TRANSNATIONALE UNTERNEHMEN IN GUERRERO
06/02/2012GEOGRAFISCHE LAGE
31/03/2012Im Februar warnten Mitglieder des Kabinetts von Felipe Calderón vor ernsthaften Problemen im Kampf gegen das organisierte Verbrechen, welches das vorrangige Politikfeld der Regierung Calderón seit Beginn ihrer Amtszeit darstellt. Am 9. Februar gab Verteidigungsminister Guillermo Galván Galván öffentlich zu, dass „die organisierte Kriminalität sich in einigen Regionen des Landes der Regierungsinstitutionen bemächtigt“ und damit die innere Sicherheit Mexikos stark gefährdet. Hinterher musste Innenminister Alejandro Poiré auf der Einweihungsfeier des internationalen Forums „Drogen: Bilanz nach einem Jahrhundert des Verbots“ anerkennen, dass die organisierte Kriminalität mittlerweile die drei Regierungsebenen infiltriert hat. Auch wenn es relativ unwahrscheinlich ist, dass die Bundesregierung nun in den verbleibenden Monaten noch ihre Strategie ändert, – eine Strategie, die von großen Teilen der Gesellschaft seit Jahren in Frage gestellt wird – so könnte zumindest ein Wechsel des Diskurses als eine Wegbereitung für eine Strategieänderung sowohl gegenüber der Zivilgesellschaft als auch gegenüber den involvierten Sicherheitskräften dienen.
Der aktuellen Regierung bleibt nur noch wenig Zeit, um mögliche Veränderungen in Angriff zu nehmen, da am 1. Juli die Präsidentschaftswahlen stattfinden. Bei den internen Wahlen der aktuellen Regierungspartei (Partei der Nationalen Aktion, PAN) am vergangenen 4. und 5. Februar wurde Josefina Vázquez Mota zur Kandidatin gewählt. Die Präsidentschaftskandidatin steht für Versprechen eines Wechsels ohne Bruch. An den Wahlurnen wird sie gegen Enrique Peña Nieto, dem gemeinsamen Kandidaten der Koalition zwischen der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) und der Partei der Ökologischen Grünen Mexikos (PVEM), antreten. Er ist momentan derjenige, der die Umfragen anführt, obwohl seine zahlreichen öffentlichen Auftritte einen gewissen Verschleiß und einen prozentualen Rückgang der potenziellen WählerInnenstimmen zur Folge hatten. Der dritte Kandidat, der gemeinsame Kandidat der Progressiven Bewegung, einer Koalition aus der Partei der Demokratischen Revolution (PRD), der Partei der Arbeit (PT) und der BürgerInnenbewegung (MC), ist Andrés Manuel López Obrador (AMLO). Bei den Präsidentschaftswahlen 2006 verlor AMLO mit weniger als einem Prozentpunkt gegen Calderón, klagte jedoch danach über Wahlbetrug.
Menschenrechte: Die Version der Regierung und die Erfahrungen der MenschenrechtsverteidigerInnen und AktivistInnen
Am 7. Februar erklärte Innenminister Alejandro Poiré, dass die Menschenrechte „oberste Priorität bei der jetzigen Regierung hätten“. Diese Behauptung wurde von mehr als 80 Organisationen in einer gemeinsamen Stellungnahme mit dem Titel „Die Menschenrechte sind KEINE gültige Realität in diesem Land“ zurückgewiesen. Es wurde klargestellt, dass während die mexikanische Regierung öffentlich einen Diskurs der Respektierung der Menschenrechte vertritt, jedoch in der Realität MenschenrechtsverteidigerInnen in diesem Land gefährdet sind. Sie präsentierten Beispiele für die „Kluft, die zwischen dem Diskurs des Innenministeriums und der vorherrschenden Realität besteht“: Die nicht erfolgte Umsetzung der Urteilssprüche des Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR), die Verteidigung der Militärgerichtsbarkeit sowie die Abwesenheit eines Schutzmechanismus für die MenschenrechtsverteidigerInnen. Die Mitglieder sozialer Bewegungen sind ebenfalls in Gefahr: Bis zum heutigen Tage wurden drei Tote registriert, die mit der Bewegung für Frieden mit Gerechtigkeit und Würde (MPJD), welche von Javier Sicilia im April 2011 angestoßen wurde, in Verbindung standen.
