FOKUS: Gewaltkrisen beeinträchtigen das Recht auf freie Meinungsäußerung in Mexiko
15/06/2022Aktivitäten von SIPAZ (Mitte Februar bis Mitte Mai 2022)
15/06/2022
E s sind erschreckende und alarmierende Bilder, die in diesen Tagen um die Welt gehen: blutgetränkte Stofftiere vor zerbombten Häusern, verängstigte Menschen und Luftschutzbunkern, leblose Körper inmitten von Straßen, die Ruinen und das verbinden, was einst eine blühende Stadt mit Leben, Kunst, Freunde, und Frieden war.
Besagte Stadt hat keinen Namen, sie hat viele. Es kann Mariupol in der Ukraine sein. Oder Aleppo in Syrien, Marib im Jemen, Dohuk in Kurdistan oder Gao in Mali. Viele erscheinen häufiger in den Nachrichten, andere sind bereits in dem kollektiven Vergessen versunken, oder werden gar bewusst ignoriert.
Stell dir vor es ist Krieg und keiner schaut hin.
Der Bericht der „Escola de Cultura de Pao“ in Katalonien zeigt, dass es im April 2022 18 schwerwiegende bewaffnete Konflikte weltweit gab, und werden jene der niedrigen Intensität hinzugezählt, stiegt diese Zahl auf über 40.
Des Weiteren, so berichtet Amnesty International, „waren 2019 rund 79.5 Millionen Menschen weltweit von Zwangsumsiedlungen aufgrund von Kriegen betroffen.“ Eine Zahl, die heute, drei Jahre später, und unter anderem wegen Intensivierungen der Konflikte deutlich höher liegen müsste, und noch fehlen die Zahlen der von Hungersnöten, Folter und Ermordungen betroffenen Menschen, ebenso wie durch das Fehlen von Stabilität, Bildung und Ressourcen, um nur einige Folgen von Kriegen und bewaffneten Konflikten zu nennen.
Stell dir vor es ist Krieg und wir schauen hin.
Hinschauen tut weh, es impliziert nicht nur, sich mit erschreckenden und alarmierenden Bildern, wie ausgebrannte Krankenhäuser, bewaffnete Jugendliche, die in einen Krieg ziehen müssen, der nicht ihrer ist, oder zurückgelassene Leichen auseinanderzusetzen, sondern auch mit der Pandemie, der Ressourcenknappheit und ungleichen sozialen Entwicklungen, alles mögliche Indikatoren für Konflikte und schlussendlich Kriege.
Aber hinschauen und sich zu diesen Bildern und Themen positionieren ist in dem Prozess, den Konflikten ein Ende zu setzen, unumgänglich. Es ist der erste Schritt in ihrer Transformation.
Stell dir vor es ist Krieg und wir kämpfen gegen ihn.
In der Welt gab es und wird es immer verschiedene Formen des Widerstandes und der Proteste gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeiten geben: Kunst, Boykotts, Streiks, öffentliche Briefe, und, die wohl bekannteste Form des Protests, Demonstrationen. In Zeiten von Kriegen kann diese Form Risiken bergen, da sie Repressionen und Einschüchterungen mit sich bringt, gleichzeitig aber auch eine enorme Wichtigkeit innehat. Sie hilft, sich stärker und nicht alleine zu fühlen, hilft, Ängste zu minimieren, starke Botschaften zu vermitteln und, um Forderungen nach Veränderungen und der gemeinsamen Abneigung gegen den Machtmissbrauch eine Stimme zu geben.
Seit 1983 existiert eine Gruppe im Süden von Mexiko, in Chiapas, die für Veränderungen kämpft und hinschaut – die Zapatistas. Erst mir Waffen, später mit Worten und immer in kollektiver Erscheinung haben sie sich in enormen Protesten und Versammlungen manifestiert, wie beispielsweise der Marsch der Farbe der Erde (March de Color de la Tierra) 2001, das „Internationale Treffen der Frauen die kämpfen“ (Encuentro Internacional de Mujeres que Luchan) 2019, oder 2021, während der „Reise für das Leben“ (Gira por la Vida) in SLUMIL K`AJXEMK`OP/dem widerständigen Europa. Ihre letztere größere Manifestation fand 2012 statt, als Tausende Zapatistas in fünf Städten in Chiapas demonstriert hatten – bis jetzt.
Am 13. März 2022 tauchten sie erneut und im Kollektiv in San Cristóbal de Las Casas, Ocosingo, Palenque, Las Margaritas, Altamirano und Yajalón in Chiapas aus, wie sie es am 9. März 2022 in einem Kommuniqué bekannt gegeben hatten. Ihr Ziel: ein Ende „dem Krieg setzten, den die kapitalistischen Regierungen verursachen“ und „Leben und Frieden in der Welt“. Sie betonten, dass „es nicht nur die Ukraine ist. Es ist ebenfalls Palästina, Kurdistan, Syrien, das Volk der Mapuche, die Pueblos Originarios der ganzen Welt und unzählige und unzählige libertäre Prozesse, die angegriffen, verfolgt, ermordet, zum Schweigen gebracht, verzerrt werden.“
Sie riefen daher „alle aufrichtigen Menschen, Gruppen, Kollektive, Organisationen und Bewegungen in Mexiko und auf der ganzen Welt dazu auf, sich gemäß ihrer Zeit und auf ihre Weise – und unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit und Autonomie – ab Sonntag, dem 13., an den Aktivitäten zu beteiligen, um das Ende der Kriege zu fordern.“
Dieser Aufforderung wurde von den Gruppen Folge geleistet: am Sonntag, 13. März, haben, neben den Zapatistas in Chiapas, verschiedene Gruppen und Kollektive in Mexiko und der Welt demonstriert und politische Aktionen organisiert mit dem Ziel, ihren Widerstand und ihre Abneigung gegenüber den Kriegen zu symbolisieren, ebenso wie ihre Stärke und ihre Solidarität mit den Betroffenen.
Es lohnt sich zu erwähnen, dass in der Gemeinde Altamirano die lokale Bevölkerung von den Zapatistas eingeladen wurde, sich an dem Protest zu beteiligen, was dann auch geschah. Tausende schlossen sich an, um die Freilassung der seit Dezember letzten Jahres festgenommen 37 Campesinos zu fordern.
Laut Angaben von Chiapas Paralelo protestierten rund 20 Tausend Zapatistas in den verschiedenen Städten und Gemeinden, womit sie sich den Beginn einer „weltweiten Kampagne gegen die Kriege des Kapitals“ erhoffen, indem „Konzerte, Versammlungen, Festivals, Treffen (..)“ organisiert werden.
Die EZLN beendet ihr Kommuniqué mit einer klaren Aufforderung:
„Gegen alle Kriege – alle Formen der Kunst, des Widerstandes, der Rebellion!“