2019
23/01/2020FOKUS: Der Transisthmische Korridor, ein nicht ganz so neues Projekt der neuen Regierung
03/04/2020Im Dezember hielt der Präsident Andrés Manuel López Obrador (AMLO) eine Rede, um sein erstes Amtsjahr zu feiern.
Er hob hervor, dass bereits 89 der 100 Wahlversprechen, die er in seiner Kampagne gemacht hatte, erfüllt worden seien und zählte eine Reihe von Erfolgen auf wie beispielsweise die Verminderung von Treibstoffdiebstahlen, die Schaffung 648 tausend neuer Arbeitsplätze, die Erhöhung des Mindestlohns um 16%, eine jährliche Inflation von 3%, die Stabilität des Pesos gegenüber dem Dollar und die Durchführung der Regierungsprogramme (mindestens eines der Wohlstandsprogramme erreicht 50% der mexikanischen Haushalte und 95% der indigenen Dörfer, behauptete er). Zum Thema der Sicherheit stellte er in Frage, dass „zwischen 2006 und 2018 die Regierenden das Problem der Unsicherheit und der kriminellen Gewalt mithilfe von Militär und Polizeikräften lösen wollten, ohne die Ursprünge anzugehen“, eine Strategie, die eine „erschreckende Anzahl“ an Toten, Verschwundenen und eine Krise der Menschenrechte hinterließ.
Ungeachtet dessen stellten sowohl nationale als auch internationale Medien AMLOs Administration in Frage angesichts des nicht existenten Wirtschaftswachstums im vergangenen Jahr und der Unfähigkeit, die Gewalt im Land zu reduzieren, da zwischen Januar und Oktober mehr als 28 tausend Morde gezählt wurden. Die Regierung erkennt selber an, dass im ersten Amtsjahr 9164 verschwundene Personen registriert wurden, nur 43% von ihnen lokalisiert; demnach gebe es nun 61.637 verschwundene Personen im ganzen Land (ohne die Einberechnung der Daten von 11 Staatsanwaltschaften).
Menschenrechtskrise: “Wenn Worte nicht ausreichen”
Im November veröffentlichte Amnesty International den Bericht “Wenn Worte nicht ausreichen”, der die Situation der Menschenrechte in Mexiko nach dem Regierungswechsel auswertet. „Die Regierung des Präsidenten López Obrador hat sich gewillt gezeigt, einige Initiativen voranzubringen, besonders bezüglich des Themas der verschwundenen Menschen im Land. Allerdings lassen sich keine wesentlichen Veränderungen im Leben von Millionen von Menschen beobachten, die sich bereits seit mehr als 10 Jahren einer schlimmen Menschenrechtskrise gegenübersehen. Die sehr hohen Gewaltraten, die das Recht auf Leben bedrohen, die immer noch weit verbreitete Folter, die alarmierenden Ziffern zu Gewalt gegen Frauen und eine militarisierte Sicherheitsstrategie, die lebendiger ist als je zuvor, sind Zeichen der tragischen Realität“, äußerte Erika Guevara Rosas, die Direktorin von Amnesty International Amerika. Sie bestätigte, sie sehe „eine große Diskrepanz zwischen dem, was die Regierung behauptet und was sie später tut. Sie verspricht einen humaneren Umgang mit Migranten und die Notwendigkeit internationalen Schutzes, aber schickt die Nationalgarde, um sie zu verfolgen und zu verhaften. Sie sagt, sie werde Menschenrechtsverteidiger und Journalisten beschützen, aber diskreditiert sie später öffentlich“, fügte sie hinzu. Abschließend sagte sie „die Regierung muss aufhören, frühere Administrationen für die aktuelle Situation zu beschuldigen und stattdessen die Verantwortung für die Gegenwart akzeptieren und Lösungen für die verbleibenden Probleme suchen“.
Eine ähnliche Bilanz des Nationalen Netzes Ziviler Menschenrechtsorganismen „Alle Rechte für Alle“ (Red TdT) von Januar suggerierte außerdem, dass „die guten Absichten nicht die Konsolidierung eines geeigneten Rechtsdurchsetzungsmodells garantieren. (…) Die Infragestellung der Bedeutung von Autonomie und Unabhängigkeit für eine effektivere und zügigere Justiz erscheint uns besorgniserregend“, wurde betont.
