AKTUELLES: Mexiko – Innenministerium: „Die Krise im Bereich Menschenrechte ist noch lange nicht vorbei“
30/03/2021ARTIKEL: Samuel Ruíz García – 10 Jahre in lebendiger Erinnerung
30/03/202151 der 100 größten Ökonomien sind Unternehmen; nur 49 sind Länder.
D ie Globalisierung hat die Welt sowohl auf Mikro- als auch auf Makroebene verändert. Sie hat Vorteile und Nachteile sowie neue Herausforderungen gebracht, zum Beispiel für den Schutz der Menschenrechte.
In einer globalisierten Welt haben sich die ökonomischen Mächte so verschoben, dass insbesondere multinationale Unternehmen unvorhergesehene Macht und Einfluss gewonnen haben.
Die Unternehmen haben enormen Einfluss auf die Leben der Personen in den Gemeinden, in denen sie agieren, auch positiven. Menschenrechtsorganisationen haben in Berichten anhand von unzähligen Beispielen gezeigt, dass die Unternehmen ineffiziente nationale Regelungen ausnutzen und ohne Konsequenzen zu Menschenrechtsverletzungen sowie starken Umweltschäden beitragen[1].
Die Unternehmen haben enormen Einfluss auf die Leben der Personen in den Gemeinden, in denen sie agieren, auch positiven. Menschenrechtsorganisationen haben
Unternehmen: Die Pflicht, die Menschenrechte zu achten
Es liegt in der Verantwortung des Staates[2], dafür zu sorgen, dass die Menschenrechte geachtet werden. Doch in einer Welt, in der Unternehmen immer mehr an Macht gewinnen, teilweise mehr als die Staaten selbst, ist diese Situation komplizierter. Auch die Unternehmen haben die Pflicht, die Menschenrechte zu respektieren, unabhängig davon, an welchem Ort sie agieren.
Es muss klargestellt werden, dass die Pflicht, die Menschenrechte zu respektieren, nicht das gleiche ist wie die sogenannte Unternehmerische Sozialverantwortung[3] (CSR), die immer mehr Unternehmen annehmen. Die CSR impliziert keine Verpflichtung. Die Unternehmen können selbst entscheiden, welche soziale Verantwortung sie übernehmen wollen, abhängig von ihrem guten Willen. Bei den Menschenrechten auf der anderen Seite können sie nicht entscheiden, welche sie respektieren wollen und welche nicht. Das betrifft sowohl die Unternehmen, als auch die Investoren hinter den Projekten.
Menschenrechtsverteidiger*innen in Gefahr
„Die Verantwortung von Unternehmen, die Menschenrechte zu respektieren, beinhaltet nicht nur eine Pflicht, die Rechte anderer nicht zu verletzen, sondern auch eine Verpflichtung, ein sicheres und förderliches Umfeld für Menschenrechtsverteidiger*innen in den Ländern zu unterstützen, in denen sie tätig sind.“ – Michel Forst , ehemaliger Sonderberichterstatter für Menschenrechtsverteidiger*innen der UN.
Es wurde dokumentiert, dass Menschenrechtsverteidiger*innen und Gemeinden, die sich für den Schutz der Umwelt, Land und Boden einsetzen, immer öfter Bedrohungen ausgesetzt sind. Einige Unternehmen haben Strategien entwickeln, um Aktivist*innen zum Schweigen zu bringen, was teilweise bis zum Tod geführt hat. Das Zentrum für Information über Unternehmen und Menschenrechte legt dar, dass die kommerziellen Interessen der Unternehmen im Regelfall über den Interessen der Gemeinden steht[4]. Dafür wurde sogar ein Begriff geprägt: SLAPP (Strategic Lawsuit Against Public Participation), was so viel heißt wie „Strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung“. Er beschreibt eine Forderung von Unternehmen, die unterbinden möchten, dass Einzelpersonen oder Gruppen offen über bestimmte Sachverhalte sprechen oder ihre Rechte ausüben[5].
Zuwachs an internationalen Initiativen für den Schutz von Menschenrechten durch Unternehmen
Je mehr Macht die Unternehmen gewinnen, desto relevanter wird auch der Diskurs über ihre Verantwortung in Bezug auf die Menschenrechte. In den vergangenen 10 Jahren sind immer mehr internationale Initiativen ins Leben gerufen worden, die effektive Mechanismen für den Schutz der Menschenrechte fordern, sowohl Schutz für die Opfer, als auch für die Unternehmen selbst.
