Sipaz Aktivitäten (Von Mai bis August 2003)
29/08/20032003
31/12/2003Im September waren es 7 Jahre der Suspendierung des Dialogs zwischen dem zapatistischen Heer der nationalen Befreiung (EZLN) und der mexikanischen Regierung.
Am 17. November feierte die EZLN ihren 20. Geburtstag und entschied sich dazu dieses Fest intern zu zelebrieren, obwohl sie die nationale und internationale Zivilgesellschaft dazu einlud an den Veranstaltungen und Feierlichkeiten verschiedener Organisationen inner- und außerhalb Mexikos teilzunehmen.
Fast 10 Jahre nach dem bewaffneten Aufstand im Januar 1994 in Chiapas scheinen die Perspektiven für die Wiederaufnahme eines Verhandlungsprozesses immer aussichtsloser, gerade wenn sich beide Seiten in der Funktion von völlig verschiedenen Strategien, Zeiten und Interessen bewegen.
Auf nationalem Niveau, schon jetzt im Kontext des Wahlkampfes der Präsidentschaftswahlen 2006, konzentriert sich die Agenda der politischen Parteien auf die Reformen im Energiesektor (Elektrizität, Öl) und der Landverteilung. Der Konflikt in Chiapas ist kein prioritäres Thema.
Auf seiner Chiapas- Visite äußerte sich der Regierungssekretär, Santiago Creel, Bezug nehmend auf die 2000 von der EZLN zur Wiederaufnahme des Dialogs aufgestellten Forderungen, folgendermaßen „es gibt eine Politik, die sich seit Beginn der jetzigen Administration nicht verändert hat, diese umfasst die so genannte Cocopa Initiative, die Freilassung der mit dem Zapatismus in Verbindung gebrachten Gefangenen und die Aufhebung bzw. Umstellung der sieben Militärbasen“. Während die Regierung meint diese drei Forderungen erfüllt zu haben, wurde das vom mexikanische Kongress verabschiedete „Ley indigena“ von den Zapatisten als „Verrat“ an den 1996 ausgehandelten Verträgen von San Andres bezeichnet. Auf seinem Chiapasbesuch kommentierte Creel auch, dass man auf eine Antwort der bundesstaatlichen Kongresse auf die Verfassungsreform warte, um dem mexikanischen Kongress dann ein Paket von Initiativen vorlegen zu können.
Auf der anderen Seite hat die EZLN jeglichen Kontakt mit der Regierung und den politischen Parteien abgebrochen. Sie deklarierte, dass die Verträge von San Andres im aufständischen Gebiet durch Taten angewendet werden würden. Die „Juntas der guten Regierung“, ausgerufen im August und zusammengesetzt aus Delegierten der autonomen Landkreise mit Standort in den fünf „Caracoles„ (siehe Sipaz Informe, August 2003) repräsentieren einen neuen Schritt im Aufbau der zapatistischen Autonomie.
Eine langfristig angelegte Initiative, die „offizielle“ Macht zurückweisend, indem sie Regierungsfunktionen in allen Bereichen einnehmen (Bildung, Gesundheit, Justiz, Entwicklung, etc.)
Repositionierung des offiziellen „post caracol“ Diskurses
Die Antwort der Regierung auf die neue zapatistische Strategie war, dass es möglich wäre die Juntas der guten Regierung in der Verfassung festzuschreiben. Bundesstaatliche und staatliche Regierung haben versucht sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben, es schien, dass keine der beiden verantwortlich für die Antwort auf die neue Initiative der Zapatisten sein wollte. Im 2001 verabschiedeten Ley Indigena fällt die Definition des Autonomiebereichs den Bundesstaaten zu. (Was einer der Punkte der Rückschritte gegenüber den Verträgen von San Andres war.) Trotzdem hat die Kommission für indigene Gemeinschaften und Völker des mexikanischen Kongresses im September erläutert, dass „die Verantwortung, um auf die neue Organisationsform der Zapatistas einzugehen, bei der Föderation liegen muss und nicht beim lokalen Kongress, da dies ein nationales Problem ist.“
Für seinen Teil hat der Gouverneur von Chiapas, Pablo Salazar Mendiguchia, den neuen Schritt, den die EZLN mit den Juntas der guten Regierung getan hat, anerkannt: „Sie sind interessant“ und „sie gefährden nicht das Leben konstitutioneller Organe, der Rathäuser und auch nicht der Regierung von Chiapas“. Salazar stellte heraus, dass sich die aktuelle chiapanekische Regierung im Gegensatz zu vergangenen Regierungen, immer respektvoll gegenüber den Entscheidungen der zapatistischen Gemeinden verhalten hat und verhalten wird.
Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Position mittelfristig in einem Bundesstaat halten kann, in dem so viele Alarmsignale offener Gewalt von einem Tag auf den anderen aufleuchten können. Oder, um die Worte von Samuel Ruiz, dem früheren Bischof von San Cristóbal de las Casas , aufzunehmen, „in einer Situation des formalen Stillstandes (des Dialogs) und des realen Verfalls“.
Und dies während die Mehrheit der Gemeinden gespalten ist, auch wenn es von der zapatistischen Seite das Angebot gibt sich auch für die Belange der Nicht – ZapatistInnen einzusetzen, die auf zapatistischem Territorium leben.
Inkonformitäten wegen Redefinierung von Territorien
Die Schaffung der Juntas der guten Regierung verspricht eine neue Zusammenstezung der internen und externen Beziehungen der Zapatistas.
Die Mehrheit der Fälle haben sich in der Zona Norte gezeigt, in der die zapatistische Präsenz bis zur Ausrufung der Caracoles weniger sichtbar war als in anderen Zonen des Zapatistischen Einflussgebiets. Im September denunzierte die Junta der gute Regierung „Nueva Semilla que va a producir ( Roberto Barrios)“ Vorfälle von Gewalt in verschiedenen Gemeinden der Region provoziert durch das „anbringen von Plakaten auf Landstrassen, Ausfahrten und Kreuzungen verschiedener autonomer Bezirke“: Schläge, Drohung mit Vertreibung, umgeworfene oder zerstörte Schilder, vor allem in den offiziellen Bezirken Tila, Sabanilla und Palenque.
Ende September konnten ähnliche Vorfälle in Ocosingo beobachtet werden. Eine andere Spannungsachse stellte die Konstruktion von Landstrassen der innerhalb zapatistischer Zonen Chilón und Ocosingo dar, in denen die Zapatisten von den Baufirmen Bezahlung für die Bauerlaubnis verlangten.
Das Risiko der Gewaltsteigerung
Ebenso besorgniserregend sind die Denunzierungen von Seiten vermeintlich als Paramilitärs identifizierter Gruppen. Bauern der Regionen Taniperlas und Monte Libano informierten, dass sie erneut bewaffnete, schwarz uniformierte Männer gesehen haben, die Waffenübungen praktizieren und sich in der Region bewegen. In einem Kommunique des Caracol „Torbellino de Nuestras Palabras“ (Turbulenzen unserer Worte) denunzierte die Junta der guten Regierung „Arcoiris de nuestra Esperanza“ (Regenbogen unserer Hoffnung)Überfälle der Bande „Los Aguilares“ auf die Gemiende K’an Akil, autonomer Bezirk Olga Isabel Ende Oktober 2003: „Es wurden Detonationen registriert und die Aguilares kamen, um auf den Wegen Der Region die Leute einzuschüchtern und zu provozieren, sie haben die Bucht des Flüsschens gesperrt in der die Frauen sich baden und waschen, also der einzige Platz den die Frauen benutzen können.“
Im Oktober sammelten sich hunderte von Menschen aus zapatistischen Basisgemeinden des autonomen zapatistischen Bezirks Francisco Gómez, um eine permanente Mahnwache in der Gemeinde San Manuel, Ocosingo durchzuführen. Die Bevölkerung genannter Gemeinde denunzierte am 16. Oktober 2003, dass eine Gruppe von 15 Priistas fast einen Hektar des zapatistischen Gemeindelandes abgeerntet hätte. Aufgrund dieser Situation bewachen die Mitglieder der Gemeinde San Manuel permanent ihre Felder.
Die Herausforderungen der Juntas der Guten Regierung auf juristischer Ebene
Die Existenz paralleler Systeme (offizielles Regierungssystem und zapatistische Struktur) verlangt, wegen der in zapatistischen Zonen bestehenden Pluralität, nach einer höheren Komplexität in Bezug auf die administrative Seite der Justiz. Diese Situation eröffnet Fragen in Bezug auf die Schwierigkeit und Legitimität des „Regierens“ von Personen die, die Zapatisten bzw. die Regierungsautoritäten nicht als die ihrigen gewählt haben.
