Aktivitäten von SIPAZ (Mitte November 2018 bis Mitte Februar 2019)
14/04/2019FOKUS: Folter in Mexiko, eine „wiederkehrende“ und „weit verbreitete“ Problematik
02/07/2019Ebenso während der Kampagne wie nach seinem Wahlsieg 2018, versprach Präsident Andrés Manuel López Obrador (AMLO) eine große Transformation Mexikos.
Sechs Monate nach seinem Amtsantritt, hält er die Zahl der verabschiedeten Gesetze weiter bei über 60%, eine gute Maßnahme unter anderem für die Kürzung von Ausgaben bestimmter staatlicher Institutionen, einige Reformen und ein weitreichendes Angebot an Programmen für die Armen. Nichtsdestotrotz haben einige Analysten auf zahlreiche Elemente der Kontinuität und Besorgnis in verschiedenen Bereichen hingewiesen. Beispielsweise war ein Schlüsselelement seiner Kampagne der Kampf gegen die Korruption, aber bislang wurde noch kein einziger Prozess gegen öffentliche Funktionäre oder Unternehmer wegen Korruption begonnen. Außerdem wurden laut „Mexikaner gegen die Korruption und Straflosigkeit“ mehr als 70% seiner Verträge ohne öffentliche Ausschreibungen abgeschlossen.
In Hinblick auf die Sicherheit wurde die Gründung der Nationalgarde, einem Polizeikörper mit 150.000 Kräften, nach einigen wichtigen Veränderungen am ursprünglichen Gesetzestext, verabschiedet. Die militärische Komponente des Vorschlages wurde sowohl vom Kongress als auch von Menschenrechtsorganisationen überaus kritisch hinterfragt. Unter den hauptsächlichen Änderungen wird ein ziviler Charakter der Garde festgeschrieben und damit, dass ihre Mitglieder, wenn sie ein Verbrechen begehen, von einem Zivilgericht verurteilt werden. Dazu kommt, dass die Soldaten, die im Augenblick Aufgaben der öffentlichen Sicherheit erfüllen, maximal für fünf Jahre weiter auf den Straßen bleiben, während die Nationalgarde gegründet wird.
Mehr als 50 zivilgesellschaftliche Organisationen, Akademiker und Aktivisten warnten vor der Möglichkeit, dass „das einzig zivile dieser Garde ihre administrative Maske sein wird“. Sie baten AMLO darum, seine Wahlversprechen einzuhalten und „nicht mehr darauf zu bestehen, das Land zu militarisieren“. „Mittlerweile müsste klar sein, dass die militärischen Strukturen nicht dabei geholfen haben und nicht dabei helfen werden, Situationen öffentlicher Unsicherheit anzugehen“, erklärten sie. Trotzdem bestätigte AMLO, dass das Kommando der Nationalgarde militärisch sein wird, ebenso wie die Personen, die den Generalstab bilden werden. Er betonte, dass die Nationalgarde einen Ausbildungsprozess über Menschenrechte und den „moderaten, regulierten Gebrauch der Kräfte“ durchlaufen wird. Im Mai waren die ersten 61.000 Elemente der Nationalgarde (der bewaffneten Kräfte und der Bundespolizei) schon verteilt, ohne dass verschiedene sekundäre Gesetze, die gesamtheitlich definieren sollen, wie die Garde funktioniert, verabschiedet worden waren.
Menschenrechte: das Niveau der Gewalt und der Menschenrechtsverletzungen alamiert weiter multilaterale Organismen
Am Ende ihres Besuches in Mexiko bezeugte die UN-Hochkomissarin für Menschenrechte (UNHCHR), Michelle Bachelet, ihre Überraschung darüber, was sie gesehen hatte. „Der Fall von Ayotzinapa ist in der Presse ohne Zweifel sehr bekannt, aber die 40.000 Verschwundenen waren etwas, das mir nicht so klar war, die 26.000 nicht identifizierten Leichen (in gerichtsmedizinischen Leichenhallen). Oder dass fast 10 Frauen jeden Tag ermordet werden. Ich wusste sehr gut über die Gewalt Bescheid, aber ich hatte keine Ahnung von ihrem Ausmaß“. Sie wies darauf hin, dass Mexiko die Todeszahlen eines Landes im Krieg hat: 252.538 Menschen seit 2006. Sie unterschrieb auch eine Zusammenarbeit über die Nationalgarde und für die Ermittlung des gewaltsamen Verschwindenlassens von 43 Lehramtsstudenten aus Ayotzinapa (Guerrero, 2014). Sie hob hervor, dass die neuen Autoritäten des Landes „anerkannt haben, dass sich Mexiko in einer Menschenrechtskrise befindet“ und dass politischer Wille sichtbar ist, bei den ausstehenden Aufgaben voranzukommen.
