korruption und der Misswirtschaft der Ressourcen, die sie „wie ihr eigenes Vermögen“ nutzen.
Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der Gewalt in dem Bundesstaat ist die Zwangsumsiedlung. Seit September befindet sich eine Kommission von vertriebenen Familien aus den Gemeinden Leonardo Bravo und Zitlala vor dem Innenministerium in Mexiko-Stadt in einem Sitzstreik, um die Einhaltung der Verpflichtungen zu fordern, die im April bei einem interinstitutionellen Treffen ausgemacht wurden, bei dem sich die Nationale Menschenrechtskommission (Comisión Nacional de Derechos Humanos, CNDH) dazu verpflichtete, die vertriebenen Familien, in Abstimmung mit der Bundeskommission für die Betreuung von Opfern (Comisión Ejecutiva de Atención a Víctimas Federal, CEAV) als Opfer anerkennen würde; und Mitarbeiter der Regierung verpflichteten sich, sichere Orte für ihre Umsiedlung zu finden, da eine Rückkehr nicht möglich ist. Bislang wurden in keinem dieser Bereiche Fortschritte erzielt.
Anlässlich des siebten Jahrestages des Verschwindens der Studenten der Escuela Normal Rural de Ayotzinapa in Iguala wurden Aktivitäten organisiert, um Gerechtigkeit zu fordern. Angehörige der Verschwundenen kritisierten die „Zurückhaltung“ der Regierung bei den Ermittlungen, und „die Langsamkeit“ der Staatsanwaltschaft. Dies ist auf die vierzig Haftbefehle zurückzuführen, die immer noch nicht vollstreckt worden sind, und auf das Fehlen von Ermittlungen gegen die Mitglieder des 27. Infanteriebataillons wegen ihrer angeblichen Beteiligung. Der UN-Menschenrechtsrat erklärte, es seien „bedeutende Fortschritte“ erzielt worden, aber es sei „von größter Bedeutung, die erzielten Fortschritte in konkrete Maßnahmen umzusetzen, die darauf abzielen, den Pakt des Schweigens zu brechen (…), um die Wahrheit über die Geschehnisse zu erfahren“.
Im Oktober, zwei Monate nach dem Verschwinden von Vicente Suastegui Muñoz, dem Bruder des Anführers der Opposition gegen den Staudamm La Parota, sagte Tlachinollan, dass es keine Fortschritte in dem Fall gebe, obwohl die an seinem Verschwinden beteiligten Personen identifiziert worden seien. Er erklärte, dass förmliche Beschwerden gegen diese Personen eingegangen sind, ebenso wie eine Beschwerde gegen die Staatspolizei und die Marine, „weil ihm einige Tage vor seinem Verschwinden die Freiheit entzogen wurde mit der Begründung, dass er Waffen bei sich trug, ohne akkreditiert zu sein“. Trotz dieser Tatsache und den unternommenen Suchaktivitäten handelt die die Generalstaatsanwaltschaft von Guerrero nicht mit „der vollen Kraft der Institutionen“. In Acapulco und Iguala gibt es eine Sicherheitskrise, da die Behörden „nicht gehandelt haben, um die kriminelle Struktur zu zerschlagen“.