FOKUS: Zentralamerikanische Migration in die USA – Die Anerkennung der Flüchtlingsrechte auf der „Höllenroute“
05/09/2014SIPAZ-AKTIVITÄTEN (Von Mitte Mai bis Mitte August 2014)
05/09/2014Am 25. und 26. Juli fand in Tlapa de Comonfort, Guerrero, der zwanzigste Geburtstag des Centro de Derechos Humanos de la Montaña Tlachinollan statt. „In einem kleinen Hotelzimmer, wo wir nichts als unsere Träume zur Hand hatten, entstand 1994 Tlachinollan, um den Bergvölkern Gerechtigkeit zu bringen. Seitdem ist viel passiert. All diese Jahre Revue passieren zu lassen, ist keine leichte Aufgabe. Doch selbst wenn uns die Details und genauen Ereignisse aus zwanzig Jahren Arbeit entgleiten, haben die Gesichter der Personen, die wir begleiteten, unauslöschliche Spuren in unseren Herzen hinterlassen. Die Gesichter derer, die schwerwiegende Verletzungen ihrer Menschenrechte erfahren hatten, aber die Stimme gegen die Übergriffe erhoben und sich der Straflosigkeit wiedersetzten“, mit diesen Worten beginnen die ersten Seiten des Berichtes „In den Bergen Guerreros: Funken von Gerechtigkeit und Hoffnung“, der aus diesem Anlass vorgestellt wurde.
An der Veranstaltung nahmen mehr als 400 Repräsentanten aus 85 Gemeinden der Region, soziale Bewegungen und solidarische Organisationen unter anderem aus den Bundesstaaten Puebla, Nayarit und dem Hauptstadtbezirk (Distrito Federal) sowie Repräsentanten von verschiedenen internationalen Institutionen und Botschaften teil. Die Anwesenden nahmen an einem Diskussionsforum mit dem Titel „Von Herzen der wiederständischen Gemeinden“ die dem Andenken an den Kampf der indigenen Völker gegen Diskriminierung und Exklusion und für die Verteidigung der Menschenrechte gewidmet waren.
Unter den Erfolgen der vergangenen Jahre ist der beispielhafte und hoffnungsvolle Fall der beiden meˈphaa-Frauen, Inés Fernández Ortega y Valentina Rosendo Cantú, zu nennen. Sie wurden im Jahre 2002 von Mitgliedern der mexikanischen Armee vergewaltigt und gefoltert. Die beiden Frauen, die bei der Veranstaltung anwesend waren, kämpften mithilfe von Tlachinollan und anderen Organisationen für Gerechtigkeit, bis 2010 der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (Corte Interamericana de Derechos Humanos) in ihrem Fall gegen den mexikanischen Staat urteilte. Ein anderes Beispiel handelte von Bonfilio Rubio Villegas, einem indigenen Bergeinwohner, der 2009 vom Militär außergerichtlich exekutiert wurde. 2012 gab der oberste Gerichtshof (Suprema Corte Justicia de la Nación) dem Antrag seiner Familie statt, den Fall nach Zivilrecht zu verhandeln. Die Fortschritte in diesen Fällen trugen dazu bei, dass im April 2014 der Código de Justicia Militar landesweit reformiert wurde, damit von Mitgliedern der bewaffneten Truppen begangene Menschenrechtsverletzungen vor zivilen Instanzen verhandelt werden können.
Die Veranstaltung wurde ebenfalls dazu genutzt, die Ungerechtigkeit und Gleichgültigkeit anzuprangern, die die Regierung den indigenen Gemeinden in der Region bis heute entgegenbringt. Abel Barrera Hernández, Direktor von Tlachinollan, erklärte: „Die Krimminalisierung der indigenen Völker und die Bedrohung ihres Territoriums sind angestiegen. Die Bergbaukonzessionen und der Bau des Wasserkraftwerkes stellen Instrumente zur Ausbeutung dar. Aufgrund dieser Ausbeutung, des Missbrauchs und der mangelnden Verfolgung von organisierter Kriminalität seitens der Behörden spitzt sich die Situation der Gemeinden zu.“ Zur Veranschaulichung dieses Themas wurden Fälle von sozialen Akteuren angeführt, die im vergangenen Jahr ungerechtfertigt inhaftiert wurden. Darunter befindet sich die Koordinatorin der Kommunalpolizei von Olinalá, Nestora Salgado. Sie wurde im August 2013 von Mitgliedern der Marine und der Staatspolizei festgenommen und der Entführung beschuldigt, während sie rechtmäßig ihres Amtes innerhalb des Rechtssystems ihres Dorfes waltete. Ebenso festgennommen wurden Arturo Campos und Gonzalo Molina, Mitglieder der Regionalen Koordination der Kommunalbehörden-Kommunalpolizei (Coordinadora Regional de Autoridades Comunitarias-Policía Comunitaria), und Marco Antonio Suástegui, Sprecher des „Rates der Ejidos und Gemeinden gegen La Parota“ (Cecop). Suástegui wurde am 17. Juni 2014 festgenommen und von den verantwortlichen Polizisten gefoltert. Ihm werden diverse Straftaten zu Lasten gelegt, die aus seinem Kampf gegen den Bau des Wasserkraftwerkes „La Parota“ sowie gegen die Förderung von Kies und Sand aus dem Papagayo-Fluss resultieren. Sowohl Nestora Salgado als auch Marco Suástegui werden in einem Hochsicherheitsgefängnis des Staates festgehalten, weit entfernt von ihren Familien und ihrem sozialen Umfeld im Bundesstaat Nayarit.
Im Laufe der Veranstaltung wurde betont, wie wichtig die Arbeit mit den indigenen Völkern ist, die jeden Tag für ihre Rechte kämpfen. Deshalb dankte Abel Barrera Hernández denen, „die uns Tortillas, Kaffee, Schlafplätze und Sombreros gaben und uns beibrachten, in den Gemeinden Gerechtigkeit zu säen. Ohne euch hätten die vergangenen zwanzig Jahre also keinen Sinn, denn ihr seid die Väter, die Mütter, die Gründerinnen und Gründer von Tlachinollan“.