AKTUELLE NACHRICHTEN : Schwere Vorwürfe zu Mexikos Umgang mit den Menschenrechten
31/03/2010AKTUALITÄT : Fortschritt, Stagnation oder Verschlechterung?
30/12/2010Guerrero gehörte nach der Ausrufung des „Kriegs gegen den Drogenhandel“ durch den mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón zu Beginn seiner sechsjährigen Amtszeit mit zu den am stärksten von der neuerlichen Gewalt betroffenen Bundesstaaten, auch wenn nicht dasselbe Gewaltniveau wie im Norden des Landes erreicht wird. Eine Tendenz, die seit 2008 besonders deutlich wird, ist der mit dem Einsatz der Armee einhergehende sprunghafte Anstieg von Anzeigen gegen Soldaten wegen Menschenrechtsverletzungen. In Guerrero ist die Arbeit für Menschenrechtsverteidiger durch die Anwesenheit des Militärs, neben weiteren Faktoren, schwieriger geworden, sei es durch Morde, anonyme Drohungen, Einschüchterung oder mangelnden Schutz durch die Behörden. Nichtsdestotrotz arbeitet die organisierte Zivilgesellschaft, neben anderen auch lokale indigene Gruppen, weiter daran, Alternativen zu entwickeln.
Die Militarisierung in Guerrero hat Tradition
In Guerrero und weitere Bundestaaten im Zentrum Mexikos wurde in den 1960er und 1970er Jahren eine militärische Offensive gegen lokale Guerillagruppen geführt. Im Kontext dieses „schmutzigen Kriegs“ wurden in Guerrero über 500 Menschen verhaftet und „verschwanden„, und – so wird vermutet – aufgrund ihrer angeblichen Beziehungen zu bewaffneten Gruppen ohne Prozess hingerichtet. Nach dem Aufstand der Zapatisten in Chiapas und aufgrund der früheren Organisationsversuche in Guerrero begann die Armee, auch in diesem Bundesstaat wieder Präsenz zu zeigen, was von einer Welle der Gewalt begleitet war und in den Massakern von Aguas Blancas (1995) und El Charco (1998) gipfelte. Bei beiden Massakern kam es zur Folterung, Verwundung und Ermordung von Einwohnern aufgrund ihrer vermuteten Kontakte zu bewaffneten Gruppen. Als Folge des Massakers von Aguas Blancas entstand die Guerillagruppe Ejército del Pueblo Revolucionario – EPR (zu dt.: Revolutionäre Armee des Volks). Drei Jahre später, 1998, gab es die ersten Aktionen des Ejército Revolucionario del Pueblo Insurgente – ERPI (zu dt.: Revolutionäres Armee des aufständigen Volkes). Aufgrund dieser Vorgeschichte geraten soziale und Basisorganisationen in Guerrero schnell ins Visier der Regierung – der bundesstaatlichen wie auch der nationalen.
Der Drogenhandel: Grund oder Vorwand für eine zunehmende Militarisierung?
Im Plan Estatal de Desarrollo 2005-2011 (zu dt.: Plan zur Entwicklung des Bundesstaates 2005-2011) zeichnet die Regierung von Guerrero ein Bild alarmierender Armut und Ausgrenzung: „Im nationalen Vergleich belegt Guerrero in den Bereichen menschliche Entwicklung, soziale und wirtschaftliche Sicherheit, sowie Gesundheit und Anzahl der an die Kanalisation angeschlossenen Haushalte die letzten Plätzen, während in Bereichen wie sozialer Ausgrenzung, Armut und Analphabetismus die ersten Ränge belegt werden“. Die Armut ist einer der Gründe für den Anstieg der mit dem Drogenhandel in Zusammenhang stehenden Aktivitäten: Der Mangel an alternativen Einkommensquellen treibt einen Teil der Bevölkerung dazu, mit dem organisierten Verbrechen zusammen zu arbeiten, vom Anbau der Drogen bis zu deren Verkauf.
Nach Angaben der 35. Militärzone der Armee (entspricht der Region des Bundesstaates, Anm. der Übers.) ist Guerrero in Mexiko Spitzenreiter beim Drogenanbau (hauptsächlich Mohn). Die Drogenkartelle sind für eine hohe Gewaltrate verantwortlich, vor allem in den Gegenden um Tierra Caliente und Costa Grande. Bei den Machtkämpfen zwischen den Kartellen kommt es immer wieder zu Hinrichtungen, Anschlägen und Schießereien. Guerrero steht in der Statistik für Narco-Morde pro Tag an zweiter Stelle, nach dem Bundestaat Chihuahua: 2009 gab es in Guerrero 881 Morde im Rahmen des Drogenhandels, was einem Schnitt von 2,4 Hinrichtungen pro Tag entspricht.
