EILMELDUNG : ERNEUTER EINBRUCH IM BÜRO VON SIPAZ
18/08/2015SCHWERPUNKTTHEMA: Guerrero: Die multidimensionale Gewalt fast ein Jahr nach dem Verschwinden der 43 Normalisten aus Ayotzinapa
06/09/2015Das Verschwinden der 43 Studenten der Escuela Normal Rural in Ayotzinapa, Guerrero im September 2014 offenbart die menschenrechtliche Krise, in der sich Mexiko befindet. Diese ist ebenso gekennzeichnet durch extreme Gewalt, Unsicherheit, durch 15.000 Ermordete jährlich und insgesamt 24.000 Verschleppte, gewaltsames Verschwindenlassen von Personen, die herrschende Straflosigkeit und die tiefgreifende Schwäche der Institutionen bei der Auseinanderstzung mit dieser Situation. Im zeitlich begrenzten Rahmen dieses Berichtes bestehen dieselben Tendenzen weiterhin im Kontext des Landes und neue Beispiele heben dies hervor.
Das Staatsministerium der Vereinigten Staaten von Amerika hat Ende Juni seine jährliche Bilanz zur Situation der Menschenrechte in Mexiko 2014 vorgestellt. Der Bericht erwähnt folgendes: „Ein bedeutendes Problem in Bezug auf die Menschenrechte liegt in der Verwicklung der Polizei und des Militärs in außergerichtliche Morde, Folter, erzwungenes Verschwindenlassen von Personen und körperliche Missbräuche.“ Der Bericht betont außerdem, dass „die Straflosigkeit und die Korruption, besonders bei den Sicherheitskräften und im Justizsektor auf staatlichem und lokalem Level, weiterhin ein ernsthaftes Problem darstellen.“ Das ist ein hartes Urteil, obwohl Experten das Dokument hinterfragt haben, da es darin so scheine, als würde die Mehrheit der Menschenrechtsverletzungen auf lokalem Niveau stattfinden und die bundesstaatliche Ebene somit aus ihrer Verantwortung entlassen. Außerdem wurde das abschließende Urteil der Bilanz angezweifelt, welches bekräftigt, dass die mexikanische Regierung das Recht der freien Meinungsäußerung und des Protestes „generell respektiert“. Weil die mexikanische Regierung den Anforderungen im Bereich Menschenrechte nicht gerecht geworden ist, hat das Büro für lateinamerikanische Angelegenheiten in Wahsington (WOLA) im Juni zusammen mit sieben anderen Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen (ONG) die US- amerikanische Regierung darum gebeten, die Fonds der Mérida Initiative für Mexiko einzubehalten.
Bedauerlicherweise kommen die im Bericht vorgestellten Tendenzen in neuen Beispielen zum Ausdruck. Im Juli schossen Soldaten des 86. Infanteriebataillons auf Zivilisten, die gegen die Inhaftierung von Cemeí Verdía Zepeda, dem Kommandant der Gemeindepolizei von Santa María Ostula und Generalkoordinator der Selbstschutzgruppen (sog. Autodefensas) von drei Munizipien in Michoacán, protestierten. Dutzende Verletzte und ein totes Kind waren das Ergebnis. Offiziellen Angaben zufolge musste das Militär aggressive Zivilisten zurückweisen, aber Videos des Tathergangs widersprechen dem zweifelsfrei. Nebenbei sei erwähnt, dass das indigene Dorf der Nahua Santa María Ostula, um die 300 000 Hektar seines Landes im Jahr 2009 zurückerlangt hat, um es „gegen die Ausbeutung durch den Bergbau und den Drogenhandel zu verteidigen“. Seitdem wurden 32 Menschen der Gemeinde ermordet und sechs sind verschwunden.
