
FOKUS: Gewalt gegen Minderjährige in Mexiko- Realität und Suche nach Antworten
14/04/2019
Aktivitäten von SIPAZ (Mitte November 2018 bis Mitte Februar 2019)
14/04/2019ARTIKEL : Es wird das abschließende Urteil des „Gemeinschaftlichen Volksprozesses gegen den Staat und die Bergbauunternehmen in Oxaca“ vorgestellt, wobei eine neue Form des Kampfes zur Verteidigung des Territoriums versucht wird
„Der Volksprozess eröffnet eine neue Etappe der Verteidigung unseres Territoriums im Angesicht von Rohstoff-, Hydraulik-, Energie-, Tourismus- und Infrastrukturprojekten; er zeigt uns die Risse in diesem Modell und zeichnet ein Panorama der Verteidigung auf Landesebene: die Forderung nach unserer Autonomie und die komunitäre Organisation werden fundamentale Stützen sein, um die Veränderungen zu zünden, nach denen wir uns sehnen, und um die Prozesse zur Verteidigung unseres Territoriums zu stärken.“
Im Rahmen des Internationalen Tages der Menschenrechte, haben die Dörfer, Gemeinden und anklagenden Organisationen, die am 11. und 12. Oktober des vergangenen Jahres am „Gemeinschaftlichen Volksprozess gegen den Staat und die Bergbauunternehmen in Oaxaca“ teilgenommen haben, am 10. Dezember 2018 ihr abschließendes Urteil präsentiert. Dieser Prozess hat das Ziel, „die Menschenrechtsverletzungen, die durch Konzessionen und Bergbauprojekte verursacht werden, zu denunzieren und Aktionen und effektive Lösungen bei der Verteidigung unseres Territoriums zu erarbeiten“.
Im Verlauf des gemeinschaftlichen Volksprozesses nahmen 52 Gemeinden teil und präsentierten 22 Fälle von Schäden durch den Bergbau in fünf Regionen des Bundeslandes, die – so lautet das Urteil- „irreversible Schäden der Ökosysteme, die Verschmutzung von Flüssen, die Kriminalisierung von Gemeindebehören und der Aktivisten aus den Gemeinden, Brüche im sozialen Gefüge und allgemein verbreitete Unsicherheit in den Regionen, wo die Bergbauunternehmen, Schockgruppen und die Instanzen des Staates im Sinne der Bergbauprojekte operieren“ beinhalten.
Der Bericht des Volksprozesses führt auf, dass bis 2017 in Oaxaca 42 Bergbauprojekte von 38 Unternehmen aus Kanada, den Vereinigten Staaten, Peru, Australien und Mexiko registriert wurden. Davon befinden sich 36 in der Phase der Exploration, 2 in der Entwicklung, 1 wurde aufgeschoben und 2 befinden sich in der Phase des komerziellen Abbaus. Zudem existieren 322 Konzessionen, die vom Wirtschaftsministerium zur Exploration und für den Abbau von Rohstoffen ausgestellt wurden und eine Fläche von 462.974 Hektar (5% der Gesamtfläche von Oaxaca) abdecken.
Neben den vorgestellten Fällen wurden während des Prozesses eine Vielzahl von Erfahrungen in Form von Kämpfen zur Verteidigung von Land und Territorium gesammelt, wobei anerkannt wurde, dass als „Dörfer und Gemeinden von Oaxaca haben wir unsere traditionellen Territorien verteidigt, beschützt und konserviert, wir haben Vorschlägen und politische, soziale und ökonomische Alternativen gewebt und konstruiert, die auf unseren internen normativen Systemen basieren und auf der Ausübung unseres Rechtes auf freie Selbstbestimmung und Autonomie“. Diese Erfahrungen nehmen verschiedene Formen an: Versammlungen der Gemeinde, auf landwirtschaftlicher Basis oder des Gemeindebezirks; die Ernennung von Gemeindekomitees, um die Unversehrtheit des Territoriums zu schützen; Erklärungen von Gebieten, in denen der Bergbau verboten ist; komunale Statuten und interne Regelwerke; kulturelle Festivals; informative Treffen, Kongresse und Foren; Informationskampagnen in Bildungs-, Gesundheits- und Gemeindezentren; die Gründung von regionalen Versammlungen zur Verteidigung des Territoriums; Anklagen vor der Bundesstaatsanwaltschaft für den Schutz der Umwelt (PROFEPA), dem Ministerium für Umwelt und natürliche Ressourcen (SEMARNAT), dem Wirtschaftsministerium und der Nationalen Wasserkomission (CONAGUA); Mobilisierungen und regionale Proteste; die Einnahme von Maschinerie und Installationen von Bergbauprojekten; die Präsentation von amparos (lateinamerikanisches Rechtsmittel) gegen Bergbaukonzessionen; öffentliche Denunziationen und Pressekonferenzen, um den Stopp von Bergbauprojekten- und konzessionen zu fordern; zivile Observationsmissionen; das Einreichen von Klagen bei UN-Botschaftern und Besuchen des OHCHR neben weiteren Aktionen für den Schutz und die Verteidigung der Umwelt.