Es scheint wenig Möglichkeit für Anzeigen zu geben, wenn wir die Reaktion des Präsidenten Felipe Calderón auf die Beschwerde von 23.000 BürgerInnen beobachten, die am 25. November die Einmischung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) im Falle Mexikos forderten. Diejenigen, die die Petition an den IStGH unterstützen, sind der Meinung, dass Calderón und sein Kabinett MittäterInnen, – durch Taten und Unterlassungen – der im Zusammenhang mit der Strategie gegen die organisierte Kriminalität begangenen Menschenrechtsverletzungen sind. Calderón verkündet, dass es die Überlegung gibt, „auf juristischem Wege gegen sie zu vorzugehen“, wenn man in Erwägung zieht, dass „der gute Ruf Mexikos schrecklich beschmutzt wird“. Die Strategie gegen den Drogenhandel hat bereits mehr als 50.000 Tote, Zehntausende Waisenkinder, tausende Verschwundene und Zehntausende Vertriebene verschuldet. Nichtsdestotrotz redet Calderón weiterhin von „Kollateralschäden“ und von dem „Klagen um die Menschenrechte“ und erklärt, dass 90% der Toten DrogenhändlerInnen gewesen seien.
Wenn auch in einem ungünstigen Kontext, so sucht die Zivilgesellschaft doch weiterhin nach Möglichkeiten Widerstand zu leisten: Vom 30. Dezember 2011 bis zum 2. Januar 2012 fand das Zweite Internationale Seminar der Reflexion und Analyse „Planet Erde: Antisystemische Bewegungen“ in San Cristóbal de Las Casas, Chiapas statt. Intellektuelle und AktivistInnen aus Mexiko und aus der ganzen Welt teilten dort ihre Erfahrungen und ihre Überlegungen über die verschiedenen sozialen Kämpfe miteinander. Am 13. und 14. Januar fand zudem das erste Treffen der landesweit Beteiligten der Bewegung für einen Frieden mit Gerechtigkeit und Würde in Mexiko-Stadt statt. Sie erklärten „weder die politische Macht anzustreben noch die politische Karriere von irgendjemandem zu fördern“ und riefen die BürgerInnen dazu auf, 2012 bei verschiedenen Initiativen mitzuwirken. Dazu gehören die Kampagne „Zieh dir die Schuhe des Anderen an“, der Aufruf an die PräsidentschaftskandidatInnen und an alle anderen KandidatInnen bei den Wahlen zu einem Dialog über die Friedensstrategie, eine Karawane in die USA sowie ein nationales Zusammentreffen für Frieden und Gerechtigkeit am 21. und 22. April in Cuernavaca, Morelos.
Chiapas: Der Wahlkampf verdrängt die öffentliche Beachtung zahlreicher Brennpunkte
Ein Faktor, der gemeinhin die sozio-politische Situation im Bundesstaat verschlechtert, ist der Wahlkampf. In diesem Jahr könnte sich dies verschärfen, da zum ersten Mal die Wahlen auf Bundesebene und die auf lokaler Ebene (40 Abgeordnete und Landräte) am gleichen Tag, nämlich am 1. Juli, stattfinden. Etwas später, am 19. August, findet dann die Wahl des nächsten Gouverneurs von Chiapas statt. Obwohl die Wahlkampagnen offiziell noch nicht angefangen haben, nutzten zahlreiche potenzielle KandidatInnen ihre „Berichte zur Amtsführung“ als LandrätIn oder Abgeordnete/r, um für sich Werbung zu machen. Inmitten eines Machtkampfes zwischen den Bundes- und den Landesspitzen der Parteien sind die mit ihnen verbundenen Akteure in die Entscheidung vertieft, wer als KandidatInnen für die Wahl aufgestellt wird. Währenddessen beklagen soziale AktivistInnen und Organisationen weiterhin den Zustand der Straflosigkeit und auf die Kontrolle der Bevölkerung und von Territorien ausgerichtete Strategien.
Am 22. Dezember 2011, 14 Jahre nach dem Massaker in Acteal, bei dem 45 Indígenas starben, veranstaltete die Organisation „Las Abejas“ eine Vielzahl von Aktivitäten, bei denen nicht nur weiterhin die Straflosigkeit in ihrem eigenen Fall angeprangert, sondern auch auf die in Chiapas und im ganzen Land herrschende Gewalt hingewiesen werden sollte. In diesem Zusammenhang verkündete der ehemalige Weihbischof von Chiapas und aktuelle Bischof von Saltillo (Coahuila), Raúl Vera López, dass „die Polizei gestern wie auch heute Komplize derjenigen ist, die Raube, Morde, Entführungen und Verschwinden lassen verüben“. Und heute wie gestern „haben die Kriminellen Verbündete innerhalb der drei Regierungsebenen, ansonsten könnten sie sich nicht auf einen Schutz verlassen, der dafür sorgt, dass 98% ihrer Verbrechen ungestraft bleibt“.