Viele dieser Realitäten wurden von der vorherigen Administration geerbt. Eine Illustration dessen ist die Tatsache, dass der mexikanische Staat 262 der 264 der im Zusammenhang mit der Universellen Periodischen Überprüfung (UPR) vom UN-Menschenrechtsrat ausgesprochenen Empfehlungen akzeptiert hat. Zudem wurde angekündigt, eine Plattform zu schaffen, um die mehr als 2.800 internationalen Empfehlungen, die das Land seit 1994 erhalten hat, zu bearbeiten.
Ein wiederkehrendes Thema in diesen Empfehlungen ist die Folter. Im April wurde der „Alternative Bericht der Organisationen der Zivilgesellschaft von Mexiko“ vor dem UN-Komitee gegen Folter (CAT) vorgestellt, um bei einer Überprüfung der Umsetzung internationaler Verträge hinsichtlich der Prävention, des Verbotes und der Bestrafung zu helfen. Die mexikanische Regierung hinterfragte diese Diagnostik, die von Folter als eine „weit verbreitete“ Praxis spricht, wenn man bedenkt, dass „sie in den letzten Jahren weniger geworden ist“; nichtsdestotrotz erkannte sie an, dass die Problematik weiterhin „schwierig und kritisch“ ist, insbesondere in den einzelnen Bundesstaaten. Das CAT veröffentlichte 98 Empfehlungen. Die mexikanische Regierung versprach, sich ihrer anzunehmen (siehe Fokus).
Ein anderes Thema, das die letzten Amtszeiten dominiert hat, ist das des Verschwindens. Im April erkannte die Nationale Menschenrechtskomission (CNDH) an, dass „das Verschwinden von Personen in Mexiko nicht eingeschränkt wurde, im Gegenteil, es steigt weiter im ganzen Land an mit fast 30.000 verschwundenen Personen, 1.306 versteckten Gräbern, die entdeckt wurden, und 3.760 bislang gefundenen Leichen und Überresten“. Die neue Regierung hat angekündigt, dass sie zunächst einen Haushalt von 500 Millionen pesos bereitstellen wird. Die Kollektive von Familienangehörigen von Opfern hatten unter anderem die Schaffung eines Internationalen Sondermechanimus für die forensische Indentifikation gefordert, der die Kompetenz des Komitees gegen das Gewaltsame Verschwindelassen (CED) der Vereinten Nationen bei der Analyse individueller Fälle anerkennt. Der Staatssekretär für Menschenrechte, Alejandro Encinas, hält einen neuen Mechanismus für internationale Unterstützung nicht für notwendig und kündigte Aktionen wie ein Nationales Register für verschwundene Personen und die Integration des Nationalen Gräberverzeichnisses an.
Thema mit geringerer Sichtbarkeit aber mit steigender Pränsenz auf nationaler Ebene ist angesichts der Abwesenheit eines allgemeinen Gesetzes zu landesinternen Verlagerungen die Verabschiedung eines Gesetzes, das die Interne Zwangsvertreibung (DFI) zu einem Verbrechen erklärt. Die Interamerikanische Menschenrechtskomission (CIDH) und der UN-Sonderberichterstatter in dieser Angelegenheit ermanten dazu, „das Phänomen der internen Vertreibung anzuerkennen, eine Diagnostik zu erarbeiten und Daten über die verschiedenen Formen, die die Problematik in Mexiko annimmt, zu vereinen“. Sie drängten darauf, „ein spezifisches Gesetz und eine öffentliche Politik zu entwickeln und zu implementieren, (…), denen ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen“.
