AKTUELL: Soziale Aufruhr im Süden Mexikos
20/09/2016ARTIKEL: Wir wollen uns lebendig
20/09/2016“Die Erziehung ist eine Handlung der Liebe, also eine Wertehandlung.”
In den letzten Monaten erlangten die Proteste gegen die Bildungesreform in vielen Teilen des Landes, vor allem in den Bundesstaaten Chiapas, Oaxaca, Guerrero und Michoacán, an Bedeutung. Seit dem 15. Mai -wegen des “Tages der LehrerInnen” ein symbolisches Datum- vereinte sich die Sektion 7 der Nationalen Lehrergewerkschaft (SNTE) aus Chiapas mit der Nationalen Koordination der LehrerInnen (CNTE). Gemeinsam führen sie die LehrerInnenbewegung an und begannen eine unbestimmte Arbeitsniederlegung. Die SNTE und die CNTE forderten gemeinsam einen Verhandlungstisch mit dem Innenministerium (Segob) und dem Bildungsministerium (SEP). Damit gerieten sie in eine Sackgasse, denn zu Beginn war keine der beiden Institutionen zu Gesprächen bereit. So schloßen ganze Schulen zwei Monate vor Ende des Schuljahres und Millionen Kinder und Jugendliche bekamen keinen Unterricht mehr. Zu den LehrerInnen, die sich der Bildungsreform entgegensetzen, schlossen sich StudentInnen, Eltern, soziale Organisationen, Bauern und Bäuerinnen, und BürgerInnen der Zivilgesellschaft an. In Chiapas verkündete die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) Anfang Juli ihre Entscheidung, als Zeichen der “Solidarität, des Respektes und der Bewunderung” der Lehrerschaft nicht an dem Festival Comparte teilzunehmen,. Daher spendeten die fünf Caracoles als materielle Unterstützung all ihr Proviant, das ursprünglich für das Festival gedacht war und ca. 290 000 Pesos entsprach der streikenden Lehrerschaft.
So wie sich die externe Unterstützung gegenüber der Bewegung steigerte, intensivierte sich auch die Repression von Seiten der Polizeikräfte. Am vergangenen 19. Juni kamen neun Personen ums Leben, mehr als Hundert wurden verletzt und 18 Personen bei einer Straßensperre in Nochixtlán, Oaxaca, festgenommen. Diese Straßensperre, errichtet zur Unterstützung des Kampfes der LehrerInnen und um die Ankunft der Polizei zu verhindern, die unter Gewaltanwendung die Wachposten der LehrerInnen in der Hauptstadt hätten zerstören können, wurde durch bewaffnete Einheiten der Gendarmerie und der staatlichen und federalen Polizei aus dem Hinterhalt angegriffen. (…) Die Einschätzung von Desinformémonos dazu war, dass diese Vorkommnisse den “starken demokratischen Rückgang den Mexiko zurzeit erlebt” zeigen, “wo auf eine zivile Demonstration mit schwerer Waffengewalt geantwortet wird, obwohl es in internationalen Protokollen verboten ist, irgendeinen sozialen Protest aufzulösen”. Laut der Zeitung La Jornada wurde Enrique Peña Nieto (EPN) eine Woche nach den Todesfällen in Nochixtlán im Rahmen eines Gipfels nordamerikanischer Politiker in Quebec, Kanada, mit den Rufen “Mörder!” empfangen. Dennoch zögerte er nicht, die “abtrünnigen” LehrerInnen zu kritisieren. Zu Beginn beteuerte er: “Es ist schade, dass die Demonstrationen, die in verschiedenen Teilen unseres Landes, vor allem aber in Oaxaca […], stattfanden, […] weit darüber hinausgehen, als nur für eine Sache zu kämpfen […], denn sie rufen Probleme in den betroffenen Gemeinden hervor”. Eigensinnig führte er fort: “Es wird keinen Dialog mit den LehrerInnen über die Bildungsreform geben”. Am darauffolgenden Tag diskreditierte er die LehrerInnen, die gegen die Bildungsreform sind, erneut, darauf drängend “wieder ihre soziale Funktion auszuführen (sic)”. Auf diesen Aufruf reagierte der kanadische Präsident Justin Trudeau, der einst Lehrer war, indem er seinen mexikanischen Amtskollegen einlud, “einen konstruktiven Dialog einzuleiten und so die Stärkung des Rechtstaates zu garantieren”.
