Aktivitäten von SIPAZ (Mitte November 2019 bis Mitte Februar 2020)
03/04/2020FOKUS: Gewalt gegen Frauen – die andere Pandemie
02/06/2020Im April stellte Präsident Andrés Manuel López Obrador (AMLO) seinen fünften Quartalsbericht vor.
Angesichts der Pandemie des Coronavirus machte er bekannt, dass dieses Jahr 22 Millionen Mexikaner von den verschiedenen Sozialprogrammen seiner Regierung profitieren würden und dass er innerhalb von neun Monaten zwei Millionen neue Arbeitsplätze schaffen werden, unter anderem durch das Programm „Sembrando Vida“. Er betonte, seine Regierung habe bereits „entschieden, den katastrophalen Zustand zu überwinden, in dem ihm seine Vorgänger das Gesundheitssystem hinterlassen haben“. „Die Krise ist nur vorrübergehend und bald werden wir zur Normalität zurückkehren. Wir werden das Coronavirus besiegen“, erklärte er. Der mexikanische Präsident war international für sein Verhalten angesichts der Pandemie kritisiert worden. Während andere lateinamerikanische Regierungen bereits damit begannen Isolationsmaßnahmen einzuführen, rief López Obrador mehrere Wochen dazu auf „den normalen Alltag weiterzuführen“, bevor er schließlich ebenfalls eine Quarantäne anordnete, die aber mehr freiwillig als obligatorisch war.
Am 21. Mai, 60 Tage nach dem „Nationalfeiertag der Gesunden Distanz“, meldete Mexiko 6510 Todesfälle durch COVID-19. Damit zählt es zu den 10 Ländern, die die meisten Todesfälle durch die Pandemie zu verzeichnet haben. Man spricht von ca. 60.000 Infektionsfällen. Dennoch wurde angekündigt, dass bereits ab dem 1. Juni eine „Neue Normalität“ beginnen soll mit einer Art Ampelsystem, das nach und nach in den einzelnen Regionen Mexikos ausgerufen werden soll.
Indigene Völker, Gefangene, Migranten: angesichts der Pandemie hochgefährdete Bevölkerungsgruppen
Im April riefen Zivilorganisationen „dringend zu ausreichendem Personal und Ausrüstung auf, um eine qualitative Gesundheitsversorgung der indigenen Bevölkerung zu gewährleisten“. Darüber hinaus forderten Sie, die Umsetzung eines nationalen Plans zur Rettung der Gemeinschaftswirtschaft für diejenigen, die aufgrund der Quarantäne nicht ihrer Arbeit nachgehen können, sowie die Übersetzung der Informationen über die Pandemie in die indigenen Sprachen. Dieser letzte Punkt war auch Teil der Ermahnungen, die die Nationalen Menschenrechtskommission (CNDH) Anfang April ausgesprochen hatte.
Im Mai bekräftigten die Zivilorganisationen erneut ihre „tiefe Besorgnis angesichts der Konditionen, die die Pandemie in den indigenen Gemeinden auslösen könnte“. „Neben dem Mangel an Infrastruktur, medizinischem Personal und einer kontinuierlichen Versorgung mit Medikamenten existieren die Probleme der institutionellen Diskriminierung und des Fehlens eines kulturell angemessenen und zugänglichen Präventionsansatz für Gemeinden. Außerdem werden in diesem Zusammenhang die in ihre Gemeinden zurückkehrenden Migranten nicht angemessen überwacht und betreut“, berichteten sind. Sie waren auch besorgt über die „wirtschaftliche Verwundbarkeit der Mehrheit (…). Der fehlende Zugang zu menschenwürdigen Beschäftigungen in der Gemeinde macht sie abhängig vom Handel und informellen Jobs und den Geldüberweisungen der emigrierten Verwandten“, Einkommensquellen, die „Gefahr gelaufen, stark abzunehmen“.
