AKTUELLES: Erstes Jahr von Enrique Peña Nieto, widersprüchliche Wahrnehmungen des „Mexican Momentum“
21/02/2014ARTIKEL: Kirchlicher Kongress der Mutter Erde
21/02/2014Tyempä Cha’an Ysacla’tiel Melelä (Ch’ol)
Tsomblej yu’un melelil xchi´uk lekil chapanel (Tsotsil)
Tzoblej ye´un xcholel chápanel sol´ jmelelil (Tseltal)
Am 6. und 7. September 2013 wurde der Staat Mexiko in der Gemeinde Susuclumil, im Landkreis Tila (Chiapas) wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des „schmutzigen Krieges“ verurteilt. Dieser war infolge des Aufstands der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) von 1994, dessen 20. Jahrestag schon war, in Gang gesetzt worden.
Das Permanente Völkertribunal (TPP) ist eine Möglichkeit der Bevölkerung schwere Menschenrechtsverletzungen, auch wenn sie von einem Staat begangen wurden, anzuzeigen und sichtbar zu machen, nachdem alle rechtlichen Mittel um Gerechtigkeit zu erreichen, ausgeschöpft wurden. Sein Begründer, Leilo Basso, als Rechtsanwalt der Gerechtigkeit verpflichtet, ergriff die Initiative, verschiedene Aktionen im Sinne der unterdrückten Völker mit der Konstituierung des TPP umzusetzen, erschaffen gerade weil das Recht und die Gerechtigkeit, in vielen Fällen, nicht dem Staat und seinen Organen anvertraut werden können. Im Oktober 2011 wurde das Kapitel Mexiko im TPP aufgenommen, dessen Abschluss 2014 sein wird. Im Bundesstaat Chiapas fanden vier Voranhörungen statt, mit den Themen „Frauenmorde und geschlechterspezifische Gewalt in Chiapas“; über den Fall des Massakers in Acteal; über die Gewalt gegen Migrant_Innen, und zuletzt „der schmutzige Krieg sowie Straflosigkeit, Gewalt und fehlender Zugang zu Gerechtigkeit“, die in besagter Gemeinde Susuclumil, Schauplatz von erlebten Ungerechtigkeiten sowie Tod und Verfolgung, stattfand.
Dort trafen sich Geschworene, ZeugInnen, Überlebende und Familien der Opfer der Gemeinden der nördlichen Zone des Staates, Gemeinden aus Chenalhó, Mitglieder der Organisation Las Abejas aus Acteal und der Gemeinde Viejo Velasco (Landkreis Ocosingo).
Die Aufstandsbekämpfungsstrategie als Teil des Plan Chiapas 94
Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas (CDHFBC) erklärte in Susuclumil, dass seit dem zapatistischen Aufstand die Regierung versuchte, die EZLN auf drei Arten zu vernichten. Zuerst militärisch, inklusive Luftangriffen auf Stellungen der Aufständischen; dann durch paramilitärische Gruppen, durch bäuerliche Strukturen die als bewaffneter Arm der Partei der Institutionellen Revolution (PRI), an der Macht in diesen Jahren, fungierten, und schließlich in der jüngsten Phase mit öffentlichen Geldern dank einer beispiellosen Geldspritze, sowohl in Infrastruktur als auch mit Sozialhilfen, „v.a. dorthin gerichtet, wo die EZLN am stärksten war“.
Das CDHFBC erklärte, dass freigegebene US-Akten „bestätigen, was Opfer und Überlebende über die Schaffung der paramilitärischen Gruppen behaupten“. 2009 wurden Dokumente des Verteidigungsnachrichtendienstes der USA (DIA) veröffentlicht, „in denen die Rolle der mexikanischen Armee bei der Unterstützung der paramilitärischen Gruppen in Chiapas beschrieben wird“. Die geheimen Telegramme „bestätigen die Berichte über militärische Unterstützung indigener bewaffneter Gruppen, welche Angriffe gegen mit der EZLN sympathisierende Gemeinden durchführten“. Sie beschreiben „ein geheimes Netz von ´menschlicher Einheiten des Geheimdienstes (Humint)‘, geschaffen Mitte 1994 mit Genehmigung des Präsidenten Carlos Salinas de Gortari, die innerhalb der indigenen Gemeinden arbeiten, um bewaffnete antizapatistische Gruppen zu fördern“.