Dass die Regierung Mexikos im vergangenen November eine diplomatische Note an das Außenministerium der USA schickte, in der sie die Anerkennung der Immunität des Ex-Präsidenten Ernesto Zedillo (1994-2000) forderten, ist für den eben beschriebenen Sachverhalt ein passendes Beispiel. Seit September 2011 sieht sich dieser nämlich mit einer Zivilklage in Connectitut (USA) bezüglich des Massakers von Acteal konfrontiert. Im Januar präsentierte Zedillo selbst eine Petition mit dem selben Ansinnen und stritt jegliche Verantwortlichkeit für den Vorfall ab. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Abgeordnete kritisierten diese beiden Vorgänge und hielten fest, dass Immunität nicht mit Straflosigkeit verwechselt werden sollte. Die Organisation „Las Abejas „hat diesen zivilrechtlichen Prozess nicht angestrebt, erklärte jedoch: „Wir sind nicht dagegen, dass Zedillo verurteilt wird, im Gegenteil (…). Aber wir sind dagegen, dass Verwirrung gestiftet wird und Manipulation stattfindet. Beispielsweise wollen wir nicht, dass durch eine Anklage, die sich auf eine einzige Person konzentriert, die Tatsache, dass es sich um ein Staatsverbrechen handelte, verschleiert und die Aufstandsbekämpfungspolitik, die heute immer noch dieselbe ist, vergessen wird.“ Etwas später, am 1. Februar, wurden sieben für das Massaker von Acteal verurteilte Indígenas freigelassen. Bist zum heutigen Tag sind von den insgesamt 79 Verurteilten 52 wieder freigesprochen worden.
Des weiteren stellt die Thematik „natürliche Ressourcen, Landbesitz und Territorien“ immer noch die Hauptursache der Konfliktivität dar. Die im Dezember veröffentlichte Abschlusserklärung des regionalen Forums für die Verteidigung der Menschenrechte, welches in San Cristóbal stattfand, betonte die Verletzlichkeit der indigenen und kleinbäuerlichen Gemeinden gegenüber zahlreichen Bedrohungen, wie der Zerstörung und der Vertreibung von ihren Ländereien und ihren Gemeindegütern. Dies erzeuge eine noch größere Armut und führe zu einer Zerstörung des sozialen Zusammenhalts, was wiederum eine verstärkte Migration und Konfliktivität zur Folge hätte. Am 24. November fand ein Pilgermarsch mit ca. 8.000 Katholiken der 54 Kirchgemeinden des Bistums von San Cristóbal statt, bei dem auch zahlreiche Situationen, in denen es genau um diese Bedrohungen und Konflikte geht, angeprangert wurden.
Am 20. Januar beklagten AnhängerInnen der Anderen Kampagne in Chiapas in einer Erklärung die Regierungsstrategien, die „einen Krieg der Vertreibungen darstellen, der ökologische Plünderung, Privatisierung der natürlichen Ressourcen, Übernutzung der Arbeitskraft, territoriale Vertreibung, Vernichtung der indigenen Gemeinden, Repression, Verfolgung, Inhaftierungen und Morde mit sich bringt, um die sozialen Widerstandskämpfe im Zaum zu halten.“ Sie erklärten, dass die Umsetzung dieser Strategien in verschiedenen Teilen des Bundesstaates bewiesen sei und vor allem in zapatistischem Gebiet besonders deutlich würde. Das aktuelle Beispiel lässt sich in dem Ejido Banavil im Landkreis Tenejapa finden: Dort fand im Dezember ein bewaffneter Übergriff von einer aus ca. 50 Mitgliedern der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) bestehenden Gruppe auf vier mit der EZLN sympathisierender Familien statt. Der Angriff hatte einen Toten, einen Verschwundenen, mehrere Verletzte, vier vertriebene Tzeltal-Familien und die Inhaftierung einem der zapatistischen Unterstützungsbasis angehörendem Indígena zu Folge.