Es wurde jedoch festgestellt, dass „trotz der Anklagen und Forderungen aus zahlreichen Bereichen der Zivilgesellschaft und von sozialen Bewegungen auf der Grundlage verschiedener Verträge, Konventionen und politischer Verfassungen der Vereinigten Staaten von Mexiko, es keine wesentliche Reaktionen gegeben hat. Im Gegenteil, der Justizapparat hat die Interessen der Firmen geschützt und als effektives Kontrollinstrument gegen die legitimen Interessen der Bürger gedient. Für die Kläger hat sich besagter Justizapparat als nachlässig, ineffizient und ineffektiv herausgestellt“.
Ausgehend von dieser Bewerung, präsentiert sich der gemeinschaftliche Volksprozess als „eine neue Etappe“ und „einen friedlichen Weg des Kampfes der indigenen Völker von Oaxaca, um Respekt gegenüber ihren Rechten zu fordern, die vom Staat und den Bergbauunternehmen verletzt wurden“: abseits vom offiziellen Rechtssystem „verurteilen die Dörfer und Gemeinden die verantwortlichen Behörden und die Bergbauunternehmen für die in zahlreichen Bereichen des Lebens der Dörfer, in ihren individuellen und kollektiven Rechten und durch die scherwiegenden Schäden des Landes und des Territoriums begangenen Rechtsverletzungen“.
Die Geschworenen, zu denen nationale und internationale Experten gezählt haben, kamen zu dem Schluss, dass die Rechte auf freie Selbstbestimmung, Autonomie, Land und Territorium, vorzeitige, freie und informierte Befragung, auf öffentliche Information, auf eine saubere Umwelt, Gesundheit sowie auf den Schutz derer, die die Menschenrechte verteidigen, verletzt wurden.
Deswegen betont das Urteil die Notwendigkeit, dass die 322 Konzessionen aufgehoben und die 42 im Staat rechtskräftigen Bergbauprojekte gestoppt werden. Ebenso forderte es die sofortige Aussetzung der Vergabe neuer Abbaurechte „bis ein neuer Rechtsrahmen entwickelt wurde, der die in internationalen Verträgen und der Verfassung etablierten Rechte der indigenen Völker vollständig und effektiv respektiert; bis zur Aufhebung des aktuellen Bergbaugesetzes und weiterer, die die Beziehung mit dieser Industrie beschützen“. Ebenso drängte es die Behörden, Gesetze und öffentliche Richtlinien zu verabschieden, die die Rechte der indigenen Völker beschützen und sie als Subjekte des öffentlichen Rechtes anerkennen sowie effektive Mechanismen zur umfassenden Entschädigung des verursachten Schadens umfassen.
Das Urteil warf zudem die Notwendigkeit auf, die zu beschützen, die ihr Territorium verteidigen, damit sie das unter „freien und sicheren Bedigungen“ machen können, und forderten, dass „die Politik der Kriminalisierung des sozialen Protestes gestoppt wird, die Schuldigen von Morden bestraft werden und die verschwundenen Verteidiger ihres Territoriums sofort lebendig präsentiert werden sowie die Haftbefehle aufgehoben und die individuellen und kollektiven Drohungen ausgesetzt werden“.
„Ja zum Leben, nein zum Bergbau!“ oder „Weder Gold noch Silber, der Bergbau tötet!“ sind die Parolen, die sowohl während des Prozesses als auch beim abschließenden Urteil ertönten.