Im November hob das Büro der Hochkommission der Vereinten Nationen für Menschenrechte in Mexiko die Bedeutung der Garantie von Unabhängigkeit und Autonomie des Nationalen Menschenrechtskommission (CNDH) hervor, nachdem Rosario Piedra Ibarra als neue Vorsitzende des Organismus gewählt wurde, obwohl oppositionelle Parteien sowie Menschenrechtskollektive und Opfer sie dazu aufgerufen hatten, das Amt nicht anzunehmen aufgrund von Ungereimtheiten und Verdacht auf Wahlbetrug. Im Dezember ließ eine Richterin ein Verfahren für eine einstweilige Verfügung gegen den unabhängigen Senator Emilio Alvarez Icaza einleiten wegen der Unregelmäßigkeiten, die in dem Wahlprozess festgestellt wurden, da eine der Voraussetzungen für die Besetzung der Position darin besteht, „im Jahr vor der Ernennung keine nationale oder staatliche Führungsposition in einer politischen Partei auszuüben oder ausgeübt zu haben„. Es wurde bestätigt, dass Piedra Ibarra bis zum vergangenen November die nationale Beraterin der Nationalen Regenerationsbewegung (MORENA, die Regierungspartei) war. Obwohl es die erste Unterlassungsverfügung ist, die erfolgreich war, ist sie bei weitem nicht die erste Beschwerde im Zusammenhang mit dieser Ernennung.
Im Februar informierte Frontline Defenders (FDL) darüber, dass Mexiko das viertgefährlichste Land für Menschenrechtsverteidiger sei. Außerdem ist es das gefährlichste Land für Umweltaktivisten und solche, die sich gegen Megaprojekte aussprechen. Das Red TdT sieht einen Zusammenhang zwischen der Gewalt gegen Aktivisten und der Regierungspolitik: „es existiert eine klare Verbissenheit (des Präsidenten) für die Durchsetzung seiner Projekte. Der Maya-Zug (…), die Ölraffinerie Dos Bocas in Tabasco, und der Flughafen Santa Lucía sind die Vorzeigeprojekte der aktuellen Administration und sie werden den Gemeinden aufgezwungen. Für alle drei existieren einstweilige Verfügungen und große oppositionelle Bewegungen. Gegenwärtig wird eine ausbeuterische Politik fortgesetzt, deren wirtschaftliche Entwicklung auf der Enteignung des Volkes beruht“.
Megaprojekte und indigene Rechte: Zusammenstöße unterschiedlicher Visionen
Im Dezember endete die Konsultation der indigenen Bevölkerung zum Maya-Zug und nach Angaben der Behörden stimmten 93.000 Teilnehmer dafür (7.500 Teilnehmer dagegen). Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen sagte, dieser Prozess habe „nicht alle internationalen Standards erfüllt“. Bezüglich der Einschränkungen bei der Information über den Prozess wurde festgestellt „dass sich der Aufruf, das Protokoll und die eingereichten Informationen nur auf den potenziellen Nutzen des Projekts bezogen und nicht auf die negativen Auswirkungen, die es verursachen könnte“.
Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen bemerkte auch, dass „als Folge der Art und Weise, wie das Projekt vorgestellt wurde (…), die Menschen in den Gemeinden ihre Zustimmung zu dem Projekt als Mittel zum Ausdruck brachten, damit sich um ihre Grundbedürfnisse gekümmert würde, eine Logik, die den freien Charakter der Konsultation schädigt“. Sie äußerte auch Bedenken über die kulturelle Angemessenheit des Prozesses, da „einseitig von den Behörden festgelegt wird, wen, wo und wann man konsultieren soll“. Es wurde die geringe Beteiligung und Repräsentation von Frauen bedauert und dass „die meisten derer, die teilnahmen, städtische und Ejidobehörden waren, während andere Gruppen und Einzelpersonen, die Teil der Gemeinschaften sind, außen vor blieben“. Die Kommission bemerkte auch, dass die Informations- und Beratungsversammlungen versuchten, „Vereinbarungen mit den Gemeinschaften hinsichtlich ihrer Beteiligung an der Umsetzung und Verteilung der Benefize zu treffen, was bedeuten könnte, dass das Projekt unabhängig vom Ergebnis der Konsultation durchgeführt wird“.
Indigene Gemeinden, die zu den Maya-Halbinsel und den Ch’ol-Völkern gehören, die sich in Xpujil, Calakmul, Campeche niedergelassen haben, Mitglieder des Regionalen Indigenen- und Volksrats von Xpujil (CRIPX), berichteten, dass die Bundesjustiz ihnen im Januar gewährt hatte, die Umsetzung des Projekts vorläufig auszusetzen. Fonatur berichtete, dass keine der entsprechenden Institutionen offiziell darüber informiert wurde.
