
AKTUELLES: 10. Gipfeltreffen der nordamerikanischen Staats- und Regierungschefs findet in Mexiko statt
03/05/2023
ARTIKEL: Der Kampf für Gerechtigkeit im Fall des Massakers von Acteal, ein mühsamer Weg eines Vierteljahrhunderts
03/05/2023„Wenn ich mein Terrritorium verteidige, verteidige ich mein Leben. Ich bin Teil meines Territoriums und ich selbst bin auch Territorium, deshalb ist es wichtig das Leben zu verteidigen, das Leben meiner Gemeinde, das Leben des Gebiets wo ich lebe und das Teil meiner Existenz ist“.
« Im Jahr 2021 erlebten wir mit Besorgnis die Zunahme von Entwicklungsprojekten und die Verschlechterung der Bedingungen, unter denen die Menschen und Gemeinden, welche die Umwelt, das Land und das Territorium verteidigen, ihre Arbeit verrichten ».

Banner gegen den Klimawandel bei der Prozession des Pueblo Creyente, San Cristóbal de Las Casas, Januar 2023 © SIPAZ
L aut des Nationalen Instituts für Statistik und Geografie, ist Mexiko weltweit das vierte Land mit der höchsten Biodervisität. Dank seiner geografischen Lage, verschiedenen Höhenlagen und Klimadiversität, besitzt das Land 9 von 11 Arten von Ökosystemen; etwa 200.000 verschiedene Spezies und ist außerdem das Zuhause von ungefähr 12 % der weltweiten Biodiversität.
Für diejenigen, die Investitionen in Mexiko tätigen, sind diese Bedingungen eine wichtige Quelle von Ressourcen, die die Entwicklung von produktiven und industriellen Aktivitäten begünstigen. Nichtsdestotrotz, für diejenigen, die das Gebiet verteidigen, sind die Megaprojekte im Bereich des Bergbau-, Ökotourismus- und Infrastrukturprojekte zu einem hohen Risikofaktor geworden. Außerdem stellen Megaprojekte in den meisten Fällen einen Konfliktfaktor in den Gemeinden dar, in denen sie durchgeführt werden, und führen sogar zu einer sozialen Polarisierung zwischen denjenigen, die mit dem Projekt einverstanden sind, und denjenigen, die es ablehnen. Ganz zu schweigen von den ständigen Verstößen gegen die Menschenrechte der einheimischen Bevölkerung.
Obwohl Mexiko seit 2012 über einen Bundesmechanismus für den Schutz von Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen verfügt und die Unterzeichnung des „Regionalen Abkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in Lateinamerika und der Karibik“, bekannt als Escazú-Abkommen, im Jahr 2020 ratifiziert hat, zeigen die Zahlen, dass die Aufgabe des Schutzes von territorialen Verteidiger*innen nicht ausreichend erfüllt wurde.
In 2021, hat sich Mexiko für Umwelt- und Territorialverteidiger*innen in ein gefährliches Land entwickelt, warnte die internationale Organisation „Global Witness“ in ihrem Artikel von 2022. Es wurden 238 Übergriffe gegen Verteidiger*innen registriert, von welchen 25 umgebracht wurden. Andere Übergriffe beinhalten Einschüchterungen, Kriminalisierung und einen Anstieg der Zwangsentführungen: Von zwei dokumentierten Fällen im Jahr 2020 stieg die Zahl im Jahr 2021 auf 20 verschwundene Umwelt- und Territorialverteidiger*innen, berichtet das mexikanische Zentrum für Umweltrecht (Cemda).
