SCHWERPUNKTTHEMA: Guerrero: Die multidimensionale Gewalt fast ein Jahr nach dem Verschwinden der 43 Normalisten aus Ayotzinapa
06/09/2015ARTIKEL: Die vielen Formen zu Kämpfen: Gehen, erleuchten und säen
06/09/2015„Weil wir jetzt und schon seit einiger Zeit sehen, dass sich in vielen Ecken Lichter entzünden.
Lichter der Rebellion und des Widerstandes.
Manchmal klein wie das Unsere.
Manchmal große.
Manchmal dauern sie an.
Manchmal nur ein Funken, der schnell wieder verglüht.
Manchmal dauern sie an, ohne in der Erinnerung zu verglühen.
Und in all diesen Lichtern, lässt sich erahnen, dass der Morgen, der folgt, anders sein wird.“
(Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN), Dezember 2014, Oventik)
Dieses Jahr feiert der Internationale Friedensdienst SIPAZ Geburtstag. Nach seiner Gründung im Jahr 1995, nach dem bewaffneten Aufstand der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) und als Antwort auf den Ruf des Bischofs Samuel Ruiz nach internationaler Beobachtung um die Unterdrückung der indigenen Gemeinden zu stoppen, ist das Jahr 2015 das 20. Jahr der Präsenz von SIPAZ in Mexiko. Heute, zwei Jahrzehnte später, arbeiten wir weiter für die Vermeidung und Prävention von soziopolitischer Gewalt, nicht nur in Chiapas, sondern auch in den Bundesstaaten Oaxaca und Guerrero.
Wir glauben, dass die permanente Anwesenheit von SIPAZ in den letzten 20 Jahren in Mexiko ein Grund ist, zu feiern. Zwei Jahrzehnte der internationalen Begleitung brachten uns unzählige Erfahrungen. Daher haben wir uns entschieden, dass dieses Schlüsseldatum eine gute Gelegenheit ist um inne zu halten und die grundlegenden Lehren zu sammeln, die uns das gemeinsame Gehen mit anderen zivilen Organisationen, sozialen Bewegungen und organisierten Prozessen, die Tag für Tag für die Erschaffung einer besseren Welt arbeiten, gebracht haben. Viele Lehren stammen aus den Prozessen und Kämpfen, bei denen SIPAZ das Privileg hatte, sie begleiten zu können und folglich groß ist das erlangte Wissen. Mit der Bereitschaft Wissen zu teilen sind wir dabei einige Materialien zu erarbeiten. Wie wir bereits angekündigt haben, bereiten wir ein Buch über die Situation der Frauen in den letzten 20 Jahren vor: Die Veränderungen-oder auch nicht- im Leben der Frauen, in ihren Möglichkeien zur Teilnahmne, ihren organisierten Aktionen, im kollekiven Bilde, etc. Zusätzlich zu diesem Material werden zwei weitere Dinge über gewaltfreie Prozesse und die Konstruktion von Frieden, die wir begleitet haben, ausgearbeitet. Das Erste ist eine Videodokumentation, die beispielhaft vier organisierte Prozesse zur Verteidigung der Menschenrechte, des Territoriums, der Würde und der Gerechtigkeit der indigenen Gemeinden in Chiapas, Oaxaca und Guerrero, zeigt. Das Zweite ist ein Buch, das die generellen Lehren über die Kämpfe und Widerstände mit der Perspektive der Gewaltfreiheit verknüpft. In einigen dieser Fälle konnte SIPAZ die internationale Begleiung machen und an ihren Seiten laufen. Beide Sachen werden im internen Forum „20 Jahre an der Seite von Lichtern der Hoffnung“ Ende November präsentiert. Wir möchten, dass es ein festlicher Akt wird, und auch ein Raum, in dem sich diese Lichter der Hoffnung treffen, ebenso wie ein Miteinander von Reflexionen und ein Philosophieren der Protagonisten, die diese Lichter leuchten lassen.
Diese ganze Arbeit hat zwei Ziele. Als Erstes ist es für SIPAZ eine Reflexion , um unser Handeln über die Zeit gesehen einzuschätzen, mit der Absicht, die Angemessenheit unserer Strategien in Zusammenhang mit dem veränderten Kontext zu evaluieren und sie entsprechend dem Moment anzupassen. Als Zweites wollen wir die „Verseuchung mit guten Beispielen“ provozieren. Das soll heißen, dass wir glauben, dass andere Personen, andere Kämpfe und Widerstände in den Materialien Inspiration finden können, um ihre eigenen Horizonte im Rahmen ihrer Zeiten und Geographe zu definieren. Wir glauben daran, dass das Sichtbarmachen von Akionen, wie klein sie auch sind, von Gruppen, die in Richtung Gerechtigkeit gehen, zur Verstärkung der Hoffnung beiträgt. Gleichzeitig dient es dazu, dass andere mit Mut ihren Teil zur kollektiven Konstruktion des Friedens mit Gerechigkeit beitragen.
In diesen 20 Jahren haben wir große Schreie erlebt, wie den „Ya basta!“ (dt.: „Es reicht!“) der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) in Chiapas (1994), den „Stimme für Stimme, Kästchen für Kästchen“ von Andrés Manuel López Obrador (2006), den „Hasta la madre!“ der Bewegung für den Frieden mit Gerechtigkeit und Würde (2011), dem „Nicht mehr!“ von Mireles und den autodefensas (dt.: Selbstverteidigungsgruppen) in Michoacán (2012) und dem „Es war der Staat!“ aus Ayotzinapa in Guerrero (2014). Alle diese waren ein Spiegel um sich anzusehen und sie waren wie eine Erschütterung, um uns nicht gleichgültig gegenüber der Härte der Realität werden zu lassen. Wir streben danach, dass die Lehren, die wir teilen werden, dazwischenfunken und provozieren, damit eine Reflexion entsteht, die dazu anregt, darüber nachzudenken, wo sich jede*r Einzelne*r befindet, und was seine/ihre Idee für das Erlangen des Friedens, der Gerechtigkeit und der Würde ist. Wie uns die Gefährten der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) in ihrem Seminar „Kritisches Denken gegenüber der kapitalistischen Hydra“ mitgeteilt haben: „Und was ist mit dir?“