SIPAZ AKTIVITÄTEN (Von Mitte Mai bis Mitte August 2013)
04/09/2013SCHWERPUNKT : Gewalt gegen Frauen – „In Mexiko wird vergessen die Verantwortlichen zu bestrafen“
26/11/2013Am 1. September wurde der erste Regierungsbericht eingereicht, ein Dokument, das verschiedene Ziele auflistet, die sich die Regierung der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) vorgenommen hat zu erreichen. Diese sollen größtenteils über strukturelle Reformen geschehen, die auch eine Priorität der Regierung in diesem ersten Amtsjahr waren. In diesem Zusammenhang kritisierten die Oppositionsparteien die Regierung, wobei sie die Ineffizienz, die wirtschaftliche Krise und die vorherrschende Unregierbarkeit hervorhoben. Zudem fanden in diesem Rahmen auch mehrere Protestdemonstrationen statt, so die der Nationalen Koordination der LehrerInnen (CNTE) gegen die Bildungsreform. Die Proteste mündeten in Zusammenstößen zwischen der Polizei und DemonstrantInnen, dabei wurden 16 Jugendliche verhaftet.
In den darauf folgenden Wochen häuften sich die Demonstrationen, Straßenblockaden und andere Protestaktionen. Der stärkste dieser Prozesse wurde von der LehrerInnengewerkschaft angestoßen, die seit fast drei Wochen ein Protestcamp in Mexiko-Stadt aufrecht erhält. Allerdings beziehen sich die meisten Proteste nicht nur auf die Bildungsreform, sondern die Gesamtheit der „strukturellen Reformen“, die die Regierung von Peña Nieto angestoßen hat, so auch die (in Verhandlungen befindliche) Energie- und die (beschlossene) Steuerreform.
Am 2. Oktober demonstrierte die soziale Bewegung, um des Massakers an Studierenden von 1968 zu gedenken. Die Mobilisierung wurde von einem großen Polizeiaufgebot gestoppt. Bei den darauf folgenden Zusammenstößen gab es dutzende Verletzte, davon 32 PolizistInnen, und über Hundert Verhaftete. MenschenrechtsbeobachterInnen bestätigten, dass die Polizei Tränengas einsetzte, mit Gummigeschossen und sogar mit Steinen gegen die DemonstrantInnen vorging. Sie erklärten zudem, dass in Zivil gekleidete Personen willkürliche Festnahmen vornahmen und „provozierten“.
Am 14. Oktober kehrten die LehrerInnen der Sektion 22 der LehrerInnengewerkschaft SNTE, die die Mobilisierungen angestoßen hatten, in die Klassenräume zurück. Sie versicherten aber, dass sie ihren Protest aufrecht erhalten würden. Jedenfalls ist die LehrerInnenbewegung nicht kleiner geworden, wenngleich sie von staatlicher Seite keine Antwort auf ihre Forderungen bekommen hat. Im Gegenteil, sie hat ihre Präsenz in Mexiko-Stadt und in mindestens weiteren zwölf Bundesstaaten erweitert. Parallel dazu gab es zahlreiche Demonstrationen und Solidaritätsaktionen mit dem LehrerInnenprotest seitens der ElternvertreterInnen und Studierenden, wie auch sozialer Organisationen und von Nicht-Regierungsorganisationen (NRO).
Des weiteren hat die Bewegung der Nationalen Erneuerung (MORENA), die soziale Basis des Ex-Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador (AMLO), seit September Massenmobilisierungen organisiert. Grund ist die Gesetzesinitiative der Energiereform, die sie als von neoliberalen Interessen geleitet betrachten und die das staatliche Monopol der Handhabung strategischer Bereiche der Erdöl- und Energieindustrie beenden würde. AMLO und Cuauhtemoc Cárdenas, beide ehemals Bürgermeister von Mexiko-Stadt und Kandidaten der Linken für die Präsidentschaft, taten sich zusammen und erklärten, dass die Energiereform einen „Akt des Vaterlandsverrats“ bedeute. Die Partei der Demokratischen Revolution (PRD) hat ihrerseits versucht, sich dazu mit dem unpräzisen Leitspruch „Modernisieren ohne zu privatisieren“ zu positionieren.
Als Folge der Mobilisierung der LehrerInnen und der Bevölkerung sowie des sozialen Drucks fiel die Steuerreform von Peña Nieto kleiner aus als geplant (v.a. wurde die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel und Medikamente zurückgenommen), aber es gab keinen Schritt zurück bei den bereits erfolgten Vorschlägen.
