AKTUELLES: Mexiko – legislative Lawine könnte die Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht einschränken
21/05/2014ARTIKEL: Internationale Schutzbegleitung, Öffnung von Räumen für den Frieden
21/05/2014“Soweit dies mit der innerstaatlichen Rechtsordnung und den international anerkannten Menschenrechten vereinbar ist, sind die bei den betreffenden Völkern üblichen Methoden zur Ahndung der von Angehörigen dieser Völker begangenen strafbaren Handlungen zu achten.”
“Diese Verfassung erkennt an und garantiert das Recht der Völker und indigenen Gemeinden auf freie Bestimmung, und damit, auf Autonomie zur: (…) Anwendung der eigenen normativen Systeme in der Regulierung und Lösung von internen Konflikten”
Die Rechtssprechung ist einer der Bereiche, in denen die indigenen Völker ihre Autonomie und ihr Recht auf freie Bestimmung ausüben können, das heißt frei zu entscheiden und eigene Regierungs-systeme anzuwenden. Mehrere Texte ratifizieren die Anerkennung dieses Rechtes: das Überein¬kommen 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern der Internationalen Arbeitsorganisation von 1989 (1990 von Mexiko ratifiziert), die Deklaration der Rechte der Indigenen Völker der Vereinten Nationen von 2007 und die mexikanische Verfassung.
Von diesen Regierungssystemen ausgehend, eignen sich die Völker der traditionellen Formen der Ausübung der Justiz und der Lösung von internen Konflikten wieder an, wie sie sich in gleicher Weise vom offiziellen Rechtssystem entfernen, welches teilweise von Behörden vertreten wird, deren Absichten nicht immer „gerecht“ für diese Völker zu sein scheinen.
In verwestlichten Gesellschaften ist die verbreitetste Vorstellung von Recht, die des offiziellen Systems, des Staates und des Ansatzes der „Verletzung der Rechtsordnung“, welcher darin mündet einen Schuldigen ausfindig zu machen, der eine Strafe erhält. Diese Vorstellung von Recht ergibt sich aus der Notwendigkeit von Unparteilichkeit und Neutralität, mit welcher egalitäre Gesetze geschrieben worden sind.
Dennoch ist dieses nicht für alle das wahre Recht. Die „restaurative Rechtssprechung“1, auch heilende, transformierende, reparierende oder reintegrierende Rechtssprechung genannt, geht von einer alternativen Sicht aus. Es weicht vom westlichen Leitgedanken der redistributiven Justiz ab, die es zum Ziel hat, eine Strafe für schlechtes Verhalten zu verhängen. Die restaurative Rechtssprechung sucht eine Wiederherstellung verletzter Beziehungen, ebenso zwischen Geschädigtem und Beschuldigtem, wie in der Gemeinde im Ganzen.
Einer anderes Ziel von Rechtssprechung
Die Praktiken der Versöhnung und Vermittlung der restaurativen Rechtssprechung unterscheiden sich von der sogenannten Staatsjustiz in drei zentralen Punkten: in der Art die Tat zu betrachten, in der Form die Sanktion zu denken und diese anzuwenden. Die Absicht der restaurativen Rechtssprechung und ihre zentrale Idee ist es, eine Vereinbarung zu treffen, mit der beide Seiten zufrieden sind. Die Tat wird nicht nur als eine Verletzung von Gesetzen wahrgenommen, sondern als Verletzung einer Person. Die interpersonellen Dimensionen sind von zentraler Bedeutung, und da das soziale Gefüge zerrissen wurde, muss die Harmonie durch einen Prozess der Heilung wiederhergestellt werden.
Letztendlich ist das Ziel der restaurativen Rechtssprechung langfristig Frieden herzustellen. „Die Gerechtigkeit ist der Weg zum Frieden, aber (…) nur das Recht, das heilt und wiederherstellt, kann wahren Frieden hervorbringen“, zeigt Willi Hugo Pérez, mennonitischer Rektor von SEMILLA (Lateinamerikanisches Anabaptisten Seminar) aus Guatemala auf. Eine wirkliche und andauernde Lösung sollte künftige Konflikte vermeiden. Wenn eine Seite mit der Vereinbarung nicht zufrieden ist, kann dies eine Spirale der Feindseligkeit und Rachegelüste auslösen. Man hält Gerechtigkeit für gegeben „wenn Verantwortlichkeiten übernommen und Bedürfnisse erfüllt worden sind und wenn die Wiederherstellung sowohl auf der zwischenmenschlichen wie der persönlichen Ebene stattgefunden hat“ (Lemonne, 2002). Dies kann durch die Kooperation aller Beteiligten des Prozesses und den zwischenmenschlichen Dialog erreicht werden, damit die Bedürfnisse aller Parteien anerkannt werden.