Die Gewalt der Drogenkartelle in Guerrero und anderen Bundesstaaten darf nicht heruntergespielt werden. Trotzdem scheint es beim sogenannten „Krieg gegen den Drogenhandel“ auch darum zu gehen, die Kontrolle über Gebiete zu erlangen, in denen Guerillas vermutet werden und/ oder in denen sich die Gesellschaft organisiert, um ihre Rechte zu verteidigen. So ist das Militär in zahlreiche indigene und bäuerliche Gemeinden eingefallen und hat Hausdurchsuchungen durchgeführt. Im Juni 2009 drangen zum Beispiel bis zu 500 Soldaten auf der Suche nach Mitgliedern der ERPI in den Ort Puerto de las Ollas in der Sierra de Coyuca de Catalán ein. Die Soldaten zerstörten Häuser und schlugen die Menschen, sodass viele sich gezwungen sahen zu fliehen.
Die Zahl der Anzeigen gegen das Militär steigt
Nach Angaben der Kommission zur Verteidigung der Menschenrechte im Bundesstaat Guerrero – CODDEHUM (Comisión de Defensa de los Derechos Humanos del Estado de Guerrero) – hat die Anwesenheit tausender Soldaten in Guerrero im Zeitraum zwischen Dezember 2008 und April 2010 zu einer 300% Zunahme der Beschwerden über Soldaten geführt. Zwischen 2005 und 2010 gingen bei der CODDEHUM 243 Beschwerden über Soldaten ein, 155 davon 2009 und 38 im ersten Quartal 2010. Bei einem Großteil der Beschwerden geht es um Hausdurchsuchungen (144 Fälle), Amtsmissbrauch (98 Fälle), willkürliche Verhaftungen (97 Fälle) und Mord (2 Fälle). Juan Alarcón, Vorsitzender der CODDEHUM weist ausdrücklich darauf hin, dass viele aus Angst vor Repressalien auf eine Beschwerde verzichten, sodass die Anzahl der Beschwerden keine Aussage über die tatsächliche Anzahl der von den Soldaten begangenen Taten ist. Die Statistiken zeigen den Anstieg der Zahl der Menschenrechtsverletzungen seit der Intensivierung des „Krieges gegen den Drogenhandel“: 2008 gab es 35 Beschwerden, ein starker Anstieg zum Jahr davor mit nur 3.
Vergewaltigungen durch das Militär: Fälle von sexualisierter Gewalt vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte
Im Februar und März 2002 wurden die beiden Frauen Valentina Rosendo Cantú und Inés Fernández Ortega, beide Angehörige der indigenen Minderheit Me’phaa, in Acatepec bzw. Ayutla de los Libres von Soldaten des 41. Infanteriebataillons vergewaltigt. Die Misshandlung und die unbefriedigende Antwort darauf seitens der mexikanischen Behörden brachten die Frauen dazu, sich an die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte zu wenden, ihre Fälle wurden schließlich vom Interamerikanischem Menschenrechtsgerichtshof (IAGMR) 2009 zur Verhandlung angenommen wurden.
Bei der Anhörung von Inés Ortega (April 2010) und Valentina Cantú (Mai 2010) vor dem IAGMR beharrte Mexiko darauf, dass es für den Vorwurf der Vergewaltigung keine hinreichenden Beweise gegeben habe. Die Strategie der Anwälte von Inés Ortega und Valentina Cantú beruht auf der Tatsache, dass die sexualisierte Gewalt der Soldaten der gesamten Gemeinde geschadet hat, da diese die gegen die Frauen gerichtete Gewalt als einen gegen die Gemeinde gerichteten Schlag empfinden. Das Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs wird in beiden Fällen für Ende dieses Jahres erwartet.
