AKTUELLES: Mexiko – das Risiko der Unsichtbarkeit und Verschärfung zahlreicher Menschenrechtsfragen im Kontext der Pandemie
02/06/2020ARTIKEL: Gewalt gegen Frauen in der Quarantäne
02/06/2020Die Pandemie der frauenfeindlichen Gewalt hat mehr mexikanische Leben gefordert als COVID-19, Stand 13. April: 100 Frauen sind an der Coronavirus-Epidemie gestorben, die das Land seit dem 28. Februar erschüttert, während im gleichen Zeitraum 367 Frauen ermordet wurden.
Der mexikanische Machismo – der Ursprung der Gewalt
Das Hauptthema aller Nachrichtendienste weltweit ist heute eindeutig die Pandemie des Coronavirus, Auslöser der Lungenkrankheit COVID-19, und in vielen Ländern strukturiert er das Leben auf eine Weise, wie wir es nie erwartet hätten. Sie beeinflusst wie wir arbeiten, wie wir essen, wie wir kommunizieren. Auf die ein oder andere Weise betrifft sie uns alle. In Zeiten wie diesen ist es jedoch leicht, die andere Pandemie zu vergessen, die Mexiko schon seit Jahrhunderten heimsucht, eines der hässlichsten Gesichter dieses Landes: die Gewalt gegen Frauen.
Es ist bekannt, dass Mexiko weltweit eines der gefährlichsten Länder für Frauen und Mädchen ist. Im letzten Jahr wurden laut Statistiken 10 Frauenmorde pro Tag registriert. Noch beunruhigender ist die Tatsache, dass diese Zahlen in den letzten fünf Jahren erheblich gestiegen sind. Daten des Ministeriums für öffentliche Sicherheit und Schutz zeigen, dass es zwischen 2015 und 2019 in den vorsätzlichen Tötungsdelikten gegen Frauen einen Anstieg um 77% gab.
Dabei muss erwähnt werden, dass die meisten dieser Straftaten nicht als Femizide registriert wurden.
Die Wurzeln der geschlechtsspezifischen Gewalt liegen in der langen Geschichte der Machokultur (Machismo) Mexikos. Bereits in der prähispanischen Welt galten Frauen als minderwertig, aber mit den spanischen Eroberern kamen im 15. Jahrhundert neue Dimensionen der Ungleichheit und Unterdrückung hinzu. Frauen wurden von der Gesellschaft, der Außenwelt ausgeschlossen. Sie sollten sich auf Haushalt und Kinder konzentrieren, während die Männer die Macht und die Kontrolle über ihr Leben hatten.
Der Machismo, die Hauptursache frauenfeindlicher Gewalt, ist das Ideal der Männlichkeit, das alles Weibliche als schlecht diffamiert. „Es ist die Glorifizierung des Männlichen auf Kosten der Verfassung, der Persönlichkeit und des weiblichen Wesens; die Verherrlichung der körperlichen Überlegenheit, der rohen Gewalt und die Legitimierung eines Stereotyps, das ungerechte Machtverhältnisse neu erschafft und reproduziert“.
In Mexiko ist der Machismo „Teil des Seins, des Volkscharakters, des kollektiven Unbewussten“, und obwohl die feministische Bewegung in Lateinamerika in den letzten 20 Jahren merklich gewachsen ist, so bleibt die frauenfeindliche Gewalt in der mexikanischen Gesellschaft zweifelsohne weiterhin normalisiert.
Die Jahrtausendwende in Ciudad Juárez
Der Beginn des neuen Jahrtausends bedeutete eine Zäsur, sowohl für die politische Welt als auch für den Diskurs über geschlechtsspezifische Gewalt in Mexiko. In den neunziger Jahren erlangte die nordmexikanische Stadt Ciudad Juárez internationale Aufmerksamkeit für eine Reihe von Femiziden, deren Dokumentation im Januar 1993 begann. Bis zum Jahre 2018 wurden in dieser Stadt etwas 1775 Frauen ermordet.
