SIPAZ Aktivitäten (Dezember 2002 – Februar 2003)
30/04/2003ANALYSE : Chiapas 10 Jahre nach dem bewaffneten Aufstand
26/12/2003FOKUS: Sprechen Wir, Damit Die Waffen Schweigen – Das Erste Hemisphärische Treffen Gegen Militarisierung San Cristóbal De Las Casas (Chiapas) Vom 6.-9.Mai 2003
Sprechen wir, damit die Waffen schweigen
Das erste hemisphärische Treffen gegen Militarisierung
San Cristóbal de las Casas (Chiapas) vom 6.-9.Mai 2003
In San Cristóbal de las Casas fand vom 6.-9. Mai das erste hemisphärische (kontinentale) Treffen gegen Militarisierung statt. Zivile und soziale Organisationen des gesamten amerikanischen Kontinents sowie der Karibik versammelten sich , um über die Auswirkungen und Ursachen der Militarisierung, und deren Bedeutung für die Bevölkrung Amerikas zu diskutieren. Ebenso natürlich über Möglichkeiten des Widerstands sowie die Utopie eines Lebens ohne Waffen, Militär und Krieg.
Der Anlass des Forums war Chiapas, ein mexikanischer Bundesstaat, der seit dem Aufstand der Zapatisten 1994 unter einer permanenten Militarisierung leidet. Auf internationaler Ebene wurde das Forum zu einem ohnmächtigen Aufschrei gegen die von europäischen Regierungen – wie der britischen und spanischen – unterstützte Aggression der Vereinigten Staaten im Irak. Die militärische Offensive im Irak rechtfertigte die Durchführung des Forums nicht nur, sondern verstärkte die Relevanz einer solchen Veranstaltung genau zu diesem Zeitpunkt.
Aber es gab auch einen Grund zu feiern: in Vieques, Puerto Rico, wurde durch die Mobilisierung der Bevölkerung eine seit 60 Jahren existierende Militärbasis der Vereinigten Staaten am 1.Mai dieses Jahres geschlossen und ausgewiesen. Auf dem hemisphärischen Treffen waren VertereterInnen puertoricanischer sozialer Bewegungen anwesend. Ihre Erfahrung und Berichte gaben Kraft und Hoffnung für die Suche nach Möglichkeiten der Entmilitarisierung und Selbstbestimmung der Bevölkerung des Kontinents.
Während Bomben und Waffen ganze Gesellschaften und Kulturen und letztendlich Leben zerstören, versammelten sich im Herzen von Chiapas Menschen aus 28 Ländern, nicht nur um zu beweisen, dass eine andere Welt ohne Militarisierung möglich ist, sondern um eine gemeinsame Front – mittels Netzwerke aktiver Solidarität – unter jenen aufzubauen, die eine politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Organisation ohne Auflagen verfolgen, welche auf der Selbstbestimmung der Völker, dem Respekt und der Solidarität untereinander beruht.
Unterschiedliche durch Militarisierung geprägte Kontexte und Umstände konnten in den Referaten und Workshops ausgetauscht werden, was ermöglichte Parallelen zwischen verschiedenen Ländern und Regionen des Kontinents zu ziehen. So konnte deutlich herasugearbeitet werden, dass geographische Entfernung zwar Länder, Regionen und Orte voneinander trennt, die leidvollen Erfahrungen terretorialer Militarisierung, die der Logik einer weltweiten die Hegemonilapolitik folgt, die Menschen miteinander verbindet.
Den thematisch unterteilten Arbeitsgruppen standen 3 verschiedene, nicht weit voneinader entfernte Räumlichkeiten zur Verfügung. Während der ersten beiden Tage wechselten sich thematische Konferenzen und Referate zu konkreten Erfahrungen der TeilnehmerInnen ab. Am letzten Tag teilte sich das Forum in Arbeitsgruppen zu den verschiedenen Regionen auf. Aus diesen Arbeitsgruppen entstanden die Vorschläge, die schließlich in der Abschlusserklärung mündeten.
Vor der Schlussrunde am letzten Tag stellte jede Regionalgruppe durch Transparente, Plakate und Spiele die konkreten Vorschläge, zu denen sie gelangt war, vor.
Im Plenum wurde der Beginn der „Kampagne zur Demilitarisierung Amerikas (CADA)“, sowie der kontinentale Aktionsplan und die kontinentale Sozialagenda beschlossen.
Während der 4 Tage des Forums war ein buntes Gemisch aus akademischen Vorträgen, Erfahrungsberichten, Musik, Poesie, Theater, Puppentheater und Clowns hören. Kunst und Kultur waren also ebneso präsent als Instrument, um ein Bewusstsein gegen Militarisierung zu wecken wie die politische und soziale Analyse.
Das Treffen schaffte es eine Vielzahl von Organisationen zu versammeln – von mexikanischen Indigenen bis zu VerterterInnen internationaler Organisationen und Einzelpersonen, von kolumbianischen Gewerkschaften, über guatemaltekischen Studenten zu Koordinatoren von Siedlern aus marginalisierten Gegenden. Also ein sehr heterogenes Publikum, welches jedoch einen gemeinsamen Nenner hat: neben der Besorgnis über die Militarisierung existiert das Gefühl des Ausgeschlossen- und Bedrohtseins durch die Dominanz der neoliberalen Wirtschaftsprojekte wie den Plan Colombia, den Plan Puebla Panama (PPP), die nord- und gesamtamerikanische Freihandelszone (NAFTA und FTAA) oder auch die „Regionale Andine Initiative“. Nach der Analyse der Teilnehmer des Forum entsprechen diese Pläne den Bedürfnissen der transnationalen hegemonialen Wirtschaft und den Plänen der Institutionen von WTO, dem internationalen Währungsfonds (IWF) oder der Weltbank.