Es überrascht nicht, dass eine Debatte über die Möglichkeit geführt wurde, das Bundesgesetzes über solche Verfügungen zu ändern, „um zu verhindern, dass sie (…) die Arbeiten einstellen“. Laut Proceso sind einige Gesetzgeber der Meinung, dass „die derzeitige Regierung von Anfang an wichtige Projekte gefördert hat, die durch die durch Verfügungen gewährten Aussetzungen gestoppt wurden, was dem wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt schadet“.
CHIAPAS: Gouverneur berichtet von Fortschritten, Zivile Organisationen deuten auf Rückschritte hin
Im Dezember legte Gouverneur Rutilio Escandón Cadenas (Morena) seinen ersten Regierungsbericht vor und betonte, dass „in Chiapas eine fähige Regierung besitzt und Rechtsstaatlichkeit herrscht“ und dass „wir eine Regierung sind, die den ständigen Dialog mit allen gesellschaftlichen Bereichen fördert und Gerechtigkeit für alle herrscht“. Er versicherte, dass „die Prahlerei der Machthaber vorbei sei“. Er sagte, dass eine der Errungenschaften darin besteht, dass „in letzter Zeit mehr als 32. 000 Hektar gerettet wurden, darunter auch Privatbesitz und geschützte Naturreservate“. Er sagte, dass die Zahl der Straftaten gesunken und die Straffreiheit vorbei sei.
Mehrere Medien bewerteten die Leistung der Regierung Escandón Cadenas kritisch. In Bezug auf die Kriminalitätsrate dokumentierte das Observatorium der Bürger von Chiapas (OCCH), dass Tuxtla Gutiérrez, San Cristóbal de las Casas und Tapachula im Jahr 2019 Straftaten mit hoher Auswirkung mit Raten über dem nationalen Durchschnitt registriert hatten. Diese Medien hoben hervor, dass in diesem Zeitraum 6 der 24 in Mexiko ermordeten Menschenrechtsverteidiger in Chiapas getötet wurden. Sie betonten auch, dass der Staat zu den 10 wichtigsten Behörden gehört, die im Folgebericht zu den Empfehlungen der CNDH genannt werden. Bis November hatten mehrere zivile Organisationen berichtet, dass seit Jahresbeginn 166 gewaltsame Todesfälle von Frauen registriert worden waren, von denen nur 76 als Femizid eingestuft wurden.
Widerstand gegen Megaprojekte: Parallelen im nationalen Kontext
Im Dezember übergaben Mitglieder mehrerer Pfarrbezirke und des Menschenrechtsbereichs der Diözese San Cristóbal de Las Casas einen Brief mit siebentausend Unterschriften an UN-Organisationen, in dem sie ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck brachten, weil sie nicht zum Bau von Megaprojekten wie dem Maya-Zug und der Autobahn San Cristóbal-Palenque konsultiert wurden. Sie prangerten an, dass „unsere Ablehnung ignoriert wurde und die Zerstörung unserer Territorien noch immer im Gange ist. Indem er eine Konsultation simuliert, will der Staat uns unsere Kultur, Traditionen und Bräuche nehmen und uns spalten, um die Ausrottung der indigenen Völker zu erreichen“.
Im Februar erklärte der Bischof der Diözese San Cristobal de las Casas, Rodrigo Aguilar Martinez, in einem Hirtenbrief, dass es in Chiapas Megaprojekte gebe, „von denen die Gemeinden betroffen sind“. Er fragte „wie können wir die am meisten benachteiligten Bevölkerungsgruppen – immer unter Berücksichtigung menschlicher und ökologischer Kriterien – in die Entwicklung integrieren?“ Aguilar Martínez sagte, dass „Enteignung auch durch den Verlust der kulturellen Wurzeln, der durch Rassismus und Diskriminierung verursacht wird, und durch eine Regierungspolitik, die die Stimmen der indigenen Völker nicht berücksichtigt, existiert“. Er drückte aus, dass das Projekt der nationalen Sicherheit „sehr gut durchdacht und geplant werden kann, aber die Zwischen- und vor allem die Schlussinstanzen provozieren oft die Enteignung der Gebiete, die durch verschiedene Strategien wie Zwangsvertreibung, Drohungen, Täuschung beim Kauf der Grundstücke, Druck mit Sozialprogrammen, Nötigung durch Gesetze, die die Mächtigen begünstigen, und Gewalt, die durch die Bundes-, Staats- und Gemeindepolizei, die Armee, die Marine und die Nationalgarde sowie durch Stoßtruppen, Paramilitärs oder Drogenhandelsgruppen erfolgt“.