2011 wurde die UN-Arbeitsgruppe für Unternehmen und Menschenrechte gegründet, die unter anderem offizielle Besuche in den verschiedenen Staaten durchführt. In Mexiko war sie 2016 das letzte Mal. Im gleichen Jahr wurde nach sechsjähriger Forschung mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte ein normativer Rahmen bestehend aus den drei Säulen „Schützen, Respektieren und Beheben“ festgelegt. Es werden 31 Prinzipien festgehalten, die sich an die Staaten und Wirtschaftsunternehmen richten. Sie erklären ihre gegenseitigen Pflichten und Verantwortungen bezogen auf die Achtung der Menschenrechte im Kontext wirtschaftlicher Aktivitäten. Es wird festgelegt, dass die Staaten nicht nur für den Schutz der Bürgerrechte zuständig sind, sondern auch mithilfe von Gesetzen und staatlichen Strategien, das Verhalten der Unternehmen regulieren sollen. Kommt es zu einem Verstoß gegen die Menschenrechte durch ein Unternehmen muss sichergestellt werden, dass Reparationsmechanismen in Kraft treten[6].
Die Europäische Union hat einen sogenannten „Due Diligence“-Vertrag eingeführt, der europäischen Unternehmen dazu verpflichten soll, das Thema Menschenrechte sowie ökologische Sorgfaltspflicht in alle ihre Tätigkeiten zu integrieren und sie für ihr Verhalten in Drittländern zur Rechenschaft zu ziehen[7]. Es wurde berichtet, dass der Gesetzesentwurf im Laufe des Jahres 2021 von der Europäischen Kommission vorgelegt werden soll.
Die fehlende Kooperationsbereitschaft der mexikanischen Regierung
In Mexiko sowie in verschiedenen anderen Ländern rückt die Debatte über Wirtschaft und Menschenrechte durch die Arbeit ziviler Organisationen immer mehr auf die Agenda verschiedener Akteure. Zum Beispiel wurde letztes Jahr im März ein Forum verschiedener Sektoren organisiert, um besserer Wege zu diskutieren, um Due-Diligence-Maßnahmen umzusetzen und Alternativen für den Schutz vulnerabler Personen vor möglichen Misshandlungen durch Unternehmen zu erforschen. An der Organisation des Forum waren multilaterale Organismen wie das UN-Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte, die Organisation für Kooperation und wirtschaftliche Entwicklung, die Europäische Union und die Fokusgruppe der Zivilgesellschaft für Wirtschaft und Menschenrechte in Mexiko beteiligt.
Mehrere mexikanische Regierungen haben sich bereit erklärt, die Zivilgesellschaft und von Wirtschaftsprojekten betroffene Gemeinden in die Entwicklung öffentlicher Politik einzubeziehen, doch bis heute hat es niemand geschafft, einen tatsächlichen Partizipationsprozess zu initiieren. „Es war eher ein Simulationsprozess, bei dem die Regierung zusammen mit Organisationen und Gemeinden Abmachungen trifft, die dann niemals erfüllt werden“, so Yvette González von der Organisationen Projekt für Organisation, Entwicklung, Bildung und Forschung (PODER), die an den Arbeitstischen der Regierung von Enrique Peña Nieto (2012-2018) teilnahm.
Im vergangenen Dezember stellte die Regierung von Andrés Manuel López Obrador den Nationalen Plan für Menschenrechte vor, der verschiedene wichtige Strategien enthält, die einen Impuls für eine obligatorische Sorgfaltspflicht für Unternehmen in Mexiko geben sollen. Sie könnten einen wichtigen Fortschritt bedeuten. Dennoch bestehen Zweifel daran, ob sie im Endeffekt auch tatsächlich umgesetzt werden.
Nachhaltige Entwicklung für wen?
Obwohl der mexikanische Staat seit Jahrzehnten hunderte von Menschenrechtsabkommen unterzeichnet und ratifiziert hat, haben die Regierungen stets Megaprojekte und Extraktion als wichtigste Entwicklungsmaßnahmen vorangetrieben. Viele der Projekte haben gravierende Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen in indigenen Gemeinden und der Allgemeinbevölkerung verursacht. Einige der Verantwortlichen sind öffentliche Unternehmen, was es schwierig für den Staat macht, eine vermittelnde Rolle zwischen Bevölkerung und Wirtschaft einzunehmen. Außerdem wurden durch die Energiereformen Ende der 80er Jahre mehrere Wirtschaftssektoren liberalisiert, was den Eintritt transnationaler Unternehmen nach Mexiko vereinfacht hat.