Im März riefen Zivilorganisationen dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausbreitung von COVID-19 in Gefängnissen zu verhindern. Sie erinnerten daran, dass „die Haft aufgrund der Nähe der Zellen ideale Bedingungen für eine Ansteckung schafft und diese noch durch die Überbelegung der Einrichtungen, den Wassermangel und die schlechten Hygienezustände verschärft werden“. Die CNDH forderte ebenfalls vorbeugende Maßnahmen zum Schutz derer, denen die Freiheit entzogen wurden, vor Besuchern, Gefängnispersonal und anderen Dienstleistern.
In diesem Rahmen wurde im April ein Amnestiegesetz verabschiedet, das die Freilassung von Personen ermöglicht, die kleinere Straftaten begangen haben. „Wiederholungstäter und Personen, die des Mordes, der Entführung, der schweren Körperverletzung, der Gewalt oder des Gebrauchs von Schusswaffen, des Femizids, der Vergewaltigung, des Menschenhandels oder des Einbruchs bezichtigt werden“ können davon nicht profitieren. Es gilt außerdem für indigene Personen, denen „das Recht auf Dolmetscher oder Verteidiger, die Kenntnisse ihrer Sprache und Kultur haben“, nicht garantiert wurde. Das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte in Mexiko (UNHCHR) drängte auf „die rasche Umsetzung des Gesetzes“. Es erklärte auch, dass „es sich um einen positiven Schritt handelt, der in die Diskussion über die Umgestaltung des mexikanischen Justizsystems eingebettet werden sollte“, um die Zahlen der Personen, die sich in „informeller Sicherungsverwahrung“ befinden und zu überprüfen.
Im April forderte Human Rights Watch Mexiko als Reaktion auf die Grenzschließungen auf, „Migranten unverzüglich freizulassen, wenn sie nicht mehr in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden können oder wenn sie willkürlich festgehalten wurden“, um Ausbrüche des Coronavirus in Haftanstalten zu verhindern. Er prangerte an, dass „Tausende von Migranten unter unmenschlichen und unhygienischen Bedingungen festgehalten werden“, sodass es nicht überrascht, dass seit März „Menschen, die in den fünf Migrantenstationen in Mexiko festgehalten werden, Proteste für ihre Freilassung begonnen haben“, aus Angst vor Ansteckung. Dies führte zu „Zusammenstößen, bei denen es Dutzende von Verletzten und mindestens einen Toten gab“, fügte er hinzu. „Es ist absolut unerlässlich, dass die mexikanische Regierung sofort handelt, um Alternativen zu finden und freizugeben“, betonte er. Mexiko hat in dieser Hinsicht bisher keine Maßnahmen ergriffen.
Megaprojekte: essentielle Tätigkeiten?
Am 6. April ordnete AMLO aufgrund des Gesundheitsnotstands die Aussetzung der Arbeit für nicht essentielle Aktivitäten an. Aktivitäten im Zusammenhang mit den Megaprojekten waren jedoch ausgenommen. Diese Position ratifizierte er am 22. April, als er eine Reihe von Richtlinien veröffentlichte, die in einem Erlass zur Bewältigung der durch die Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise enthalten sind. Neben der Kürzung der Gehälter der hohen Funktionäre und der Senkung der Verwaltungskosten schlägt er vor, die Fortsetzung von Projekten wie dem Mayazug, der Raffinerie Dos Bocas oder dem Internationalen Flughafen Felipe Ángeles, der Ölförderung und der Sozialprogramme zu gewährleisten.