Risiken für und Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern
Es ist diese komplexe Feld, bestehend aus Militarisierung, Repression und Straffreiheit, in dem Menschenrechtsverteidiger ihre Arbeit leisten müssen. Dies kann auch ein Grund sein, warum es in Guerrero nur wenige Menschenrechtsorganisationen gibt. Die einzige in diesem Bereich aktive internationale Organisation ist PBI (Peace Brigades International). Diese Organisation begleitet gefährdete Menschenrechtsverteidiger. Zu den lokalen Menschenrechtsorganisationen gehören das Menschenrechtszentrum De la Montaña Tlachinollan (kurz Tlachinollan) und das Red Guerrerense de Organizaciones Civiles de Derechos Humanos (Netzwerk ziviler Menschenrechtsorganisationen in Guerrero, kurz Red Guerrerense), zu dem auch Tlachinollan gehört. Die beschriebenen Probleme betreffen sowohl diese Art von Organisation als auch solche mit einem mehr gesellschaftlich orientierten Programm.
Eine gebräuchliche Methode zur Einschüchterung von Menschenrechtsverteidigern besteht darin, ihnen per SMS Drohungen aufs Handy zu schicken. Im Dezember 2009 erhielten die Mitarbeiter des „Taller de Desarrollo Comunitario“ (TADECO) mehrere solcher anonymen Drohungen, die mit ihren eigenen Handynummern verschickt wurden. Drohungen gegen Mitarbeiter von Tlachinollan und gegen Personen, die von ihnen begleitet werden, führten zur vorübergehenden Schließung des Büros in Ayutla de los Libres seit März 2009. In der gleichen Stadt hat auch die Basisorganisation „Organisation der indigenen Gruppe der Me’phaa“ (OPIM; Organización del Pueblo Indígena Me’phaa) ihren Sitz, die seit Jahren Drohungen und Angriffen ausgesetzt ist. Etliche ihrer Anführer haben telefonisch und per anonymem Brief Morddrohungen erhalten. Im Februar 2009 wurden zwei Mitglieder der „Organisation für die Zukunft der Gruppe der Mixteco“ (OFPM; Organización para el Futuro del Pueblo Mixteco), die in der gleichen Region arbeiten, von bewaffneten Männern entführt, gefoltert und ermordet. Ihre Witwen Margarita Martín und Guadalupe Castro haben, weil sie Gerechtigkeit verlangen, Morddrohungen erhalten und im Juni 2009 kam es sogar zu einem Mordversuch gegen Margarita Martín. Ein andere Methode mit der die Regierung die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern erschwert, zeigt sich in der Kürzung des Etats der CODDEHUM. Deren Mitarbeiter geben an, dass die Organisation nun nur noch schwer ihre Arbeit wird durchführen können.
Alle genannten Organisationen haben auf die zunehmende Militarisierung und die Zunahme der Menschenrechtsverletzungen durch Soldaten hingewiesen. Die Anzeige von Inés Fernández und Valentina Rosendos gegen Soldaten wegen Vergewaltigung hat Einschüchterungsversuche und Gewalt zur Folge gehabt. Inés Bruder Lorenzo Fernández wurde im Februar 2008 ermordet und im Dezember 2009 wurde versucht, die Tochter von Valentina zu entführen. Deswegen hat der Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof im Februar 2009 107 Menschenrechtsverteidigern, Mitglieder der Organisationen OPIM, OFPM und Tlachinollan, Schutzmaßnahmen zugestanden und den mexikanischen Staat somit verpflichtet, ihre Sicherheit zu garantieren
Nachlässigkeit oder Unterlassung seitens der Justiz
Mehrere Faktoren tragen dazu bei, dass viele Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Straflosigkeit münden. Das Netzwerk Red Guerrerense gibt zum Beispiel an, dass Untersuchungen durch die zuständigen Behörden in dieser Art von Fällen oft sehr langsam (falls überhaupt) anlaufen und dass Schutz nur widerwillig gewährt wird. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass die Behörden absichtlich Informationen „verlieren“ bzw. nicht berücksichtigen. Im Fall von Raúl Hernández Abundio, der von Amnesty International als Gewissensgefangener anerkannt wird und der des Mordes angeklagt ist, hat die Staatsanwaltschaft des Bundesstaates Guerrero 50 Jahre Haft für den Angeklagten gefordert, während die Verteidigung sämtliche Beweise gegen ihn zurückwies. Die Morde an zwei Mitgliedern der OFPM im Februar 2009 sind weiterhin ungeklärt. Dabei ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die Behörden sich weigern, eine Verbindung zwischen diesen Fällen und der Repression, die viele Organisationen erleben, herzustellen.