Der Anstieg der Opferzahl frauenfeindlicher Gewalt steht in direktem Zusammenhang mit der Ratifizierung des Nordamerikanische Freihandelsabkommens (NAFTA) im Jahr 1994, die eine neue Migration junger Frauen auslöste, die auf der Suche nach Arbeit in den Maquiladoras und einem unabhängigeren Leben an der Nordgrenze waren. Gerade diese Frauen waren besonders verwundbar und wurden deshalb oft Opfer der Frauenmörder.
Das Verhalten der Regierungsbehörden wurde im Fall der Femizide von Ciudad Juárez stark kritisiert. In einer Studie von 2006 wurde festgestellt, dass „in etwa 400 Mädchen und Frauen entführt und ermordet wurden, währenddessen aber nur wenigen Verhaftungen und Verurteilungen erfolgten“. Zudem behaupteten die Angeklagten und Verurteilten, sie seien vor ihren Geständnissen von der Polizei gefoltert worden.
Regierungsmaßnahmen: Allgemeines Gesetz über den Zugang von Frauen zu einem Gewaltfreien Leben
Feministische Organisationen und Kollektiven forderten als Reaktion auf die enorme Straflosigkeit bei den Femiziden von Ciudad Juárez angemessene Maßnahmen, um die Ermittlungsverfahren in diesen Fällen zu erleichtern und allen Opfern frauenfeindlicher Gewalt Zugang zur Justiz zu gewähren. Im Jahr 2001 wurde das Nationale Fraueninstitut (INMUJERES) gegründet, mit der Absicht „Geschlechterfragen in der öffentlichen Agenda sichtbar und dauerhaft zu verankern“. Zwei Jahre später folgte die Kommission zur Prävention und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen (CONAVIM), die sich zunächst nur auf den Kontext von Ciudad Juárez konzentrierte und 2009 auf das gesamte Staatsgebiet ausgedehnt wurde.
In der Legislaturperiode 2003-2006 wurde die bis dahin höchste Zahl von Frauen in der Abgeordnetenkammer (25%) gezählt. In derselben Zeitspanne wurde begonnen, über das Allgemeine Gesetz über den Zugang von Frauen zu einem Gewaltfreien Leben zu diskutieren.
Dieses Gesetz erkennt die verschiedenen Formen der Gewalt gegen Frauen an, zu denen u.a. psychische, physische, sexuelle, wirtschaftliche und patrimoniale Gewalt gehören. Es schlägt außerdem eine institutionelle Koordination zur Prävention, zum Schutz und zur Beseitigung von Gewalt vor, sowie ein Budget, um die Umsetzung dieser Vorschläge zu gewährleisten.
Regierungsmaßnahmen: Alarm für geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen
Darüber hinaus richtet das Gesetz einen Mechanismus ein, der darauf abzielt, eine Reihe von Notfallmaßnahmen zur Bekämpfung und Beseitigung frauenfeindlicher Gewalt umzusetzen. Seit 2007 kann der Alarm für geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen (AVGM) in einem bestimmten Gebiet, Gemeinde oder Bundesstaat, ausgerufen werden, in dem „eine ernste Situation der Gewalt gegen Frauen in Verbindung mit patriarchalen und machistischen Praktiken in der Gesellschaft besteht“. Damit dieser Alarm ausgelöst werden kann, muss er von einem oder mehreren Menschenrechtsorganismen beantragt werden. Dann bildet sich eine Arbeitsgruppe, die den Antrag evaluiert und später über die Zulassung entscheidet.
Bisher wurde in 13 mexikanischen Bundesstaaten, darunter Chiapas und Guerrero, der Alarmzustand ausgerufen.
Ohne Zweifel ist der AVGM ein wichtiges Zeichen, das den Ernst des Problems frauenfeindlicher Gewalt anerkennt. Menschenrechtsorganisationen haben jedoch beobachtet, dass in vielen Fällen Nothilfemaßnahmen durchgeführt wurden, „ohne dass die Zahl der Femizide verringert oder die Lebensbedingungen der Frauen wesentlich verbessert haben“.