Angesichts dessen forderten Gemeinden, Aktivisten und zivile Organisationen die Aussetzung des Baus des Maya-Zuges, weil er „die Gesundheit und das Leben der Arbeiter, die mit den Arbeiten fortfahren müssen (…) sowie die davon betroffene, zumeist indigene Bevölkerung“ gefährde. “ Offenbar nutzt die Bundesregierung die gegenwärtige Situation aus, um ohne das Risiko einer Opposition die Fortführung eines Projekts voranzutreiben, das von verschiedenen Gruppen in Frage gestellt wurde und dessen Undurchsichtigkeit sogar dazu geführt hat, dass ein Bundesrichter auf eine von den Gemeinden Calakmul und Candelaria eingereichte einstweilige Verfügung hin einen Aussetzungsbeschluss erlassen hat“, kritisierten sie. Sie forderten auch, dass, sobald der Notstand vorüber ist, „ein echter, ernsthafter, informierter und gerechter Dialog eingeleitet wird, um die Rechte der indigenen Völker zu garantieren“. Sie betonten, dass „nachdrücklich auf den Mangel an Informationen über die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen hingewiesen wurde, die diese Arbeiten mit sich bringen werden“.
Im Mai erteilte ein Bundesrichter den indigenen Chiapanekern eine einstweilige Verfügung, die Arbeiten an dem Zug auf dem Streckenabschnitt Palenque einzustellen, weil „dies das Risiko für die Bewohner der Maya Ch’ol-Gemeinde erhöhen würde, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, und in gleichem Maße die Chance auf eine Behandlung verringern würde“. Der Nationale Fonds für Tourismusentwicklung (Fonatur) sagte, er sei nicht benachrichtigt worden und hielt die vorläufige Aussetzung für unangemessen. Später forderte auch die CNDH die Einstellung der Arbeiten, ebenfalls aufgrund der Ansteckungsgefahr für die betroffenen indigenen Gemeinden und Arbeiter.
Im Fall des Transisthmischen Korridors beantragten mehr als 150 Organisationen die sofortige Einstellung des Programms. Sie sprachen sich dafür aus, einen Alternativvorschlag auszuarbeiten – basierend auf Reflexion und horizontalem Dialog. Sie prangerten die Tatsache an, dass das Selbstbestimmungsrecht der indigenen und afromexikanischen Völker nicht respektiert worden sei. Darüber hinaus rechnen sie mit Umweltauswirkungen: „Wenn die erneute Auferlegung dieser Mega-Projekte erlaubt wird (…), würde sie die Umweltverschmutzung verschlimmern, die Gesundheit und die globale Erwärmung beeinträchtigen und die Grundbedürfnisse der Bewohner und Völker eines großen Teils des Süd-Südostens gefährden“. Sie erinnerten daran, dass die im Isthmus durchgeführten „Entwicklungs“-Projekte „der lokalen Bevölkerung nicht wirklich zugutegekommen sind; im Gegenteil, sie haben zu einer starken Beeinträchtigung ihrer Lebensweise, ihrer Kultur, der Umwelt, des sozialen Gefüges der Gemeinschaft geführt und sind von einer zunehmenden Militarisierung betroffen“.
Unsichtbarkeit anderer Menschenrechtsfragen inmitten der Pandemie
Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, schrieben die mexikanischen Frauen Geschichte, indem sie Demonstrationen und andere Arten von Protestaktionen veranstalteten und damit einen noch nie dagewesenen Aufruf zur Forderung nach mehr Gleichberechtigung und zum Protest gegen geschlechtsspezifische Gewalt und Feminizide durchsetzten. Darüber hinaus beteiligten sich schätzungsweise 22 Millionen Frauen einem landesweiten Streik am 9. März mit Hashtags wie #ElNueveNunaSeMueve (siehe Fokus und Artikel).
Im März legte das Mexikanische Zentrum für Umweltrecht (CEMDA) einen Bericht vor, in dem es erneut auf die Gefährdung von Umweltschützern in Mexiko hinwies. Er hielt fest, dass zwischen Januar 2012 und Dezember 2019 499 Angriffe auf Umweltverteidiger und 83 Morde verzeichnet wurden. Im Jahr 2019, dem ersten vollen Jahr der Regierung von AMLO, gab es 39 Angriffe, davon 15 Morde. Das CEMDA betonte, dass „es keine Fortschritte beim Strukturwandel gegeben hat, um angemessene und sichere Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Verteidigung der Menschenrechte zu schaffen“. Gegenwärtig begegnen wir immer noch Reden und Äußerungen der Regierung, die die Verteidigung der Menschenrechte disqualifizieren und stigmatisieren, was die Wahrnehmung der Gesellschaft polarisiert und es fertigbringt, die Gesellschaft zu delegitimieren und ein feindseliges Umfeld zu schaffen, in dem andere Aggressionen begangen werden können.