Megaprojekte und Straflosigkeit, Risikofaktoren für die Territorialverteidigung
Das aktuelle Entwicklungsbild von Mexiko ist nichts Neues, dieses wurde schon seit Jahren von anderen Regierungen beeinflusst. Ein Beispiel dazu sind die Dörfer im Istmo von Tehuantepec in Oaxaca, welche seit der Zeit von Porfirio Díaz, Opfer einer Reihe von Umsetzungen vermeintlicher Entwicklungsprojekte geworden sind. Der politische Vorschlag der Vierten Transformation (4T) des derzeitigen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador sticht jedoch als „einer der größten sozialen Konfliktpunkte“ hervor, der sich vor allem in der Ablehnung und Infragestellung der Projekte, die er fördern will, durch einige Teile der Bevölkerung äußert, erklären Aleida Azamar Alonso und Carlos A. Rodríguez Wallenius, Akademiker*innen der UAM-Xochimilco. Azamar berichtete, dass es in der nationalen Planung mindesten 1600 anstehende Projekte und Megaprojekte gibt, der Maya-Zug, der Interozeanische Korridor des Isthmus von Tehuantepec (CIIT), der internationale Flughafen Santa Lucia und die Raffinerie „Dos Bocas“ haben die größten Umweltauswirkungen.
Dieses Entwicklungsmodell privilegiert den Rohstoffabbau gegenüber den Lebensgrundlagen von Einzelpersonen, indigenen Bevölkerungsgruppen und Gemeinschaften, was wiederum Prozesse des legitimen Widerstands zum Schutz ihres Territoriums, ihrer Ressourcen und ganz allgemein ihrer Lebensweise hervorruft, erklärt Cemda. Die derzeitige Umsetzung von Megaprojekten wie CIIT, Staudämme und Bergbau wirkt sich auf die Gemeinden in Form von Gewalt gegen die Verteidiger*innen des Territoriums aus, weil diese keine Hilfe für die Menschenrechtsarbeit sind. Im Gegenteil, sie werden belästigt, verfolgt, diffamiert und sogar getötet, sagt Marcos Leyva Madrid, Direktor von „Servicios para una Educación Alternativa (Educa)“.
Seit dem Amtsantritt von Andrés Manuel López Obrador im Jahr 2018 sind 45 Personen, die ihr Land und Territorium verteidigt haben, getötet worden. Diese Zahl ist jedoch „konservativ“, da sie nur die Begünstigten des Verteidigungsmechanismus umfasst. Die Bilanz von Cemda beläuft sich auf mindestens 58 Umweltschützer*innen, die im gleichen Zeitraum hingerichtet wurden und von denen die meisten keine Gerechtigkeit erfahren haben.
Der Direktor von Educa weist darauf hin, dass dies ein weiterer Faktor ist, der zu den Angriffen auf die Verteidiger*innen beiträgt, da der hohe Prozentsatz an Straflosigkeit, der in Orten wie Oaxaca herrscht, das Ergebnis einer Politik von Machtstrukturen von Anführern ist, die auch in vielen anderen Orten fortbesteht.
Hauptangreifer von Umwelt-und Territorialverteidiger*innen
Einem Forbes-Artikel zufolge gehen „mindestens 40 % der Aggressionen gegen Umweltschützer*innen in Mexiko von staatlichen Stellen aus, insbesondere von lokalen Behörden“. Gabriela Carrión von Cemda wies darauf hin, dass die Angriffe in 8,3 % der Fälle von der organisierten Kriminalität und in 5,6 % der Fälle von Unternehmen ausgingen, wobei in den meisten Fällen 38,9 % – die Angreifer nicht identifiziert wurden.
Jesús Peña, Stellvertreter des UN-Hochkommissars für Menschenrechte in Mexiko, nannte die“stigmatisierenden Äußerungen von Amtsträgern“ als weiteren Grund für die hohe Zahl von Angriffen auf Menschenrechtsverteidiger*innen im Land. So auch das Ministerium für Umwelt und natürliche Ressourcen (Semarnat), das 2022 eine Gruppe von Künstler*innen, die mit dem Maya-Zug nicht einverstanden waren, als « Pseudo-Umweltschützer*innen » bezeichnete und sie beschuldigte, « Desinformation zu betreiben oder Fehlinformationen zu verbreiten », wie Forbes Mexiko berichtet.
Zudem, beschuldigte López Obrador die Regierung der Vereinigten Staaten hinter den Oppositionsgruppen des Maya Zuges zu stehen. „Aus Mexiko-Stadt und verschiedenen anderen Regionen im Land kommen Pseudo-Umweltschützer*innen, welche von der Regierung der Vereinigten Staaten finanziert werden und Schutz ehralten. Deshalb greifen wir auf ein gesetzlich festgelegtes Verfahren zurück, dass darin besteht, das Bauprojekt zu einem nationalen Sicherheitanliegen zu erklären (…)“, sagte er in einem seiner morgendlichen Ansprachen.