Höhere Vulnerabilität von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten
Einige besorgniserregende Tendenzen haben sich seit dem Regierungswechsel gezeigt. Im Februar beschwerten sich 166 Organisationen über AMLO, da sie der Ansicht waren, dass „die Bewertung und die Generalisierung“, die er über die organisierte Zivilgesellschaft gemacht hat sowie über ihre Ethik und ihr Engagement „falsch und ungerecht“ ist. Bei mehr als einer Gelegenheit, hat López Obrador seine Kritik in dem Sinne geäußert und angekündigt, dass keine zivilgesellschaftiche Organisation Geld aus dem öffentlichen Haushalt erhalten wird.
In Hinblick auf die Meinungsfreiheit, alamierte die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG), dass in Mexiko weiter zahlreiche Akte der Gewalt gegen Journalisten registriert werden und dass sich das Land auf Platz 147 von 180 der weltweiten Klassifizierung der Pressefreiheit befindet. In den ersten Monaten der Regierung AMLOs wurden 10 Journalisten ermordet. Artikel 19 signalisierte seinerseits, dass die stigmatisierenden Aussagen des Präsidenten gegen die Presse „die digitalen und physischen Attacken gegen die Journalisten legitimieren und anfeuern“ könnten und „die Pluralität der Debatte beeinträchtigen. Das erhöht das Niveau der Verletzlichkeit und des Risikos, mit dem sich die Journalisten im gefährlichsten Land in Amerika für die Ausübung der Meinungsfreiheit konfrontiert sehen“.
Im März präsentierten AMLO und der Staatssekretär für Menschenrechte, Alejandro Encinas, ihre Diagnostik des Schutzmechnanismus für Journalisten und Menschenrechtsverteidiger. Encinas erkannte zahlreiche Mängel an, darunter der bürokratische und reaktionäre Charakter. Außerdem hinterfragte er die Beauftragung eines privaten Unternehmens mit dem Betrieb des Mechanismus. Er fügte hinzu, dass man die Dienste weiter in Anspruch nehmen werde, „aber unter einem Kontrollmechanismus und einer direkteren Prüfung“, bis der Staat diese Aufgabe übernehmen kann. Der Espacio OSC bedauerte, dass man die „Inoperabilität“ des Mechanismus erst „nach 114 Regierungstagen“ anerkannt hat und „nach dem Mord an mindestens 15 Aktivisten und Journalisten“.
Megaprojekte und die Rechte der indigenen Völker
Im April im Rahmen des 100. Todestages von Emiliano Zapata, marschierten in Chiapas in San Cristóbal de las Casas etwa 3000 Mitlgieder des Nationalen Indigenen Kongresses (CNI). Sie klagten an, dass der Entwicklungsplan des Präsidenten „Enteignung und die Zerstörung unserer Territorien mit sich bringt“, mit Projekten wie dem Maya-Zug, welcher, wie sie warnten „nicht passieren wird, koste es, was es wolle (…), obwohl sie darüber nachdenken, es mit ihrer Nationalgarde zu machen“. Sie erklärten, dass die neuen Autoritäten „die gleichen Vorarbeiter sind, die die Todesprojekte mit ihren verlogenen und gefälschten Befragungen aufzwingen wollen“. Im April veröffentlichte der Nationale Fonds für Tourismusförderung (Fonatur) die Ausschreibungsgrundlagen für die grundsätzliche technische Entwicklung des Maya-Zuges, einem Projekt, das zahlreiche touristische Sehenswürdigkeiten im Südosten des Landes miteinander verbinden soll. Die Ausschreibung wurde eröffnet, ohne dass die Untersuchung über die Auswirkungen auf die Umwelt oder die Befragung der indigenen Bevölkerung abgeschlossen waren. AMLO bekräftigte, dass der Beginn des Prozesses rechtmäßig ist, ohne dass diese Faktoren miteinbezogen worden waren, „da die Bürger wollen, dass der Zug gebaut wird“ und dass „in einer Demokratie die Mehrheit entscheidet, die Minderheiten werden respektiert, aber die mehrheitliche Meinung ist die, die am Ende die Möglichkeit, zu entscheiden, haben muss“.