Am 10. Mai, dem Muttertag in Mexiko, demonstrierten Frauen, um zu unterstreichen, dass sie weiterhin nach ihren vermissten Kindern suchen werden. Der Aufruf wurde weit verbreitet, und wegen der Pandemie nahmen die Proteste andere Formen an, die Aktionen in sozialen Netzwerken oder Autokarawanen einschlossen. Organisationen Angehöriger forderten die Regierung nachdrücklich auf, die Suche nach den mehr als 61.000 Vermissten trotz der Umstände nicht einzustellen und die Identifizierung der mehr als 37.000 unbekannten Leichen zu beschleunigen.
Im Mai wurde zudem ein Dekret veröffentlicht, das den Streitkräften für die nächsten fünf Jahre Aufgaben der öffentlichen Sicherheit zu übertragen wird, und zwar zu Gunsten der Nationalgarde (GN), bis diese ihre Struktur, ihre Fähigkeiten und ihre Umsetzung auf dem gesamten Staatsgebiet entwickelt hat. Es ist nicht klar, wer das Kommando über die Streitkräfte haben wird, die sich diesen Aufgaben widmen. Die Gruppe #SicherheitOhneKrieg drückte ihre Ablehnung des Dekrets aus, indem sie die Ansicht vertrat, dass „das Dekret eine Reihe von Lücken aufweist, darunter die Tatsache, dass es weder den zeitlichen und geographischen Umfang festlegt, in dem die Streitkräfte mit Aufgaben der öffentlichen Sicherheit handeln werden, noch Mechanismen der Rechenschaftspflicht vorsieht oder garantiert, dass die Streitkräfte einer zivilen Macht unterstellt werden”.
CHIAPAS: ein Gesundheitssektor, der leicht abgehängt werden könnte
Mitte März, vor den Maßnahmen der Regierung, kündigte die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) die Schritte an, die sie als Reaktion auf die Pandemie einleiten wird, darunter die vollständige Schließung ihrer autonomen Strukturen und die Schließung ihrer Unterstützungsbasen. Sie forderte die Allgemeinbevölkerung auf, „die notwendigen Gesundheitsmaßnahmen zu ergreifen, die es ihnen auf wissenschaftlicher Grundlage ermöglichen, lebend aus dieser Pandemie herauszukommen“. Dies, ohne „den Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen fallen zu lassen, (…) zur Verteidigung des Territoriums und der Mutter Erde, (…) für die Verschwundenen, Ermordeten und Gefangenen und (…) für die Menschheit“.
Im April forderten Organisationen in Chiapas die Regierung auf, „sich mit den sozialen Faktoren der Pandemie zu befassen, die die Migrantenbevölkerung, arbeitende und Straßenkinder, Bewohner städtischer Randgebiete, Menschen in Haft und prekäre Arbeiter als Sektoren ausmachen, die am anfälligsten für Infektionen sind und daher rechtzeitige Diagnose und Zugang zu Behandlung benötigen“. Im Fall der indigenen Völker forderten sie „die volle Achtung der Ausübung ihres Rechts auf Autonomie und ihrer eigenen Modelle der Gesundheitsversorgung“. Der Gesundheitsnotstand „verdeutlicht den Abbau der öffentlichen Gesundheitssysteme“, prangerten sie an. Sie drängten darauf, dass „die Polizei und das Militär unter keinen Umständen Zwangsmaßnahmen anwenden sollten, um die Bevölkerung in Schach zu halten“.