Die Vorgehensweise des Strafvollzugs misst den Gefühlen des Opfers nicht so viel Wichtigkeit bei, geschweige denn denen des Täters und seiner Bedürfnisse. Die Vermittlungs- und Versöhnungs¬praktiken erkennen die Wichtigkeit an, dass jeder und jede sein / ihr Wort gibt, das Opfer ebenso wie der Täter oder die Täterin und die Gemeinde, die den Verlust ihrer Harmonie zu verschmerzen hat.
In einem Wiederherstellungsprozess wird das Opfer berücksichtigt und wertgeschätzt, was es erlitten hat, was es braucht, um wieder ohne Angst im Leben vertrauen zu können. Es ist allgemein akzeptiert, dass die Opfer einer Straftat auf psychologischer Ebene, mehr als den oder die Angreifer*in bestraft zu sehen, Raum oder Zeit brauchen, wo ihr Schmerz anerkannt und gehört wird, was ihnen widerfahren ist. Das Permanente Völkertribunal ist ein Mechanismus, der es den Völkern erlaubt, schwere Menschenrechtsverletzungen anzuzeigen, wenn die konventionellen juristischen Verfahrensweisen erschöpft sind. Auch ohne eine ausführende Funktion in der Justiz, dadurch den Opfern das Wort zu erteilen und dank „symbolischer“ Gerichtsurteile, tut es viel für die Versöhnung und den Frieden auf lange Sicht.
Die heilende Perspektive bezüglich der zuwiderhandelnden Person differiert, in dem diese die Möglichkeit hat, ihre Sicht der Dinge darzulegen, und gleichermaßen angehört wird, wie die anderen involvierten Parteien. Der Vermittler begleitet sie in einem Anerkennungsprozess des Leidens, das sie verursacht hat, sowie der Reue und Wiedergutmachung des Schadens. Von entscheidender Bedeutung ist die Bewusstwerdung seitens des oder der Verantwortlichen, der / die sich geirrt hat und des Schadens, den er oder sie angerichtet hat. Infolgedessen wird die Möglichkeit zur Begnadigung gegeben. Im traditionellen Rechtssystem der indigenen Völker wird die Straftat nicht nieder¬geschrieben, damit der Konflikt und Mangel vergessen werden kann. Mit dem Geben einer zweiten Chance, und nach einem Prozess der Bewusstmachung, arbeitet die restaurative Methode für die Wiedereingliederung und verringert auf diese Art das Risiko eines Rückfalls.
Beispiele der Anwendung restaurativer Rechtssprechung: die Sicht der Tseltales auf das Recht, eine aus Guerrero und die „andere“2
Wie ein Berater von CORECO (Kommission zur Unterstützung der Einheit und kommunitärer Versöhnung e.V.) erklärt, der in Chiapas arbeitet, ist die Lekil Chahpanel („die gute Vereinbarung“ auf Tseltal) die Basis der Kultur der „Großväter“ und „Großmütter“ in den indigenen Gemeinden. Damit die Harmonie in Konfliktsituationen erhalten bleibt oder wiederhergestellt werden kann, wird seit Jahren diese historische Form der Justiz angewandt, nicht mit Richtern, sondern mit Vermittlern, nicht mit Gerichtsurteilen, sondern mit Vereinbarungen, nicht mit Strafe, sondern mit Wiedergutmachung. Das CEDIAC (Zentrum für Indigenes Recht e.V.) ist ein anderes Beispiel dafür wie die Tseltales des Gebiets um Chilón die traditionelle indigene Weise interne Probleme zu regeln wieder aufnehmen, „die Harmonie zwischen den Parteien und ihrem Umfeld zurückbringend“, mit der Hilfe des jMeltas’anwanej (Begriff der auf Tseltal versöhnend oder Konflikt regelnd bedeutet).