Seit dem zapatistischen Aufstand 1994 wurde der ganze Bundesstaat militarisiert, gestützt auf den nationalen Verteidigungsplan, der Aktionen der bewaffneten Streitkräfte legitimierte angesichts eines „internen Feindes, der die nationale Sicherheit und Souveränität bedroht“. Das Militär spielte eine aktive Rolle in dem, was als Krieg niederer Intensität, gemäß den folgenden Kriterien, charakterisiert wird: Täuschung der öffentlichen Meinung auf nationaler und internationaler Ebene (Friedensdiskurse, soziale Arbeit der Armee, Beschränkung der Auseinandersetzungen zwischen Streitkräften, Gerüchte, Nutzung der Massenmedien, Einschränkung der Möglichkeiten der internationalen Beobachtung, etc.); Aufrechterhaltung eines militärischen und paramilitärischen Sperrgürtels um die oppositionellen Gemeinden; Einschüchterung der Zivilbevölkerung, potenzielle Unterstützungsbasen der EZLN durch selektive Maßnahmen; und schließlich Polarisierung und Spaltung auf Gemeindeebene oder durch repressive und einschüchternde Maßnahmen gegen soziale Organisationen oder durch Kooptation und Vergabe von Regierungsprojekten an mit der Macht verbündete Gruppen.
In Chiapas bleibt der Grad der Militarisierung bis heute hoch. Die Organisation Amnesty International behauptete, dass 35.000 Soldaten bundesweit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität eingesetzt werden. Im April 2011 erklärte der Kommandant der 7. Militärzone im Bundesstaat, dass 14.000 Militärs in Chiapas stationiert seien, und dass es 40.000 in den 90er Jahren gewesen seien.
Nördliche Zone: die Akzeptanz des alltäglichen Terrors
Geopolitisch wurde die nördliche Zone als strategisches Gebiet betrachtet, das das zapatistische Einflussgebiet mit der Widerstandsbewegung der Chontal in der Hochburg der PRD-AnhängerInnen im Bundesstaat Tabasco verbindet. Dies erklärt die zunehmende Militarisierung der Region, als Versuch den Vormarsch des Zapatismus aufzuhalten, sowie die Straflosigkeit, mit der die priistische Gruppe [d.h. aus AnhängerInnen der PRI bestehend, Anm. d. Übers.] paramilitärischer Prägung, genannt Desarrollo, Paz y Justicia (dt.: Entwicklung, Frieden und Gerechtigkeit), gegründet wurde und handelte.
Die Gewalt stieg parallel mit dem Wahlkampf der Stadt- und Gemeinderäte 1995 an, mit dem Ziel die Opposition einzuschüchtern und abzuschrecken. Bei den Wahlen enthielt sich die Opposition massiv, aufgrund jener Gewalt und der Anweisung der EZLN sich der Stimme zu enthalten. Dies ermöglichte der PRI den Sieg und die Wahl von Samuel Sánchez Sánchez, Chol-Indigener und Lehrer in Tila sowie Gründer von Paz y Justicia, zum Lokalabgeordneten. Im Stadtrat von Tila waren auch Anführern der Organisation, wie Marcos Albino Torres.
Die Indigenen prangerten während der Voranhörung des TPP die Regierungsbeteiligung im Schmutzigen Krieg an. Ein Mann klagte an, dass „im März 1995 Paz y Justicia (durch den Präsidenten des Landkreises) gebildet wurde. Diese Organisation wurde geschaffen, weil die AnhängerInnen der PRI nicht einverstanden mit uns waren: wir wollten einen Wandel, dass es keine Ungerechtigkeit und Ungleichheit gibt, aber die Regierung hört uns nie zu. Das ist die Schuld, wegen der wir vertrieben wurden.“
Die Stimmen der Vertriebenen verweisen darauf, dass Regierungsplaner „unsere Vertreibung gut vorbereitet hatten. Im August 1995, bei einer Versammlung der DorfbewohnerInnen, wurde die Vereinbarung getroffen. Diejenigen, die nicht zu Paz y Justicia gehörten, sollten verschwinden, um das Land abzugeben“. Zu den Methoden der Aufstandsbekämpfung gehören das Niederbrennen von Häusern und Viehdiebstähle: „Aller Besitz blieb zurück und wir sahen, wie sie uns die Häuser niederbrannten. Um zu überleben, mussten wir flüchten. Der Besitz, die Ernte, alles war verloren“. Die Konsequenzen der Vertreibung bedeuten mehr, als das Heim vorübergehend oder dauerhaft aufzugeben: „Wir hatten keine Bewegungsfreiheit. Wir lebten in Angst. Da waren die von Paz y Justicia, Bundeseinheiten, die [Polizei für] öffentliche Sicherheit. Die von Paz y Justicia nahmen die Grundschule ein. Dort waren sie vier Monate, begleitet von der Bundesarmee und der Polizei. Sie brachten sie nicht ins Gefängnis. Im Gegenteil, sie wurden von der Polizei beschützt“.