Ebenfalls im Juli wurden sieben Jugendliche der Gemeinde Calera de Zacatecas von Mitgliedern des 97. Infanteriebataillons festgenommen und anschließend hingerichtet, vier von ihnen mit dem sog. „Gnadenschuss“. Das Verteidigungsministerium versicherte, dass Untersuchungen zu dem Fall eine mögliche Beteiligung von Militärpersonal ergeben haben.
Viel Aufsehen erregte auch der Fall des Fotojournalisten Rubén Espinosa Becerril, der im Juli zusammen mit vier weiteren Frauen in Mexiko-Stadt ermordet wurde. Er war spezialisiert auf soziale Bewegungen und Aktivist gegen Aggressionen gegenüber der Presse in Veracruz und hatte sich entschieden, von dort in die Hauptstadt zu ziehen, weil er bemerkt hatte, dass er seit Juni von bewaffneten Personen verfolgt wurde. Veracruz wird wegen 13 ermordeten und drei verschwundenen Journalisten seit 2011 als gefährlichster Staat für Journalismustätigkeiten eingeschätzt. Mindestens eine der ermordeten Frauen ist aus Chiapas: Nadia Vera Pérez. Sie war Aktikivistin in der Studentenbewegung #Yosoy132.
Desweiteren hat die zweite Flucht von Joaquin „El Chapo“ Guzmán erneut die institutionelle Schwäche gegenüber dem organisierten Verbrechen gezeigt, weil sich solch eine Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis nicht ohne ein hohes Niveau an Korruption und Unterwanderung realisieren ließe. Dazu sei gesagt, dass das Sinaloa- Kartell, das „El Chapo“ Guzman anführte, für die Hälfte der illegalen Rauschmittel, die aus Mexiko in die USA gelangen, verantwortlich ist.
Noch schlechtere Nachrichten sind, dass nach offiziellen Angaben die Zahl der in Armut lebenden Menschen im Land seit dem Amtsantritt von Präsident Enrique Peña Nieto um zwei Millionen auf nun insgesamt 55.3 Millionen Menschen angestiegen ist.
Am 7. Juni traten mehr als 83 Millionen Mexikaner an die Wahlurnen, um zu entscheiden, wer die
1 996 öffentlichen Ämter, darunter neue Gouverneure und 500 Bundesabgeordnete, besetzen darf. Die Wahlbeteiligung lag bei 47.72%, wovon 4.76% der Stimmen ungültig waren. Die abschließenden Auszählungen ergaben, dass sich das Abgeordnetenhaus aus 203 Abgeordneten der Partei der Institutionellen Revolution (PRI), 108 Abgeordneten der Partei der Nationalen Aktion (PAN), 56 Abgeordneten der Partei der Demokratischen Revolution (PRD), 47 Abgeordneten der Grünen Ökologischen Partei Mexikos (PVEM), 35 Abgeordneten der Bewegung der Nationalen Regeneration (Moreno), sowie 50 anderen Repräsentanten aus kleineren Parteien zusammen setzt. Bei der Verteilung der Sitze der Abgeordnetenversammlung erreichten die PRI und die PVEM spielend die 50%.
Anfang Juni erklärten Mitglieder der Lehrergewerkschaft „La Coordinaciòn Nacional de Trabajadores de la Educaciòn“ (CNTE) einen unbefristeten Streik in den Bundesstaaten Chiapas, Oaxaca, Guerrero und Michoacán. Sie verlangten die Streichung der Bildungsreform und dass die 43 verschwundenen Studenten aus Ayotzinapa lebend präsentiert werden sollen. Sie verkündeten den Boykott der Zwischenwahlen und es ereigneten sich viele gewalttätige Vorkommnisse- wie der Brand von Wahl- und öffentlichen Gebäuden in den vier Bundesstaaten. Um die Wahlen zu garantieren, zogen nationale Streitkräfte in die vier Bundesstaaten.