Weitere Besorgnisse im Menschenrechtsbereich
Im Dezember gab das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas (Frayba) bekannt, dass es einen Antrag für die „Freiheit des Überlebenden der Folter, Opfer von Verstößen gegen ein ordentliches Gerichtsverfahren und derzeit in willkürlicher Haft, Juan de la Cruz“ gestellt habe. Die Verfügung wurde eingelegt, weil es seit 2016 eine Empfehlung für seine Freiheit mit einer Bewährungsstrafe durch die Versöhnungsbehörde gibt. Darüber hinaus prangerte das Frayba die Schikanen gegen seine Mitarbeiter und diejenigen an, die das Kollektiv der Angehörigen der Gefangenen im Kampf bilden, „die im November und im Dezember im Rahmen des Kampfes für die Freiheit der indigenen Gefangenen, insbesondere von Juan de la Cruz Ruiz, Morddrohungen, Überwachung, Schikanen und Einschüchterungen erhalten haben“. Als Antwort darauf erklärte das Frayba, dass „die Mechanismen des mexikanischen Staates keine angemessene Antwort auf den Schutz gegeben haben (…), die die Risikosituation, die wir als von den Beamten selbst kommend einschätzen, minimiert“. De la Cruz wurde einige Wochen später freigelassen.
Im Dezember dokumentierten Menschenrechtszentren eine weitere Zwangsumsiedlung einer Gemeinde im Bezirk Chilón. Sie wiesen darauf hin, dass 65 Menschen aus San Antonio Patbaxil vertrieben wurden und dass „dieselbe Aggressionsgruppe im Jahr 2018 die Bevölkerung der Gemeinde Carmen San José“ vertrieben hatte. Sie prangerten an, dass die Vertriebenen aus den beiden Gemeinden „in den Nachbargemeinden, in der Gemeindehauptstadt und verstreut in den Bergen leben, meist ohne Nahrung und Obdach, umgeben von der zivilen bewaffneten Gruppe, die ihre sichere Rückkehr verhindert“. Sie betonten, dass drei weitere Gemeinden von Zwangsvertreibung bedroht seien.
Combo fürs Leben: Dezember des Widerstands und der Rebellion
Der Dezember war von zahlreichen Aktivitäten geprägt, die von der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) und Teilen der „Combo fürs Leben: Dezember des Widerstands und der Rebellion“ einberufen wurden. Zu diesen Veranstaltungen gehörten die zweite Ausgabe des Filmfestivals von Puy Ta Cuxlejaltic, die erste Tanzveranstaltung „Tanz dir eine andere Welt“, das Forum zur Verteidigung des Territoriums und der Mutter Erde in Koordination mit dem Nationalen Indigenen Kongress (CNI), das „Zweite Internationale Treffen der Frauen, die Kämpfen“, und die Feier des 26. Jahrestages des Beginns des „Krieges gegen das Vergessen“.
Inmitten dieser Aktivitäten erklärten die 4. Nationalversammlung des Nationalen Indigenen Kongresses (CNI) und der Indigene Regierungsrat (CIG), dass „die schlechte Regierung auf die Zerschlagung des Gemeinschaftsgewebes setzt, indem sie interne Konflikte schürt, die die Gemeinschaften mit Gewalt beflecken, zwischen denen, die das Leben verteidigen, und denen, die beschlossen haben, einen Preis darauf zu setzen, selbst auf Kosten des Verkaufs zukünftiger Generationen für die Millionengewinne einiger weniger Korrupter, die von den bewaffneten Gruppen des organisierten Verbrechens bedient werden“. Sie erklärten, dass „unsere Völker, Nationen und Stämme weiterhin die Saat von Widerstand und Rebellion inmitten des Todes pflegen und verteidigen werden“.
Während der Veranstaltung zum Gedenken an ihren bewaffneten Aufstand betonte die EZLN: „Sie sagen, dass es keine Zapatisten mehr gibt. Dass es nur noch sehr wenige von uns gibt, die Trotz und Widerstand leisten. (…) Und jedes Jahr beglückwünschen sich die Bosse selbst, indem sie sagen, dass die indigenen Rebellionen vorbei sind. (…) Aber jedes Jahr (.) tauchen wir auf und rufen: Hier sind wir!“.