Ermordungen, gewaltsames Verschwindenlassen und Aggressionen multiplizierten sich. Beim TPP erklärte ein Ch’ol-Indigener den Fall seines Vaters, der 1996 13 mal angeschossen wurde, neun mal zwischen den Kopf und Hals. Eine Studentin erinnerte an das gewaltsame Verschwinden ihres Vaters. Er fuhr zu seiner Gemeinde in einem Kleintransporter und als sie die Kurve von Miguel Alemán erreichten, wurde ihnen gesagt, dass sie nicht durchfahren könnten, weil viele Paramilitärs da waren. Er argumentierte, dass sie ihm nichts tun würden. Dort waren Diego Vásquez und Nicolás Gómez, Anführer von Paz y Justicia. „An diesem Tag verschwand er. Bis heute wissen wir nichts von seinem Aufenthaltsort“, gab sie an. Ein Mann prangerte das Verschwinden seines Neffen an: „1995, als er verschwand, machten wir die Anzeige. Wir leiteten sie an die Staatsanwaltschaft, aber die tat nichts“.
Ein anderer Mann erzählte wie seine Schwester, als sie gerade mal 18 Jahre alt war, über Stunden von 52 Männern vergewaltigt wurde, bis ihr Körper in eine Schlucht geworfen wurde. Oft sind Frauen am meisten gefährdet, als jene, die mit den Kindern und Alten in den Gemeinden bleiben, wenn die Männer in die Berge fliehen. Die sexuellen Bedrohungen sind systematisch. Eine Frau sagte aus, dass sie den Tod ihres Mannes nicht vergisst. Ihm wurde 1996 auf seinem Maisfeld aufgelauert. Sie leistet weiter Widerstand gegen die politischen Parteien und ihr Recht auf Boden wird verletzt, da ihr Grundstück von der Familie ihres verstorbenen Mannes, „Ex-Paramilitärs“, eingenommen wird. Weil sie eine Frau ist, erklärt sie, nehmen die Behörden sie nicht ernst.
Im Kontext der Aufstandsbekämpfung führten die Paramilitärs der Gruppe Desarrollo, Paz y Justicia, mit der Hilfe und Komplizenschaft der PRI-Regierung, in den Landkreisen Tila, Tumbalá, Sabanilla, Yajalón und Salto de Agua – hauptsächlich bestehend aus Ch’ol Indigenen – 85 außergerichtliche Exekutionen, 37 Fälle gewaltsamen Verschwindenlassens und die Vertreibung von mehr als 3.500 Personen zwischen 1995 und 2000 durch. Die AnklägerInnen während des TPP baten um Anonymität, weil sie auch heute noch inmitten der Militarisierung und Paramilitarisierung, dem Schmutzigen Krieg und der alltäglichen Aufstandsbekämpfung leben. Ein Ch’ol-Indigener erinnert sich, dass die Paramilitärs im Februar 1998 seinen Sohn einholten und auf ihn schossen. Die Täter waren Führer von Paz y Justicia. „Ich möchte, dass die Schuldigen mit dem Gefängnis bestraft werden. Es gibt keine Wiedergutmachung des Schadens, mein Sohn ist kein Geschäft“, argumentiert der Zeuge.
Im Oktober 2000 wurden elf Mitglieder von Paz y Justicia inhaftiert, die zentralen Anführer (Samuel Sánchez Sánchez und Marcos Albino Torres) und weitere neun Ch’ol-Indigene wurden nach weniger als fünf Monaten aus „Mangel an Beweisen“ freigelassen. 2002 wurde Diego Vázquez Pérez, ein anderer wichtiger Anführer, und 27 weitere Mitglieder festgenommen, unter ihnen der ehemalige PRI-Gemeinderat des Landkreises Tila und der ehemalige PRI-Bürgermeister von Tila. Die drei Letzteren sind die einzigen Anführer, die bis heute inhaftiert sind.