Nicht nur das Coronavirus ist lebensbedrohlich
Im Februar traf die Karawane „Auf der Suche nach den 43“ der 2014 in Iguala verschwundenen Studenten der Landlehrerschule Ayotzinapa, an der ihre Familienangehörigen teilnahmen, an der Landlehrerschule Mactumactzá in Tuxtla Gutiérrez ein. Als Reaktion auf eine Blockade „nahmen mehr als zweihundert Staatspolizisten mit Panzern und Tränengasbomben am Eingang der Schule ohne jegliches Protokoll Stellung und begannen, Gasgeschosse zu werfen. Dabei wurden drei Studenten, zwei Mütter und ihre dreijährige Enkelin verletzt“, berichtete das Menschenrechtszentrum Tlachinollan. Der Unterstaatssekretär für Menschenrechte, Alejandro Encinas, forderte die Staatsregierung auf, „die Verantwortlichen für den Befehl zur Repression der Karawane zu untersuchen und zu bestrafen“. Die Generalstaatsanwaltschaft berichtete, dass zwei Polizeibeamte festgenommen wurden und dass noch immer eine Untersuchung gegen „die Verantwortlichen für die Verbrechen des Aufruhrs, die Angriffe auf den Frieden und die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum der Gesellschaft und des Staates, die Angriffe auf Kommunikationswege sowie die Verletzung von vier uniformierten Personen“ läuft.
Was die Menschenrechtsverteidiger betrifft, so äußerte das Frayba im April seine Besorgnis über neue Morddrohungen und Überwachungsaktionen gegen Pater Marcelo Pérez Pérez, Pfarrer von Simojovel, „Belästigungen, die auch die Sicherheit seines Pastorenteams und der Bevölkerung im Allgemeinen gefährden.
Im Hinblick auf die Zwangsvertreibung prangerten die Behörden in Aldama und Santa Martha (Chenalhó) von März bis Mai Aggressionen zwischen den Bewohnern an, die ihren Ursprung in einem langjährigen Konflikt über den Streit um 60 Hektar im Grenzgebiet zwischen den beiden Städten haben. Der Gemeindepräsident von Aldama und das Frayba berichteten fast täglich von „Aggressionen mit Schusswaffen, die von bewaffneten zivilen Gruppen paramilitärischer Natur aus den Gemeinden von Santa Martha stammen“ gegen die Einwohner von Aldama. Infolgedessen „flohen viele Familien [erneut] in die Berge. Gleichzeitig haben die Behörden in Santa Martha darauf hingewiesen, dass „ihre Nachbarn in Aldama diejenigen waren, die die Schießerei begannen“. Obwohl im Juni 2019 ein Nichtangriffspakt unterzeichnet worden war, gingen die Angriffe weiter.
Im Mai wurde über Schüsse in Chalchihuitán berichtet, die angeblich von einer bewaffneten Zivilistengruppe aus Chenalhó ausgegangen sein sollen. Im Zusammenhang mit der Pandemie gefährdeten diese Angriffe rund 1.236 Vertriebene, die sich in einer Situation extremer Armut befinden. Sie haben eine einstweilige Verfügung zum Schutz ihres Lebens und ihrer Sicherheit erwirkt, aber die Behörden „haben sich nicht effektiv an deren Umsetzung gehalten“, stellte das Frayba fest.
Land und Territorium: Verteidigungsinitiativen werden aufrechterhalten
Im März starteten Mitglieder des Regionalen Indigenen Volksrates von Xpujil (CRIPX), der Gemeindehauptstadt von Calakmul, Campeche, und Mitglieder des Menschenrechtsgebiets der Diözese San Cristóbal verlangten die Achtung der Rechte indigener Frauen, die vom Projekt des Mayazuges betroffen sind, weil die internationalen Standards für indigene Befragungen nicht eingehalten wurden und keine Studie über die ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Auswirkungen vorgelegt wurde.