Guerrero: Stillstand im Fall von Ayotzinapa
Seit September 2014 versammeln sich am 26. eines jeden Monats tausende von Personen um gegen das Verschwindenlassen der Studenten aus Ayotzinapa zu demonstrieren. Im Mai und Juni waren ihre Angehörigen und Freunde in verschiedenen Teilen Europas und Lateinamerika unterwegs, um auf das Geschehene aufmerksam zu machen.
Der dritte Bericht der von der Intermamerikansichen Kommission für Menschenrechte (CIDH) einberufenen interdisziplinären Gruppe von unabhängigen Experten (GIEI) bestätigte im Mai 2015, dass der Fall Ayotzinapa mit der Version der Bundesgeneralstaatsanwaltschaft (PGR) so niemals abgehakt werden könne. Im Juli hat die Nationale Kommision für Menschenrechte (CNDH) die Ermittlungen der PGR ebenfalls als „unvollständig“ eingestuft. Die CNDH fand widersprüchliche Aussagen, Ermittlungsfehler, fehlende Sorgfalt von Seiten des Ministeriums und mangelndes Engagement bei der Aufklärung der Vorkommnisse. Sie deutete auf die erweitere Befragung von neun Soldaten hin und gab an, dass es noch unerschlossene Teile des Tatherganges gebe.
Im Juni hat die Zeitung Proceso bekannt gegeben, dass einer der Verschwundenen aktiver Soldat gewesen ist. Aufgrund dieser Enthüllung betonen die Angehörigen der Studenten, dass diese Tatsache die „Beteiligung des Militärs“ an den Geschehnissen „nur bestätige“. Bis dato hat das Verteidigungsministerium (SEDENA) der GIEI nicht erlaubt, mit den Mitgliedern des 27. Bataillon zu sprechen, um sie zu den eventuellen Verbindungen zum Geschehen zu befragen.
Im Juli gab es ein Treffen zwischen den Familien der Verschwundenen, ihren Repräsentanten und der Staatsanwältin Arely Gómez. Es war das erste Treffen nachdem Gómez diese Position erhalten hatte und auch das erste nach dem Abbruch der Gespräche zwischen den Familien und den Behörden vor vier Monaten. Das „Centro de Derechos Humanos de la Montaña“ informierte, dass die leitende Staatsanwältin lediglich signalisiert hätte, dass der Fall weiter offen bleibt.
Die Situation von Menschenrechtsverteidigern in Guerrero bleibt weiterhin riskant. Im August startete das Menschenrechtszentrum José María Morelos und Pavón eine Eilaktion, um das Leben von Aktivisten aus Iguala zu schützen. Evelia Bahena García, Diana Carolina Brito Bahena und Félix Rodríguez Navarrete wurden mit dem Tode bedroht, nachdem sie einen Kampf gegen den Bergbaubetrieb Media Luna im Munizip von Cocula eingeleitet hatten.
Nestora Salgado, Kommandantin der Gemeindepolizei (PC) von Olinalá, wurde nach 17 Monaten in Isolierungshaft in der Strafvollzugsanstalt von Tepic und einem 31-tägigen Hungerstreik in das Zentrum zur Wiedereingliederung von Frauen in Tepepan in Mexiko-Stadt verlegt. Sie wurde nachträglich darüber informiert, dass es drei weitere Anschuldigungen in ihrem Fall gebe, angeblich wegen Entführung, Raub und Totschlag. Ihr Anwalt schätzt, dass das Zurückhalten dieser Anschuldigungen ein deutliches Signal sei, dass die Staatsanwaltschaft die Prozesse, trotz den Anträgen des Gouverneus Rogelio Ortega, nicht aufgebe.