Aber warum dieser Grad von Unterdrückung der Demonstrationen? Woher kommen diese Proteste? Was sind die Motive der DemonstrantInnen? Wer vernetzt sie? Im Folgenden werden wir einigen dieser Fragen nachgehen und versuchen, Antworten zu finden.
Die Bildungsreform
Im Jahr 2013 präsentierte der Präsident der mexikanischen Republik, Enrique Peña Nieto- von der Partei der Institutionalisieren Revolution (PRI)-, der Verfassung ein Reformpaket, der sogenannte “Pakt für Mexiko”– eine Vereinbarung zwischen den zentralen politischen Parteien, um das wirtschaftliche Wachstum und die Konstruktion einer Gesellschaft mit Rechten wie Gerechtigkeit, Sicherheit, Transparenz und frei von Korruption anzukurbeln. Dies mündete in der Verabschiedung verschiedener Reformen wie z.B. der Energie- oder der Steuerreform. Während die erste nicht den erwarteten wirtschaftlichen Wachstum mit sich brachte, bot die zweite nicht die versprochene steuerliche Stabilität. Drei Jahre nach der Verabschiedung stieg in Mexiko laut des Nationalrats für die Bewertung der sozialen Entwicklungspolitik (Coneval) die Zahl der in Armut lebenden Menschen auf zwei Millionen an.
Zwischen diesem Reformenkomplex wurde auch die Bildungsreform in Angriff genommen. Innerhalb von nur 12 Tagen wurde sie verabschiedet und zeigte somit bereits von Anfang an Zeichen der Ablehnung. Eine der Innovationen, die geplant waren, war die eigenständige Führung der Schulzentren. “Damit behauptet der Staat, dass die Eltern der Familien die Verantwortung haben, sich um administrative Probleme der Schulen zu kümmern, die sonst immer eine staatliche Verpflichtung waren, wie z.B. die Bezahlung von Wasser, Licht und Materialien”, merkte Imágenes Múltiples an. AnalytikerInnen deuten die Reform als den Beginn der privaten und als das Ende der staatlichen und kostenlosen Bildung. Die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) und der Nationale Indigene Kongress (CNI) signalisierten in einer gemeinsamen Mitteilung, “die, die sich über die Macht freuen, entschieden, dass die Bildung, die Gesundheit, die indigenen und bäuerlichen Territorien keine Rechte sind, sondern Produkte und Dienstleistungen die entrissen, geraubt, zerstört und verhandelt werden wie es die große Hauptstadt diktiert.”
Die Bewertung der Leherschaft
Ein anderer der Punkte der für breiten Widerstand sorgte, war die Bewertung der Ausübung ihrer Tätigkeit. Durch ein Examen für LehrerInnen, das alle vier Jahre durchgeführt wird, gibt die Regierung an, die Fähigkeit der pädagogischen Kompetenz der Lehrkräfte zu messen, ohne jedoch den akademischen Grad, ihre Erfahrung und den menschlichen Umgang mit den SchülerInnen zu beachten und außerdem, die kulturellen und sozioökonomischen Unterschiede, die im Land existieren, zu beachten.
Beide Sektoren interpretierten diese Evaluation als eine Form der Auslese der DozentInnen. Besagtes Examen würde in der Arbeitsstabilität der LehrerInnen mit dem Vorwand enden, nur die “geeigneten” ProfessorInnen weiter zu beschäftigen. Hugo Aboites, Rektor der Autonomen Universtität Mexiko-Stadt (UNAM) äußerte sich dazu ebenfalls: “man stimmte ganz klar für eine Evaluation um Verantwortliche, um nicht Geeignete zu suchen und sie auf irgendeine Weise aus den Unterrichtsräumen zu entfernen”. Die Reform legt fest, dass das Nicht-Bestehen einer dritten Evaluation die Versetzung oder die Amtsenthebung mit sich bringt, ohne das diese/r widersprechen kann. Obwohl der Oberste Gerichtshof der Nation (SCJN) das Recht der LehrerInnen anerkannte, über den administrativen und gerichtlichen Weg die widrigen Ergebnisse anzufechten, könnte sich die Anfechtung nur auf die Syntax der Fragen der Evaluierung beziehen. Derart verstärkt weder das “Nicht-Recht” auf Revision noch eine Gegenerklärung die Uneinigkeit und das Misstrauen der LehrerInnen gegenüber der Evaluierung, die sie als “strafend” betrachten. Wer und unter welchen Kriterien werden sie bewertet?