Adriana Cadenas, Koordinatorin der Organisation Tskini aus Jalisco, verweist darauf, dass es in einigen Fällen geheime Absprachen zwischen verschiedenen Akteuren, wie dem organisierten Verbrechen und Unternehmen gibt, um Gemeinden, die sich diesen Projekten widersetzen, einzuschüchtern, zu verängstigen und zu bedrohen. Cadenas erwähnte, dass sich in der Sierra von Manantlán, „[ein Bergbauunternehmen] mit dem organisierten Verbrechen als bewaffneten Flügel zusammengetan hat, um die Bevölkerung, die gegen den Betrieb des Bergbaus sind, einzuschüchtern und zu bedrohen, damit diese von jener Territorialverteidigung ablassen“.
Andererseits weisen die Organisationen darauf hin, dass die Rolle der Bundes- und Landesbehörden, die für die Erteilung von Genehmigungen an Unternehmen und die Regulierung ihrer Handlungen zuständig sind, um zu gewährleisten, dass die Projekte mit den Gesetzen übereinstimmen, ebenfalls zu größeren sozio-ökologischen Konflikten führen, da in den meisten Fällen keine dieser Aufgaben wahrgenommen wird.
Territorien und indigene Verteidiger*innen, die am schwersten Betroffenen von den Megaprojekten
Laut der INEGI, befinden sich um die 39% der Wälder und um die 60% der Regenwälder in indigenen Territorien. In diesen Regionen befinden sich außerdem 23 % des Wasservorkommens des Landes und ein großer Teil der Boden- & Landschätze. Nach Ansicht von „Global Witness“, sind indigene Gebiete dadurch sehr attraktiv für die wachsende Zahl von Bergbauprojekten, die von nationalen und ausländischen Unternehmen gefördert und von der mexikanischen Regierung unterstützt werden. Fast die Hälfte der im Jahr 2021 registrierten Angriffe richtete sich gegen indigene Gemeinschaften, und Konflikte um Land und Bergbau, wurden mit zwei Dritteln der tödlichen Angriffe in Verbindung gebracht, berichtet die Organisation. Nach Angaben der Nationalen Kommission für die Entwicklung indigenen Völker (CDI), besetzt Oaxaca den ersten Platz mit der höchsten Anzahl an indigener Bevölkerung. Laut dem Bericht “Situation der Personen und Gemeinschaften, die Umweltrechte in Mexiko verteidigen“, besetzt Oaxaca ebenfalls den ersten Platz mit 24 registrierten Fällen in 2021, wenn es um Aggressionen gegen Umweltverteidiger*innen geht. Marcos Leyva bestätigte, dass in den letzten vier Jahren, unter der Regierung des Bundesstaates von Alejandro Murat, 33 Menschenrechtsverteidiger*innen in Oaxaca ermordet wurden. Dies macht Oaxaca zu einem roten Brennpunkt für die Verteidigung des Territoriums .
Global Witness weist darauf hin, dass in diesem Bundesstaat eines der tödlichsten Projekte durchgeführt wird: der Staudamm Paso de la Reina. In dieser Region der Pazifikküste haben sich mixtekische, chatinische und afro-mexikanische Gemeinschaften organisiert, um ihre Gebiete, einschließlich des Río Verde, zu verteidigen. Die Widerstandsaktionen von Mitgliedern des Rates der vereinten Völker für die Verteidigung des Rio Verde (COPUDEVER) kosteten fünf Verteidigern das Leben im März 2021: Fidel Heras Cruz, Jaime Jiménez Ruiz, Raymundo Robles Riaño, Noé Robles Cruz, Gerardo Mendoza Reyes und Filogonio Martínez Merino, im Oktober desselben Jahres. Alle gehörten zu indigenen Gemeinschaften. Und alle diese Fälle bleiben ungestraft.