Obwohl die Bedingungen daran zweifeln ließen, dass sich Wahlen realisieren lassen würden, fanden die Zwischenwahlen statt. Der Kandidat des PRI-PVEM Bündnisses Hectór Astudillo Flores gewann die Gouverneurswahlen. Die PRI gewann in 36 Munizipien, die PRD in 24, die Städtische Bewegung in 7 und die PAN in 4 Munizipien den Stadtrat. Im Munizip von Tlapa de Comonfort wurden am selben Tag, dem 7. Juni, acht Personen von Bundespolizeikräften ohne Haftbefehl festgenommen. Die Spannung zwischen der Bundespolizei und den Ansässigen wurde kontrolliert, als man sich darauf einigte, dass die acht festgenommenen Personen befreit und im Austausch gegen 30 Polizisten nach Tlapa gebracht werden sollten. Natürlich wurde dieses Übereinkommen durch andere Polizisten und Soldaten gestört, die auf eigene Faust einen Befreiungsversuch unternahmen. Bei dieser Aktion wurde der Lehrer und sozialer Kämpfer Vivar Díaz von einem Schuss getötet.
Chiapas: Die Partei der Grünen bestimmt die Wahlen und ist die Partei des aktuellen Gouverneurs
Gouverneurs
Wegen der Lehrerbewegungen in den vorangegangenen Tagen, standen die Wahlen in Chiapas am 7. Juni in einem Spannungskontext. Es wurde von der Präsenz von min. 18 000 Soldaten und Bundespolizeikräften gesprochen. Trotzdem betonte Juan Carlos Gómez Aranda, der Generalsekretär der Regierung von Chiapas, dass alles normal gelaufen sei. Er merkte zwar an, dass es sehr wohl „Vorfälle“ gegeben habe, diese aber weder den Wahlvorgang, noch die soziale Stabilität beeinflusst hätten. Zu diesen „Vorfällen“ zählte auch, dass nicht alle Kästen installiert werden konnten und 35 Urnen und Wahlzettel in Ocosingo, Chilón, Venustiano Carranza, Comitán, Salto de Agua, Chiapa de Corzo, Huehuetán und Tuxtla, verbrannt wurden. All dies waren Ereignisse, von denen sich das Ministerium distanzierte. Laut des Netzwerkes der Wahlbeobachterinnen, wurde in 90% der Wahllokale von Wahlbetrug u.a. in Form von Zwang, Bedrohung, Beeinflussung der Programme und des öffentlichen Dienstes berichtet.
Die Ergebnisse zeigen folgende Tendenzen: 46.4% der Wahlberechtigten enthielten sich und 5.8% machten ihre Stimme ungültig. Der Rest der Stimmen ergab den klaren Sieg des Bündnisses von PRI und PVEM, deren Kandidaten in den 12 Distrikten des Bundesstaates triumphierten und 69.4% der Stimmen erhielten. Die PVEM konnte sich mit 45.6% der Stimmen eindeutig als stärkste polititische Kraft des Staates festigen. Chiapas trug so 25% zu den landesweiten Stimmen der PVEM bei. Die Partei Morena schaffte es mit ca. 6% der Stimmen auf Platz drei.
Trotz dieser Ergebnisse scheint es, als würde sich das Bündnis von PRI und PVEM in Chiapas spalten. Im Hinblick auf die Lokalwahlen am 19. Juli konnten die beiden Parteien ihr Bündnis nur in zwei Munizipien erhalten: In Tuxtla Gutiérrez und Tapachula. An diesem Tag ging es darum 122 Bürgermeister und 41 lokale Abgeordnete zu wählen. 64.12% der chiapanekischen Wahlberechtigten gingen wählen. Die PVEM besetzte 56 der 122 Bürgermeisterämter. Dahinter die PRI mit 26. In Tuxtla Gutiérrez und Tapachula gewannen beide und gingen ein Bündnis ein. Im lokalen Kongress gewann das PRI-PVEM Bündnis ebenfalls 16 Distrikte. In den restlichen Bezirken triumphierte die PVEM alleine, weshalb sie die absolute Mehrheit im lokalen Kongress haben wird. Die von der nationalen Regierung unterstützten Parteien „Vereinigtes Chiapas“ (span.: Chiapas Unido) und „Chiapas bewegen“ (span.: Mover a Chiapas) besetzten ihrerseits zehn und neun Bürgermeisterämter, womit sie die dritte und vierte politische Kraft in der Vereinigung sind. Es gab sowohl vor, während, als auch nach den Wahlen einige gewaltsame Vorfälle zwischen den beiden Parteien, die sich als Gewinner erwiesen. Es gab Verletzte durch Kugeln, Wahlzettel und das Mobiliar aus Büros der Gemeinderäte wurden verbrannt und andere Räte durch militante Reformgegner eingenommen.