Regierungsmaßnahmen: PROIGUALDAD
Während der Amtszeit von Peña Nieto wurde im Nationalen Plan 2013-2018 das Nationale Programm für Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung von Frauen (PROIGUALDAD) ins Leben gerufen, mit dem der mexikanische Staat den Verpflichtungen nachkommen wollte, die er im Rahmen internationaler Konventionen und Verträge eingegangen war. In diesem wie auch in vielen anderen Fällen wurde kritisiert, dass die Programme nur aufgelistet, aber keine Ergebnisse präsentiert werde. Was PROIGUALDAD betrifft, so hätte im November letzten Jahres ein Bericht vorgelegt werden sollen, doch dieser befindet sich immer noch in Bearbeitung durch das Ministerium für Finanzen und öffentliche Kredite.
Die Haltung des Präsidenten López Obrador
Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador (AMLO), der seit etwas mehr als einem Jahr im Amt ist, hat sich öffentlich gegen die geschlechtsspezifische Gewalt ausgesprochen. Im Rahmen des 8. März 2020, dem Internationalen Frauentag, erklärte er, dass „die frauenfeindliche Gewalt mit der Vierten Transformation unvereinbar sei“ und dass „wir sicher sind, dass wir die Kriminalitätsraten und die Frauenmorde reduzieren werden“.
Er hob die Geschlechterparität in seinem Kabinett hervor und die Tatsache, dass zum ersten Mal in der mexikanischen Geschichte, das Innenministerium von einer Frau, Olga Sánchez Cordero, geleitet wird. Er betonte außerdem, dass 60% der Menschen, die von den Sozialprogrammen seiner Regierung profitieren, Frauen sind.
Feministische Organisationen und Aktivistinnen haben kritisiert, dass AMLO in Bezug auf die geschlechtsspezifische Gewalt „die gleiche Politik der Simulierung seiner Vorgänger“ betreibt, obwohl er leugnet, wie andere Präsidenten zu sein. „Es ist ein Mangel an Verständnis, das Bedürfnis oder die Dummheit, nicht anerkennen zu wollen, dass die Diskriminierung und die Gewalt gegen Frauen sehr schwerwiegend sind. Dieser Widerstand beruht auf einer konservativen Vision in allen ideologischen Gruppen, nicht nur bei den Liberalen“, erklärte Maria de la Luz Estrada, Koordinatorin des Nationalen Bürgerobservatoriums für Frauenmorde.
Trotz mehrerer Demonstrationen vor dem Nationalpalast in Mexiko-Stadt und den Tausenden von Stimmen feministischer Aktivistinnen, die einen Politikwechsel fordern, bleibt der Präsident bei seiner Position. Seine Regierung gebe „im Gegensatz zu dem, was die ‚Konservativen‘ sagen“ nicht vor, die Gewalt zu bekämpfen und „die Straflosigkeit existiere nicht mehr“.
Marschierend und Singend gegen das Patriarchat
Das Jahr 2019 stand weltweit und besonders in Mexiko im Zeichen der feministischen Bewegung. Im März sprang die #MeToo-Bewegung, die 2017 in den USA entstand, auf das Nachbarland über und veranlasste über 400 tausend mexikanische Frauen dazu, ihre Täter in den sozialen Netzwerken anzuzeigen.
Im August begann eine Reihe von feministischen Protesten, die bis zum 9. März dieses Jahres weitergeführt wurde. Die erste dieser Demonstrationen wurde durch mehrere Fälle von Polizeigewalt in Mexiko-Stadt ausgelöst. Vier Polizisten hatten ein minderjähriges Mädchen sexuell missbraucht, ohne daraufhin irgendeine Art von Bestrafung zu erhalten. Später wurde außerdem bekannt, dass der zuständige Gerichtsmediziner das vorgeschriebene Verfahren nicht befolgt hatte und somit auch kein medizinisches Gutachten vorlag. Nicht einmal einen Haftbefehl gegen die Täter gab es.
In den Tagen darauf wurde über eine weitere Minderjährige berichtet, die von einem Beamten der Industriebankpolizei des Fotoarchivmuseums sexuell misshandelt worden war, sowie über eine Frau, die von einem Polizisten von Mexiko-Stadt auf der Straße belästigt wurde.
Diese Fälle lösten einen Aufschrei aus, durch den in kurzer Zeit eine Demonstration gegen die Polizeigewalt organisiert werden konnte, die am 12. August 2019 stattfand. Vier Tage später, am 16. August, demonstrierten die Frauen von Mexiko-Stadt erneut. Während der Proteste schlugen einige Demonstrantinnen Fenster ein und bemalten den Metrobusbahnhof auf der Straße Insurgentes. Auch das Denkmal des Engels der Unabhängigkeit wurde demoliert.