Massaker von Acteal: Chronik eines angekündigten Todes
1997 eskalierte die Gewalt im Landkreis Chenalhó, die ihren Höhepunkt in dem Massaker von Acteal hatte. Die Überlebenden erinnern sich, dass am 22. Dezember jenes Jahres eine Gruppe Paramilitärs erschienen, etwa 90 Personen, schwarz gekleidet, viele mit schweren Waffen, die ausschließlich vom Militär genutzt werden dürfen. Das Massaker dauerte mehr als fünf Stunden. 45 Tzotzil-Indigene (18 Frauen, davon vier schwanger; sieben Männer; 16 minderjährige Frauen, im Alter von acht Monaten bis 17 Jahren; vier Jungen im Alter von zwei bis 15 Jahren) starben und 26 wurden verletzt, mehrheitlich minderjährige Kinder. Viele von ihnen trugen dauerhafte Schäden davon. Die angegriffenen Personen befanden sich als Flüchtlinge in der Gemeinde Acteal, aufgrund anhaltender Belästigungen bewaffneter Gruppen, die ihre Häuser und Anpflanzungen niederbrannten und ihre Habseligkeiten raubten. Sie waren völlig unbewaffnet, führten einen Fastentag und ein Gebet für Frieden in der Region durch. Ein Posten der Polizei für öffentliche Sicherheit befand sich in 200 Meter Entfernung.
Der Kampf im Landkreis spielte sich zwischen militanten PRI-Anhänger_Innen und „Cardenistas“ (Partei der Front Cardenista des Nationalen Wiederaufbaus) auf der einen Seite und SympathisantInnen der ZapatistInnen auf der anderen. Ein dritter Akteur, der Opfer der Auseinandersetzung war, aber sich nicht als Teil einer Seite betrachtete, ist die Organisation Sociedad Civil las Abejas de Acteal (las Abejas, dt.: die Bienen), eine Gruppe mit den gleichen Forderungen wie die ZapatistInnen, die aber nicht den bewaffneten Weg unterstützt.
Die Gewalt konzentrierte sich während des Jahres 1997 in den Gemeinden rund um Polhó, dem autonomen Landkreis der EZLN in Chenalhó. Es begann im Mai mit einem Streit über die Nutzung einer Kiesgrube und den Bau einer Straße. In einigen Gemeinden forderten die PRI-Dorfvorsteher eine Abgabe, um eine Bewaffnung zu finanzieren und um sich gegen die wachsende Stärke des Zapatismus zu „wehren„. Wer sich weigerte, wurde entführt, geschlagen und/oder vertrieben. Insgesamt wurden zwischen 1997 und 1998 81 Personen umgebracht (mehr als 20 von ihnen PRI-AnhängerInnen), 37 verschwanden und mehr als 10.000 wurden vertrieben.
Die BeschwerdeführerInnen während des TPP bezeichneten das Massaker von Acteal als ein Verbrechen des Staates, „weil es ein Auftrag der Bundes-, Landes- und Landkreisregierung war“, angeführt durch Ernesto Zedillo, Julio César Ruiz Ferro und Jacinto Arias Cruz. „Der Landkreispräsident rief 1997 nach seinen lokalen Polizeieinheiten, Ältesten und Kaziken um zu erklären, dass die Regierung sagte, dass sie nicht von den ZapatistInnen besiegt werden kann“. Las Abejas erklärten, dass die Kaziken und der PRI-Landrat „den Schmutzigen Krieg“ initiierten, und „(sie sagten, dass) obwohl wir keine Waffen haben, wir ZapatistInnen seien. Es war die Vorbereitung des Massakers. Es begann mit dem Niederbrennen der Häuser, Diebstählen, Abgaben, um mehr Waffen zu kaufen. Aber wir waren nicht damit einverstanden, die compañeros [die ZapatistInnen, Anm. der Übers.] fertig zu machen. Wir schlossen uns nicht an, und als sie sahen, dass wir es nicht akzeptierten, begann die Vertreibung“.
Einige Tage nach dem Blutbad wurden Dutzende mutmaßliche Täter, Angehörige der PRI und der Cardenistas, verhaftet. Ebenfalls festgenommen wurde Jacinto Arias Cruz, Landrat von Chenalhó, der als Drahtzieher des Massakers beschuldigt wurde. Außerdem legten der Gouverneur von Chiapas, Julio César Ruiz Ferro, und der Innenminister von Mexiko, Emilio Chuayffet, ihr Amt nieder, angesichts der Vorwürfe ihres Versagens, das Massaker nicht verhindert zu haben. Daraufhin kamen weitere 5.000 Soldaten nach Chiapas, 2.000 davon nach Chenalhó. Es wurde, mit acht Militärlagern, der am zweitstärksten militarisierte Landkreis.