Obwohl Morde die gewalttätigste Form der Aggression gegen Verteidiger*innen sind, ist auch die Kriminalisierung sozialer Bewegungen ein besorgniserregender Faktor, und in einigen Fällen, so Cemda, trägt die Justiz dazu bei, sie zu validieren. Kürzlich prangerte die Versammlung der indigenen Völker des Isthmus zur Verteidigung von Land und Territorium (APIIDTT) die illegale Festnahme von David Hernández Salazar an, einem Verteidiger des Territoriums gegen das Projekt des Interozeanischen Korridor im Isthmus von Tehuantepec. Die Verhaftung wurde von angeblichen Mitgliedern der Staatsanwaltschaft von Oaxaca durchgeführt, aber es vergingen mehrere Stunden, bevor der Aufenthaltsort des Verteidigers gefunden wurde. Die Organisation prangerte die Beraubung seiner Freiheit an, ebenso wie das Vorhandensein von 17 Haftbefehlen gegen andere Bewohner*innen von Puente Madera und Mitglieder der APIIDTT, die Schikanen und Überwachung durch bewaffnete Personen in ihren Büros anprangerten.
Xavier Martínez, von CEMDA sagte, es „ist es notwendig die Stigmatisierung und Kriminalisierung zu beenden“, um den Aufbau einer sicheren Umgebung für die Gebiets-& Territorialverteidiger*innen zu erlangen.
Erick Ramírez, Bewohner der Binnzá Gemeinde im Istmo von Tehuantepec, sprach in einem Interview mit Desinformémonos über die bestehende Spaltung in den Gemeinden, dem Mangel an Aufmerksamkeit der Behörden und die Kriminalisierung der Leidenden: „Sie diskreditieren uns, weil wir uns ihnen widersetzen, sie sagen viele Dinge zu uns und greifen uns an“, so der Verteidiger.
Rosa Marina Flores, Mitglied des APIDDTT, bestätigt dass die Strategie der Regierung der 4T, auf Grundlagen von Sozialprogrammen entwickelt wurde -im Durchschnitt haben 1 Million, 51 Tausend und 20 Menschen von einem der Sozialprogramme profitiert, die von AMLOs Regierung eingeführt wurden-. Besorgniserregend ist die Tatsache, dass jene Programme „eine starke Dynamik des Klientelismus in den Gebieten erzeugen“, sagte Flores. Außerdem hat sich die Konfliktbereitschaft und die Auseinandersetzungen „zwischen den Befürwortern*innen oder Gegner*innen der Megaprojekte“ in den Gemeinden erhöht , da dieselben Personen in den Gemeinden diejenigen überwachen, die sich gegen die Politik der Bundesregierung stellen, schließt sie.
Megaprojekte hinter systematischen Menschenrechtsverletzungen
In einem zusammenfassenden Bericht prangern die Organisationen Copudever, Educa und el Movimiento Mexicano de Afectados por las Presas y en Defensa de los Ríos (MAPDER), die systematischen Verletzungen der Rechte der indigenen Gemeinden an. Im Bezug auf die Projekte der Konstruktion der Wasserkraftwerke, wurden bereits von mindestens 11 Verletzungen jener Rechte berichtet. Dabei handelt es sich um das Recht auf die freie Selbstbestimmung, Information und Teilnahme, das Recht auf Wasser, Entwicklung, auf eine gesunde Umgebung, auf Versorgung, auf Gesundheit und auf Arbeit.
Diese Situation verschärfte sich, nachdem die Bundesregierung im Jahr 2021 ein Präsidialdekret veröffentlicht hatte, in dem sie die von der Regierung als vorrangig und strategisch eingestuften Projekte und Arbeiten als „von öffentlichem Interesse und nationaler Sicherheit“ erklärt und daher angeordnet wurde die erforderlichen Genehmigungen, einschließlich der Umweltgenehmigungen, „innerhalb von höchstens fünf Tagen“ zu erteilen, erklärte Cemda. Mit dieser Vereinbarung „wurden die Rechte der indigenen Völker und Gemeinschaften auf Territorium und Autonomie verweigert“, heißt es in dem Bericht.