Ein anderes kontroverses Projekt ist der transisthmische Korredor, der mit dem Panama-Kanal als Referenz die beiden Ozeane verbinden soll. Bei einer Umsetzung würde das die Sanierung von Eisenbahnstrecken und Raffinerien, den Ausbau von Straßen und die Modernisierung von Häfen und Flughäfen sowie die Schaffung von „freien Zonen“ zur Gewinnung privater Investitionen bedeuten. Zivilgesellschaftliche Organisationen hinterfragten, dass „keine rechtlich angemessenen Mechanismen vorhanden waren, um die freie Selbstbestimmung, Autonomie, die Bestimmung über die Umwelt und die Transparenz beim Treffen von Entscheidungen der indigenen Völker über ihr Territorium zu garantisieren. Im Gegenteil, wie die Vereinten Nationen kürzlich signalisiert haben, wirken die von der Bundesregierung umgesetzten Befragungen eher wie ein Ritual der politischen Legitimisierung, als wie ein rechtlicher Akt“. Der CNI lehnten „die vermeintliche Befragung, die die schlechten Regierungen in zahlreichen Gemeinden des Isthmus von Tehuantepec am 30. und 31. März umsetzen wollen“ ab. „Wir denunzieren die korrupten Praktiken, mit denen die schlechten Regierungen über das Nationale Institut der Indigenen Völker arbeiten, um unsere Gemeinden zu spalten, zu betrügen und einzuschüchtern“.
Andere Organisationen aus Oaxaca lehnten die Umsetzungen der Versammlungen, die Eile und die Ignoranz gegenüber „den Zeiten, Sitten, Bräuchen und Arten, Entscheidungen zu treffen, der Gemeinden sowie gegenüber ihren representativen Instanzen“ ab. Von Seiten der Regierung betonte Adelfo Reginas Montes, der Direktor des Nationalen Institutes der Indigenen Völker (INPI), dass die internationalen Standards respektiert wurden und dass „während einer zweiten Etappe, spezifische Befragungen umgesetzt werden, in den Fällen, bei denen das Land und andere fundamentale Aspekte des Lebens der indigene Gemeinden betroffen sind“.
International: Eine beispiellose Migrationskrise
Der Fluss von zentralamerikanischen Migranten mit dem Ziel, in die Vereinigten Staaten zu kommen, hat sich seit dem vergangenen Jahr mit der Bildung von Karawanen, die hauptsächlich aus Zentralamerika kommen, vervielfacht. Seitdem sie an die Macht gekommen ist, hat die neue Regierung auf einjährige „humanitäre“ Visen gesetzt, die es erlauben, zu arbeiten und legal in Mexiko zu leben. Es wurden mehr als 15.000 ausgestellt. Dennoch entschied die mexikanische Regierung im Februar, die Migrantenströme, zu „ordnen“, und die Zahl der ausgestellten Visen fiel von mehr als 11.000 im Januar auf 1500 im März. Sie begann, die Vergabe der „Karten regionaler Besucher“ zu priorisieren, die die Bewegungsfreiheit auf 4 Bundesstaaten im Südosten des Landes beschränken. Damit möchte sie verhindern, dass mehr Migranten sich an der nördlichen Grenzen sammeln, und möchte Arbeitskräfte für die Umsetzung der Megaprojekte in der Regionen gewinnen.
Währenddessen sind die Abschiebungen von Migranten in die Höhe geschossen. Die Zahl der ausgewiesenen Personen hat sich laut dem Nationalen Migrationsinstituts (INM) zwischen Dezember und April verdreifacht, was 45.370 Personen betrifft und die Kapazitäten der Internierungszentren gegenwärtig völlig ausschöpft. Weder die Reden gegen Migranten des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump noch die Aktionen auf der mexikanischen Seiten haben es geschafft, den Druck an der Grenze mit den Vereinigten Staaten zu reduzieren, wo 98.977 Personen im April festgenommen wurden- die höchste monatliche Zahl seit 2007.