Es wurden 87 Personen verhaftet, „aber die Regierung ließ sie frei“, verurteilten Las Abejas vor dem TPP. Heute stößt die Suche der Gemeinden von Chenalhó nach Gerechtigkeit auf die Haftentlassung Dutzender des Massakers beschuldigter Indigener, nicht aufgrund ihrer Unschuld, sondern wegen Verstößen gegen einen rechtmäßigen Prozess. Gerade mal sechs Personen bleiben inhaftiert. Außerdem wurden „sie belohnt mit Ländereien, sozialen Projekten, Wiedergutmachung der ´Schäden‘ und der Weiterführung des ganzes Krieges“. Seit August letzten Jahres verurteilen Las Abejas, dass sich auf Grund der Haftentlassungen „die Paramilitärs in Chenalhó reaktivieren, ihre Waffen abfeuern und Vertreibungen wie im Jahre 1997 verursachen“. Auch heute noch leiden sie weiter unter den Konsequenzen der Vertreibung in Chenalhó. Im August 2013 flüchteten 98 Personen (17 katholische und baptistische Familien) des Ejido Colonia Puebla nach Acteal, wo sie seither als Vertriebene verweilen.
Viejo Velasco: ein weiterer Fall von Straflosigkeit
Am 13. November 2006 ereignete sich das Massaker in der Gemeinde Viejo Velasco (Landkreis Ocosingo) im Lakandonsichen Urwald, dessen Folge sieben Tote, zwei Verschwundene und 36 vertriebene Personen waren, die noch bis heute außerhalb ihrer Gemeinde sind. Es geschah durch einen Einsatz, durchgeführt von Einheiten der Landespolizei von Chiapas in Kollaboration mit der Organización Para la Defensa de los Derechos Indígenas y Campesinos (OPDDIC, Organisation für die Verteidigung der Rechte der Indigenen und Bauern) und EinwohnerInnen der Gemeinde Nueva Palestina. Viejo Velasco befindet sich am Rande des Biosphärenreservates Montes Azules, ein Gebiet hoher Biodiversität und der kulturtouristischen Nutzung, und, da es sich zwischen den archäologischen Stätten von Palenque und Yaxchilán befindet, von großem Interesse für Investitionen.
Die Taten bleiben unbestraft. 2007 machte eine zivile Kommission eine Begehung und fand zwei Skelette. Sie beauftragten eine Bergung der Überreste. 2008 kam ein argentinisches Team für forensischen Anthropologie zu dem Schluss, dass die Bergung mangelhaft war. Der Staat händigte andere Gebeine aus, was öffentlich angeprangert wurde. Danach wurden Überreste in Computerkisten übergeben, um bestattet zu werden. Als Konsequenz der Taten wurden mehrere Personen festgenommen und es stehen immer noch einige Haftbefehle aus.
Die Organisation Maderas del Pueblo del Sureste veröffentlichte sieben Jahre nach dem Massaker eine Erklärung, die darauf verweist, „dass dieses blutige Ereignis im Kontext des intensiven Kampfes und Widerstandes, der Forderung des Rechts auf Land und auf Schutz und Verwaltung der natürlichen Ressourcen der indigenen Gemeinden im Herzen des Lakandonischen Urwaldes, stattgefunden hat; ein Widerstand, konfrontiert mit aggressiver Politik der territorialen Vertreibung, sozialer Ausbeutung und Privatisierung der Natur, vollzogen durch den mexikanischen Staat, an mehr als 40 Dörfern praktiziert, inmitten der Grenzen des Biosphärenreservates Montes Azules, einer der reichsten Regionen unseres Landes in Bezug auf Biodiversität, Wasser, Wald und touristische wie landschaftliche Attraktionen“.
Das öffentliche Urteil über den mexikanischen Staat
Das für die Voranhörung des Kapitels Schmutziger Krieg sowie Straflosigkeit, Gewalt und fehlender Zugang zu Gerechtigkeit ernannte RichterInnenkollegium, gebildet aus Persönlichkeiten moralischer Autorität, entschieden nach dem Hören „des Schmerzes, die Angst, die Ungerechtigkeit der Enteignung, erlebt und erlitten von Opfern und Überlebenden von außergerichtlichen Hinrichtungen, Folter, Verschwindenlassen, Vertreibung, sexualisierter Gewalt, Raub des Gemeinguts und Territoriums als Folge der Handlungen der mexikanischen Regierung […] Der mexikanische Staat ist schuldig auf allen drei Regierungsebenen, von den Organen der staatlichen öffentlichen Sicherheit, der Landkreise und der mexikanischen Armee, die den paramilitärischen Kräften Deckung, Sicherheit und ökonomische Unterstützung geben, das heißt der ‚Desarrollo, Paz y Justicia‘ genannten Gruppe.“ Und sie fügen hinzu: „Aus den Beweisen und Fakten, die die oben genannten Menschenrechtsverletzungen bestätigen, ergibt sich der Charakter von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie dies die Politik des Genozides ist, die gegen die indigenen Völker Ch’ol, Tzotziles und Tzeltales verübt wurde, Handlungen, die bis zum Tag dieser Voranhörung andauern.