Aktuell ist eines der Vorzeigeprojekte von Andrés Manuel López Obrador der Maya-Zug. Er wurde nicht nur stark hinterfragt aufgrund der Umweltauswirkungen, die die Umsetzung bedeuten würde, sondern auch weil er die Rechte der betroffenen indigenen Bevölkerung verletzten, die ihnen im Abkommen 169 der Internationalen Organisation für Arbeit zugesprochen werden. Außerdem zeigen verschiedene Forschungen, dass diejenigen, die am meisten von dem Maya-Zug profitieren würden, die großen Unternehmen sind. Dieses Projekt und die damit verbundenen Zweifel stellen jedoch keineswegs einen Einzelfall dar.
Ejido Carrizalillo, Guerrero
In Ejido Carrizalillo im Bundesstaat Guerrero befindet sich eine der wichtigsten Gold- und Silberminen mit zwei Tagebauen und einem Untertagebau. 2008 begann das kanadische Unternehmen Goldcorp mit dem Betrieb der Mine. Seit 2014 wird sie von dem Minenunternehmen Leagold Mining Corporation und Equinox Gold ausgebeutet, die ebenfalls in Kanada sitzen.
Das Ejido hatte es anfangs noch als Erfolg gefeiert, verschiedene Kompensierungen mit der Firma auszuhandeln, doch über die Jahre hat es Ausbeutung, Umweltverschmutzung und Gesundheitsschäden erfahren müssen. Das Unternehmen hat versäumt, die unterzeichneten Abkommen in die Tat umzusetzen. Außerdem kam es immer wieder zu Vorfällen der Kriminalisierung und Gewalt durch die Behörden.
Den Bauern und Bäuerinnen zufolge hat das Unternehmen gegen bestimmte Klauseln des 2019 unterzeichneten Abkommens für Kollaboration und Vergütung verstoßen. Aufgrund des Machtgefälles bei den Verhandlungen organisierten sie im September 2020 eine Blockade der Mine.
Der Staudamm der “Parota”, Guerrero
Das Projekt des Staudamms der „Parota“ existiert seit über 30 Jahren. 2003 begann die parastaatliche Föderale Elektrizitätskommission (Comisión Federal de Electricidad, CFE) mit den Bauarbeiten auf kommunalem Land, ohne die Bauern und Bäuerinnen vorher zu befragen oder sie über die Auswirkungen aufzuklären[8]. Das Projekt bedeutete Veränderungen im Nutzen und Besitz des Bodens und die Verlegung mehrerer Gemeinden. 25.000 Personen müssten direkt umgesiedelt werden, 75.000 wären indirekt betroffen.
2003 gründete sich der Rat der Ejidos und Gemeinden Gegen „La Parota“ (CECOP)[9]. Dieser Widerstand hat bis heute zu Gefangenschaften, Morden und Spaltungen geführt. Aufgrund der eingeschränkten juristischen Mittel, entschiedenen sie sich, für ihre Anerkennung als Gemeinden zu kämpfen und beriefen sich auf den gesetzlichen Rahmen für indigene Völker, der trotz seiner Einschränkungen auch Wege zur Verteidigung bietet.
Der Widerstand des CECOP, der durch das Menschenrechtszentrum Tlachinollan begleitet wurde, hat mehrere juristische Strategien ausgeführt. Unter anderem erreichten sie das temporäre Aussetzen der Arbeiten durch verschiedene juristische Instanzen und die Befreiung einiger Gefangener. Sie fordern weiterhin eine endgültige Beendigung des Projekts. Der aktuelle Präsident hat behauptet, dass das Projekt zumindest während seiner Amtszeit nicht weitergeführt werden soll[10].
Seit 2008 versucht das kanadische Unternehmen BlackFire mit Arbeiten im Gemeindekreis Chicomuselo, Chiapas, zu beginnen, um die größte Baryt-Mine der Welt zu bauen. Die Gemeinden haben sich gegen dieses Projekt ausgesprochen. Der Widerstand hat genau wie in vielen anderen Fällen hohe Kosten für die Aktivist*innen bedeutet, unter anderem den Mord an dem Menschenrechtsverteidiger Mariano Abarca 2009[11].