OAXACA: Land und Territorium im Zentrum vieler Kämpfe
Im Januar reichte die Union der Indigenen Gemeinschaften der Nördlichen Isthmus-Zone (Ucizoni) als Antwort auf die Umsetzung des Transisthmischen Korridors im Isthmus von Tehuantepec eine Beschwerde bei der CNDH ein, in der sie anprangerte, dass „die Konsultationen (…) durchgeführt wurden, ohne die festgelegten Mindeststandards zu erfüllen“. Sie forderte, dass eine neue Konsultation gemäß des Abkommens 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) durchgeführt werde. Die verschiedenen Gemeinden des Isthmus baten ihrerseits das Ministerium für Umwelt und natürliche Ressourcen (Semarnat) darum, eine öffentliche Konsultation durchzuführen, um die Umweltauswirkungen des Ausbaus der Zugstrecke zwischen Salina Cruz, Oaxaca, und Coatzacoalcos, Veracruz, zu ermitteln, eines der zentralen Projekte im Plan des Korridors. Im Februar räumte Victor Manuel Toledo, Leiter des Semarnat, ein, dass die Konsultationen „technisch nicht angemessen“, aber „legitim“ gewesen seien und dass „die Projekte durchgeführt werden“ (siehe Fokus).
In anderen Prozessen, die darauf abzielen, die Megaprojekte zu stoppen, berichtete die Front „Nein zum Bergbau für eine Zukunft für alle“ im Februar, dass das Semarnat die Genehmigung für die Umweltverträglichkeitsprüfung (MIA) für das San-José-II-Projekt des Bergbauunternehmens Cuzcatlán, einer Tochtergesellschaft der kanadischen Fortuna Silver Mines, verweigert habe. Sie betrachtete dies als einen Teilsieg, da das Semarnat dem Unternehmen empfahl, ein neues MIA zu präsentieren. Sie bestätigte, dass „Fortuna Silver Mines nicht die Genehmigung der Gemeindeversammlungen in den zentralen Tälern von Oaxaca haben, (…) wir werden keine kommunale oder agrarische Genehmigung an ein Bergbauunternehmen vergeben“. Ebenfalls im Februar gaben die Behörden der zapotekischen Gemeinde Capulálpam de Méndez bekannt, dass sie wegen fehlender Konsultationen erneut eine einstweilige Verfügung gegen das kanadische Bergbauunternehmen Continuum Resources LTD und das mexikanische Bergbauunternehmen Minera Natividad y Anexas erwirkt haben.
Währenddessen bleiben die Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger konstant. Im Dezember kündigten Mitglieder des Komitees zur Verteidigung der Rechte indigener Völker (CODEDI) Protestaktivitäten an, um die Freilassung von Fredy García zu fordern, der im vergangenen November verhaftet worden war. Das Internationale Observatorium für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern ist der Ansicht, dass seine Inhaftierung Teil „eines Musters systematischer Angriffe gegen CODEDI in den letzten 21 Monaten ist, darunter fünf Morde, zwei Attentatsversuche, sechs willkürliche Festnahmen, drei Einbrüche und Raubüberfälle sowie ständige Bedrohungen und die Militarisierung des Gebiets, in dem sich das CODEDI-Zentrum befindet“.
Schließlich wurden laut Statistiken des Exekutivministeriums des Nationalen Öffentlichen Sicherheitssystems (SESNSP) von Januar bis November 2019 132 Frauenmorde in Oaxaca begangen, wobei „nur 27 Todesfälle als Femizide untersucht werden“. Die geschlechtsspezifische Gewalt hat Gemeinden erreicht, die in der Erklärung des Ausnahmezustands wegen frauenfeindlicher Gewalt, die nur 42 der 500 Gemeinden des Bundesstaates umfasst, nicht berücksichtigt worden waren. Das Nationale Bürgerobservatorium für Frauenmorde (OCNF) behauptete, dass „mehr als ein Jahr nach der Erklärung die Ergebnisse fast null sind, und im Gegensatz dazu kommt zum Problem der Frauenmorde noch die Zunahme des Verschwindens von Frauen, Mädchen und Jugendlichen hinzu“. Darüber hinaus wurden im vergangenen Jahr 1.562 Sexualverbrechen gemeldet (mit nur 502 Ermittlungsakten).