Im März prangerte die Volksfront zur Verteidigung des Soconusco „20. Juni“ (FPDS) an, dass die Regierung von Chiapas sie zu einem Arbeitstreffen einberufen hatte, an dem Vertreter des Bergbauunternehmens El Puntal teilnahmen, „um sie zu warnen, dass die Regierung die „Rechtsstaatlichkeit“ anwenden wird, damit das Unternehmen seine Arbeit wieder aufnehmen kann. In Anwesenheit der chiapanekischen Staatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft für Landwirtschaft verwies der Geschäftsmann auf 12 Mitglieder der FPDS als die „Führer“ der Organisation und warnte davor, dass gegen sie Strafanzeige erstattet werden würde“. „Rechtsstaatlichkeit zu nutzen, hieße, alle Widersprüche und Unregelmäßigkeiten zu überprüfen, die das Projekt aufzeigt“, forderte er.
Im März forderte der Bürgermeister von San Cristóbal de las Casas die Nationale Wasserkommission (Conagua) auf, die dem Unternehmen Coca-Cola FEMSA erteilte Konzession zur Nutzung von Grundwasser in der Gemeinde zu widerrufen. Er bat darum, „den Bedürfnissen der Bevölkerung von San Cristobal Vorrang vor kommerzieller und industrieller Nutzung einzuräumen, da unsere Gemeinde unter Wasserknappheit leidet“. Conagua antwortete, dass „es keine Anhaltspunkte gibt“, um „die Konzessionstitel legal zu widerrufen“. Umweltgruppen forderten Conagua auf, „seine Position zu überdenken“. Sie bekräftigten, dass „die Vorteile, die sich aus der Schaffung von Arbeitsplätzen (…) ergeben, sowie die Mittel, die sie zur Finanzierung einiger ziviler Organisationen (…) bereitstellt, durch die Schäden und Risiken, die die Wasserentnahme mit sich bringt, zunichte gemacht und übertroffen werden“.
OAXACA: Kämpfe zur Verteidigung von Land und Territorium im Kontext der Pandemie
Im April veröffentlichte Gouverneur Alejandro Murat ein Dekret, in dem Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie vorgeschlagen werden, darunter die obligatorische Verwendung von Masken in öffentlichen Räumen. Diejenigen, die sich nicht an diese Vorschriften halten, müssen eine Geldstrafe zahlen oder bis zu 36 Stunden lang in Haft bleiben. Verschiedene Organisationen erklärten, dass diese Bestimmung „in die föderalen Zuständigkeiten eindringe und die Menschenrechte der indigenen Völker verletze“, da sie übertrieben sei, insbesondere für diejenigen, die jeden Tag hinausgehen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Im Mai erwirkte Código DH eine einstweilige Verfügung gegen die staatlichen Bestimmungen und erkannte an, dass die föderalen Auflagen in keinem Fall die Anwendung öffentlicher Gewalt oder die Genehmigung von Straf- oder Zwangsmaßnahmen in Betracht ziehen.
Was Aktivisten und Journalisten betrifft, so wurde im Februar einem Reporter und einem Kameramann, die über einen Protest wegen eines Landkonflikts vor dem Agrartribunal in Oaxaca-Stadt berichteten, mit dem Tode gedroht, falls ihre Aufnahmen nicht gelöscht würden. Kurz darauf wurden Mitglieder von 10 Medienunternehmen verbal und körperlich angegriffen. In Anbetracht der Abwesenheit der Polizei hielt es die Organisation der Meinungsfreiheit Artikel 19 für „alarmierend, dass die Sicherheit der Bürger und derjenigen, die die Meinungsfreiheit ausüben, nicht gewährleistet ist“. Reporter aus Oaxaca protestierten gegen die Angriffe umso mehr, weil sie „zu einer langen Liste von Beschwerden hinzugefügt wurden, in der Gruppen, Gewerkschaften, Organisationen und Einzelpersonen die Auffassung vertreten, dass bei Angriffen auf Medienvertreter nur das ausgestrahlt wird, was ihren Interessen am besten dient“.