Verschiedene Aktionen wie Demonstrationen und Beschwerden bei föderalen und internationalen Instanzen haben die temporäre Schließung der Mine bewirkt. Dennoch sind weiterhin 12 Minenkonzessionen bis 2059 gültig, die die mexikanische Regierung an verschiedene Unternehmungen ausgesprochen hat. Auch in diesen Fällen wurden die betroffenen Gemeinden vorher nicht befragt, prangerte das Komitee für die Promotion und die Verteidigung des Lebens „Samuel Ruíz García“ 2017 an. Außerdem wird immer wieder über Anfeindungen gegen die Bevölkerung, die sich gegen die Minenausbeutung einsetzt, berichtet. Weiterhin wurde kritisiert, dass die Unternehmen die bereits bestehende Armut ausnutzt, um finanzielle Unterstützung und andere Arten von Geschenken zu vergeben, welche Spaltungen unter den Bewohner*innen ausgelöst haben.
2019 gab ein kanadischer Richter zu, dass Mariano Abarca „möglicherweise nicht ermordet worden wäre“, wenn die kanadische Botschaft in Mexiko „anders gehandelt hätte“, nachdem die Familienangehörigen des Aktivisten eine Beschwerde vor dem Bundesgericht von Kanada in Ottawa wegen dem Handeln und unterlassenen Handeln im Minenkonflikt 2008 einreichten[12].
San José del Progreso, Oaxaca
Die Gemeinde San José del Progreso stellt sich gegen die Arbeiten in der Mine Cuzcatlán, die seit 2009 dem kanadischen Unternehmen Fortuna Silver Mines (FSM) gehört[13]. Es wurden die Koordination der Vereinten Gemeinden des Ocotlán-Tals (COPUVO) und das Verteidigungskommittee von Magdalena Ocotlán gegen den Bergbau gegründet, die sich der Minenoperation entgegenstellen. Auch dies wird mit jeder Aktion gefährlich und kann sogar tödlich enden. 2012 wurde Vasquez Sánchez, ein Aktivist von COPUVO, ermordet. Der Fall bleibt bis heute unbestraft und das obwohl er schon davor Drohungen von Seiten der Behörden von San José und dem Unternehmen Fortuna Silver Mines erhalten hatte, welche damals von den staatlichen Behörden ignoriert worden waren.
Das Bergbauunternehmen FSM operiert weiterhin in der Region, obwohl das Ministerium für Umwelt und natürliche Ressourcen (SERMARNAT) versichert hat, dies nicht zu dulden und obwohl die regionalen Versammlungen entschieden haben, dass ihre Gebiete frei vom Bergbau sein sollen. Im Juli 2020 beantragte Cuzcatlán ein zweites Mal die Genehmigung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die Mine in San José, um sie weitere 10 Jahre für Gold und Silber ausbeuten zu können[14].
Vielfalt der Strategien aufgrund Fehlen eines etablierten Verteidigungswegs
Es ist wichtig, die Vielfalt der Verteidigungsstrategien zu unterstreichen, die mithilfe lokaler, nationaler und internationaler Komponenten eingesetzt wurden.
Zum Beispiel im Fall der Union Hidalgo, Oaxaca, wo das französische transnationale Unternehmen Electricité De France (EDF Group) über seine mexikanischen Tochterfirmen 2015 mit der Umsetzung des Ölprojekts „Gunaá Sicarú“ auf zapotekischem Gemeindeland begann, ohne die indigene Gemeinde vorher darüber zu befragen oder zu informieren. Frankreich, das zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gehört, ist verpflichtet dafür Sorge zu tragen, dass französische Unternehmen die Menschenrechte in anderen Ländern achten. Deshalb reichtet Repräsentant*innen der Union Hidalgo zusammen mit den Menschenrechtsorganisationen ProDESC und dem Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) im Oktober 2020 eine zivile Beschwerde wegen der Verletzung ihrer Rechte gegen das Unternehmen in Frankreich ein[15].