Menschenrechte: Mehr und mehr Anzeigen
Die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) hat im Juni eine neue Attacke von Seiten des Paramilitärs auf zurückerobertem Gebiet im Dorf El Rosario im autonomen Munizip von San Manuel im offiziellen Munizip von Ocosingo, bekannt gemacht. Später, am 12. August, erstattete die EZLN Anzeige, weil zwei der am Mord des Lehrers Galeano Beteiligten frei gelassen wurden, „obwohl sie und ihre Komplizen der Historischen Unabhängigen Zentrale der Landarbeiter und Campesinos (CIOAC-H) wussten, dass sie Schuldige des organisierten Verbrechens sind.“ Es sei daran erinnert, dass Galeano, José Luis Solís López, im Mai 2014 in La Realidad im Munizip von Las Margaritas ermordet wurde.
In derselben Art und Weise beklagte die Organisation Las Abejas im August die Straflosigkeit, aufgrund der Haftentlassung von Beteiligten am Massaker von Acteal (1997) vor sechs Jahren. Außerdem merkten sie an, dass die für indigenes Recht spezialisierte Staatsanwaltschaft noch nicht den Mord von Manuel López Pérez unter einer wahrscheinlichen Mittäterschaft der Behörden des Munizips von Pantelhó im vergangenen Juli untersucht hat.
In Bezug auf gewaltsame Vertreibung haben die 17 vertriebenen Familien aus Primero de Agosto im Munizip von Las Margaritas neue Bedrohungen und Belästigungen aller drei Regierungsebenen in Mexiko gemeldet. Zwischen dem 3. und 17. August kehrten die vertriebenen Familien aus Banavil im Munizip von Tenejapa provisorisch auf ihre Ländereien zurück, um diese zu bearbeiten „ohne, dass der mexikanische Staat minimale Sicherheitsbedingungen garantiert“, bestätigte das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas.
Zwischen dem 14. und dem 17. August wurde in die Büros des Internationalen Friedensdienstes (SIPAZ) in San Cristóbal de Las Casas zweimal eingebrochen. Neben dem Geld, was gestohlen wurde, wurde eine Notiz gefunden. „Cuidado guerita (sic)“ (dt.: „Vorsicht ‚Ausländerin'“, Anmerkung: Auf weiße Hautfarbe bezogen) stand dort. Wertgegenstände wurden nicht entwendet und ein kleiner Geldbetrag wurde ebenfalls zurückgelassen. Weder Türen, noch Fenster waren beschädigt.
Trotzdem gibt es weiter Treffen und soziale Bewegungen
Im Juni besuchten Angehörige der vermissten Studenten aus Ayotzinapa Gemeinden des Nationalen Indigenen Kongresses (CNI) in Chiapas. Im Juli trafen sich Gemeinden des CNI aus Chiapas mit Anhängern der Sechsten Deklaration aus dem Lakandonischen Regenwald der EZLN in der Gemeinde Cruztón im Munizip von Venustiano Carranza. Die Teilnehmer sprachen sich für die Selbstverwaltung und die Verteidigung der Mutter Erde aus.
Die EZLN verkündete im Juli die Umsetzung einer secundaria (Mittelschule, 7.-9. Klasse) innerhalb der Escuelita Zapatista. Die Schüler*innen, die die primaria (Grundschule, 1.-6. Klasse) abgeschlossen haben, bekommen Anfang August eine E-Mail, die Zugang zu einem Video mit weiteren Informationen diesbezüglich enthält.