Im Mai tauchte in der Gemeinde Nochixtlán ein Transparent mit Morddrohungen gegen den Bürgermeister und Mitglieder des Ausschusses der Opfer für Gerechtigkeit und Wahrheit vom 19. Juni (Covic) auf. Diese Organisation wurde gegründet, um Gerechtigkeit zu fordern angesichts der Repression der Polizei am 19. Juni 2016, als Mitglieder der Lehrergewerkschaft und Eltern, die gegen die Bildungsreform von Enrique Peña Nieto protestierten, vertrieben wurden, wobei sechs Tote und 108 Verletzte zu verzeichnen waren. Es wird vermutet, dass diese Drohungen auf die Fortschritte bei den Ermittlungen in den letzten Wochen zurückgehen, als der ehemalige Gouverneur von Oaxaca, Gabino Cué Monteagudo, sowie die damals amtierenden Staats- und Bundessicherheitssekretäre vorgeladen wurden.
Was Land und Territorium anbelangt, so werden die Ressourcen und Bemühungen um Koordinierung immer zahlreicher. Im Februar gewannen die indigenen Bewohner von San Pedro Quiatoni eine einstweilige Verfügung gegen die Tochterfirmen des US-amerikanischen Unternehmens Gold Resource Corp.
Außerdem bildeten Vertreter aus rund 50 Gemeinden und 20 Organisationen die Versammlung zur Verteidigung von Land und Territorium in Oaxaca. Damit sollte „ein Konsens im Kampf um die friedliche Verteidigung der Mutter Erde, ihrer Kulturen und ihrer eigenen Organisationsformen erreicht werden“. Sie prangerten an, dass „die mexikanische Regierung als treuer Diener der transnationalen Konzerne die Privatisierung von Ejido- und Gemeindeland (…) gefördert hat, um den Unternehmen Rechtssicherheit zu geben“, deren Projekte in der Regel „die Zerstörung des sozialen Gefüges, die Unterdrückung des Protests, die Zerstörung und Kontaminierung von Naturgütern“ nach sich ziehen.
Im März erreichte die Gemeinde Santa María Zapotitlán eine einstweilige Verfügung gegen das Bergbauunternehmen Zalamera. In der Verfügung heißt es, es bestehe ein kollektives Interesse, weil „das Territorium der Schlüssel zur materiellen, spirituellen, sozialen und kulturellen Reproduktion eines indigenen Volkes ist“.
GUERRERO: Gefahr der Unsichtbarkeit mehrerer Probleme
Guerrero ist ein weiterer Staat, in dem die gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen, die bereits vor der Pandemie bestanden, befürchten lassen, dass COVID-19 tragische Auswirkungen haben könnte. Im April lenkten Stadt- und Gemeindebehörden die Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse „indigener und afromexikanischer Brüder und Schwestern“ nicht nur während der Gesundheitskrise, sondern auch im Hinblick auf ihre Folgen. Sie riefen dazu auf, „die Entscheidungen der Gemeinden zu respektieren, um Kontrollsysteme für die Ein- und Ausreise vieler Gemeinden einzurichten“. Sie waren der Ansicht, dass „dies drastische, aber notwendige Schutzmaßnahmen sind“. Sie forderten die Beachtung von Tagelöhnern, die auf landwirtschaftlichen Plantagen im Norden arbeiten und ohne medizinische Versorgung zurückkehren mussten. Sie wiesen auch auf die Migranten in den Vereinigten Staaten hin, Tausende von Menschen aus Guerrero in schwierigen Situationen, von denen einige zurückkehrten und ihre Gemeinden selbst für sie geschlossen vorfanden.