Deswegen wird diese Reform immer mehr bekannt unter “die Bildungsreform mit dem schlechten Ruf” und wird immer mehr als eine Arbeitsreform verstanden. In der Mitteilung “SEIT DEM UNWETTER” lehnten die EZLN und der CNI die Auferlegung der “neoliberalen kapitalistischen Reform, welche sie ‘erzieherisch’ nennen, welche mit Gewalt kommt, um die LehrerInnenum um ihre grundlegenden Arbeitsgarantien zu berauben”, ab. “Wenn man die Reform liest, merkt man, dass es überhaupt nicht um die Bildung Mexikos geht”, äußerte sich der Karikaturist und Schriftsteller Rius, “es ist eine Reform, die einfach nur eine administrative Arbeitsreform darstellt und deren Ziel es ist, die Gewerkschaften der LehrerInnen in ihre Schranken zu weisen”. Die Bildungsreform “beleidigt unsere Arbeitsgarantien, welche vor allem in Gewerkschaftskämpfen seit den 70er Jahren erreicht wurden, als die CNTE gegründet wurden”, glaubte eine Professorin aus Chiapas.
Der Kampf gegen die Gewerkschaften
Die Nationale Koordination der LehrerInnen (CNTE) ist eine Gewerkschaftsorganisation von LehrerInnen als Alternative zur Nationalen Lehrergewerkschaft (SNTE). Die CNTE gründete sich 1979 in Chiapas, genaugenommen im Südosten des Landes, wo die LeherInnenbewegung laut der Zeitung La Jornada “mit Intentionen, ihre eigene Gewerkschaft zu demokratisieren”, noch mehr Bedeutung hat. Historisch betrachtet hat sie den Teil an DozentInnen aufgenommen, der von der Politik der SNTE abweicht, denn diese ist bekannt für ihre korrupte Vorgehensweise und dafür, Verbindungen mit dem Staat zu haben- trotz eine angeblich unabhängige Gewerkschaft zu sein.
Laut Erklärungen des Programms Aristegui Noticias von CNN erinnerte der Soziologe Gilberto Guevara, Autor von “Poder para el maestro, poder para la escuela” (Macht für die LehrerInnen, Macht für die Schule), daran, dass “das Jahr 2008 der Höhepunkt der Macht von Elba Esther Gordillo und der SNTE darstellte, da die Regierenden, in diesem Fall der Präsident Felipe Calderón, ihr, im Gegenzug zur Wahlfunktionen der Gewerkschaft, der SNTE die Führung der nationalen Bildung überreichte.”
Die Demonstrationen
Seit der Verabschiedung der Bildungsreform im Feburar 2013 haben die “abtrünnigen” LehrerInnen ihre Unzufriedenheit durch hunderte von Protesten gezeigt, von traditionellen Märschen, Wachposten, Straßensperren, Arbeitsniederlegungen, bis hin zu Kulturveranstaltungen wie z.B. der “Kulturbarrikade” mit Projektionen und Instalationen wie Wandzeitungen. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe befinden sich die LehrerInnen in einem unbestimmten Arbeitsstreik, der am 15. Mai diesen Jahres mit der Forderung der Aufhebung der Bildungsreform begann.
Bei vielen der Demonstrationen schreitete die Polizei gewaltsam ein, das brutalste Beispiel ist hier die Unterdrückung in Nochixtlán, Oaxaca. Obwohl der Sekretär der Öffentlichen Sicherheit Oaxacas, Jorge Ruiz, bestätigte, dass die Sicherheitskräfte “kamen, um [die DemonstrantInnen] friedlich und, mit den AnführerInnen der Proteste dialogbereit, zu vertreiben”, versicherten Zeugen der Geschehnisse, interviewt von Animal Político, dass von Seiten der Polizei Gewalt und Tränengas von Anfang an angewendet wurden. “Sie [die PolizistInnen] redeten nicht […] Sie kamen, warfen Bomben und wir [die DemonstrantInnen] rannten, aber sie verfolgten uns”, sie beschimpften sogar die FußgängerInnen, die gar nicht an den Protesten teilnahmen, sondern nur vorbeiliefen. Mehr noch, nachdem mehrere Personen der Zivilgesellschaft durch Schüsse getötet worden waren, schloss der leitende Chef der Bundespolizei, Enrique Galindo, aus, dass die PolizistInnen, die an diesem Einsatz in Nochixtlán beteiligt waren, Waffen trugen, nichteinmal Tränengas benutzten, sondern sich als eine “schützende, beruhigende Mannschaft verhielt, mit physischem Schutz und ohne Waffen”. Dennoch, enthüllten Beamte, die am nationalen Sicherheitskabinett teilnahmen der Zeitung La Jornada (3/07/2016), dass ungefähr 100 Agenten der Gendarmerie bewaffnet eintrafen und sich so der Entscheidung der Hauptstadt des Landes widersetzten. Ende Juni dann wurde die Entscheidung getroffen, die Vorkomnisse in Nochixtlán aufzuklären und den Faminilienangehörigen der Opfer Schadensersatz zu zahlen.