Die Berichte der mexikanischen Presse konzentrierten sich hauptsächlich auf die materiellen Schäden, die durch die Proteste entstanden waren und ließen dabei häufig die Umstände, die die Demonstrationen provoziert hatten, außen vor. Es wurde ein Diskurs konstruiert, in dem Frauen auf einmal nicht mehr die Opfer, sondern die Täterinnen waren. „Es wurde die Idee legitimiert, die Wut der Frauen sei irrational und unangebracht, wo doch alles darauf hinweist, dass die geschlechtsspezifische Gewalt ein systematisches Phänomen mit historischen Wurzeln und alltäglichen Ereignissen ist, die sie reproduzieren. Wenn man erwägt, der materielle Schaden sei größer als der menschliche und soziale Schaden, dann ist das auch eine Form von Gewalt“, erklärte die feministische Gruppe Mujeres+Mujeres im Hinblick auf die Berichterstattung.
Im November entstand im Rahmen der Proteste in Chile eine Bewegung, die als „Der Vergewaltiger auf deinem Weg“ bekannt wurde. Als Reaktion auf die Verletzungen der Frauenrechte durch den chilenischen Staat, die Armee und die Carabineros schuf das feministische Kollektiv „Lastesis“ eine partizipative Performance des Protestes, bestehend aus einer Choreographie und einem Lied gegen das Patriarchat. Daraufhin ging das Lied um die Welt. Am 25. November, dem Internationalen Tag für die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, versammelten sich Tausende von Aktivistinnen in Chile, Kolumbien, Frankreich, Mexiko, Spanien, den USA, Argentinien und viele mehr, um das Lied in ihren jeweiligen Ländern zu performen.
Ein Mexiko ohne Frauen
Allein im Januar des neuen Jahres wurden insgesamt 320 Frauenmorde registriert, von denen 72 als Femizide und 248 als vorsätzliche Morde eingestuft wurden. Besonders Fall von Ingrid Escamilla Vargas wurde bekannt durch de Verbreitung von Bildern ihres leblosen Körpers. Ingrid, 25, war am 9. Februar in Mexiko-Stadt von ihrem Partner gehäutet worden.
Die anschließende Verbreitung von Fotos ihrer Leiche in den sozialen Netzwerken löste öffentliche Empörung und eine gesellschaftliche Debatte über die Rolle der Medien aus. Claudia Sheinbaum, die Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt, erklärte daraufhin, dass das Teilen der Bilder sanktioniert werde. Darüber hinaus kündigte sie einen Gesetzesentwurf an, um die Veröffentlichung von Bildern von Verbrechensopfern durch Beamte unter Strafe zu stellen.
Für den 8. März, dem Internationalen Frauentag, kündigte die Feministische Versammlung „Gemeinsam und Organisiert“ eine Demonstration in Mexiko-Stadt an. An diesem Tag wurde eine historische Zahl von etwas 80 tausend Teilnehmerinnen verzeichnet. Ähnliche Demonstrationen fanden in mehr als 20 weiteren mexikanischen Städten statt, darunter Oaxaca und San Cristóbal de las Casas in Chiapas.
Am 18. Februar hatte das feministische Kollektiv „Brujas del mar“ (dt.: Hexen des Meeres) aus Veracruz unter dem Hashtag #ElNueveNingunaSeMueve (dt.: am 9. bewegt sich keine) zu einem nationalen Frauenstreik am 9. März aufgerufen. Ziel dieser Aktion war es, zu veranschaulichen, wie das Land aussehen würde, wenn es keine Frauen gäbe, und gleichzeitig die Bedeutung der Frauen für die mexikanische Wirtschaft hervorzuheben. Das Konzept eines nationalen Frauenstreiks ist jedoch keineswegs neu. Eine ähnliche Aktion, bekannt als „Freier Tag der Frauen“ wurde erstmals im Jahr 1975 in Island durchgeführt. Daraufhin wurde sie in mehreren Ländern auf der ganzen Welt wiederholt, bis sie 2020 Mexiko erreichte.
