TRANSNATIONALE UNTERNEHMEN IN GUERRERO
06/02/2012GEOGRAFISCHE LAGE
31/03/2012„„Ich bin lange Wege mit erhobenem Haupt und viel Würde gegangen – stolz darauf, wer ich bin und dass ich eine Frau bin„.
Am 1. Oktober 2010 hat der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR) in den Fällen von Valentina Rosendo Cantú und Inés Fernández Ortega zwei Urteilssprüche gegen den mexikanischen Staat bekanntgegeben. In diesen stellt der IAGMR fest, dass beide Frauen im Bundesstaat Guerrero in einem Kontext von Armut, Diskriminierung und „institutionalisierter militärischer Gewalt“ (Tlachinollan, 2011) durch Mitglieder des mexikanischen Militärs vergewaltigt und gefoltert wurden.
Valentina Rosendo Cantú sagte aus, dass sie am 16. Februar 2002 gerade in einem Bach etwa 200 Meter von ihrem Haus entfernt in der Gemeinde Barranca Bejuco, Landkreis Acatepec (Guerrero), Wäsche wusch, als acht Soldaten auftauchten. Zwei von ihnen fragten sie, wo die Vermummten seien, sie antwortete, dass sie keinen kenne. Sie zeigten ihr Fotos und eine Liste mit Namen, während einer von ihnen mit seiner Waffe auf sie zielte. Sie schlugen sie, belästigten sie, folterten sie und schließlich vergewaltigten sie zwei von ihnen, während die anderen sechs zusahen. Damals war die junge Me’phaa-Indigena Valentina 17 Jahre alt und sprach kein Spanisch.
Der Fall von Valentina ist in Mexiko kein Einzelfall. Viele Frauen erleiden ähnliche Verletzungen ihrer grundlegenden Rechte. Zum Beispiel wurde im selben Jahr Inés Fernández Ortega, damals 27 Jahre alt und ebenfalls Me’phaa-Indigena, von drei Soldaten, die in ihr Haus in der Gemeinde Barranca Tecuani, Landkreis Ayutla de Los Libres (Guerrero), eindrangen, bedroht, geschlagen und vergewaltigt. Valentina und Inés schwiegen angesichts dieser Taten nicht, sondern begannen einen Kampf, um weitere Übergriffe und Beleidigungen gegen Frauen zu verhindern und um zu erreichen, dass die Verantwortlichen bestraft werden und für die Schäden aufkommen.
Wegen des Angriffs wandte sich Valentina an das Gesundheitszentrum von Caxitepec, wo der Arzt sie laut ihrer Aussage nicht behandeln wollte, weil „er keine Probleme mit dem Militär haben möchte“. Als sie die Taten anzeigen wollte, erlitt sie anschließend die selben Diskriminierungen und Regelverstöße: „[…] obwohl sie wussten, dass ich kein Spanisch sprach, stellten sie mir keinen Übersetzer zur Verfügung.“ Valentina stellte fest: „Nicht still geblieben zu sein, hat mir schwerwiegende Konsequenzen gebracht.“ Nach der Anzeige drangen Soldaten in ihre Gemeinde ein und der Landrat von Acatepec sagte ihr, dass sie aufhören soll, das Militär zu beschuldigen, denn sonst würde es keine Unterstützung mehr bei staatlichen Maßnahmen und Bauvorhaben geben. Ihre Gemeinde und auch ihr Ehemann verstießen sie, weshalb sie, „mit nichts, ohne Unterkunft, und ohne gut Spanisch zu sprechen“ in die Stadt Chilpancingo ging.
Acht Jahre lang versuchten sie in Mexiko Recht zu bekommen – und in dieser Zeit erhielten die beiden Frauen und ihre Angehörigen Drohungen, wurden belästigt und überwacht. Valentina und ihr Sohn Yenis mussten mehrmals den Wohnort wechseln.
Die offizielle Anerkennung durch den mexikanischen Staat
Ein Teil der Strafe, die der Interamerikanische Gerichtshof 2010 gegen den mexikanischen Staat verhängt hat, ist eine öffentliche Entschuldigung und die Anerkennung der Verantwortung durch die mexikanische Regierung, was nach 9 Jahren im Dezember 2011 stattfand. Der Innenminister, Alejandro Poiré, erkannte öffentlich die Verantwortung des mexikanischen Staates im Fall von Valentina an und bat sie „sehr aufrichtig um Verzeihung“ für das was passiert ist, „ohne zu erwähnen, welche Art von öffentlichen Bediensteten Valentinas Rechte verletzt haben.“
Diese öffentliche Anerkennung durch den mexikanischen Staat bedeutet einen wichtigen Schritt Richtung Gerechtigkeit. Dennoch ist der Weg noch weit und vieles muss kritisch analysiert werden. So beklagte Valentina etwa, dass der mexikanische Staat in Person von Poiré die Willkür und die Menschenrechtsverletzungen durch Staatsbedienstete weiterhin als „Verfehlungen“ beschönige und behaupte, das diese Verletzungen und die Straflosigkeit in diesem Fall nicht die allgemeine Praxis in Calderóns Mexiko ist: „Es ist offensichtlich, dass diese Einzelfälle in keiner Weise die Politik des mexikanischen Staates darstellt, die jederzeit an der Förderung, der Achtung, dem Schutz und der Sicherstellung der Menschenrechte orientiert ist.“
Valentina ist dem Traum, Gerechtigkeit zu erreichen, nun näher gekommen, aber sie weiß auch, dass ihr Kampf noch nicht beendet ist: „Nein, noch nicht. Er geht weiter, denn noch sind die Verantwortlichen frei, noch sind sie nicht, wo sie hingehören.“ Das weiß sie sehr gut, den in ihrer Sprache, dem Me´phaa, besteht das Wort Gerechtigkeit aus drei Konzepten: der Entschuldigung, der Strafe und der Versöhnung. Das, was nun eingetreten ist, war kaum eine Annäherung an einen Teil dieser Gerechtigkeit. Die Straflosigkeit sowohl in den Fällen von Valentina und Inés als auch in denen Tausender andere Frauen in Mexiko besteht weiterhin und bedeutet nicht nur das Ausbleiben einer Bestrafung gegen die Täter, sondern auch das Fehlen eines ordnungsgemäßen Prozesses und ordnungsgemäßer Ermittlungen.
Trotzdem hat Valentina große Hoffnung, dass eines Tages die Schuldigen bestraft werden. Diesen Traum hat sie für alle Frauen, die das selbe erlitten haben wie sie und die bisher nicht den Mut hatten, dich ihren Vergewaltigern zu stellen. Sie bekräftigt: „Fälle wie meiner bedeuten für viele Frauen die Hoffnung Gerechtigkeit zu erreichen – diejenigen Frauen, die es nicht konnten, die sich nicht getraut haben gegen die Regierung […] Ich teile mit ihnen ihren Schmerz, ihre Wut und ihre Empörung, die sie fühlen, eine Anzeige zu machen ist nicht leicht.“ Deshalb ist es wichtig, andere Frauen zu bestärken und ihnen zu helfen, damit sie den Mut haben, weiter zu kämpfen wie sie es getan hat und wie sie es machen wird, bis sie Gerechtigkeit und ihre Träume erreicht hat: „Ich habe mich niemals in eine Kammer zurückgezogen, ich habe mich nicht von einer Brücke gestürzt. Schweigt nicht, das ist schmerzhafter als weiter zu kämpfen.“