Im Mai, erklärte das „Kollektiv für die Observation und das Monitoring der Menschenrechte im mexikanischen Südosten“, dass der Beginn der Migrantenkarawanen dazu geführt hat, dass „das koventionelle migratorische Muster der verstreuten und unsichtbaren, individuellen (…) menschlichen Mobilität“ grundlegend verändert hat und „in eine kollektive, öffentlich Form [des Migrierens] verwandelt hat“, welche außerdem „die Ineffizienz der Politik zur Kontrolle der Migration deutlich gemacht hat“. Sie klagten an, dass weder die vorherige Regierung noch diese es geschafft haben, eine umfassende Antwort auf die Notwendigkeiten zu finden. Sie erwähnten dabei die Implementierung „von Konjunkturmaßnahmen auf kurze Sicht und mit begrenzter Klarheit und Transparenz“.
Chiapas: Menschenrechtsproblematiken, die über die Migrationskrise hinausgehen
Ein Thema erneuter Besorgnis in Chiapas war die Militarisierung. Im Mai denunzierte das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas, dass Soldaten ein Treffen von Verteidigern ihres Territoriums in Chicomuselo ausspioniert hatten. Es erklärt außerdem seit Januar, „Akte der Einschüchterung und Feindseligkeit gegen Aktivisten und Aktivistinnen (…), die sich zur Verteidigung von Mutter Erde angesichts der Reaktivierung von Bergbauprojekten in der Region organisieren, registriert“ zu haben. In diesem Monat berichteten sie, dass „der mexikanische Staat seit Dezember 2018 die Militarisierung von Territorien der originären Völker, die zur Unterstützerbasis der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (BAEZLN) gehören, besonderns in der Region des Lakandonischen Dschungels, verstärkt haben als Teil der Weiterführung der Strategie gegen Aufstände, um Prozessen der Autonomie in Chiapas zu schaden“.
Weiterer Punkt der Besorgnis bleibt die Situation in zahlreichen Gemeindebezirken im Hochland von Chiapas. Im Mai drückten zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Besorgnis aus angesichts „der Aktionen von Gruppen bewaffneter paramilitärer Zivilisten, von den Tätern der Zwangsvertreibung, von Verschwinden und Morden in der Region“. Sie erinnerten daran, dass „die Bevölkerung des Gemeindebezirks Aldama“ seit Februar 2018 aufgrund der Zwangsvertreibung von 2036 Personen „in einer humanitären Krise lebt“. Sie bestätigten, dass „der mexikanische Staat keine ausreichenden Maßnahmen für ein Ende der Gewalt implementiert hat“.
Hinsichtlich des Landes und des Territoriums marschierten/pilgerten im Februar tausende Menschen im Gemeindebezirk Solosuchiapa, um den Stopp der Mine „Santa Fe“ und aller weiteren Bergbaukonzessionen, da dies „die Möglichkeit sozialer, kultureller, spiritueller Entwicklung sowie die alternativer Lebensformen einschränkt“. Im April bestätigte die Bewegung zur Verteidigung des Lebens und des Territoriums (Modevite) ihren Widerstand gegen den Bau der Super-Autobahn San Cristóbal de las Casas-Palenque. Der Prozess, an dem das Glaubende Volk der Diözese von San Cristóbal de las Casas mit 11 Gemeindebezirken beteiligt ist, denunzierte, dass „die Ausplünderung mit dem Bau einer Super-Autobahn verschleiert wird, es wird gesagt, es sei von Nutzen für die Dörfer, aber in Wahrheit ist es eine direkte Beeinträchtigung unserer Brüder und Schwestern, die direkt von Mutter Erde abhängen“.
Ebenfalls im April, wählte Oxchuc seine neue Bezirksregierung durch eine Wahl mit erhobener Hand. Es war das erste Mal, dass ein Gemeindebezirk in Chiapas legal seine Regierung seinen indigenen Sitten und Bräuchen zufolge gewählt hat. Zwei weitere Gemeindebezirke in Chiapas, Sitalá und Chilón, befinden sich in einem ähnlichen Prozess.
Im März begannen 6 Häftlinge in verschiedenen Gefängnissen in Chiapas einen Hungerstreik, bei dem sie „Gerechtigkeit und sofortige und bedingslose Freiheit“forderten. 7 weitere Gefangene solidarisierten sich anschließend. Die Arbeitsgruppe „Wir sind nicht alle“ denunzierte, dass „die juristischen Prozesse dieser Personen voll von Unregelmäßigkeiten und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen“ sind. Auch wenn ein Dialogprozess mit der Landesregierung begann (ein Zeitraum, in dem die Streikenden beschlossen, alle drei Tage zu essen), nahmen sechs Häftlinge im Mai angesichts fehlender Fortschritte ihren Hungerstreik wieder auf.