Einer der ersten Fälle konnte im Umfeld der Festnahme von Armín Morales Jimenez, der am 2. September 2003 in San Pedro Michoacán von Milicianos der EZLN festgenommen wurde, beobachtet werden. Armin Morales wurde von den Zapatisten angeklagt ein Fahrzeug in besitz genommen zu haben, das nicht sein eigenes war. Als Antwort auf die Handlung der Zapatistas, nahmen Mitglieder der Central Independiente de Obreros Agrícolas y Campesinos – Histórica (CIOAC – H) (Landarbeiterorganisation, die ehemals mit den Zapatisten sympatisierten) 7 Personen, die zapatistischen Gemeinden angehören fest. 48 Stunden später wurden fünf der sieben wieder freigelassen. Die verbliebenen zwei wurden erst nach neun Tagen wieder freigelassen. Wegen dieser Freilassung, wurde bis zum12. Oktober 2003 der Druck auf die Zapatisten, Armin Morales auf freien Fuß zu setzen erhöht. Am selben Tag wurde Armin Morales freigelassen, nachdem die Regierung von Chiapas 80 tausend Pesos an den Besitzer des Autos überbrachte, dessen sich Armin Morales unerlaubt bemächtigt hatte. Das Eingreifen der bundesstaatlichen Regierung war sehr umstritten.
Anfang Oktober signalisierte das Menschenrechtszentrum Centro de Derechos Humanos Fray Bartolomé de las Casas: „In dem Maß, in dem die normativen Systeme der indigenen Gemeinschaften nicht anerkannt werden, werden Probleme diesen Typs immer wieder auftauchen, die die indigenen Rechte und deren Forderungen nach Gerechtigkeit verletzen, Probleme die das soziale Netz immer mehr schwächen“.
Ein anderer Fall Anfang September 2003 zog ebenso Aufmerksamkeit auf sich. Drei Indigene aus der Gemeinde Flores Magón im Bezirk Teopisca wurden festgenommen und des Ökozids angezeigt, weil sie Holz transportierten. Diese drei Personen waren durch den autonomem Bezirk Miguel Hidalgo autorisiert das Holz zu schlagen und danach an einen anderen Ort zu transportieren, dies wurde zum ersten Mal vor einem zapatistischen Richter, einem Präsident einer der autonomen Consejos der Zapatisten, bestätigt. So wurden die Indigenen nach wenigen Tagen frei gelassen.
Verschiedene andere Fälle in den letzten Monaten machten die zwei Typen der Anwendung von Justiz in einem pluralen Territorium sichtbar: Akzeptanz oder Aufbau der Legitimität der Juntas der guten Regierung oder das Aufeinanderprallen untereinander oder mit dem offiziellen Justizsystem.
Montes Azules: angespannte Ruhe
Gut, in den letzten Monaten wurden keine Gewaltakte in der Biosphäre von Montes Azules registriert, dennoch verbreiten widersprüchliche Aussagen der verschiedenen Regierungsinstanzen weiterhin ein Klima höchster Anspannung: während das Sekretariat für Agrarreformen bestätigt, das es keine gewalttätigen Vertreibungen aus der Zone geben wird, schließt die Procuraduría Federal de Protección al Ambiente (PROFEPA) (mexikanische Umweltbehörde) nicht aus, dass „das sich das Gesetz auch mit starker Hand durchsetzen wird, und die öffentliche Kraft gegen die auf dem Land von Montes Azules lebenden Personen verwendet werden kann.
Im Oktober hinterfragte die Asociación Rural de Interés Colectivo ( ARIC- Independiente), (unabhängige Landarbeiterorganisation) die mit der Regierung die Regularisierung verschiedener Dörfer in der Region Montes Azules verhandelt, die Aussage der PROFEPA: „Anstatt die Lösung des Problems zu fördern machen sie alles nur noch schlimmer, das heißt, dass es in der Regierung Gruppen gibt, die auf die Vertreibung mit der Anwendung von Gewalt setzen, und dies disqualifiziert jedwede Verhandlung mit der Regierung, heißt das es keinen politischen Willen von Seiten der Regierung gibt eine wirkliche Lösung für das Problem zu finden“.
Andererseits traf sich Felipe Villagrán, Ex- Funktionär der Weltbank, als Repräsentant der Lakandonen aus Lacnajá Chansayab und der Bevölkerung von Frontera Corozal und Nueva Palestina mit dem chiapanekischen Gouverneur Pablo Salazar Mendiguchia und anderen staatlichen und bundesstaatlichen Funktionären. Villagrán benatragte “ die sofortige Bereitstellung mexikanischen Militärs, um Tag und Nacht Patroullien in der Region durchführen zu können, ebenso wie ein Sonderkommando des Militärs in Paraíso“ (wo sich eine zapatistische Gemeinde befindet) außerdem “ die Erlaubnis für die Gemeindemitglieder (oben genannter Dörfer) Feuerwaffen niedrigen Kalibers mit sich zu führen, um ihre Felder schützen zu können“. (La Jornada, 10. November 2003)
Militarisierung und Mobilisierungen gegen die Militarisierung
Nach der Ausrufung der Juntas der guten Regierung in den autonomen zapatistischen Bezirken konnte in verschiedenen Zonen des Bundesstaats eine Zunahme von Truppenbewegungen festgestellt werden. Vor allem in der Konfliktzone.