Menschenrechte: 176 Empfehlungen an Mexiko im Universal Periodic Review
Im Rahmen des zweiten Universal Periodic Review (UPR[; Mechanismus der VN zur Analyse und Bewertung der Situation der Menschenrechte in einem Land; Anm. d. Übers.]), den der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen mit Mexiko am 23. Oktober in Genf (Schweiz) durchführte, sprachen die Mitgliedsländer des Rates der mexikanischen Regierung 176 Empfehlungen aus (vor vier Jahren waren es 91). Die Punkte, die am meisten betont wurden, waren der fehlende Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen, das Festhalten an der Gewahrsamnahme und militärischer Immunität, wie auch die Situation der Frauen und sozial schwacher Gruppen wie der MigrantInnen und der indigenen Bevölkerung. Es ist wichtig hervorzuheben, dass die behandelten Problematiken bereits im UPR 2009 angesprochen wurden und vier Jahre danach die Themen weiterhin aktuell sind. Mexiko muss nun die Empfehlungen analysieren und im März 2014 die Vereinten Nationen darüber informieren, was das Land unternehmen wird.
Mehrere NRO haben auf eine deutliche Verschlechterung der Situation der Menschenrechte im Land hingewiesen. Sie unterstrichen, dass, wenngleich Mexiko verschiedene Gesetzesinitiativen in diesem Bereich vorgelegt hat, nicht genügend unternommen wurde, um dies auch umzusetzen und auch internationale Verträge nicht ratifiziert wurden, um Verpflichtungen in diesem Sinne zu bekräftigen. Es sei daran erinnert, dass der Oberste Gerichtshof Mexikos (SCJN) im September entschieden hat, die Anwendung internationaler Abkommen über Menschenrechte zu beschränken, sofern diese nicht mit der Verfassung vereinbar sind. NRO erklärten dazu, dass damit die Fortschritte, die durch die Verfassungsreform in diesem Bereich von Juni 2011 erreicht wurden, rückgängig gemacht wurden.
Chiapas: Zwischen Demonstrationen und Blockaden
In Chiapas sind seit Ende August ebenfalls die LehrerInnen der Sektionen 7 und 40 auf die Straße gegangen, ebenso wie die ElternvertreterInnen und Studierenden. Es gab Protestcamps, Blockaden, Maut-„Befreiungen“ auf der Strecke San Cristóbal – Tuxtla Gutiérrez sowie Sperrungen der Zufahrtswege in die Hauptstadt des Bundesstaates. Der Büroturm „Torre Chiapas“ (wo sich Regierungsbüros und ein Studio von TV Azteca befinden) wurde besetzt und zweimal wurde der Pemex-Turm eingeschlossen und so verhindert, dass Benzin ausgeliefert werden konnte. An unterschiedlichen Tagen wurden große Einkaufszentren blockiert.
Die Elternvertretungen solidarisierten sich mit den LehrerInnen und demonstrierten zusammen mit ihnen am 2. und 12. Oktober. Über 3000 Menschen fanden sich zusammen im Bundesstaatlichen und Regionalen Demokratischen Komitee der ElternvertreterInnen zur Verteidigung der staatlichen Bildung und der Nation. Sie verhinderten, dass die von der chiapanekischen Regierung eingestellten Interims-LehrerInnen in die Schulen hineingelassen wurden und haben die geschlossen, wo noch Unterricht stattfand. Im Oktober wurden 59 Kreisratsämter besetzt und symbolisch auch der Kongress des Bundesstaates. SchülerInnen der oberen Klassen und der Fachoberschulen haben ebenfalls die Klassenräume besetzt.
Trotz der Lohneinbußen, der Einschüchterungs- und Diffamierungskampagne gegen sie, dauert die Bewegung an und es gibt derzeit kein klares Zeichen, wie das Problem gelöst werden könnte. Auch gab es den Versuch, „Gegendemonstrationen“ mit der Forderung der Rückkehr zum Unterricht zu organisieren mittels der erzwungenen Beteiligungen von Frauen, die das Regierungsprogramm Oportunidades beziehen; des weiteren nahmen die Gerüchte zu (z.B. die LehrerInnen mit bewaffneten Gruppen in Verbindung zu bringen).