Im März, 2 Jahre und 3 Monate nachdem die Warnung vor geschlechtsspezifischer Gewalt (AVG) ausgesprochen wurde, gab die „Bürgerkampagne gegen die Gewalt gegen Frauen und den Feminizid in Chiapas“ ihre Evaluation dieser bekannt. Sie erklärte, dass sie sich „als Simulation und Spott gegenüber den vergewaltigten und ermordeten Frauen herausgestellt hat. Ebenso denunzieren wir, dass die Behörden (…) Straflosigkeit geschaffen haben und Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit, Unwissenheit bis hin zur Mittäterschaft gezeigt haben“. Sie denunzierte, dass die Aktionen der Regierung „so harmlos, oberflächlich und ineffizient sind, dass sie das Konzept von Geschlecht nur vereinfacht habe und nicht nur die Unfähigkeit der Regierung gezeigt hat, das Problem anzugehen, sondern auch den patriarchalen, begriffsstutzigen Charakter der Behörden“.
OAXACA: steigende Vulnerabilität von Aktivisten und Journalisten
Die nationale Tendenz einer steigenden Verletzlichkeit von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten war in Oaxaca besonders deutlich. In Hinblick auf die erste Gruppe wurde die Verteidigerin der Menschenrechte indigener Frauen für Ciarena A.C., Silvia Pérez Yescas, das Opfer von erneuten Aggressionen, obwohl sie im bundesweiten Schutzmechanismus für Aktivisten und Journalisten mit eingefasst ist. Im April wurde Juan Quintanar Gómez, Berater indigener Gemeinden in zahlreichen Agrarkonflikten, in Oaxaca-Stadt angegriffen.
Der Rat Autonomer Organisationen aus Oaxaca (COOA) prangerte an, dass „es trotz unserer zahlreichen Anklagen, Mobilisierungen und Forderungen bei den entsprechenden Behörden keine wesentlichen Fortschritte bei den fünf Morden an den Genossen von CODEDI und den weiteren drei Morden an Genossen von OIDHO, UCIO-EZ und APIIDTT gibt“. Ebenso wies er darauf hin, dass „willkürliche Festnahmen genutzt werden und Haftbefehle fabriziert werden, um diejenigen einzuschüchtern, die weiter den Mut haben, sich zu organisieren, der soziale Protest wird kriminalisiert und es werden Verleumdungsampagnen gegen das organisierte Volk in den Kommunikationsmedien finanziert“.
Im Mai, ein Jahr nach dem Verschwinden des Menschenrechtsverteidigers Ernesto Sernas García, berichteten seine Familienangehöriges und Soldaten des „Volksstroms Rote Sonne“, dass die Justizbehörden beschlossen haben, „den Suchprozess zu verzögern und zu behindern“. Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen verurteilten ebenfalls die fehleden Fortschritte. Sie ziehen in Betracht, dass Rote Sonne weiter das Ziel von Einschücheterungen und Attacken ist, eine Veranschaulichung dessen ist der Mord am Aktivisten Luis Armando Fuentes in San Francisco de Ixhuatán im April. Sie drängten darauf, dass „die mexikanischen Behörden, sich den tiefer liegenden Auslösern der Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger annehmen, insbesonderen den negativen Auswirkungen der Megaprojekte auf die Umwelt und die Menschenrechte“.
Die Situation der Presse ist nicht sonderlich viel besser. Im März wurde der Journalist Jesús Hiram Moreno in Salina Cruz verletzt. Er bestätigte, sich sicher zu sein, dass es sich nicht um einen Überfall gehandelt hat. Eine seiner Recherchen fokussiert sich auf die Korruption bei Petróleos Mexicanos (Pemex). Im April begann er einen Hungerstreik, als seine Eskorte abgezogen wurde, ohne dass es Fortschritte bei der Ermittlung der Aggression gab. Auch im April erhielt die Journalistin Ana Luisa Cantoral Morddrohungen. Sie erklärte ihre Angst davor, dass die Drohungen „in Zusammenhang mit der Berichterstattung über Ereignisse, die mutmaßliche Unregelmäßigkeiten im Inneren des Ministeriums für öffentliche Sicherheit beweisen würden“, stehen könnten. Schlussendlich im Mai wurde Telésforo Santiago Enríquez vom Gemeinderadio „El Cafetal“ ermordet.