Mit dem Ziel ein besser an den Kontext und seine Sichtweisen angepasstes Recht zu implementieren, haben sich in einigen Gemeinden mit den Ältesten, die „wissen, wie man Probleme löst„, wie man eine Versöhnung erwirkt, Versöhnungskommissionen gebildet. Die Figur des / der Vermittlers / in ersetzt die des Richters: er ist nicht hier, um zu richten oder zu urteilen, sondern um zu verstehen, was passiert ist und die Lekil Chahpanel für alle zu erreichen. Dieser Terminus des Tseltal bildet sich aus den Wörtern Lekil „das, was gut ist“ und Chahp, Wurzel des Verbs regeln. Es kann also als eine Abmachung auf gute Weise verstanden werden. Das ist die tseltal Art das Recht von ihren Wurzeln her zu sehen, die gerechte Weise eine Sanktion zu verhängen.
Der Prozess besteht darin, „in Unordnung Gebrachtes wieder in Ordnung zu bringen“, erklärt ein Mitglied von SERAPAZ (Dienste und Beratung für den Frieden): in diesen Fällen, die Harmonie in der Gemeinschaft, die Beziehungen zwischen Personen. Der Gemeinschaftssinn ist immer präsent, die Lekil Chahpanel wird immer gesucht, um das gute Zusammenleben (Lekil Kuxlejal) und somit den Frieden (slamalil k’inal) zu erreichen.
Bei jeder Etappe wird das Einverständnis aller gesucht, weil es keine Gerechtigkeit gibt, wenn sie aufgezwungen ist, und auch der Frieden nicht auferzwungen werden kann, sondern in gemeinschaft¬licher Arbeit entstehen soll. Das braucht Zeit, mehr noch, es ist wesentlich der Zeit Zeit zu geben. Die Berater von SERAPAZ weisen auf den Erfolg dieses Vorgehens hin, nämlich „ein inkludierender Prozess zu sein, die Vereinbarungen sind langlebig, weil sie gemeinschaftlich getroffen wurden, ohne jemanden zu beeinträchtigen“. Sie zitieren das Beispiel eines Mannes, der bei einem Unfall verstorben ist, während ein Familienangehöriger ihn mitnahm. Der Fahrer schlug der Witwe vor, die Beerdigung zu bezahlen und die Kosten für die Kinder zu übernehmen (Gesundheit, Bildung), die halbverwaist blieben, um das was er getan hatte wieder gut zu machen, auch wenn es unabsichtlich geschehen war.
Ein anderes Beispiel alternativer Rechtssprechung findet sich in Guerrero, wo seit den ’90er Jahren das System für Sicherheit, Justiz und gemeinschaftliche Umerziehung, autonomes Polizei- und Justiz¬system, existiert. Die CRAC-PC (Regionale Koordinierung der Gemeindeautoritäten – Gemeinde¬polizei) wird aus der Unzufriedenheit der Völker hinsichtlich der fehlenden Antwort seitens der Behörden gegenüber der Gewalt in der Region hinaus geboren. Gegenwärtig ist diese Initiative zu ihrem Leid Gegenstand einer nationalen Debatte über die Selbstverteidigungsruppen. Besagte Gruppen bestehen aus Bürgern, die sich, der Ineffektivität oder Gleichgültigkeit der Regierung gegenüber der ungestraften Gewalt müde, organisieren und bewaffnete Gruppen bilden, um sich zu verteidigen und der Kriminalität entgegenzutreten. Auch wenn die CRAC-PC aus denselben Motiven heraus entsteht, kann sie doch nicht mit den Selbstverteidigungsgruppen verglichen werden, ist sie doch nicht nur eine bewaffnete Gruppe, die ihre eigene Sicherheit garantiert, sondern eine wahre Einheit, gebildet um Recht aus einem restaurativen Ansatz heraus zu üben, und dabei die traditionellen indigenen Praktiken, mit in Versammlungen getroffen Entscheidungen, in einem breiten Autonomieprozess wieder aufnimmt.
Die erste Etappe war die Gestaltung ihres eigenen Sicherheitssystems: Die Gemeindepolizei. Die bewaffneten Freiwilligen, von den Gemeinden gewählt, fingen an das Gebiet zu überwachen und Kriminelle den offiziellen Behörden zu übergeben. Schritt für Schritt wurde klar, dass das Justizsystem des Staates ineffizient und korrupt war, weil die Gesetzesbrecher durch Bestechung die Gefängnisse schnell und einfach wieder verließen. Es wuchs die Unzufriedenheit gegenüber den Fehlern dieser Justiz, so teuer, deren Funktionsweise so schwer verständlich ist, erst recht da viele Gemeinden nicht als erste Sprache Spanisch sprechen.