Das Thema der Gefangenen und der Haftbedingungen blieb auch weiterhin ein Mobilisierungsfaktor innerhalb und außerhalb der Gefängnisse. Zwischen Mitte Dezember und Anfang Januar organisierten Mitglieder der „Front der Ejidos Cintalapa und Busiljá im Widerstand“ (Landkreis Ocosingo), die auch AnhängerInnen der Anderen Kampagne sind, ein Protestcamp in San Cristóbal, um unter anderem die Freilassung zweier in Playas de Catazajá inhaftierter Mitstreiter zu fordern. Im Januar wurde die Freilassung von David Potenciano Torres bekannt, der wegen Mord angeklagt war und sieben Monate in Haft saß. Seine Familie bezog sich in einer Erklärung auf das polemische Vorgehen der chiapanekischen Regierung in diesem Fall: „Die Freilassung unseres Davids muss im Kontext eines politischen und medialen Aktes gesehen werden, mit dem versucht wurde, Ungerechtigkeit, Folter, Machtmissbrauch, Belästigung und den ganzen Schaden, der unserer Familie zugefügt wurde, zu verschleiern und zu verdrängen.“ Am 8. Januar wurde im Gefängnis von San Cristóbal de Las Casas der sechste Jahrestag der „Stimme von El Amate“ gefeiert, ein organisatorischer Prozess von Gefangenen, die der Anderen Kampagne angehören. Es nahmen sowohl Einzelpersonen als auch nationale und internationale Organisationen an den Feierlichkeiten teil.
Oaxaca: Beschwerden der Gesellschaft angesichts nicht erfüllter Forderungen
Auch wenn es formal ein Fortschritt war, als der Kongress des Bundesstaates Oaxacas im Januar das Gesetz zur Verteidigung der Menschenrechte der BürgerInnen Oaxacas verabschiedete, blieben die Forderungen der Gesellschaft nach Gerechtigkeit leider dieselben. Am 25. November fand zum Gedenken des fünften Jahrestages der Repression gegen die Volksversammlung der Völker Oaxacas (APPO) in Oaxaca-Stadt eine Demonstration statt, auf der Gerechtigkeit und Bestrafung der für die Repression Verantwortlichen gefordert wurde. So steht in einem Kommuniqués der LehrerInnen: „Die aktuelle Regierung des Bundesstaates hat immer noch nicht die Gerechtigkeit walten lassen, die das Volk Oaxacas und alle, die unter der von Ulises Ruiz 2006 angeordneten Repression leiden mussten, einfordern.“
Einige Tage zuvor wurde bekannt, dass die Regierung von Gabino Cué zugesagt hatte, ca. 11 Millionen Pesos als Entschädigung für die 64 „Überlebenden und ehemaligen politischen Gefangenen“ und für die „psychisch erlittenen Schäden“ während des Konflikts 2006-2007 zu bezahlen. 44 der 64 Opfer erhielten die vereinbarte Summe. Daraufhin bemängelte der Zusammenschluss Espacio Ciudadano por la Verdad y la Justicia en Oaxaca in einer Erklärung den „diskreten Umgang mit Informationen und fehlende Transparenz in einem Prozess, der vermeintlich die Forderung der Opfer von Menschenrechtsverletzungen von 2006 nach Gerechtigkeit erfüllt. Dies hat zu einer Kette von Gerüchten, Herabwürdigungen, Beschuldigungen und Spaltungen geführt, die, anstatt eine Entschädigung zu sein, die Betroffenen erneut zu Opfern macht.“
In einem weiteren Fall gab es ebenfalls keine Fortschritte. Die vom Autonomen Landkreis San Juan Copala vor 16 Monaten von der Vereinigung für sozialen Wohlstand der Triqui-Region (Ubisort) vertriebenen Triquis versuchten mit einer Karawane am 26. Januar in ihre Gemeinden zurückzukehren. Am 7. Februar kehrten sie zum Protestcamp vor dem Regierungspalast zurück, das sie in Oaxaca-Stadt errichtet hatten, da sie nicht mit dem Vorschlag einverstanden waren, in kleinen Gruppen zurückzukehren.