Im Mai gab es einen Pilgermarsch von Simojovel zu der Gemeinde La Pimienta, wo zwei Kinder gestorben und 29 weitere ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, nachdem sie eine Impfung bekommen hatten. Es ging darum, gegen die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen zu protestieren und die 5 000 Pesos Schadensersatz, die die Regierung den betroffenen Familien geboten hatte, öffentlich zu verurteilen. Im Juni pilgerten Mitglieder des Pueblo Creyente (dt.: Gläubiges Volk), eine Organisation, die der Diözese von San Cristóbal de Las Casas angehört, aus dem benachbarten Munizip von El Bosque ebenfalls, um Aufmerksamtkeit gegenüber den Problemen der Region zu fordern. Dazu zählen u.a. Gewalt, Korruption, Drogenhandel, genauso wie das Fehlen von öffentlichen Diensten. In der Zona fronteriza kam im Juli ein von der Mission Tojolab’al zusammen gerufener Pilgermarsch zustande, an dem ca. 4 000 Personen teilnahmen. Sie solidarisierten sich mit dem Dorf Simojovel und klagten die Vertreibung aus Banavil und dem Dorf Primero de Agosto an.
Oaxaca: „Im Ausnahmezustand“
Die sozial-politische Lage des Bundesstaates war von der Wahlperiode im Juni gekennzeichnet, die mit 440 gewalttätigen Vorfällen, 92 Festnahmen, Verwundeten, Verschwundenen und einem Toten zu Ende ging. In diesem Fall sprachen zivile Organisationen von „Oaxaca im Ausnahmezustand“. Kurz vor dem Wahltag kamen Truppen der Bundespolizei, der nationalen Gendarmerie und der Armee nach Oaxaca für den Fall, dass die Lehrer der 22. Sektion die Wahlen aufhalten wollten. Bis Mitte August summierten sie sich auf eine Stärke von 7000 Kräften. Nachdem die Regierung die Kontrolle des staatlichen Instituts für öffentliche Bildung (IEEPO) übernahm, die vorher bei der „Sección 22 de la Coordinaciòn Nacional de Trabajadores de la Educación“ (CNTE) lag, wurden die Sicherheitseinheiten am 18. Juli verstärkt. Die Regierung sah das als einen weiteren Schlag gegen das Lehramt in Oaxaca und fror eines seiner Konten ein, auf das gewerkschaftliche Beiträge und Gelder der landesstaatlichen Regierung eingezahlt wurden, angeblich, weil es unregelmäßige Kontobewegungen gegeben habe.
Menschenrechtsorganisationen und soziale Gruppen des Bundesstaates forderten den Gouverneur Gabino Cué Monteagudo auf, die Militär- und Polizeieinheiten sofort zurückzuziehen, denn ihre Präsenz sei „ein Beweis für die Kriminalisierung sozialer Proteste seitens der Politik“. Der Gouverneur behauptet, die Präsenz unterdrücke nicht, sondern erhalte.
Auf der anderen Seite meinte der Präsident des politischen Koordinierungsrates der LXII. Legislaturperiode Jesús López Rodríguez, die Präsenz der staatlichen Kräfte sei unnötig, da die Sektion 22 angekündigt hat, den Schulanfang nicht zu boykottieren. Er versicherte, dass der Gouverneur den lokalen Kongress umgangen habe, um die Präsenz zu beantragen. Die Geschehnisse, das Aussenden der Truppen und die Patrouille in den Straßen haben eine Art Belagerungszustand geschaffen.