Im Fall von Rio Sonora, Sonora, kam es zur schlimmsten Umweltkatastrophe durch Bergbau in der Geschichte Mexikos, als im August 2014 eine Mine der Grupo México, Buenavista del Cobre, auslief und 40 Millionen Liter Kupfersulfat in die Flüsse Sonora und Bacanuchi ausschüttete. Über 22.000 Personen in sieben Gemeindekreisen waren von dem Unglück betroffen. Fast sieben Jahre nach dem Desaster haben sich die Versprechen der Regierung und der Grupo México nicht erfüllt. Trotz direkter und indirekter Einschüchterungsversuche organisieren sich die Betroffenen und Gegner der Projekte in den Komitees des Sonora-Tals und werden von nationalen Menschenrechtsorganisationen wie PODER unterstützt. Sie fordern Gerechtigkeit, Reparationen, Beseitigung und Nicht-Wiederholung des Problems.
In der Gemeinde Júba Wajiín, Guerrero, begannen Me-Phaa-Indigene 2011 einen gemeinschaftlichen Kampf in Verteidigung des Landes und des Lebens gegen die Bergbaupolitik des mexikanischen Staats, nachdem die Bundesregierung zwei Konzessionen für ihr Gebiet vergeben hatte, ohne sie befragt oder informiert zu haben. Angesichts der sozialen und Umweltschäden, die ein Tagebau bedeutet würden, entschied sich die Gemeinde, zu kämpfen und erreichte damit 2016 ein historisches Urteil zu ihren Gunsten, welches den Bergbauunternehmen wegen der Verletzung des kollektiven Rechte indigener Gemeinden verbietet, in ihr Gebiet einzutreten[16].
Die vorgestellten Fälle sind nur einige wenige Beispiele, die verschiedene Verteidigungsstrategien darstellen. Sie zeigen Herausforderungen wie das gespaltene Interesse der Regierung, die auf der einen Seite die Menschenrechte garantieren muss, aber auf der anderen Seite auch ökonomische Vorteile sucht und die Unternehmen als „Entwicklungsagenten“ belohnt. Außerdem sind die wichtigsten Energiekonzerne in Mexiko öffentliche Unternehmen.
Weiterhin wird gezeigt, wie Gemeinden und Aktivist*innen auch nach Jahren ihre Rechte und Gebiete verteidigen. Die Bildung von Allianzen mit der Zivilgesellschaft und anderen Menschenrechtsorganisationen, um Aufgaben zu teilen und Erfahrungen auszutauschen, hat den Aktivismus und die Organisation der betroffenen Gemeinden oftmals gestärkt, berichtete PODER, Teil der Fokusgruppe der Zivilgesellschaft für Unternehmen und Menschenrechte in Mexiko, in einem Interview mit SIPAZ.
Herausforderungen und Chancen aus dem wachsenden Feld von Wirtschaft und Menschenrechten
“Es muss damit aufgehört werden wirtschaftliche Verhandlungen und Wettbewerb über die Menschenrechte zu stellen”
Im Interview hoben die Mitglieder von PODER die globale Debatte und die Erkenntnis, dass die Wirtschaft große Verantwortung trägt, als Fortschritt hervor. Dies muss jedoch in Mexiko noch stärker positioniert werden. Sie brachten zum Ausdruck, dass viele Fälle zeigen, dass ein verbindlicher Vertrag für öffentliche und private Unternehmen notwendig ist, um die Sorgfaltspflicht wirksam zu machen, um sicherzustellen, dass die bereits bestehenden Standards verbindlich sind; und insbesondere um eine Gesetzgebung zu entwickeln, die Unternehmen verpflichtet, die Menschenrechte auch dann zu respektieren, wenn sie in Drittländern tätig sind, auch wenn der nationale gesetzliche Rahmen dies nicht vorsieht.
Die bereits erwähnten internationalen Initiativen sind bereits ein Schritt in die richtige Richtung, aber es wird ein klarerer Forderungsmechanismus benötigt, und in den zehn Jahren ihres Bestehens wurden kaum Fortschritte bei der realen Umsetzung der Leitprinzipien erzielt[17].
Aufgrund der immer größer werdenden Macht der Konzerne besteht die ernste Gefahr, dass Unternehmen mehr Einfluss auf die öffentliche Politik nehmen und sogar die Fähigkeit haben, „den Staat zu kapern„, so Miguel Soto von PODER. Außerdem besteht in Mexiko nach wie vor eine große Herausforderung in Bezug auf den Zugang zur Justiz und das Recht auf Wiedergutmachung im Allgemeinen, sagte Ivette Gonzalez von PODER. Eine weitere Herausforderung besteht darin, einen echten Dialog mit den Unternehmen zu führen, damit sie ihre Verantwortung wahrnehmen und erkennen, dass die Einhaltung der Vorschriften letztendlich für sie von Vorteil sein könnte.