Ein weiterer Faktor, der dazu beiträgt, dass Menschenrechtsverletzungen in Mexiko strafrechtlich ohne Konsequenzen bleiben, ist die Immunität der Militärs, wodurch die Zuständigkeit für von Soldaten begangene Menschenrechtsverletzungen bei den Militärgerichten liegt. 2009 kritisierte die UNO in ihrer periodischen Überprüfung der Menschenrechtslage (UPR, Universal Periodic Review) die Existenz dieser Immunität.
Kazikentum – Unterdrückung sozialer Bewegung
Neben der historisch bedingten Repression durch das mexikanische Militär spielt in Guerrero die Macht der „Kaziken„, die sich allem widersetzen, was ihren Interessen zuwiderläuft, weiterhin eine Rolle. So wird vermutet, dass Rogaciano Alba Álvarez aus der Sierra de Petatlán der Drahtzieher hinter der Ermordung der Menschenrechtsanwältin Digna Ochoa y Plácido ist. Im Februar 2010 wurde Alba Álvarez, unter der Anschuldigungen, Verbindungen zu den Drogenkartellen zu haben, verhaftet. Verschiedene Quellen behaupten, dass der Ex-Gouverneur von Guerrero Rubén Figueroa Alcocer (1993-1996) weiter Einfluss auf die Politik ausübt. Während der Amtszeit Figueroas wurden zahlreiche Bauern ermordet und der Bundesstaat wurde stark militarisiert. Des weiteren kam es im Landkreis Xochistlahuaca in den vergangenen Jahren zu zahlreichen Demonstrationen und Anzeigen gegen die ehemalige Landrätin und derzeitige Abgeordnete der PRI Aceadeth Rocha Ramírez. Aktivisten der sozialen Bewegungen, die öffentlich gegen ihre Regierung protestierten, wurden geschlagen, bedroht und verhaftet.
Trotz der Wechsel von Parteien an der Macht in Guerrero gab es keine Fortschritte im Bereich der Menschenrechte. Menschenrechtsorganisationen weisen darauf hin, dass die Regierung der PRD unter Zeferino Torreblanca mindestens genauso, wenn nicht sogar noch repressiver als die Vorgängerregierungen der PRI ist. Die oben genannten Zahlen zeichnen ein Bild alltäglicher extremer Gewalt in Guerrero, die sich in Morden, Einschüchterungsversuchen und Militäraktionen ausdrückt. Sowohl die Militäreinsätze in den Gemeinden, als auch die Ermordung von Aktivisten der sozialen Bewegungen und die Drohungen gegen sie zeigen, dass die Repression gegen die organisierten Bewegungen in Guerrero nicht der Vergangenheit angehört. Unter Torreblanca gehen Menschenrechtsverteidiger bei ihrer Arbeit weiter ein hohes Risiko ein, ohne dass die Regierung sie oder ihre Familien schützen würde. Trotzdem arbeiten die zivilgesellschaftlichen Organisationen beharrlich an der Umsetzung ihrer Ziele: die Förderung lokaler Autonomie, das Einfordern von Gerechtigkeit bei Menschenrechtsverletzungen und Gewalt. Sie bestehen auf ihre Rechte am Land, verlangen konsultiert zu werden und bestehen darauf, ihre Kultur, basierend auf ihren Gewohnheiten und Bräuchen, am Leben zu halten.
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Widerstand gegen Ungerechtigkeit – Aktuelle Fälle in Guerrero
La Parota – „Das Land ist nicht verkäuflich“
Ende 2009 und Anfang 2010 hieß es aus verschiedenen Quellen, dass der Bau des Wasserkraftwerks La Parota in der Nähe von Acapulco bis 2018 verschoben würde bzw. komplett gestrichen worden sei. Der Bau von La Parota hätte die Umsiedlung von 25.000 Bauern zur Folge und würde weitere 75.000 Personen indirekt betreffen. Der „Rat der gegen La Parota aktiven Gemeinden“ (CECOP; Consejo de Ejidos y Comunidades Opositores a la presa La Parota ) vertritt 4 Gemeinden von Bauern, die sich gegen den Bau aussprechen und 63% der betroffenen Flächen repräsentieren. Diese Organisation beansprucht für sich das Recht, als Betroffene Gehör zu finden und betont, dass das „Land nicht verkäuflich ist“.