Es gab auch andere Mobilisierungen im selben Zeitraum: Am 10. Oktober fand in Palenque eine Demonstration zum Schutz von Mutter Erde statt, zu der indigene Organisationen aufgerufen hatten. Sie erklärten, die Regierungsprogramme Leid zu sein, wie z.B. FANAR (früher PROCEDE) oder des Kreuzzugs gegen den Hunger, der zu Spaltungen in den Gemeinden geführt hat, anstatt ihre sozio-ökonomische Entwicklung voran zu treiben. Am 12. Oktober organisierte das Pueblo Creyente [dt.: Gläubiges Volk; Basisstruktur der Diözese von San Cristóbal de Las Casas, Anm. d. Übers.] von Simojovel einen Pilgermarsch angesichts der Zunahme der Gewalt in jenem Landkreis. Am selben Tag gab es Demonstrationen in San Cristóbal im Rahmen der „Kampagne gegen Gewalt und Frauenmorde in Chiapas“.
Spannungen in mehreren anderen Teilen des Bundesstaates
Einer der schwersten Fälle mit scheinbar religiösem Hintergrund, der immer noch nicht gelöst ist, ereignet sich im Landkreis Chenalhó. Am 20. August scheiterte der Versuch einiger BewohnerInnen der Colonia Puebla, in ihr Dorf zurück zu kehren, nachdem sie 30 Tage lang Zuflucht in San Cristóbal de Las Casas gesucht hatten. Ihre Rückkehr wurde vereitelt, da sowohl die Vertriebenen als auch die sie begleitende Zivilkarawane mit Beschimpfungen beleidigt und mit Steinen angegriffen worden waren. Am 21. August wurde der Priester von Chenalhó in Colonia Puebla festgenommen, geschlagen, fünf Stunden lang gefesselt und ihm wurde angedroht, mit Benzin übergossen zu werden. Am 23. August flüchteten fast alle katholischen Familien und auch einige anderer Religionsgemeinschaften nach San Cristóbal. Am 26. August entschieden sie, in die Gegend zurück zu kehren, wenn auch nicht in ihre Gemeinde. 95 Menschen, 13 katholische und zwei baptistische Familien, begaben sich nach Acteal, wo sie sich bis heute aufhalten. Die Organisation Las Abejas hat öffentlich angeprangert: „[D]ie Paramilitärs von Chenalhó sind wieder reaktiviert, feuern ihre Waffen ab und verursachen Vertreibungen wie (…) 1997″, dem Jahr des Massakers von Acteal.
Im Oktober, fünf Monate nach der gewaltsamen Vertreibung dieser Familien, haben zivile Organisationen öffentlich die mäßige Intervention der staatlichen Regierung in Form einer ordentlichen Untersuchung und juristischen Maßnahmen in diesem Fall angeklagt. Im November organisierte das Pastoralteam des Tsotsil-Gebietes einen Pilgermarsch nach Acteal mit der Forderung nach „einer sofortigen Lösung der Problematik, von der die Menschen der Gemeinde Puebla betroffen sind.“ Sie berichteten von den Drohungen und Aggressionen, unter denen die vertriebenen Bewohner der Colonia Puebla litten und klagten an, „die drei Regierungsebenen haben nicht nur die Arme verschränkt, während gegen unsere Rechte verstoßen wurde, in Wirklichkeit haben sie den Aggressoren dabei geholfen.“
In weiteren Fällen ist die Situation sehr angespannt. Das Komitee für die Förderung und Verteidigung des Lebens ‚Samuel Ruiz Garcia‘ meldete, dass im September „Fernando Coello, der Großvater des Gouverneurs, zusammen mit anderen Personen bei einer Gruppe Jugendlicher der Jugendkoordination der Gemeinde Chicomuselo aufgetaucht ist. (…) Nachdem er seinen Namen mit einer überheblichen Haltung genannt hatte, fragte er nach dem Priester der Gemeinde (…), er sagte er suche ihn, um ihm zu sagen, dass sie die Mineralstoffe in dieser Gegend abbauen werden, (…), dass es ihm nichts nützen würde sich zu widersetzen, weil sie es auf jeden Fall tun würden.“ Am 31. Oktober berichtete das selbe Komitee, dass Unternehmer versuchten die Mine La Revancha des Ejido Nueva Morelia wieder in Betrieb zu nehmen. Es sei daran erinnert, dass seit 2008 viele Aktionen organisiert wurden, um die Minenarbeit in Chicomuselo zu stoppen. Der Aktivist und Minengegner Mariano Abarca wurde 2008 ermordet, weshalb die staatliche Regierung die geplanten Minenaktivitäten stoppte. Trotzdem bleibt die Fördererlaubnis weiter rechtsgültig und einige Akteure haben ihr Interesse bekundet sie wieder zu eröffnen.