Hieraus entsteht 1998, in einer zweiten Etappe, ein autonomes System um die Rechtssprechung zu gewährleisten und zu verwalten: die Regionale Koordinierung der Gemeindeautoritäten (CRAC), deren Prinzipien „untersuchen vor prozessieren, versöhnen vor Urteil verhängen, umerziehen vor strafen“ sind. Sie erteilt die Justiz kostenfrei, auf der Sprache, die sie verstehen, und getreu den traditionellen indigenen Formen der Konfliktlösung, das heißt kollektiv, und um Versöhnung bemüht. Die den Verbrecher*innen erteilten Sanktionen sind kollektive Gemeindearbeit, sowie gleichzeitig ein Umerziehungsprozess, der darin besteht den oder die Rechtsbrecher*in in der Reflexion über ihre Tat zu begleiten. Die CRAC geht mit einem breiten Spektrum von Straftaten und Verbrechen um, da sie bis hin zu Mordfällen und Vergewaltigungen verhandelt. Die Kriminalitätsrate sank in den Regionen, wo dieses System implementiert wurde auf spektakuläre Weise, was die Effizienz des besagten Systems unter Beweis stellt.
Auf der anderen Seite hat die Unterstützungsbasis der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (BAEZLN) wegen ihrer autonomen Funktionsweise, ihr eigenes Regierungs-, Gesundheits-, Bildungs- und Rechtssystem. Die „Andere Justiz“, die die Juntas der Guten Regierung ausüben, stützt sich auf die Wiedergewinnung der Traditionen der Großväter und Großmütter, sie gründet auf der Versöhnung in erster Instanz, um Konflikte auf „gute Weise“ zu lösen. Wie in allen Kontexten der Versöhnung ist das Ziel zu heilen, zu reparieren, zu einer kollektiven Übereinkunft zu gelangen, auch wenn der oder die Schuldige nicht mit Geld, sondern mit Gemeinschaftsarbeit, die der Gemeinde in ihrer Ganzheit dient, den Schaden anzuerkennen und gutzumachen hat.
Die BAEZLN gibt in den Heften der Escuelita3 konkrete Beispiele wie sie Probleme in den Gemeinden gelöst hat, wie die Präsenz von polleros (Personen, die Geschäfte mit dem Transport von Migranten ohne Papiere machen) in ihrem Gebiet. „Anstatt sie ins Gefängnis zu werfen, schicken wir sie arbeiten“, sagen sie hinsichtlich eines pollero der sechs Monate geblieben ist, um eine Brücke zu bauen, die den Zugang zur autonomen Krankenstation erleichtert. Anstelle einfach nur eine Strafe zu sein, ist die Sanktion Arbeit, die der Gemeinde zugutekommt, ist sie ein Versuch seitens der verurteilten Person den Schaden, den die Gemeinde betrifft, zu beheben.
Die Tribunale in den Caracoles4, Zentren, die als politische Räume fungieren, haben eine richterliche Funktion für die autonomen Gemeinden, sie dokumentieren und erteilen Urteile. Sie versorgen auch Personen, die nicht zu einer zapatistischen Organisation gehören und alternative Lösungen zu einer Klage bei der Staatsanwaltschaft suchen, mit richterlichen Diensten. Dies kann ebenso auf das Bedürfnis eines Funktionierens dieser Art hinweisen, wie auf die Anerkennung eines aussöhnenden Justizsystems.
Diese Art der Rechtssprechung hat nichtsdestotrotz Grenzen und das nicht nur bei der BAEZLN. Wie ein Mitglied der Organisation auf einem Video der Escuelita gesteht, fehlt es noch an Lösungen und Systematisierung, um mit den schwersten Delikten wie Mord und Vergewaltigung umzugehen.
Ein System, das noch verbessert werden kann
Im System der restaurativen Rechtssprechung, wie in vielen anderen Bereichen, bleibt die Frauenbeteiligung eine wichtige Herausforderung. Einige nehmen an den Versammlungen teil, aber es sind wenige. Die Justizräte sind gemischt, die Ehefrau des jMeltas’anwanej (Vermittler oder Versöhner) ist während des gesamten Prozesses anwesend. Dessen ungeachtet steigt die Beteiligung der Frauen, „unabhängig vom Amt ihrer Ehemänner oder als Ehefrauen, die die Verantwortlichkeit derselben teilen“.