Während einer von regierungsnahen Gemeindevorstehern einberufenen Versammlung am 28. April in La Concepción stimmten Bewohner der Gemeinde Cacahuatepec der Enteignung von 1300 Hektar zum Bau des Kraftwerks zu. 600 Polizisten sicherten den Versammlungsort und verhinderten die Teilnahme von CECOP-Mitgliedern. Der CECOP machte seine Ablehnung des Ergebnisses der Versammlung deutlich und verlangte vor dem Agrartribunal (TUA; Tribunal Unitario Agrario) eine Aufhebung des Beschlusses. Am 1. Juli bestimmte das TUA, dass der Baubeginn des Kraftwerks bis zum Erreichen einer endgültigen Entscheidung verschoben wird.
Die Gemeindepolizei (Policía Comunitaria) und die Regionale Koordination der Gemeindevorsteher (CRAC)
Die Gemeindepolizei und die Regionale Koordination der Gemeindevorsteher (CRAC; Coordinadora Regional de Autoridades Comunitarias), sind Beispiele für die Etablierung eines indigenen Rechtssystems in den Regionen Montaña und Costa Chica. Als Antwort auf die hohe Kriminalitätsrate entstand die Gemeindepolizei. Anschließend wurde zusammen ein eigenes Gemeinderechtssystem geschaffen und mit diesem die CRAC. Das System baut auf die Prinzipien der Versöhnung und der Einsicht der Konfliktparteien und hat die Wiedereingliederung der Täter in die Gemeinde zum Ziel. Vertreter der CRAC werden nicht müde zu betonen, dass die Gemeindepolizei in den 15 Jahren seit ihrem Bestehen bisher noch niemanden umgebracht hat. Diese Bilanz steht in starkem Kontrast zu den Zahlen, die die staatlichen Polizeibehörden vorweisen können. Mitgliedern der CRAC zufolge ist ihr Erfolg vor allem der Abwesenheit von Korruption im System zu verdanken. Taten werden bestraft und Täter haben keine Möglichkeit einer Strafe durch Bezahlung zu entgehen.
Die CRAC-Verantwortlichen mussten sich gegen die Verfolgung durch die Justiz wehren. In den 15 Jahren seit ihrem Bestehen gab es insgesamt 40 gegen die Verantwortlichen gerichtete Haftbefehle und das, obwohl laut der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die von Mexiko unterschrieben und ratifiziert wurde, den indigenen Völkern das Recht zusteht, ihre Angelegenheiten nach ihren Gewohnheiten und Bräuchen zu organisieren.
Die in der CRAC organisierten indigenen Gemeinden haben noch viel weitergehende Vorstellungen, was ihre Rechte und Kultur angeht. Mit dem Zweck, Gesetzesinitiativen zu indigenen Rechten und Kultur zu entwickeln, haben staatliche Institutionen begonnen, verschiedene konsultierende Foren zu organisieren. In einer Erklärung vom 12. Juli bekräftigt die CRAC, dass sie zu diesen Foren nicht eingeladen wurde und dass sie sie daher als informierende und nicht als konsultierende Foren ansieht. Auf regionaler Ebene organisiert die CRAC zur Zeit eine Reihe von Veranstaltungen zum Thema indigene Rechte und Kultur. Langfristig soll dieser Dialog zu Gesetzen führen, die von der Bevölkerung angestoßen würden.
Radio Ñomndaa
Ein weiterer Organisationsprozess der indigenen Gruppen in Guerrero ist das freie Radio Ñomndaa. Mitarbeiter von Radio Ñomndaa machen deutlich, dass sie das Radio als Mittel sehen, um in ihren Sprachen zu kommunizieren und dass der Radiobetrieb ihr Recht sei. Das Projekt entstand im Dezember 2004 und sieht sich seitdem der Verfolgung und Kriminalisierung seiner Arbeit, vor allem durch die lokale Kazikin Aceadeth Rocha, ausgesetzt. Mehrmals wurde versucht Radio Ñomndaa still zu legen. Außerdem macht ihnen das Radio der lokalen Kaziken die Sendefrequenz streitig. David Valtierra, einer der Gründer des Radios, war zwischen November 2009 und März 2010 im Gefängnis. Die Verhaftung von Rodrigo Morales Valtierra am 5. Januar 2010 ist das jüngste Beispiel für die Verfolgung, der das Radio ausgesetzt ist. Nachdem 250 Menschen in Ometepec seine Freilassung gefordert hatten, wurde Morales am 8. Januar gegen die Zahlung von 6.000 Pesos auf freien Fuß gesetzt. Trotz dieser Schwierigkeiten sendet das freie Radio weiter. Es ist in den Gemeinden der Region in mehreren Basis- und Technikkomitees organisiert.