Vor den Geschehnissen in Nochixtlán nahm die Polizei während Demonstrationen schoneinmal drei Leben von DozentInnen, einer von ihnen starb in Chiapas, zwei weitere in Guerrero. Alle drei Fälle wiesen ähnliche Medienenthüllungen auf: Die Beamten verneinten den Einsatz von Waffen, während die LehrerInnen direkt die Sicherheitskräfte für den Tod ihrer KollegInnen verantwortlich machten.
Kriminalisierung sozialer Proteste
Kriminalisierung sozialer Proteste
Seit Monaten wird in vielen Medien eine Kampagne gegen das Ansehen der “abtrünnigen” LehrerInnen-Bewegung durchgeführt. Die Kampagne kritisiert die LehrerInnen mit Argumenten wie, sie würden die Kinder während des Streikes zurücklassen und ihr Kampf beruhe nur auf leeren Beschwerden anstatt auf konkreten Vorschlägen, um die Bildung zu verbessern Die sich im Streik befindende Lehrerschaft wurde neben weiteren Beleidigungen “Dummköpfe, Randalierer und Privilegierte” genannt. “Wir haben einige LehrerInnen in klarem Widerstand gesehen. Das sind LehrerInnen, die als Gewaltbeispiel ohne Verantwortung bis hin zur Straflosigkeit dienen […]. Wie soll man solchen MexikanerInnen klar machen, dass sie nicht das Mexiko errichten, das wir brauchen?” oder “in einigen Staaten wie Chiapas oder Oaxaca ist die Bildung konfisziert worden […]es kann nicht sein, dass diese Individuen an Schulen unterrichten. Welchen Unterricht geben sie den Kindern?”, sind nur einige wenige Beispiele die man in verschiedenen Radiosendern hören kann.
Ende Mai besetzten soziale Organisationen und die Lehrerschaft symbolisch über mehrer Stunden zehn Bürgermeisterämter, mehr als die Hälfte davon in Chiapas. In Comitán de Domínguez zog ein Ereignis die Aufmerksamkeit der Tagesmedien auf sich: Sechs LehrerInen wurden angegriffen und dazu gezwungen barfuß und mit Schildern auf denen “Heimatverräter” stand zu laufen. Die Mehrheit der Presse gab die CNTE als Verantwortliche dieser öffentlichen Demütigung an, trotz dass sie schlussendlich von der unabhängigen Bürgerorganisation Emiliano Zapata (OPIEZ), eine soziale Organisation bestehend aus vor allem herumziehenden HändlerInnen, durchgeführt wurde. Wie Luis Hernández Navarro aufzeigte, “ist einer der aktivsten Widerständler, überraschenderweise, einer der wichtigsten Angstellten des Bürgermeisters” und die OPIEZ “handelt in der Gemeinde als Streitgruppe des Gemeindepräsidenten.” Der Schriftsteller und Journalist bezeichnet den “Medienansturm auf nationalem Niveau”, als Mittel um “die demokratische Lehrerschaft fälschlicherweise der Beleidigung zu beschuldigen”. Er zeigt ebenfalls auf, dass dies nicht die erste nationale Medieninszenierung war, sondern dass bereits vor elf Monaten eine angebliche Professorin in Tuxtla Gutiérrez öffentlich übel zugerichtet wurde, die sich hinterher als Bundespolizeibeamtin herausstellte. Diese Informationen sind “vom Staat manipuliert, wenn es heißt, dass die LehrerInnen angreifen oder beschimpfen oder dass sie Unruhe in die Bevölkerung bringen”, sagt eine Lehrerin der CNTE in Chiapas aus. “Wir wissen, dass sie Spionagearbeit betreiben, dass es vom Staat bezahlte Leute sind, vor allem um unsere Bewegung herabzuwürdigen.”
Der Einspruch gegen die Evaluierung war in den Medien auch ein Motiv der Verleumdung. Von Seiten der LehrerInnen als Angst vor der Evaluierung präsentiert, “ist es etwas sehr vereinfachendes”, denkt ein Lehrer aus Chiapas. “Wir sehen unsere Arbeitssituation auf gravierende Weise betroffen”.