GUERRERO: ein tragisches Panorama
Im Januar erklärten sich die Eltern der 43 Schüler der Lehrerschule von Ayotzinapa, die 2014 verschwunden waren, und die mexikanische Regierung bereit, die Interdisziplinäre Gruppe Unabhängiger Experten (GIEI) wieder in die Untersuchung des Falles einzubeziehen. Der Unterstaatssekretär für Menschenrechte Alejandro Encinas räumte ein, dass ein Jahr nach der Schaffung der Kommission für Wahrheit und Gerechtigkeit in diesem Fall, einem der emblematischsten des Landes, keine „greifbaren Ergebnisse“ zu verzeichnen sind. Einen Monat zuvor hatten Verwandte von Schülern, die bei anderen Ereignissen seit 2011 ihr Leben verloren haben, die Bildung des Ausschusses der Anderen Vergessenen angekündigt, der sich um Gerechtigkeit in ihren Fällen bemühen wird.
Bei den wenigen Fortschritten wurde im Dezember der Stabschef der Gemeinde Moreno von Tlapa de Comonfort, Marco Antonio García Morales, wegen seiner angeblichen Beteiligung am Verschwinden und an der Ermordung des Aktivisten Arnulfo Cerón Soriano, dem Führer der Volksfront des Berges Tlachinollan (FPM) im Oktober, verhaftet. Er gehört zu den Personen, die Cerón Soriano selbst wegen Korruption und Verbindungen zum organisierten Verbrechen angeklagt hatte und denen er die Schuld für das gegeben hatte, was ihm hätte passieren können.
In den letzten Monaten führten Zusammenstöße zwischen kriminellen Gruppen zu weiteren Zwangsvertreibungen in der Sierra. Nach Angaben des Menschenrechtszentrums José María Morelos y Pavón wurden etwa 6.500 Menschen durch die Gewalt im Staat gewaltsam vertrieben. Die Zeitung Milenio berichtete, dass 9.000 weitere Menschen in der gleichen Gegend aufgrund von Streitigkeiten zwischen kriminellen Banden von Vertreibung bedroht seien.
Ende Dezember ereignete sich ein Vorfall, der die Verzweiflung der vertriebenen Bevölkerung widerspiegelt, als „ein Konvoi mit Elementen der Nationalgarde, der mexikanischen Armee und der Spezialeinheit der Staatspolizei zur Gemeinde El Naranjo fuhr“ und „Erwartungen bei den vertriebenen Familien“, die sich in Chichihualco befinden weckte. Sie glaubten, dass der Sinn ihrer Ankunft darin bestehen würde, sich niederzulassen und ihnen die Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen. Beim Rückzug stießen die Bundestruppen auf „etwa 100 Vertriebene (…), die die Straße blockierten“. Tlachinollan berichtete, dass die Soldaten „nicht nur einige ältere Menschen angegriffen haben, sondern auch Menschenrechtsverteidiger und Journalisten. Der Direktor des Zentrums in Morelos, Manuel Olivares, wurde inhaftiert, weil er den Forderungen der Vertriebenen eine Stimme gegeben hatte, und ihm wurden sein Mobiltelefon, seine Computerutensilien und die mit dem Fall verbundenen Dokumente abgenommen. Sein Fahrzeug wurde beschädigt. Menschenrechtsverteidigerin Teodomira Rosales wurde von einer Polizistin geschlagen und erschossen. Sie stürzten sich auf die Journalisten, um sie daran zu hindern, ihre Verbrechen aufzuzeichnen“.
Ebenfalls im Januar machten die Ermordung von 10 Musikern in Chilapa und die Präsentation von Minderjährigen als neue Mitglieder der Gemeindepolizei durch den Regionalkoordinator der Bürgerbehörden-Gründungsstädte (CRAC-PF) die Situation der Unsicherheit wieder sichtbar. Die Eingliederung dieser Kinder (meist Waisenkinder aufgrund von Gewalt), durch die sie taktische Bewegungen für den Kampf ausführten, löste mehrere Reaktionen aus. Das Netzwerk für die Rechte der Kinder in Mexiko (Redim) betrachtete diese Integration als „Akt der Verzweiflung“, um die Aufmerksamkeit des Staates auf sich zu lenken. Es forderte die Behörden auf, „den Aufrufen der Bürger und Menschenrechtsorganisationen Beachtung zu schenken und eine nationale Strategie zur Beendigung der bewaffneten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche aufzubauen“.