Gemeinden, in denen sich ein Teil der BewohnerInnen gegen große Infrastrukturmaßnahmen wehrt, stellen einen zusätzlichen noch nicht gelösten Brennpunkt dar. Am 18. Januar wurden zwei BewohnerInnen von San José del Progreso (Landkreis Ocotlán), die gegen die Abtragungen des Bergwerks La Trinidad sind, durch PolizistInnen und Angestellte des Landratsamtes angeschossen, einer von ihnen erlag am Tag darauf seinen Verletzungen. Ein anderes Beispiel ist San Dionisio del Mar im Isthmus von Tehuantepec, wo die BewohnerInnen des Landkreises den Vertrag mit dem Unternehmen Preneal für ungültig erklärten. Sie besetzten gewaltfrei das Landratsamt, um von der Regierung des Bundesstaats die Absetzung des Landrats zu fordern, da er „mit dem Unternehmen verwickelt ist, weil er den Windpark auf unserem Gebiet durchsetzen will.“ (Siehe auch den Schwerpunkt in diesem Bericht)
Menschenrechte in Guerrero: Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück
Am 15. Dezember 2011 entschuldigte sich Innenminister Alejandro Poiré im Namen des mexikanischen Staates in einem Staatsakt bei der Indígena Valentina Rosendo Cantú, die 2002 von Soldaten vergewaltigt wurde (siehe auch der Artikel in diesem Bericht). Trotz der Wichtigkeit dieses Aktes wartet sie weiterhin darauf, dass die Täter bestraft werden. Diese Forderung wird schwer zu erfüllen sein, solange die Bundesregierung trotz aller Kritik von den höchsten internationalen Stellen an der Militärgerichtsbarkeit in ihrer derzeitigen Form festhält. Als Beispiel dient die Anfechtung des wegweisendes Urteils durch das Verteidigungsministerium, mit welchem Familienangehörige von Bonfilio Rubio Villegas einen Einspruch gegen die Ausweitung der Militärgerichtsbarkeit in dem Fall gewonnen hatten. Bonfilio Rubio Villegas war 2009 von Soldaten erschossen worden. Das Menschenrechtszentrum Tlachinollan erklärte diesbezüglich: „[D]as Verteidigungsministerium zeigt deutlich, dass es die Militärgerichtsbarkeit in ihrer derzeitigen Form weiterhin hartnäckig verteidigen wird. […] Es zeigt auch, dass die Armee so lange nicht dem Zivilrecht unterworfen wird, so lange das Militärrecht nicht reformiert wird.“
Der Fall in Guerrero, der jüngst für die meiste Aufmerksamkeit in Sachen Menschenrechte sorgte, ereignete sich am 12. Dezember: Bei einem Polizeieinsatz gegen eine Demonstration von Studierenden der Escuela Normal Rural „Raúl Isidro Burgos“ von Ayotzinapa kam es zum Tod von zwei Studierenden und einem Tankstellenangestellten. Die Nationale Menschenrechtskommission (CNDH) veröffentlichte am 8. Januar einen vorläufigen Untersuchungsbericht, in dem sie auf das Versagen der in den Vorfall involvierten Behörden hinwies. Sie erklärte die Bundespolizei, die Kriminalpolizei und die Landespolizei des Bundesstaates als direkt verantwortlich für den Tod der drei Personen, für vier durch Schusswaffen Verletzte und die Misshandlung von 14 Studierenden. Daraufhin entließ der Gouverneur Ángel Aguirre Rivero den Generalstaatsanwalt, den Amtsinhaber des Ministeriums für die Polizeikräfte und einen Staatssekretär desselben Ministeriums. Die Staatsanwaltschaft von Guerrero bestätigte zudem die Entlassung von sieben Funktionären, die anscheinend in den Fall verwickelt sind.
Am 7. Dezember wurden der Präsident der Organización de Campesinos Ecologistas de la Sierra de Petatlán (OCESP), Marcial Bautista Valle, und die Beraterin der Organisation, Eva Alarcón Ortiz, von einer Gruppe Unbekannter in der Region Costa Grande entführt. Bisher gibt es noch keine Spuren in diesem Fall. Das Observatorium zum Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen befürchtet, „dass ihr Verschwinden eng mit ihrer Tätigkeit der Verteidigung der Menschenrechte zusammenhängt. Zudem könnte ein Ziel sein, die anderen MenschenrechtsverteidigerInnen in Guerrero davon abzubringen, diese Arbeit weiter zu machen.“
In Ayutla de los Libres, einem anderen häufig von Menschenrechtsorganisationen erwähnten Landkreis, wurde im Januar Maximino García Catarino, Mitglied der Organisation für die Zukunft der Mixteco (OFPM) verhaftet. Er wird des Mordes an einem Anführer der PRI in der Region beschuldigt. Die Verhaftung erfolgte, obwohl in seinem Fall von der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (IAKMR) Schutzmaßnahmen angeordnet worden waren. Amnesty International äußerte sich besorgt über die Verhaftung des Aktivisten, zumal sie schon weitere Fälle von indigenen AktivistInnen in Ayutla de los Libres dokumentiert haben, die falschen Anschuldigungen ausgesetzt waren und mehrere Jahre im Gefängnis saßen, weil ihnen das Recht auf einen fairen Prozess verweigert wurde.