Am 9. März wurden landesweit insgesamt 22 Millionen Frauen gezählt, die nicht zur Arbeit erschienen. Was die Auswirkungen des Streiks auf die Wirtschaft betrifft, so ist dies schwer einzuschätzen: Zu berücksichtigen sind die Rückschläge in der Weltwirtschaft durch die Coronavirus-Pandemie und Fall der Ölpreise im März, die zu einer Abwertung des mexikanischen Pesos führten. Auf jeden Fall kann man sagen, dass die durch den Frauenstreik verursachten wirtschaftlichen Verluste höher ausfielen als erwartet.
Nach Angaben der mexikanischen Vereinigung für Personalmanagement wurde ein Gesamtverlust von rund 1,49 Milliarden Dollar berechnet, was mehr als der Hälfte des Bruttoinlandsprodukts entspricht, das in Mexiko pro Tag erwirtschaftet wird.
Die Gewalt bekämpfen – mit den Männern, nicht gegen sie
1996 gelang es den zapatistischen Frauen, den Konsum von alkoholischen Getränken und Drogen zu verbieten, der eine der Hauptursachen für häusliche Gewalt in den zapatistischen Gemeinden in Chiapas war. Dieses Beispiel unterstreicht die Bedeutung der Zusammenarbeit von Männern und Frauen, um die Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt zu erreichen.
Es stimmt zwar, dass dem Thema in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde, doch es besteht kein Zweifel, dass diese Entwicklung diesbezüglich auch eine starke Polarisierung bewirkt hat. Gerade in Zeiten der Digitalisierung wird das Bild des „Feminazis“, der männerhassenden Person, verbreitet und damit eine falsche Wahrnehmung dessen, was der Feminismus darstellt. Deshalb ist es notwendig, dass auch Männer zur Veränderung der mexikanischen Gesellschaft beitragen.
In Chiapas tut das Kollektiv „Hombres G“ genau dies. Seit 1998 arbeiten sie mit Männern an Gender-Fragen und leiten Workshops über Männlichkeit an, um „darüber nachzudenken, wie unsere männliche, patriarchale, hegemoniale und kontrollierende Verfassung aus einer zutiefst gewalttätigen Kultur heraus konstruiert ist“.
„Die Idee ist, zuerst das Bewusstsein zu schärfen, aber vor allem uns selbst und unsere Praktiken im persönlichen Sinn zu verändern, aber nicht nur das, wir müssen über die individuelle Reflexion hinausgehen und dies impliziert ein soziales Engagement im Kollektiv“, erklärte Abelardo Palma Molina, einer der Workshopleiter.
Das Kollektiv arbeitet mit indigenen und bäuerlichen Organisationen im Grenzgebiert von Chiapas. Palma Molina betonte, wie wichtig es sei, Gender-Fragen mit Männern im Bündnis mit organisierten Frauen zu bearbeiten: „Die überwiegende Mehrheit der Männer, die an den Workshops teilnehmen, tun das, weil sie mit Frauen zusammen sind, die bereits organisiert sind und schon jahrelang über Gender-Themen reflektieren. Sie erwarten von ihrem Partner, ihrem Sohn, ihrem Großvater oder ihrem Cousin, dass dies auch tun, damit sie nicht weiterhin die Gewalt und die Praktiken reproduzieren, die das Wachstum ihrer weiblichen Mitmenschen nicht zulassen“.
Die Treffen haben eine direkte Auswirkung auf die Familien der Teilnehmer. Sie kommen ihren Partnerinnen, Söhnen und Töchtern zugute. Die „Hombres G“ bieten auch gemischte Workshops an, in denen einige Frauen ihre Erfahrungen ausgetauscht haben. Sie erzählten, dass sie tatsächlich eine Veränderung bei ihren Lebenspartnern beobachtet hätten, z.B. dass er mehr zuhörte oder mehr Zuneigung zeigte.
Damit Frauen in Mexiko ein freies und furchtloses Leben führen können, muss es einen gesellschaftlichen Wandel geben, einen Wandel der mexikanischen Kultur, die im Machismo verwurzelt ist. Die Arbeit von „Hombres G“ zeigt, wie dieser tiefere soziale und kulturelle Wandel, wenn auch in kleinen Schritten, erreicht werden kann.