Im November haben die AnhängerInnen der Sechsten Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald von San Sebastian Bachalón Vertreibungsdrohungen öffentlich gemacht, die im Rahmen des Streits um eine Kiesbank geschahen, welche sie „für das Wohl des Dorfes“ nutzen und die sich jetzt eine regierungsnahe Gruppe desselben Dorfes aneignen will. Sie zeigten auch die Entführung eines Jugendlichen im November an und wiesen darauf hin, dass die Verantwortlichen „Teil der bewaffneten Gruppe waren, die unsere compañeros am 2. Februar 2011 vom Kassenhäuschen vertrieben haben.“
EZLN: Mitteilungen und Anzeigen
In einer Mitteilung vom 3. November mit dem Titel „Schlechte und nicht ganz so schlechte Neuigkeiten“, legte die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) Rechenschaft ab – im eigentlichen wie im übertragenen Sinn – über die erste Generation der „Escuelita„, die im letzten August stattfand. Sie kündigte die nächsten Kurse an, die voraussichtlich im Dezember und Januar 2014 stattfinden werden. Die EZLN kritisierte durch die Feder von Subcomandante Insurgente Marcos zudem die „schlecht simulierten Diebstähle“, „strukturelle Reformen“ genannt. Sie sagte, dass die „anständige Linke“ sich heute mit der uralten Rechten zum Kreuzzug zusammengeschlossen habe, um den jungen und alten Anarchisten für alles die Schuld zu geben, was in diesem Land schief läuft.
Der Rat der Guten Regierung von La Realidad berichtete seinerseits im Oktober von Angriffen gegen die zapatistischen Unterstützerbasen des Dorfes Che Guevara, im autonomen Landkreis Tierra y Libertad, offizieller Landkreis von Motozintla de Mendoza. Im November meldete der Rat der Guten Regierung von La Garrucha, dass die Gemeinschaft der Lastwagenfahrer von Ocosingo andere, unabhängige Lastwagenfahrer einschüchtern würde, von denen einer zur Unterstützerbasis der EZLN gehöre. Diese würden dann festgenommen und ihre Lastwagen konfisziert. Außerdem meldete der Rat die Beschuldigung und den Haftbefehl gegen einen Zapatist für das Abholzen eines Baumes. Im selben Monat meldete der Rat der Guten Regierung von Morelia die sich zuspitzenden Probleme mit der Organisation CIOAC (Unabhängige Gemeinschaft der LandarbeiterInnen und BäuerInnen) um ein Stück Land, das von ZapatistInnen des Dorfes 10 de Abril bestellt wird.
Der Fall Patishtan: Endlich frei
Im August schloss sich Amnesty International dem Aufruf zur Freilassung von Alberto Patishtan an, einem Professor der Gruppe der Tsotsiles aus El Bosque, der im Jahr 2000 eingesperrt wurde. Im August zogen ungefähr 1500 Personen des Equipo Tsotsil [d.h. die Mitglieder aus der Tsotsil-Region; Anm. d. Übers.] des Pueblo Creyente, sowie nationale und internationale Organisationen mit der selben Forderung nach Tuxtla Gutiérrez. Im September erklärte das Erste Bundesgericht mit Sitz in besagter Stadt den Einspruch der Unschuldsvermutung, den Patishtan eingelegt hatte, für unbegründet. Das Urteil fiel Stunden, nachdem Tausende Mitglieder des Pueblo Creyente nach San Christobal gezogen waren, um seine Freilassung zu fordern.
Trotz allem kam Alberto Patishtan am 31. Oktober wieder frei, nachdem Präsident Enrique Peña Nieto ihm begnadigte. Patishtan erklärte: „Sie wollten meinen Kampf beenden, zum Stillstand bringen, aber was dabei herauskam, ist, dass sie ihn vervielfacht haben – sie wollten ihn verdecken -. Was er (mein Kampf für meine Freiheit) gemacht hat, war, dass er erstrahlte.“ Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolome de las Casas bekräftigte, dass die Begnadigung der Gerechtigkeit nicht genüge tue, und forderte eine offizielle Entschuldigung und eine vollständige Entschädigung für die Verletzungen, die dem Lehrer aus der indigenen Gruppe der Tsotsiles und seiner Familie angetan wurden.