Es ist auch erwähnenswert, dass die Folgen der Covid-19-Pandemie im letzten Jahr die Fortsetzung von Widerstandsprozessen erschwert haben, insbesondere im Zusammenhang mit dem Zugang zu Gerechtigkeit und Wiedergutmachung. Dies, zusammen mit der Einschränkung, sich ausschließlich digital zu versammeln, zu demonstrieren oder Veranstaltungen zu organisieren. In der Zwischenzeit konnten extraktivistische Unternehmen ihre Aktivitäten fortsetzen, da sie als „systemrelevante Aktivitäten“ anerkannt werden[18].
Dies macht die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Einrichtung eines oder mehrerer Mechanismen zur Regulierung der Handlungen von Unternehmen sowie einer echten und ausgewogenen Debatte über Entwicklungsmodelle, die auf die Zukunft setzen, noch deutlicher.
- [1] Amnesty International, 2021 UNTERNEHMEN. Abgerufen am 28. Januar 2021..
- [2]
SEGOB 2020. Nationaler Plan für Menschenrechte 2019-2024. Abgerufen am 2. Februar 2021.
- [3] Beobachtungsstelle für Unternehmerische Sozialverantwortung. 2021. Was ist CSR? Abgerufen am 10. Februar 2021.
- [4] Zentrum für Information über Unternehmen und Menschenrechte, 2021. Human Rights Defender & Civic Freedoms. Abgerufen am 8. Februar 2021.
- [5] TexasLawHelp, 2021. Was sind die SLAPP-Forderungen? Abgerufen am 5. Februar 2021.
- [6] UNO – Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, 2011. Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Abgerufen am 5. Februar 2021.
- [7] CIDSE. Together for global justice, 2020. Neues Papier: Ein EU-Gesetz zur Sorgfaltspflicht zur Förderung der Achtung der Menschenrechte und der Umwelt durch Unternehmen. Abgerufen am 18. Februar 2021.
- [8] Rodolfo Chávez Galindo. Der Konflikt um den Staudamm „La Parota“. Abgerufen am 18. Februar 2021.
- [9] Tlachinollan Zentrum für Menschenrechte. 2019. NOTIZ | 16 Jahre CECOP: für die Bildung eines gemeinschaftlichen Netzwerks auf dem Gemeindegebiet Cacahuatepec. Abgerufen am 18. Februar 2021.
- [10] El Proceso. 2020. López Obrador schließt die Wiederaufnahme des Projekts des Staudamms „La Parota“ in Guerrero aus. Abgerufen am 18. Februar 2021.
- [11] Beobachtungsstelle für Minenkonflikte in Lateinamerika. 2021. Chicomuselo, Chiapas. Abgerufen am 16. Februar 2021.
- [12] El País. 2019. Kanada weigert sich, dem Geschehen um den Mord an mexikanischen Aktivisten nachzugehen. Abgerufen am 16. Februar 2021.
- [13] Beobachtungsstelle für Minenkonflikte in Lateinamerika, 2021. Protest der Bewohner von San José del Progreso gegen die Mine „La Trinidad“ wird kriminalisiert. Abgerufen am 16. Februar 2021.
- [14] ISTMO-Press. 2020. Beschwerden gegen die Mine Cuzcatlán – Fortuna Silver Mines wegen Wasserverschmutzung in Oaxaca werden laut. Abgerufen am 17. Februar 2021.
- [15]
ProDESC. Union Hidalgo verteidigt sich gegen transnationales Unternehmen in Frankreich. Abgerufen am 12. Februar 2021.
- [16] Menschenrechtszentrum Tlachinollan. Der unermüdliche Kampf der Bewohner von Júba Wajiín, die wie Töchter und Söhne des Feuers leben. Abgerufen am 12. Februar 2021.
- [17] PODER. 2021. Entrevista con Miguel Soto y Ivette González. 11 de febrero 2021.
- [18] Zentrum für Information über Wirtschaft und Menschenrechte. 2021. Mexiko: Studie des CIEDH deckt Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen während der Covid-19-Pandemie auf. Abgerufen am 15. Februar 2021.