Auf ihre Weise bilden die Militärstützpunkte einen Teil des Getriebes der ökonomischen Maschinerie. Daher ist es kein Zufall, dass die Regionen in denen sich die meisten natürlichen Ressourcen befinden, genauso wie die Zonen geostrategischer Relevanz oft am stärksten militarisiert sind. Das Militär wird benutzt, um die ökonomischen Interessen der weltweiten Macht des Finanzkapitals zu erhalten, die sich – komplex verteilt – im „globalen Territorium“ befindet.
Im Rahmen dieser Realität entstand die Abschlusserklärung, die dafür plädiert, für eine Demilitarisierung des Kontinents zu kämpfen und Strategien zu entwickeln, um den Ursachen zu begegnen. Weiter gedacht heisst dies: Eine neue Gesellschaft aufzubauen, deren grundlegende Prinzipien eine Kultur des Friedens als auch wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit sind, in der Solidaritätsvereinbarungen und Austausch zwischen den Völkern herrschen.
Die auf dem Treffen vesammelten Organisationen und Eizelpersonen verständigten sich bezüglich dieses Prozesses darauf, die in den einzelenen Regionen und Ländern gesammelten Informationen, Analysen und Diagnosen auszutauschen und untereinander weiterzugeben. Also einen Austausch über die in allen Bereichen und auf allen Ebenen gemachten Erfahrungen zu Militarisierung und derern Folgen einzuleiten. Weiterhin wurde diskutiert, durch einen permanenten und kontinuierlichen Analyseprozess in Bezug auf Erfahrungen und Möglichkeiten, „Kräfte, Herzen und Wille zu bündeln, um Alternativen des Friedens zu schaffen.“
SIPAZ war Teil des Netzwerks der Organistionen welche dieses Treffen förderte und ernöglichte. Das „Encuentro Hemisferico“ stellte den Beginn einer kontinuierlichen und permanenten Arbeit zur Thematik der Militarisierung und Ihrer Folgen dar: Das hemisphärische Treffen gegen Militarisierung klagt eine Politik der Militarisierung unter der die Bevölkerung Amerikas zu leiden hat ebenso an, wie die wirtschaftlichen und politischen Interessen denen eine Militarisierung entspricht und die sie repräsentiert. Somit wurde die Kampagne für die Demilitarisierung Amerikas (CADA) initiiert.
Ergebnisse des Treffens und auch ein Zeichen für die Übereinstimmung unter den Organistionen zeigen sich in den Folgeversammlungen und auch in der Verbreitung der Arbeitsinhalte des Treffens in indigenen und Basisgemeinden auf lokaler, regionaler, nationaler und kontinentaler Ebene; wie auch in den verschiedenen Foren, die auf regionaler Ebene gegen die neoliberalen Wirtschaftsprojekte und für die freie Selbstbestimmung der Völker folgten.
Für den 5.-7.März 2004 wurde eine Konferenz zur Demilitarisierung Amerikas (CADA) in Quito, Ecuador, beschlossen, die direkt vor dem dort geplanten „amerikanischen Sozialforum“ vom 8.-13.März 2004 stattfinden soll. Danach geht es weiter bis zum „zweiten hemisphärischen Treffen gegen Militarisierung“ im Jahre 2005.
Am letzten Tag der Versammlung forderte der Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel in seinem Vortrag „Frieden und Militarisierung“, dass die Streitkräfte in Lateinamerika ihre Rolle tauschen sollten und sich in den Dienst der Bevölkerung stellen müssten und nicht gegen sie, wie es aktuell passiert. Er vertrat die Meinung, dass es – um die „gefährliche Situation der Militarisierung“ umzukehren – notwendig ist, soziale, politische, ökonomische und kulturelle Alternativen im Leben der Bevölkerung des Kontinentes zu schaffen. „Es reicht nicht ‚NEIN‘ zur Militarisierung zu sagen, und dass die US-amerikanischen Militärstützpunkte verschwinden sollen: wir müssen in unseren Ländern Aufbauarbeit leisten und bei den Regierenden die Existenz dieser Stützpunkte beanstanden.“
Angesichts der aktuellen Legitimationskrise der „Institutionen zur Rettung des Weltfriedens“ – konkret diejenigen der UNO – beweist dieses Treffen, dass die internationale Zivilgesellschaft die Vorreiterrolle übernommen hat sowohl im ethischen Kampf zur Erfüllung der Menschenrechte, als auch in der kollektiven Verantwortung für deren Respektierung und Verteidigung.
Das erste hemisphärische Treffen gegen Militarisierung hat strategische Linien entworfen, um gegen eins der zerstörerischsten Instrumente der aktuellen Staaten zu kämpfen: das Militär. Aufgabe aller Teilnehmenden und anwesenden Organisationen dieses Forums ist es weiterhin zu denunzieren, zu moblilisieren, Mobilisierungen, Informationen aus zu tauschen und die Solidarität unter den Völkern zu stärken.
Laut Carlos Montemayor (mexikanischer Schriftsteller) muss jede Generation für ihre Rechte und ihre Freiheiten kämpfen, weil diese sich nicht vererben. (Unveröffentlichter Vortrag: „Generelle Darstellung der Militarisierung und der Hegemonie der Vereinigten Staaten“)
Fahren wir daher fort zu sprechen, um eine Welt zu schaffen, in der die Stille die Abwesenheit von Waffen und nicht die von Worten ist.