Oaxaca: Zwischen Lehrerstreiks und Aggressionen gegen die soziale Bewegung
Im Rahmen des offenen Konfliktes um die von der mexikanischen Bundesregierung angestoßene Bildungsreform hat sich die Sektion 22 aus Oaxaca aktiv an den Mobilisierungen beteiligt. Während dieser Zeit gab es zahlreiche Demonstrationen und Solidaritätsaktionen mit dem Protest der Lehrer, vor allem von Studenten und ElternvertreterInnen aus dem Staat Oaxaca.
In den letzten Monaten gab es mehrere Attentate auf Mitglieder sozialer Bewegungen oder Anhänger politischer Parteien. Am 10. September wurde der Vorsitzende der ständigen Kommission für soziale Entwicklung der [laufenden] 61. Legislaturperiode des Kongresses von Oaxaca, Everardo Hugo Hernandez Guzmán, ermordet. Er war einer der Gründer des Komitees zur Verteidigung der Rechte des Volkes (CODEP). Am 16. Oktober wurde der Repräsentant der Organisation der indigenen Zapoteken-Völker (OPIZ), Juan Sosa Maldonado, in Oaxaca-Stadt Ziel eines Attentats, das er aber unverletzt überlebte.
Am 25. August wurden Mitglieder der Asamblea Popular del Pueblo Juchiteco (APPJ) beschossen und mit Messern angegriffen, als sie über das Gemeindeland gingen, auf dem das Unternehmen Gas Natural Fenosa den Windpark „Bii Hioxho“ aufbaut. Über die Angreifer hieß es in Anschuldigungen, sie seien Auftragsmörder von besagter Firma. Am 3. September wurde versucht, Mariano Lopez, Sprecher der APPJ, in Juchitán zu entführen. Am 5. Oktober wurde ein Teil des Protestcamps von Unbekannten angezündet, das die APPJ gegen den Bau des erwähnten Windparks seit Februar aufgebaut hat.
Am 9. Oktober wurde im Zusammenhang mit der Protestbewegung gegen den Aufbau von Megaprojekten in der Landenge von Tehuantepec zudem einem Einspruch der BewohnerInnen von San Dionisio del Mar stattgegeben. Damit wurde ein vorübergehender Stopp der Bauarbeiten des Windparks festgelegt, den der multinationale Konzern Mareña Renovables in der Barra de Santa Teresa errichten will, die zu besagtem Landkreis gehört. Die Verabschiedung dieses Beschlusses wurde von der Versammlung indigener Völker der Landenge in Verteidigung des Landes und Territoriums (APIIDTT) als ein großer Sieg im Kampf für den Respekt vor ihrem Land und für die Rechte der indigenen Völker gefeiert.
Am 13. Oktober protestierten Dutzende Frauen im Zentrum von Oaxaca-Stadt. Es war die erste vom Kollektiv „Acción Radical Antipatriarcal“ durchgeführte Aktion, einem sozialen Kollektiv mit dem Ziel jede gegen Frauen gerichtete Art von Gewalt aufzuzeigen. Sie schlagen Selbstverteidigung und Autonomie als eine mögliche Form zur Verbesserung ihrer Situation vor. Am 2. November, am Totentag, wurde ein Altar zum Gedenken an alle im Bundesstaat und im Land ermordeten Frauen aufgebaut.
Im Bereich der Medien wurde am 4. und 5. September das freie Radio Topoto in Juchitán de Zaragoza wieder belebt. Das Radio hatte seit dem 26. März nicht mehr gesendet, als nach einem Polizeieinsatz zur Räumung des Protestcamps der APPJ eine Gruppe von Personen in die Räume des Radios eindrang, den Transistor mitnahm und die Stromkabel durchschnitt. Schließlich fand zwischen dem 7. und 13. Oktober der „Zweite Kontinentalgipfel zur Kommunikation der Indigenen von Abya Yala“ in der Mixe-Gemeinde Tlahuitoltepec statt. Im Vorfeld des Ereignisses gab es Polemik darüber, dass die Koordination des Gipfels Präsident Enrique Peña Nieto zur Eröffnung eingeladen hatte, weshalb einige mexikanische und ausländische Organisationen dem Ereignis fernblieben.
Guerrero: „Vernichtungs“-kampagne gegen die soziale Bewegung?