Sogar im emblematischen Fall von Ayotzinapa hat das Komitee der Mütter und Väter der 43 Studenten der Landlehrerschule Ayotzinapa, die 2014 in Iguala verschwunden sind, seine Befürchtung geäußert, „dass die auf die Gesundheitsfrage konzentrierte Berichterstattung in den Medien die Verschwundenen unsichtbar macht“. Im März wurden drei Personen festgenommen, die verdächtigt wurden, an Folterhandlungen gegen die Angeklagten des Falles beteiligt gewesen zu sein. Darüber hinaus, sollen „der ehemalige Direktor der Kriminalpolizei (AIC), Tomás Zerón de Lucio, und der ehemalige Chef der Bundespolizei, Carlos Gómez Arrieta, verhaftet worden sein“. Die begleitenden Organisationen erkannten diese Aktionen an, „weil sie bestätigen, was die Familien immer angeprangert haben: die Manipulation der Untersuchung“.
Was die Situation von Aktivisten und Journalisten betrifft, so wurde im April der Delegierte der Menschenrechtskommission des Bundesstaates Guerrero (CDHEG), Eliseo Jesús Memije Martínez, zusammen mit seinem Sohn in der Gemeinde Coyuca de Benítez ermordet.
Im April beklagten Tlachinollan und das Netz „Alle Rechte für Jeden“ (Red TDT) die Risiken, denen die Mitglieder des Regionalen Menschenrechtszentrums Morelos und Pavón ausgesetzt sind, die die Opfer der Zwangsvertreibung aus der Gemeinde Leonardo Bravo begleiten. Im April dieses Jahres erhielten sie, die Vertriebenen und der Journalist Ezequiel Flores von der Zeitschrift Proceso, „über einen Post auf ihrer Facebook-Seite Morddrohungen von der Gruppe bewaffneter Zivilisten „Vereinte Front der kommunalen Polizei des Staates Guerrero“ (FUPCEG)“. Artikel 19 stellte fest, dass im Fall von Flores Contreras „verbale und physische Angriffe gegen ihn systematisch (…) und von Seiten staatlicher Agenten und mutmaßlicher organisierter Verbrecher erfolgt sind. Artikel 19 hat 280 Aggressionen gegen die Presse in Guerrero dokumentiert, was den Staat zum viertgefährlichsten für Journalisten macht.
Unterdessen berichteten Vertriebene aus den Gemeinden Leonardo Bravo und Zitlala, dass „bewaffnete Gruppen die Kontrolle über die Gemeinden Carrizal de Bravo und El Balsamar übernommen haben“. Sie forderten die Präsenz der Nationalgarde, eine Forderung, die vor einem Jahr in dem Schreiben erschien, das sie mit dem Innenministerium unterzeichneten, um „die Kontrolle über die Sicherheit in der gesamten Region zu übernehmen, aber die Bundesregierung hat dieses Versprechen bisher nicht erfüllt“.
Im Mai wurde Oscar Ontiveros Martínez, ein Oppositionsführer des Bergbauunternehmens Media Luna, in der Gemeinde Cocula von einer bewaffneten Gruppe hingerichtet. Familienangehörige prangerten an, dass dies aus politischen Motiven und unter Repressionen wegen seines Aktivismus gegen den Bergbau geschah, da er bei dem Streik im November 2017 eine Schlüsselfigur war. Sie erinnerten daran, dass im Jahr 2018 drei Beschäftigte, die an Protesten für die Unabhängigkeit der Gewerkschaft und die Achtung der Rechte von Mietern teilgenommen hatten, ermordet wurden.
Im April erklärte der Oberste Gerichtshof der Nation die Änderungen des Gesetzes 701 über Anerkennung, Rechte und Kultur der indigenen Völker und Gemeinschaften des Staates Guerrero von 2018 für verfassungswidrig, „da es keine vorherige, freie, informierte, gutgläubige und kulturell angemessene Konsultation gab“. Tlachinollan begrüßte die Tatsache, dass „klar festgelegt wurde, dass es nicht die staatlichen Behörden sind, die allein über den Lebensweg des Volkes entscheiden können“.