Flores Cruz fügt hinzu, dass dieses Panorama durch die Militarisierung des Landes noch verschlimmert wird, denn, wie der Generaldirektor des CIIT, Rafael Marín, sagte, würde diese präsidiale Vereinbarung nicht nur die Verfahren und Zeiten, die den Fortschritt der Arbeiten behindern, sondern auch „ein schnelles Eingreifen der Behörden garantieren, um mögliche Straßenblockaden einzudämmen„.
Der jüngste Fall ist der von Palomares, eine Gemeinde im Landkreis Matías Romero, im Isthmus von Oaxaca, wo die Streitkräfte eingesetzt wurden, um die Ausübung des Rechtes auf freie Demonstration zu verhindern. Dort wurden Mitglieder der Kommune, die sich mobilisiert hatten, um den Bau des CIIT zu verhindern, nach Angaben der Gewerkschaft der indigenen Gemeinden der nördlichen Zone des Isthmus (Ucizoni) von Marinesoldate abgedrängt und verprügelt.
Ein weiteres charakteristisches Megaprojekt der 4T ist der Maya-Zug, bei dem vor allem die fehlende Information und Konsultation der betroffenen Bevölkerung bemängelt wurde. Carlos Rodríguez Wallenuis, Professor an der UAM-Xochimilco, sagte, dass es bis heute keine freie, vorherige und informierte Konsultation gegeben habe, nicht einmal mit den indigenen Gemeinschaften, „zu welcher der Staat gemäß der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verpflichtet ist“.
In diesem Fall wiesen Bürger*innen, Nichtregierungsorganisationen und Gemeinden nach, dass für mehrere Abschnitte des Zuges bei Baubeginn keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt worden war. Daraufhin wurden mehrere einstweilige Verfügungen erlassen, mit denen die Unternehmen und die Regierung verpflichtet wurden, die Arbeiten einzustellen. Dies geschah jedoch nicht und in allen Fällen wurden die Arbeiten fortgesetzt, stellt Cemda in ihrem Bericht fest. Es handelt sich um „Prozesse im Umweltrecht, die nicht auf legale Weise durchgeführt werden, die nicht kulturell angemessen sind, die das Recht auf Information, Beteiligung und Autonomie nicht respektieren und die im Allgemeinen nicht den verfassungsmäßig festgelegten Schutzstandard einhalten“, so die Organisation.
Cemda erklärte, dass „viele der Menschenrechtsverletzungen gegen indigene und ländliche Bevölkerung und Gemeinschaften im Rahmen der Entwicklung von Megaprojekten begangen wurden“, da sie Teil eines Systems sind, das strukturelle Gewalt erzeugt, „ein Rechtssystem, das Gewalt zur Ausbeutung von Menschen, Gemeinden und Natur legitimiert.“
Die Rechtslücken beim Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen
2021 ist auch das Jahr, in dem Mexiko das Escazú-Abkommen ratifizierte, einen Vertrag in Lateinamerika und der Karibik, der zum ersten Mal Menschenrechtsverteidiger*innen in Umweltfragen anerkennt und die Staaten verpflichtet, sie zu schützen. Das Abkommen ist auf mehrere Hindernisse gestoßen, darunter die Zustimmung des Präsidenten zur Priorisierung von Megaprojekten, aber auch ein mögliches Urteil des Obersten Gerichtshofs der Nation, in dem es um die Befugnis von Organisationen geht, ihre Ablehnung von Umweltentscheidungen zu äußern. Sollte das Urteil positiv ausfallen, würde es sich auf das Escazú-Abkommen beziehen, andernfalls würde es rechtliche Risiken für die von der Regierung von Präsident Andrés Manuel López Obrador geförderten Megaprojekte bedeuten.
Alejandra Jiménez vom Regionalen Koordinationskomitee für Solidaritätsaktionen zur Verteidigung des Territoriums Huasteca-Totonacapan (Corason), kritisierte die Zulassung des Abkommens und sagte das „Bis jetzt, bleibt das Escazú-Abkommen nur in buchstäblicher Form, so ist die Geschichte von vielen Gesetzen in Mexiko. Es ist klar, was aus der Gewalt geworden ist, die Menschenrechtsverteidiger*innen erfahren haben. Vom Zugang zu Informationen ganz zu schweigen, gibt es sogar Rückschläge. Es gibt ein Umfeld, das vieles behindert“.