In den letzten Monaten gab es außer der Notsituation im Staat durch die Überflutungen nach den Stürmen, die das Land im September verwüsteten, einige Momente der Mobilisierung und der Spannung. Sie waren zwar nicht so anhaltend oder massiv wie andernorts, aber auch in Guerrero gab es LehrerInnenproteste, da die Menschen mit der Bildungsreform nicht einverstanden sind. Am 11. September gingen ungefähr 5000 Lehrer der lokalen Sektion CETEG der LehrerInnengewerkschaft auf die Straße. Sie unterbrachen ihre Arbeit, um dem Aufruf der nationalen Mobilisierung der Bundesgewerkschaft CNTE nachzukommen.
In der Region Costa Grande bleibt die Situation für MenschenrechtsverteidigerInnen und auch für die allgemeine Bevölkerung extrem unsicher. Nicht-Regierungsorganisationen, angeführt vom Menschenrechtszentrum Tlachinollan, erklären, dass die Amtsführung des PRD-Gouverneurs Angel Aguirre Rivero eine „Vernichtungs“-kampagne gegen AktivistInnen durchführt. Am 19. Oktober wurde die Vorkämpferin für soziale Rechte Rocio Mesino Mesino in der Gemeinde Atoyac de Álvarez ermordet. Der Generalstaatsanwalt von Guerrero, Iñaki Blanco, sagte, dass sie mehrere Spuren im Mordfall der Anführerin der Organización Campesina de la Sierra del Sur (OCSS) verfolgten, unter anderem Verbindungen zum organisierten Verbrechen, das in der Gegend um Costa Grande aktiv ist. Am 10. November wurde in Coyuca de Benítez der Leiter der Organizacion Popular de Productos de la Costa Grande (OPPCG), Luis Oliveres, und seine Partnerin Ana Lilia Gatica von unbekannten Bewaffneten ermordet. Seine Exfrau, Zeferina Romero Fernandez sagte: „Er hatte keine Feinde. Ich glaube, es war die Regierung.“ Mit seinem Tod sind es bereits zwölf ermordete AktivistInnen unter der aktuellen Amtsführung.
In den letzten Monaten gab es auch Repressionen gegen die Mitglieder des Systems für gemeinschaftliche Rechtsprechung der Regionalen Koordination der Gemeindeautoritäten (CRAC). Infolge der Ausweis-Kampagne für die Gemeindepolizei-Gruppen, die von der Regierung von Ángel Aguirre ins Leben gerufen worden war, wurden einige Mitglieder dieses Systems festgenommen. Am 21. August wurde Nestora Salgado Garcia, Leiterin der Gemeindepolizei in Olinala, festgenommen. Bis heute ist sie in einem Hochsicherheitsgefängnis im Bundesstaat Nayarit eingesperrt. Einige Tage nach der Festnahme wurden Angehörige der Gemeindepolizei von Ayutla von Mitgliedern der Armee festgenommen und entwaffnet. Am 6. Oktober wurden zwölf Mitglieder der Gemeindepolizei des Hauses für Rechtsprechung in Zitlaltepec festgenommen, elf von ihnen wurden gegen Kaution freigelassen.
Nach den Überflutungen im September meldete der Rat der Ejidos und Gemeinden gegen den Staudamm La Parota (CECOP), dass es schwere Schäden im Landkreis von Cacahuatepec gäbe, da das staatliche Stromunternehmen CFE Wasser aus Staudamm La Venta ablaufen lassen hatte. Die Bauern dieser Gegend haben Angst, dass die Bundes-und die Landesregierungen versuchen, sie vertreiben zu wollen unter dem Vorwand der Umsiedlung der am Rande des Flusses Papagayo gelegenen Dörfer, damit der Weg für diejenigen frei wird, die den Bau des Wasserkraftstaudamms La Parota vorantreiben wollen.
Am 14. November haben Bauern der Region Montaña Einspruch gegen Minenarbeit eingelegt, in dem sie fordern, die erteilten Konzessionen für Bergbau zurückzunehmen, da diese das Recht der indigenen Völker verletzen, bei der Entscheidung über Projekte, die ihr Land und ihre Kultur beeinflussen, konsultiert zu werden. Ihre Sorge rührt von der Information, dass es in den Regionen Montaña und Costa Chica 42 Stätten mit Mineralvorkommen gibt und dass die mexikanische Bundesregierung 30 Konzessionen auf 50 Jahre für Bergbauaktivitäten vergeben hat.