GUERRERO: Bodenlos Krise
Im Mai, während Protesten für das lebendige Auftauchen der 43 2014 verschwunden Studenten der ländlichen Lehramtshochschule von Ayotzinaoa in Iguala, wurde davon berichtet, dass „nach fünf Regierungsmonaten von Präsident Andrés Manuel López Obrador, der Fall von Ayotzinapa weiter stillsteht, da die FGR und der Senat kein Interesse daran haben, ihn zu lösen“. Die Bundesstaatsanwaltschaft (FGR) wurde darauf gedrängt, einen Sonderstaatsanwalt für den Fall zu ernennen, und das Verteidigungsministerium (Sedena) darauf, die Informationen, die es über die Aggression hat, zu teilen.
Wenn der beispielhafteste Fall des Bundeslandes wenig Fortschritte zeigt, ist es nicht überraschend, dass andere Indikatoren weiter einen höchst kritischen Kontext zeigen. Drei Aktivisten wurden zwischen Februar und Mai in Guerrero ermordet: im April wurde Julián Cortés Flores der Regionalen Koordination der Gemeindebehörden- Gemeindepolizei (CRAC-PC) aus San Luis Acatlán ermordet. „Ein Attentat gegen das System der Sicherheit und Justiz der Küste und Berge“, erwägte das Menschenrechtszentrum Tlachinollan. Im Mai denunzierte der CNI die Entführung und den Mord am Ratsmitglied José Lucio Bartolo Faustino und am Delegierten Modesto Verales Sebastián „von narco-paramilitären Gruppen, die in der Region mit der Komplizität und dem Schutz der drei Ebenen der schlechten Regierung operieren“.
Eine weitere Veranschaulichung der extremen Vulnerabilität der Aktivisten im Bundesstaat ist der Politiker und Gründer der CRAC-PC in Tixtla, Ganzalo Molina González, der bei der Teilnahme an einem Marsch in Mexiko-Stadt „drei Versuche der Entführung erlitt, obwohl er unter dem Schutzmechanismus für Aktivisten und Journalisten des mexikanischen Staates stand“, weswegen er sich mit seinen eigenen Mitteln in Sicherheit brachte.
Ein weiteres Element der Formen von Aggressionen und Kontrolle von Aktivisten im Bundesstaat ist der Gebrauch des Justizapparates. Seit Dezember bestanden Arbeitstische zwischen sozialen und zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Landesregierung, um die Fälle mehrerer Häftlinge zu überprüfen und ein Ende der Feindseligkeiten gegenüber den Mitgliedern des Rates von Ejidos und Gemeinden gegen den Staudamm la Parota (CECOP) zu fordern. Die Behörden haben darauf hingewiesen, dass der legale Weg Vorrang hat. Tlachinollan erwägt, dass „die Anklagevertretung zahlreiche Beweise, die vor Gericht vorgelegt wurden durch Folter, willkürliche Verhaftungen und Isolation erhalten hat. Das wahre Motiv ihrer Festnahme ist es, ihren historischen Kampf gegen den Erbau des hydroelektrischen Staudamms La Parota zu stoppen“.
Ein weiteres Thema, das vermehrt Aufmerksamkeit bekam, ist die interne Zwangsvertreibung. Für 39 Tage organisierten 350 Personen, was ein Drittel der Familien ausmacht, die aus einer Gemeinde in Zitlala und aus acht Gemeinden in Leonardo Bravo im vergangenen November zwangsvertrieben wurden, angesichts der Präsenz und Drohungen einer Gruppe des organisierten Verbrechens einen Sitzstreik vor dem Nationalpalast in Mexiko-Stadt. Sie forderten Aufmerksamkeit für ihre Forderungen und entschieden sich, zurückzukehren, nachdem eine Vereinbarung mit der Regierung unterschrieben wurde.