Auch wenn sich dieses Abkommen nicht nur auf den Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen bezieht, so ist es doch eine Tatsache, dass dies eines der dringendsten Elemente ist, die angegangen werden müssen. In diesem Sinne beklagte Gustavo Alanís Ortega, Direktor des mexikanischen Zentrums für Umweltrecht (Cemda), das Schweigen zu diesem Thema, vor allem seitens des Innenministeriums, das für den Schutzmechanismus für Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen zuständig ist, ein von der Regierung geschaffenes Instrument zum Schutz des Lebens und der Integrität von Aktivist*innen.
Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen standen im Jahr 2022, 1.667 Personen unter dem Schutz des Mechanismus. Zu den angebotenen Maßnahmen gehören die Bereitstellung von Mobiltelefonen, Funkgeräten oder Satellitentelefonen, Kameras, Panikknöpfen oder anderen Sicherheitseinrichtungen am Wohn- und/oder Arbeitsort, die Bereitstellung von kugelsicheren Westen und der Einsatz gepanzerter Fahrzeuge, so die Organisation.
Dennoch haben Aktivist*innen und Organisationen der Zivilgesellschaft angeprangert, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen, um die strukturellen Wurzeln dieser Gewalt zu bekämpfen. In anderen Fällen handelt der Mechanismus zu spät. So bat Filogonio Martínez Merino nach der Ermordung seiner Kollegen in Paso de la Reina um Schutz für sich und seine Familie, „aber es dauerte (…) mehr als ein Jahr, bis die Risikoanalyse durchgeführt wurde“, und in der Zwischenzeit wurde Filogonio ermordet, beklagt Educa Oaxaca.
„Der Mechanismus lässt viel zu wünschen übrig“, sagt die Forscherin Lucía Velázquez, „die Verteidiger*innen werden nicht angemessen betreut. Es hat nicht dazu gedient, sie zu schützen.“
Die Territorialverteidigung ist die Verteidigung vom Leben
Umwelt- und Territorialschützer*innen sehen sich beim Schutz ihrer Gebiete zunehmenden Risiken ausgesetzt. Hinter dem Diskurs über Entwicklung verbergen sich die Interessen des Großkapitals und der Regierung auf allen Ebenen, aber auch der Gruppen der organisierten Kriminalität und der Anführer, die ihren Anteil an den Gewinnen fordern. Trotz dessen, versammeln sich die Gemeinden um ihr Wissen zu teilen, im Dialog zu sein, sich über Gesundheitsproblemen und durch die Großprojekte verursachte Schäden in der Umwelt zu informieren.
In Oaxaca sprachen sie während des „5. Treffens der Gemeindeverteidiger*innen“ über den Schmerz und die Wunden, die der Prozess und der Kampf um die Verteidigung ihres Territoriums bei ihnen hinterlassen hat. Sie sprachen von der Wichtigkeit der Beteiligung der Frauen, weil sie diejenigen sind, die sich um ihr Gebiet kümmern, dort arbeiten und es kennen, sagte Angélica Castro Rodríguez von Educa.
In Chiapas setzt sich die Bewegung zur Verteidigung des Lebens und des Territoriums (MODEVITE) seit fast zehn Jahren dafür ein, ihr Territorium ohne Gewalt vor der Bedrohung durch Megaprojekte zu schützen: „Angesichts dieser Realität der Gewalt und Konfrontation bekräftigt MODEVITE ihr Engagement für die Verteidigung des Territoriums ohne Gewalt und den Aufbau von FRIEDEN in unseren Dörfern“, erklärten sie.
Im Jahr 2017 fand in Guerrero das Nationale Treffen gegen das Bergbaumodell statt, bei dem die Teilnehmenden bekräftigten, „dass die Verteidigung des Territoriums die Verteidigung des Lebens ist; dass die Verteidigung des angestammten Territoriums auch den Schutz der Kultur bedeutet und somit unseren Fortbestand als Volk sichert“.