Ein weiteres Hindernis ist die eigene Regierung, die das Infragestellen ihrer Autorität und ihres Justizsystems nicht notwendigerweise gern sieht. Im Fall der CRAC-PC aus Guerrero wurden mehrere Mitglieder festgenommen, und bis dato bleiben 13 Personen ihrer Freiheit beraubt. Die Anwendung einer alternativen Rechtssprechung bringt die Fehler und die Korruption, an denen die Regierungs¬institutionen leiden, ans Licht.
Die restaurative Rechtssprechung hat ebenso eigene Einschränkungen, die mit der Krise, an denen die Gemeinden leiden, in Beziehung stehen. Mitglieder des CEDIAC erkennen das „die Werte sich wandeln“. Traditionelle Figuren verlieren an Autorität, und man leidet unter vielen Spaltungen, wie zum Beispiel zwischen Gemeinden und im Innern derselben, u.a. politischen und religiösen Themen geschuldet. Die restaurative Rechtssprechung, die Versöhnung oder welchen Namen man auch nehmen möchte, sucht ein abgenutztes soziales Netz wieder herzustellen, sucht eine Annäherung nach einem Prozess. Das ist die größte Herausforderung, weißt ein Mitglied der CORECO hin: „ein Netz der Vielfalt aufzubauen“, und dass besagte Vielfalt „nicht zu einem Hindernis wird, sondern zu einer Bereicherung“.
Wachsendes Interesse an der restaurativen Rechtssprechung
Nicht nur die indigenen Völker im Widerstand nutzen den restaurierenden Ansatz in Rechtsangelegen¬heiten. Immer mehr Länder integrieren in ihre Justizsysteme Prinzipien wie die Vermittlung, Versöhnung, etc. Die Beschlussfassung im Juli 2002 durch den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen einer Resolution über „grundlegende Prinzipien der Anwendung von Programmen der restaurativen Rechtssprechung in Strafangelegenheiten“ zeigt das wachsende Interesse an diesen Prinzipien.
Wenn auch in Mexiko Versöhnungsprozesse in Justizangelegenheiten in den indigenen Gemeinden (tseltales, nahuas, amuzgos, wixárikas, etc) üblicher sind, da es sich um traditionelle Praktiken handelt, ist das Interesse seitens des offiziellen Systems in anderen Ländern wie Kanada, Belgien oder Neu Seeland am Versöhnungsprozess noch jüngeren Datums. Mit der Einführung des restaurativen Ansatzes in die Strafjustiz wird das etablierte System, sein Funktionieren und seine (fehlende) Effizienz infragegestellt. Die Bewegung wird aus der Unzufriedenheit gegenüber der geringen Inbetrachtziehung der Opfer, der Antworten von Strafverfahren (besonders die Freiheitsberaubung) und einer hohen Rückfallquote heraus geboren. Dieselben Länder, die den kolonialisierten Völkern ihre Strafjustiz aufgezwungen haben, inspirieren sich heute an den Praktiken und Gewohnheiten derselben Gemeinden, die darum gekämpft haben diese nicht zu verlieren. Das besagte Praktiken wieder aufleben ist ein Zeichen der Hoffnung. Willi Hugo Pérez erinnert uns daran, dass „um für eine Justiz zu arbeiten, die heilt, die wiederherstellt, die transformiert (…) ist es notwendig (…) mit offenem Herzen zu kommen. Nur so ebnen wir die Wege, die zu gerechteren, menschlicheren, friedlicheren Gesellschaften führen“.
Übersetzung ins Deutsche: Nadine Pollvogt
- Der Begriff justicia restaurativa wurde bisher nicht in umfassender Weise ins Deutsche übersetzt, und ist eher in englischer Sprache (restorative justice) gebräuchlich (Anmerkung der Übersetzerin). (^^^)
- La „otra“ im Original, nimmt Bezug auf die zapatistische Bewegung in Chiapas. (^^^)
- Die Escuelita bezieht sich auf den Kurs Die Freiheit nach den Zapatist*innen (La Libertad según las y los Zapatistas), in dem die Zapatist*innen mit Schülern und Schülerinnen aus ganz Mexiko und aller Welt praktisch wie theoretisch ihre Lebensweise und Erfahrung als autonome Bewegung teilen (A.d.Ü.). (^^^)
- Caracoles nennen sich die fünf Verwaltungseinheiten, in die sich das zapatistische Gebiet unterteilt (A.d.Ü.). (^^^)