Auf der anderen Seite haben die Proteste in Bezug auf die Militärpräsenz zugenommen, eine Tendenz die nicht nur in zapatistischen Gemeinden zu beobachten war.
In der Mehrzahl der Fälle zeigt sich die Ablehnung des Militärs gewaltfrei, aber die Spannung in der Bevölkerung nimmt zu. So haben Anfang September mehr als tausend Indigene des Bezirks Chenalhó 35 Soldaten des mexikanischen Militärs festgenommen, um diese dazu zu bringen die durch Ihre Lastwägen verursachten Schäden zu bezahlen. Die Militärs wurden unter der Bedingung freigelassen, dass sie das Material stellen, um besagte Strasse zu reparieren, deren Reparatur bis zu 15 tausend Pesos kosten könnte.
Indigene aus einer Sympathisantengemeinde der Zapatistas, Yulumchuntic, Bezirk Chalchihuitán (Altos, Hochland) nahmen wiederum im Oktober 2003 für einige Stunden 30 mexikanische Militärs fest, die einen Streifzug zur Bekämpfung der Aussaat und der Ernte von Drogen durchführten. Gerüchten nach wurden den Soldaten Waffen und Stiefel abgenommen. Danach soll man sie gezwungen haben barfuss um das Basketballfeld zu laufen. Nach Aussage der Junta der guten Regierung „Corazón Centrico de los Zapatistas del Mundo“ (Zentrales Herz der Zapatisten der Welt), ließ man die Soldaten einfach alleine vor der Schule in Jolitontic verweilen. Die Junta informierte, dass sie jegliche Militärpräsenz in ihren Gemeinden ablehnen und dass sie auf friedliche Weise den Abzug des Militärs erreichten. Laut der Junta hätte die Armee einen Stützpunkt in ihrem autonomen Bezirk installiert. Nach einigen Stunden wurden die Soldaten freigelassen, nachdem sie mit der Bevölkerung ein Abkommen geschlossen haben besagte Zone nicht mehr zu passieren. Außerdem wurde das Militär verpflichtet durch den Kommandanten der Militärzone 31 eine Strafe von 20 tausend Pesos abzugeben.
Im Oktober 2003, während der Spezialkonferenz über die Sicherheit der Hemisphäre in Mexiko, verpflichteten sich die Mitglieder der Organisation der Staaten Amerikas gemeinsam gegen die Bedrohung der Sicherheit der Staaten zu kämpfen. Jedoch bleibt es jedem Staat selbst überlassen die eigenen Sicherheitsprioritäten zu setzen, ebenso wie die Definition staatseigener Strategien, Pläne und Aktionen die sich aus der globalen Situation ergeben. Auf der Konferenz wurde herausgestellt, dass der Frieden gestärkt wird, wenn seine menschliche Dimension vertieft wird, heißt die Würde des Menschen, die Menschenrechte, die fundamentalen Freiheiten des Menschen und die Förderung der ökonomischen und sozialen Entwicklung der Bevölkerung, sowie der Kampf gegen Armut, Hunger und Krankheit.
Geteilte Kämpfe
Die Solidarität mit den Zapatistas wurde während der nationalen Versammlung der Indigenen Nationen Mexikos verkündet, auf dem etwa 200 Repräsentanten indigener Gemeinden und Organisationen aus den Bundesstaaten Oaxaca, Michoacán, Jalisco, Veracruz, Estado de México, Sonora, Mexiko City sowie Puebla anwesend waren. Diese Repräsentanten, wie auch andere nicht indigene soziale Gruppierungen Mexikos gaben kund „Wir erkennen die Verträge von San Andrés als die Konstitution der indigenen Völker Mexikos an und verlangen die in Kraftsetzung des COCOPA Gesetzes“.
Auch die Juntas der guten Regierung wurden von der Versammlung als positiv bewertet.
Die EZLN zeigte am 26. Oktober, dass sie sich als Teil einer globalen Alternative versteht, als der Subcomandante Marcos eine aufgenommene Nachricht an verschiedene Akademiker, Intellektuelle und Führungspersönlichkeiten verschickte, die an dem Treffen Zur Verteidigung der Menschlichkeit in Mexiko City, teilnahmen. Ziel der Versammlung war es einen Block zu bilden der für die Rechte der Völker kämpft, gegen Neoliberalismus und Globalisierung. Marcos bemerkte, dass der Kampf gegen die Globalisierung der Macht eine Frage des Überlebens der Menschheit sei.