Jenseits der Medienkampagne gibt die CNTE in Oaxaca an, dass es während des aktuellen Mandats des Gouverneurs Gabino Cué Monteagudo- der Koalition “Unidos por la Paz y el Progreso” (“Vereint für den Frieden und den Fortschritt”)-, mehr als 75 politische Gefangene gibt, wovon mindestens 25 “abtrünnige” LehrerInnen sind. Die Arbeitsgruppe über willkürliche Verhaftungen der Vereinten Nationen schätzt, dass verschiedene dieser Verhaftungen gegen MenschenrechtsverteidigerInnen ausgeführt wurden und unter willkürlichen Konditionen stattfanden. Zwischen den Verhaftungen stechen die von Rubén Núñez Ginés, Generalsekretär der 22. Sektion der Lehrerschaft Oaxacas, und Francisco Villalobos, Sekretär der gleichen Sektion, hervor. Beide wurden Anfang Juni verhaftet und in die Bundesanstalt zur sozialen Wiedereingliederung in Hermosillo, Sonora, überführt, fast 2.500 km von ihrem Heimatort entfernt. Rubén Núñez Ginés wird wegen Geldwäsche von 24 Millionen illegaler Provision von Firmen, die Aufschläge an die Gewerkschaften vergaben, beschuldigt. Francisco Villalobos wird wegen Bücherdiebstahl beschuldigt, die er aus dem Sekretariat der Öffentlichen Bildung (SEP) gestohlen und öffentlich verteilt haben soll. Vor diesem Hintergrund gibt seine Anwältin, Magdalena Gómez, gegenüber der Bundesregierung an, dass “das was sie (die Bundesregierung) interessiert, die Abschaffung des sozialen Protests ist”, “sie weiß, dass es viele bewegte Fronten gibt und zieht es vor, Angst zu säen” an Stelle “die Konflikte wie es für eine demokratische Regierung sinnig sein solle zu behandeln”.
Neben diesen beiden Anführern der Lehrerschaft, bestehen für mindestens 24 weitere LehrerInnen Haftbefehle. Und das nur im Bundesstaat Oaxaca. Verschiedene BerichterstatterInnen der Vereinten Nationen haben wegen der Verletzung der Menschenrechte und vor allem wegen der grundlosen Festnahmen und der Anwendung von Folter in Momenten nach den Verhaftungen “dringende Aufforderungen an die mexikanische Regierung” ausgesprochen.
Die Lösung des Konflikts?
Es scheint, als ließen die Proteste der LehrerInnen nicht nach. Im Gegenteil, in den Bundesstaaten Oaxaca und Chiapas gewinnen sie sogar immer mehr SympathisantInnen und Unterstützung von Seiten der Zivilgesellschaft. Viele BürgerInnen verstehen, dass der Kampf der LeherInnen nicht nur auf der Einforderung von Arbeitsrechten beruht, sondern auch auf der Aufhebung der Bildungsreform. “Alle BürgerInnen sind davon betroffen, weil die Reform, neben anderen Dingen, die öffentliche Bildung verletzt”, gibt der Illustrator Helguera an. Nach den Todesfällen in Nochixtlán und den Festnahmen sowohl auf nationalem als auch internationalem Niveau, blieb der Regierung nichts anderes übrig, als sich auf den geforderten Dialog von Seiten der CNTE einzulassen, welchem sich die Autoriäten wiederholt widersetzt hatten. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe kam es zu einem Gesprächsaustausch zwischen dem Sekretär der Regierung Miguel Ángel Osorio Chong, und einer RepräsentantIn des CNTE. Sie gelangten zu einer ersten allgemeinen gemeinsamen Übereinkunft durch welche nun drei parallele Verhandlungstische organisiert werden. Die politischen, pädagogischen und sozialen Verhandlingstische nehmen Ende Juli ihre Gespräche auf. Auch die CNTE gab an, ihren Aktionsplan beizubehalten und den Anspruch, die geplanten Forderungen, wie “die permanente Abschaffung der Reform, die Erschaffung eines integralen Bildungsmodells und den sofortigen Schadensersatz der schädlichen Effekte der Reform” vor der bundesstaatlichen Abteilung zu erfüllen.
Als Organisation der internationalen Begleitung hat SIPAZ einen Aufruf zur Lösung der Uneinigkeit der Lehrerschaft durch einen Dialog gestartet, der sowohl die LehrerInen als auch die Zivilgesellschaft davor schützen soll Gewalttaten zu erleiden, die Dutzende von Verletzten und sogar Tote hinterlassen.