Im Isthmus von Tehuantepec haben die Versammlung des juchitekischen Volkes (APPJ) und Zivilorganisationen Verletzungen gegen das Recht zur Konsultation beklagt und Schutzmaßnahmen getroffen. Grund dafür ist die Ankündigung des Energiesekretariats (SENER), dass das Unternehmen Eólica Sur in den Gemeinden Juchitán und El Espinal mit dem Bau des Windparks beginnen werde. Die Organisationen der Mission zur Beobachtung der Konsultation entdeckten viele Unregelmäßigkeiten, wie die Baubewilligung und Vertragsunterschriften vor der Einholung einer Erlaubnis; über 30 Sicherheitsvorfälle; 75 unbearbeitete Informationsanfragen; das Fehlen von zertifizierten Übersetzern; Entwicklung von Verhandlungen ohne die Traditionen der Gemeinde zu beachten; und ein genereller Kontext von Unsicherheit, Druck, Gewalt und fehlender Transparenz. Außerdem signalisierten sie: „Das ist der erste Fall, bei dem die Behörde eine Anhörung mit indigenem Charakter abwickelt, so wie es im nationalen Gesetz, abgeändert seit der Energiereform, verankert ist (…) Die Anhörung in Juchitán, in Übereinstimmung mit den eigenen Behörden, wird die Referenz sein, um mit solchen Projekten dieser Reform weiterzumachen. So erreichen die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, die während der gesamten Abwicklung dokumentiert worden sind, eine nationale Relevanz“.
In Bezug auf die städtische Mobilisierung gründete sich die Front zur Verteidigung des Cerro del Fortìn. Eine Bewegegung, die gegen den Bau des Tagungszentrums Oaxacas (Centro Cultural y de Convenciones de Oaxaca-CCCO) ist, den „die Regierung um Gabino Cuè erzwingen will, obwohl sein eigener Tourismussekretär Josè Zorrilla Diego angemerkt hat, dass es einen Interessenkonflikt gäbe, weil für ihn Erlöse als Aktionär des Hotel Victoria entstehen würden“. Die Bewegung vereint 55 Kollektive, Zivilorganisationen, Umweltschützer, Schulen für Ingenieure, Architekten und den Rundfunk. „Schluss mit den riesigen, schlecht geplanten und teuren Bauten. Schluss mit der Kürzung von Naturflächen in der Stadt, Schluss mit dem Machtmissbrauch“, warnt die Front im Juni, bevor gegnerische Gruppen Feuerwerkskörper gegen Häuser von Mitgliedern und Nachbarn der Gruppe knallen ließen. Die technische Sekretärin des oaxaquenischen Wasserforums, Rocìo Olivera Toro Maya, verblieb mit einem verletzten linken Bein und einige andere betroffene Personen berichteten von Hörschäden in Folge des Angriffs. Rocìo Olivera hat einige Angriffe erlitten, sie wurde überwacht und verfolgt, weil die auferlegten Vorsichtsmaßnahmen noch nicht angewendet wurden.
Omar Esparza Zàrate, der Witwer der Menschenrechtsverteidigerin Bety Cariño, die im Jahr 2010 bei einer humanitären Karawane in San Juan Copala gemeinsam mit Jyri Jaakkola ermordet wurde, klagte die Existenz einer bewaffneten Gruppe an, die versucht haben soll, ihn zu töten.
Im Mai gab es in Chimalapas ein Aufeinandertreffen von Einwohnern aus San Antonio Chimalapa und Bewohnern des Staates Chiapas mit zwei Verletzten und vier Verhafteten. Gemäß eines präsidialen Beschlusses aus dem Jahr 1967, wurden den Pächtern von Santa Marìa Chimalapas tausende Hektar Land zwischen den Grenzen von Oaxaca und Chiapas zugesprochen. Das verursachte wegen vorheriger Beschlüsse und Grundstücksverteilungen Konflikte. Im Juli bentragten die Zoques aus Santa Marìa Chimalapa ein anderes Ultimatum bei der bundes- und staatlichen Regierung, um die Invasionen aus Chiapas auf das Gebiet in Chiamalapa sofort zu unterbinden. Im August dokumentierten sie zwei neue, massive Invasionen, angespornt durch das Munizip von Cintalapa, Chiapas.